Liebe Cara,
noch einmal semi-persönlich: alles Gute und Gesundheit für 2016!
Ich finde deine Sichtweise auf die Depression beeindruckend:
Cara Mia hat geschrieben:Dennoch hat mir der Umgang mit der Depression einige Geschenke gemacht. Die ganz große Freiheit beispielsweise. Dass ich gar nichts muss. Überhaupt nichts muss. Vieles darf (fast alles). Ein sicheres Gespür für die Dinge, die für mich ganz persönlich essentiell sind. Eine große Erlaubnis, glücklich zu sein. Den Sinn für den einzelnen Tag. Die Seligkeit über empfundene Freude. Ehrlichkeit. Freude auch über tiefe Trauer, die einen Grund hat und wieder vergeht. Wachstum. Ein Gefühl für meine Mitte. Das gleichzeitige Fühlen von Unwichtig-Sein für die Welt und Zufriedenheit, trotzdem ohne Sinnaufforderung da zu sein.
Und ja, du hast recht: Aus der Depression (und anderen Tiefschlägen im Leben) kann man ganz bestimmt jede Menge lernen. Ich wäre heute mit Sicherheit nicht der Mensch, der ich bin, wenn ich nicht dieses Leben mit den paar Höhen und vielen Tiefen durchlaufen hätte – und nicht alles an mir finde ich schlecht, immerhin. So gesehen, verdanke ich meinem Leben auch etwas. Aber hier kommt mir wieder die Diskrepanz zwischen Denken und Fühlen in die Quere: Ich weiß, dass die Tiefen auch für etwas gut waren und sind, aber es fühlt sich momentan einfach nicht so an …
Cara Mia hat geschrieben:Und Du bist viel zu schlau, um ewig im Bockanfall "ich will aber keine Depressionen haben!" stecken zu bleiben, Blake. Jetzt noch mehr Geduld, noch mehr Geduld, weiter üben und überlegen, wie Du Sachen für Dich lösen kannst, und dann siehst Du weiter.
Ja und nein. Natürlich weiß ich, dass eine bockige Einstellung nichts, aber auch gar nichts verbessert. Aber ganz ehrlich: Mein Alter liegt jetzt vielleicht in etwa bei der Hälfte der durchschnittlichen Lebenserwartung, aber gesundheitlich habe ich, glaube ich, für mehr als zwei Leben einstecken müssen. Ich bin es (d.h. die Abwesenheit von Gesundheit) müde geworden: Ich kann mich – nein, ich glaube, ich will mich nicht mehr mit irgendwelchen Krankheiten arrangieren. Ich will, dass es jetzt endlich mal aufhört! Ich weiß, dass es das nicht tun wird, nur weil ich es will. Aber ich bin einfach
erschöpft.
Mich werfen mittlerweile Kleinigkeiten (gemessen an meiner Krankheitsgeschichte) aus der Bahn. Und meine Erfahrung lehrt mich, dass nach einer gesundheitlichen Herausforderung vor einer (anderen) gesundheitlichen Herausforderung ist (Optimismus wäre also unrealistisch). Die lebenslang immer wiederkehrende – und ich könnte ergänzen: in den letzten fünf Jahren beinahe ständige – Abwesenheit von Gesundheit hat mich mürbe gemacht, gebrochen (von Bockigkeit kann also gar keine Rede sein
). Darauf bin ich nicht stolz, aber so ist es.
Ich weiß, dass es Menschen gibt, die es (noch) härter getroffen hat, ich weiß, dass es unter diesen solche gibt, die erstaunlich gut mit ihrem Schicksal umzugehen gelernt haben; ich habe großen Respekt vor deren Leistung, aber ich bin einfach nicht wie sie.
Sorry, dass es schon wieder so viel Text geworden ist.
Schöne Grüße
Blake (der sich aktuell mal wieder mit einer Entzündung im Körper rumschlägt, damit der Ausklang des vergangenen Jahres und der Start ins neue Jahr auch ja im richtigen Zeichen stehen)