Hört das jemals auf?

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blinzelbienchen75
Beiträge: 18
Registriert: 14. Okt 2015, 11:28

Hört das jemals auf?

Beitrag von blinzelbienchen75 »

Hallo Ihr da draußen,

Wie soll ich nur anfangen? Vor vielleicht vier Jahren bekam ich die Diagnose Depression und generalisierte Angststörung - super :(

In meinem Leben lief wirklich gar nichts mehr, ich konnte kaum einen Fuß vor die Tür setzen ohne eine Panikattacke und die Nacht habe ich vor Angst (wovor eigentlich?) kaum ausgehalten. Dazu dieses Gefühl, dass ganze Gebirge auf meinen Schultern lasten & mich niederdrücken...
Das Schlimmste an der ganzen Sache war, dass ich ein paar Monate vorher zum ersten Mal in meinem Leben wirklich glücklich war. Mein Leben schien -endlich- gut zu werden. Zwei gesunde Kinder, einen lieben Mann, der endlich Arbeit gefunden zu haben schien und zurück in der Heimat, die ich so vermisst habe...

Aber alles kam anders... Manchmal frage ich mich, warum ich ein bisschen Glück im Leben immer so teuer bezahlen muss :(

Mein Leben war von Anfang an unter keinem guten Stern gestanden, meine Mutter war erst 16 als sie mit mir schwanger wurde & musste meinetwegen die Schule abbrechen und ist daheim rausgeflogen. Mit 18 (endlich volljährig!) hat sie dann meinen Vater (Borderliner) geheiratet - großer Fehler...
Überforderung, häusliche Gewalt, Affären, Wutausbrüche... ich glaube mein Weg in die Depression war vorgezeichnet.
Meine Eltern ließen sich scheiden als ich 6 war.
Ich werde nie vergessen als meine Mutter mal zu mir meinte, es wäre vielleicht besser gewesen mich abzutreiben...
Durch mich war sie immer mit meinem Vater verbunden und ich glaube, dass sie, wenn sie mich angeschaut hat, auch immer ihn gesehen hat...
Sie hat dann wieder geheiratet als ich 8 war...
Wahrscheinlich war ich kein einfaches Kind, ich kann mich erinnern, dass ich oft sehr unglücklich war und meiner Mutter als Kind sogar mal einen Brief geschrieben habe, dass ich am liebsten tot sei (was für ein Hilfeschrei von einem Kind!) - daraufhin bekam ich von meinem Stiefvater richtig Ärger und danach wurde mein Verhalten totgeschwiegen...
aber ich werde es auch nie vergessen, dass sie später mal zu mir sagte, dass sie sich für ihn entscheiden würde, wenn sie sich entscheiden müsste, da Kinder ja sowieso irgendwann gehen...

Ich weiß nicht genau, wann diese innere Leere angefangen hat, diese tiefe Traurigkeit, die in meinem Leben fast nicht mehr wegzudenken ist.
Ich habe gelernt meinen Weg allein zu gehen, nach außen hin zu funktionieren (meine Psychiaterin meinte heute, ich strahle so - tja, das habe ich als Kind gelernt, meine Gefühle nie auf meinem Gesicht spazieren zu tragen sondern sie tief in mir zu verschließen)...

Ich habe studiert, ohne finanzielle Unterstützung, ohne Bafög, mein Diplom mit 1,1 abgelegt, um dann als arbeitslose Akademikerin völlig überqualifiziert (dieses Wort hasse ich mittlerweile wirklich) auf der Strasse zu stehen...

Ich bin in Behandlung, nehme AD, hab eine Verhaltenstherapie hinter mir & kann wieder einigermaßen leben/funktionieren.

Es gibt auch Gutes in meinem Leben. Ich habe zwei wundervolle Töchter, für die ich ewig weitermachen werde ;)

Aber hört diese Leere jemals auf? Geht diese tiefe Traurigkeit, die in mir steckt, irgendwann einmal weg?

Auch ich gehöre zu diesen lieben, hilfsbereiten Menschen, auf die man sich immer verlassen kann... Zu mir meinte einmal jemand, es wäre so schön, dass ich immer ein Lächeln übrig hätte... und dieses Lächeln werde ich mir auch nicht nehmen lassen... es laufen schon zu viele traurige Gesichter herum...

Aber ich möchte einfach nicht mehr kämpfen müssen, ich bin mittlerweile so verdammt müde

Warum kann man sich trotz guter Freunde und einer Familie nur so allein fühlen ?!?

Blinzelbienchen
Katerle
Beiträge: 11378
Registriert: 25. Sep 2014, 10:30

Re: Hört das jemals auf?

Beitrag von Katerle »

Hallo blinzelblienchen,

da hast du ja auch schon einen schwierigen Weg hinter dir...

schlimm, was deine Mutter erfahren hatte, nur das ist alles kein Grund, sowas Schreckliches zu seinem Kind zu sagen. Kein Wunder, dass du dann solche Gedanken entwickeltest...

Toll, das du zwei wundervolle Töchter hast, für die du ewig weitermachen würdest. Mir geht das auch so, habe auch ganz wunderbare Kinder.

Solche Sachen sagte mir man auch schon öfters mit dem Lächeln.

Naja, ganz weg wird diese Traurigkeit nicht gehen. Es wird immer ein Teil von dir bleiben. Aber dein Lächeln kannst du trotzdem beibehalten und auch wieder glückliche Momente erleben.

Du fühlst dich deshalb so allein trotz guter Freunde und einer Familie, weil du es von Anfang an nicht anders gelernt hast, dich allein durch´s Leben durchzukämpfen bei deiner Lebensgeschichte.

Wünsche dir ganz viel Kraft und Durchhaltevermögen.

Liebe Grüße
Katerle
alpdrückeberger
Beiträge: 6
Registriert: 22. Jun 2015, 15:30

Re: Hört das jemals auf?

Beitrag von alpdrückeberger »

Warum kann man sich trotz guter Freunde und einer Familie nur so allein fühlen ?!?
Weil viele von uns, die an der Krankheit leiden, den ganzen Ballast mit den Eltern viel länger mit herum schleppen als das nötig wäre. Bei dir war es offb. das VErhältnis zu deiner Mutter, von der du niemals die Rückendeckung bekommen hast, die sich jedes Kind wünscht, und das eiogentlich bei jedem Vater, jeder Mutter das "Natürliche" Gefühl gegenüber dem eigenen Kind ist: dass es das Wichtigste im Leben ist.

Bei mir war es das Verhältnis zu meinem Vater, noch mit Mitte dreissig konnte ein Satz wie: "deine Mutter und ich haben uns wegen dir getrennt" mich vorüberghened lähmen, wie das Kaninchen vor der berüchtigten Schlange. Und selbst als ich den Kontakt zu ihm abgebrochen habe und er mittlerweile verstorben ist, konnte ich in ihm immer nur den VErsager sehen, der ich in der Depression selbst geworden bin.

Heute wünsche ich mir, dass die Depression schon vor seinem Tod ausgebrochen wäre und ich ihm einen "versöhnlichen " Brief hätte schreiben können. Ob ich ihm den auch geschickt hätte weiss ich nicht. Aber die Option "reinen" Tisch zu machen hätte ich zumindest gehabt. Vielleicht schreibe ich den Brief ja noch und lege ihm den aufs Grab? Eigentlich keine schlechte Idee...

Ich wünsche dir dass du auch die Kraft findest die Wunden die dir das Leben gerissen hat langsam sich schliessen zu lassen.

Alles Gute, alp
Pummelchen
Beiträge: 1632
Registriert: 2. Sep 2015, 17:21

Re: Hört das jemals auf?

Beitrag von Pummelchen »

Hallo Alp,
ich bin immer wieder erschreckt u. wütend wie es dir u. z.B. Blienzelbienchen mit euren Elternteilen ergangen ist. Wie kann man solche Äußerungen u. Gedanken vor einem Kind machen, u. die Kinderseele so verletzen??? Bei allem Verständnis für schwierige Situationen, das kann ich doch nicht an einem Kind auslassen den Frust!

Alp ich kann sehr gut verstehen das du die Aussöhnung mit deinem Vater vor seinem Tod gerne gehabt hättest, aber vielleicht wir wissen es nicht gibt es sowas wie einen "Himmel" wo die Verstorbenen sind u. dein Vater um deine Gedanken weiss???
Aber abgesehen davon glaube ich das viele Menschen nach dem Tod eines Angehörigen denken das u. das hätte ich anders machen können oder das habe ich versäumt. Ich denke da sollte man Frieden mit sich machen, wir sind alles nur Menschen mit Fehlern u. Schwächen. Vielleicht ist es auch ein Anstoß manche Dinge zu Lebzeiten besser zu machen. (ich hoffe das klingt jetzt nicht zu geschwollen, ich komme mir gerade vor wie eine Pfarrerin) das waren jetzt einfach meine Gedanken.

Weisst du ich hatte sehr liebevolle Eltern, u. ich empfinde eine grosse Dankbarkeit dafür. Ich würde es jedem Kind auf der Erde wünschen das es willkommen ist u. geliebt wird. (ich weiss ist nur Wunschtraum)
Alp ich wünsche dir alles Gute!

@Blinzelbienchen als erstes ich freue mich so für dich das du eine liebe Familie hast, für die es sich lohnt zu kämpfen. Du hast soviel geschafft, behalte bitte dein Lächeln. Ich fühle mich in der Depression trotz guter Familie u. stabilen Freundeskreis einsam u. verlassen wie ein kleines Kind. Allerdings muss ich sagen seit dem ich im Forum schreibe hat sich das geändert. Dieses verstanden werden u. austauschen tut mir gut, u. mir hilft es mir alles von der Seele zu schreiben. Es gibt hier im Forum wirklich viele liebe Menschen, die mir guttun.
Ich wünsche dir ganz viel Kraft das du aus dem schwarzen Loch wieder herauskommst, u. die Verletzungen wo du erlitten hast irgendwann heilen können.

Liebe Grüße Pummelchen
blinzelbienchen75
Beiträge: 18
Registriert: 14. Okt 2015, 11:28

Re: Hört das jemals auf?

Beitrag von blinzelbienchen75 »

Ganz, ganz lieben Dank für Eure Guten Wünsche. Es tut schon gut sich das Ganze mal unverblümt von der Seele zu schreiben...

Mittlerweile bin ich 40 und versuche wirklich mit meiner Kindheit so langsam abzuschließen, sie so zu akzeptieren wie sie war, ändern lässt sich sowieso nichts mehr...

Ich möchte hier auch nicht meine Mutter als Schuldige hinstellen. Sie war so blutjung, fast noch ein Kind, & wollte mit Sicherheit immer nur das Beste... Aber in ihrer Kindheit hat sie so etwas wie Familienleben wohl auch nie erfahren...
Als sie so 6-8 war hat ihre Mutter die Koffer gegepackt, ihre kleine Schwester mitgenommen und sie bei ihrem tyrannischen Vater gelassen. Was richtet DAS mit einer Kinderseele an?!?!?
Der konnte mit ihr natürlich nichts anfangen und hat sie seiner Mutter zur Pflege aufs Auge gedrückt. Und die hat sich dann bis sie 12 war um sie gekümmert. Meine Uroma war stark, sehr streng und altmodisch, höhere Schulbildung für Mädchen hielt sie für überflüssig - sie kam selbst mit 12 als Magd auf einen Bauernhof- aber sie hat meine Mutter nicht im Stich gelassen und sich auch um mich (!) gekümmert, wenn Not am Mann war!
Als mein Opa dann wieder geheiratet hat, hat er meine Mutter, mittlerweile 12, wieder heim geholt - als billige Haushaltshilfe...

Ich glaube, meine Mutter hatte eine völlig unwirkliche Vorstellung einer Familie, so dass das Ganze von Anfang an zum Scheitern verurteilt war... Ich war ja auch keine Puppe, sondern ein Mensch aus Fleisch und Blut, und Kinder können einen schnell an seine Grenzen bringen...
Sie hat mir einmal erzählt, dass sie sich nicht mehr getraut hätte mich in den Arm zu nehmen seit ich einmal bei einer Umarmung ganz steif geworden wäre. Sie ging damals davon aus, dass ich ihr die Schuld an der Trennung von meinem Vater gab...
ICH WAR DAMALS 3 JAHRE ALT.
Und danach hat sie mich als Kind nie wieder in den Arm genommen...

Für mich ist es wichtig diese Abwärtsspirale, die sich bei uns zeigt zu durchbrechen und meine Kinder zu starken und selbsständigen Menschen zu erziehen, die IMMER wissen sollen, dass ich sie liebe und hinter ihnen stehe, egal was kommt.
Ich finde das hat JEDES Kind verdient; diese Verantwortung gehe ich als Eltern ein wenn ich Kinder in die Welt setze!

Soweit von mir...
Blinzelbienchen
Katerle
Beiträge: 11378
Registriert: 25. Sep 2014, 10:30

Re: Hört das jemals auf?

Beitrag von Katerle »

@ alpdrückeberger
Wie konnte das dein Vater nur zu dir sagen! Mich macht das ein Stück wütend und auch traurig...
Mich entsetzt sowas immer, wenn eine Trennung auf dem Rücken von den Kindern ausgetragen wird. Meine Lieblingsoma gab mir damals die Schuld, dass es zur Trennung von meinen Eltern kam. Das war sehr hart für mich... Nach der Trennung meiner Eltern war der komplette Kontakt zu der Familie von meinem Vater abgerissen. Das war traurig...
Zur Beerdigung sah ich dann nach vielen Jahren meine Lieblingscousine wieder und wir fielen uns in die Arme und weinten. Meine Kinder auch...

Ja blinzelbienchen, das ist ein langer und steiniger Weg, alles auf- bzw. zu verarbeiten. Die Vergangenheit lässt sich nicht änderen und wenn dann noch weitere Probleme in der Partnerschaft hinzukommen, da kann man fast ein dickes Buch schreiben...

Sicher war das schwer, blinzelbienchen, was deine Mutter durchmachen musste, nur das rechtfertigt nicht, sowas verletzendes zu seinem Kind zu sagen.

Ich bin auch froh, meine Kinder zu selbstständigen Menschen erzogen zu haben, trotz der ganzen Umstände und mich macht es einfach glücklich, dass sie mich lieben und ich sage oder schreibe es ihnen auch oft, nehmen uns in den Arm, auch wenn ich kein fehlerfreier Mensch bin.

Weiterhin alles Gute bei eurem Weg!
LG Katerle
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