Umgang der Familie mit Krisen

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fantail
Beiträge: 15
Registriert: 7. Nov 2015, 17:04

Umgang der Familie mit Krisen

Beitrag von fantail »

Hallo Zusammen,

ich hab mal ne Frage an euch!

Wie gehen eure Familien mit euren Krisen um?

Ich fühle mich in Krisenzeiten irgendwie von meiner Familie nicht wirklich unterstützt. Mein Eindruck ist, dass sie kaum Verständnis für meine Situation haben. Sie fangen mich nicht wirklich emotional auf, verbringen kaum Zeit mit mir. Und diese Fragen "Was ist denn mit dir?" "Woran liegt es denn, dass es dir wieder schlechter geht?" sind doch wohl völlig daneben! Was soll man denn dazu sagen! Es gibt nicht immer einen offensichtlichen Grund für meine Krisen.

Immer wieder erzeugt dieses wenige Interesse insbesondere auch meiner älteren Geschwister ziemlich viel Wut in mir! Tatsache ist wohl, dass wir uns nicht sonderlich nah sind. Auch wenn nach außen hin immer so getan wird (Regelmäßige Treffen sind obligatorisch! Für mich mittlerweile nur noch eine Farce.) Man trifft sich in großer Runde und will dann eigentlich nur schöne und lustige Dinge austauschen (irgendwo auch verständlich). Darüber hinaus gibt es kaum eine persönlich Kontaktaufnahme, um sich nach meinem Befinden zu erkunden. Das macht mich oft unendlich traurig. Bin ich egoistisch, weil ich mir von Ihnen mehr Aufmerksamkeit wünsche? Eigentlich doch nicht, oder? Ist das nicht nur normal?

Ich bin echt nicht sicher, ob ich Ihnen nicht vielleicht auch unrecht tue. Das wir nicht über meine Krise sprechen liegt natürlich auch an mir, weil ich es abblocke.
Zum anderen bin ich in Krisenzeiten auch oft sehr schlecht auf sie zu sprechen und zeige das auch allzu deutlich. Da hätte ich wahrscheinlich auch keine Lust, noch mehr Zeit mit mir zu verbringen! ;-)
Und schlussendlich ist es ja auch nicht einfach für die Angehörigen mit den oft wechselnden Stimmungen umzugehen. Dass das für sie auch belastend ist ... verständlich.

Wie würdet ihr damit umgehen?
Ich habe schon oft den Gedanken gehabt, dass ich am liebsten mit Ihnen nix mehr zu tun haben möchte! Aber irgendwie geht das ja auch nicht. Sie sind meine engste Familie. Ein totaler Bruch wäre einfach fatal. Ich kann nur versuchen mich nicht länger emotional von Ihnen abhängig zu machen. Sondern vielmehr Beziehungen außerhalb der Familie zu intensivieren, die mir in Krisenzeiten halt geben können.
Ich habe jahrelang versucht diesen Halt von der Familie zu bekommen. Ich bin oft genug gescheitert!

Was sagt ihr?

Danke und eine gute Nacht
fantail
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Nadine83
Beiträge: 7
Registriert: 12. Nov 2015, 13:46

Re: Umgang der Familie mit Krisen

Beitrag von Nadine83 »

Hallo fantail

Beim lesen deines Textes dachte ich du beschreibst mein Leben. Mir geht es genauso wie dir. Meine Familie macht auch gern heile Welt Treffen. Von denen ich nun aber fernbleibe da diese stark an mir zehren. Ich beziehe nun endlich klar meinen Standpunkt allerdings erst seit Beginn meiner Verhaltenstherapie in der ich auch gelernt habe sie loszulassen denn das ständige nach Anerkennung und Zuneigung geheische hat mich ja erst zu dem Menschen gemacht der heute zur Therapie geht. Mir wurde stets eingetrichtert das Wohl anderer stets vor das meine zu stellen naja was dabei rauskam bade ich nun Jahrzehnte aus und ändere mein Leben nun durch die Therapie. Nun geiere ich nach Zuneigung in der Familie meines Freundes wodurch ich mich stark ausnutzen lasse und mich ständig selbst überfordere. Na gut da bin ich selbst dran schuld.
Was ich dir eigentlich sagen will , entschuldige meine Ausschweifungen, schaffe dir eine für dich gut tuende Distanz zu deinen Lieben und beziehe klare Standpunkte mit dem was du willst und was nicht. Fühlt sich anfangs ungewohnt und nicht so schön an aber nach kurzer Zeit stellt sich eine Art Erleichterung ein da du Achtsamkeit an dir selbst ausgeübt hast.

Viele liebe Grüße Nadine
Katerle
Beiträge: 11365
Registriert: 25. Sep 2014, 10:30

Re: Umgang der Familie mit Krisen

Beitrag von Katerle »

Hallo fantail,

kann deine Enttäuschung und Wut verstehen und das du traurig bist. Als ich damals krank wurde und nicht mehr arbeiten konnte, waren alle meine Geschwister noch in Arbeit. Kaum hatte mal jemand Zeit für mich. Meine Brüder schon garnicht, meine Schwester war ab und zu da. Meine anderen S. fragten aber nach mir. Und wir trafen uns auch, wenn auch selten.
Nun, ich finde schon, dass es auch dein Recht ist, mal egoistisch zu sein und Aufmerksamkeit auf dich zu lenken.

Ich hatte mich letztens über meinen Bruder geärgert, weil er mich nicht mal anruft. Er meint dann immer, er hätte ein anderes Netz als ich. Das besprach ich dann auch mal mit meiner Therapeutin, dass ich immer diejenige bin, die den ersten Schritt macht, anzurufen. Daraufhin meinte sie, dass es besser ist, das anzusprechen und mich nicht enttäuscht zurückzuziehen (auch bei meinen Freunden), wen sie sich nicht melden.

Also wenn du mich fragst, ist es besser es, dass mal im Beisein deiner Geschwister anzusprechen, damit sie wissen, wie du dich eigentlich fühlst.

Zu zwei meiner S. habe ich mehr Kontakt und auch zu der anderen. Jedenfalls habe ich auch die Erfahrung gemacht, mir noch weitere Kontakte aufzubauen, die mir in Krisenzeiten weiterhelfen, auch wenn es nur ein paar sind.

Liebe Grüße
Hurli
Beiträge: 26
Registriert: 9. Nov 2015, 15:30

Re: Umgang der Familie mit Krisen

Beitrag von Hurli »

Wie geht meine Familie mit Krisen um?

Sehr unterschiedlich, da ist zum einen meine Oma: Als ich vor 10 Jahren das erste mal in einer Klinik war, war sie sehr besorgt, anschließend war es eher Unverständnis noch später kamen dann Vorwürfe ich sei nur zu faul zum Arbeiten und mittlerweile driftet sie in Richtung Verständnis... das fühlt sich bei mir aber nicht sehr echt an. Mein Opa kann gar nicht damit umgehen, der geht einfach drüber hinweg, damit komme ich mittlerweile klar, weil er halt so ist.

Meine Mutter gibt sich selbst sehr viel die Schuld daran dass es mir so schlecht geht, wodurch es ihr selbst sehr schlecht geht, weshalb ich mit ihr auch nicht wirklich sprechen kann.

Meine Geschwister: Sehr unterschiedlich Die eine Schwester macht das echt gut, sie schaut dass sie den Kontakt hält, fragt regelmäßig nach wie es mir geht und mit ihr kann ich auch so manches besprechen.
Eine weitere Schwester ist äußerst egozentrisch, was dazu führt, dass wenn sie so einmal im Jahr fragt wie es mir geht, die Antwort nicht abwartet und von ihr, ihren Erlebnissen und ihrem Schicksal berichtet.
Mein Bruder ist gerade dabei sich zu finden und hat folglich auch nicht so wirklich den Kopf dazu in Krisen zu reagieren und die jüngste Schwester ist erst siebzehn die halte ich so gut es geht aus meinen Krisen raus.
So viel zu meiner Herkunftsfamilie (Zu meinem Vater habe ich erst wieder seit einem halben Jahr Kontakt dass muss sich erst entwickeln bevor ich dazu eine Meinung habe)

Nun zu meiner eigenen Familie:
Meine Frau ist sehr verständnisvoll und auch rücksichtsvoll, was aber in Krisen in meinem kranken Kopf alles so vor sich geht kann ich ihr nicht sagen, da müsste ich angst haben, dass sie mich einweisen lässt. Wenn die Krise vorbei ist kann ich ihr mit etwas Abstand allerdings schon sagen was ich für kranke Gedanken hatte, dann ist das aber auch gut.

Meine Kinder halte ich so gut es geht aus meinen Krisen raus, sicher bekommen die auch mit wenn es dem Papa mal nicht so gut geht und lassen mich dann tendenziell ein wenig mehr in ruhe aber erwarten tue ich das von den Kindern nicht.

Ja so sieht das bei mir glaube ich aus


Aber was wünschst du dir denn wie deine Familie mit deinen Krisen umgehen soll oder kann. Ich kann jeder einzelne Reaktion meiner Familie nachvollziehen und auch bei deiner habe ich jetzt nichts gefunden was ich nicht nachvollziehen kann. Das heißt jetzt nicht dass es vielleicht auch anders laufen könnte. Aber nicht Betroffene verstehen auch nur ganz selten was wirklich in dir vor geht. Ich bin mir nicht sicher ob sich irgendetwas ändern wird in eine von Dir gewünschte Richtung, wenn Du nicht über deine Krisen sprichst oder nicht wenigstens immer und immer wieder das einforderst was du dir ehrlich wünschst.

Ich muss dazu sagen es viel mir echt nicht leicht überhaupt auf deinen Thread zu antworten, es war mir aber ein tiefes Bedürfnis, da es Dir echt nicht gut zu gehen scheint mit dem wie es in Deiner Familie aktuell läft

Grüße Hurli
Novembersonne
Beiträge: 43
Registriert: 15. Okt 2015, 13:49

Re: Umgang der Familie mit Krisen

Beitrag von Novembersonne »

Hallo,
bei meiner Familie ist es ähnlch wie bei Hurli - sehr unterschiedlich. Wobei sie nicht offiziell wissen, daß ich Depressionen habe, das habe ich immer mit mir selber ausgemacht. Aber sobald das Thema seelische Erkrankungen aus welchem Grund auch immer angesprochen wird, gibt es die ganze Bandbreite von totalem Verständnis bis zur völligen Ablehnung.

Wobei ich mich da auch ein Stück weit an einen Lieblingsspruch meiner Mama halte: "Familie hat man, Freunde sucht man sich aus!"

Ich erwarte nicht von meiner Familie, daß sie mir helfen. Wenn sie mich wobei auch immer unterstützen, finde ich das fantastisch. Und ja, ich erhoffe es mir natürlich auch. Schließlich sind wir eine Familie und Familie ist mir extrem wichtig. Aber wenn kein Verständnis, Unterstützung, etc. kommt, dann ist es eben so. Kann ich mir ja nicht aussuchen. Halte ich mich eben mehr an meine Freunde. (Wobei da mein Mann natürlich eine Sonderstellung einnimmt. Das ist die einzige Familie, die ich mir ausgesucht habe. Von dem erwarte ich Unterstützung, soweit er dazu in der Lage ist.)

Liebe Grüße,
Novembersonne
"Tief im Herbst drin liegt ein Neubeginn" (Herbert Grönemeyer, "November")
fantail
Beiträge: 15
Registriert: 7. Nov 2015, 17:04

Re: Umgang der Familie mit Krisen

Beitrag von fantail »

Danke an euch, dass ihr eure Erfahrungen mit mir geteilt habt!
Das zeigt mir auch, dass ihr ähnliche Reaktionen in eurer Familie erlebt und meine Familie kein Einzelfall ist. Ich sehe schon im Bekanntenkreis Menschen, die aus meiner Sicht eine bessere Beziehung zu ihrer Familie pflegen: regelmäßiger Kontakt und Austausch, mehr Anteilnahme an dem Leben des anderen. Ich denke, dass ist auch mein Wunsch, wobei ich zugleich auch verbittert bin und starke Ablehnung (zumindest gegenüber einem Teil meiner Familie) empfinde.
Also stehe ich mir wohl auch selbst im Wege, weil ich mich über eine Situation beschwere, die ich kaum ändern will.

@Hurli: danke ganz besonders für deinen Beitrag, obwohl es dir so schwer fiel diesen zu verfassen.
Aber was wünschst du dir denn wie deine Familie mit deinen Krisen umgehen soll oder kann. Ich kann jeder einzelne Reaktion meiner Familie nachvollziehen und auch bei deiner habe ich jetzt nichts gefunden was ich nicht nachvollziehen kann. Das heißt jetzt nicht dass es vielleicht auch anders laufen könnte. Aber nicht Betroffene verstehen auch nur ganz selten was wirklich in dir vor geht. Ich bin mir nicht sicher ob sich irgendetwas ändern wird in eine von Dir gewünschte Richtung, wenn Du nicht über deine Krisen sprichst oder nicht wenigstens immer und immer wieder das einforderst was du dir ehrlich wünschst.
Ja, ich kann ihre Reaktionen auch nachvollziehen. Daher hab ich ja auch geschrieben, dass ich Ihnen in meinen Anschuldigungen vielleicht auch unrecht tue.
Was ich auf jeden Fall nicht mehr ertragen kann, ist dieses Getue, dass wir eine tolle Familie wären, weil ich das so komplett anders sehe. Für die wirklichen Bedürfnisse des anderen interessiert sich in meiner Familie (mit Ausnahme meiner kleinen Schwester vielleicht) keiner. Mein ältester Bruder ist häufig nur auf seinen Vorteil aus. Aber auch besonders gut da drin den Anschein einer tollen Familie zu wahren. Ich halte ihm zu Gute, dass er sich bemüht für regelmäßige Treffen der Geschwister zu sorgen. Aber wenn bei mir der Eindruck entsteht, dass er das eigentlich nur für die Außenwelt tut, bei unseren Treffen die Gespräche absolut dominiert und kein Interesse an ein paar persönlichen Worten hat, was habe ich dann davon? Solche Beziehungen will ich nicht mehr!
Meine ältere Schwester ist von ihrem Beruf (sie hat die letzten 5 Jahre mit ihrer Dissertation verbracht) so gestresst, dass sie sich im Recht fühlt, sich in diesen Zeiten überhaupt nicht zu melden. Ich finde das irgendwie komisch! Ich will ja Verständnis haben für Ihre Situation, aber irgendwann ist auch mal gut. Einmal im Monat mal 5 Minuten telefonieren, die Zeit sollte doch drin sein! Für ihre Freizeit und Freund/e hat sie doch auch Zeit. Ich versteh's nicht.
Mein Vater sagt dann zu diesem Thema, dass ich mich auch um einen guten Kontakt zu meinen Geschwistern bemühen muss. Er ist davon überzeugt, dass ein Interesse ihrerseits an meinem Leben besteht. Natürlich muss ich mich auch bemühen, aber wenn das so eine einseitige Angelegenheit ist, will ich das nicht.
Ein Global-familiäres Problem ist, dass wir wenig über Gefühle sprechen. Nie getan haben. Ich weiß überhaupt gar nicht, was meine Familie überhaupt weiß über meine Depressionen. Also sie wissen, dass ich Therapie mache, aber das war's auch. Ich weiß nicht, was sie darüber denken. Mein Vater (selber Psychiater) hat meine Krisen anfangs als depressive Verstimmungen abgetan, die jeder mal hat und ganz normal sind. Vielleicht auch nur, um mich zu beruhigen. Das weiß ich nicht so genau. Was meine Geschwister über meine Erkrankung denken oder wissen ... keine Ahnung.
Es ist nicht so, dass ich noch nie versucht hätte, Ihnen mitzuteilen, was mir missfällt. Ich habe das allerdings bisher immer nur via email getan, weil mir das Sprechen darüber nicht gelingt. Ich neige dazu dann immer direkt in Tränen auszubrechen. Die Blöße will ich mir zumindest vor meinen älteren Geschwistern wahrscheinlich nicht geben. Auf meine letztes Mail hat meine ältere Schwester furchtbar verletzt reagiert und sich erstmal gar nicht mehr gemeldet. Wobei nun ein persönliches Gespräch zwischen uns noch aussteht. Keine Ahnung, ob es dazu noch kommt. Wir hatten vergangenes Jahr schon mal ein Gespräch. Über meine Depression haben wir da allerdings nicht gesprochen, sondern eher was uns so gegenseitig am anderen missfällt. Geändert hat sich aber nix.

Sorry, dass ich so ausschweifend bin. Das Thema Familie nimmt bei mir einen sehr großen Raum ein und das schon sehr lange Zeit. Ich bin dabei, mich von Ihnen zu lösen. Ich glaube, dass mir das gut tun wird. Ich werde sie nicht ändern können. Sie sind, wie sie sind.

Na toll, jetzt fahre ich gleich mit meinen Eltern auf das Chorkonzert meiner jüngsten Schwester. Weiß nicht, ob das eine gute Idee war, 2 Tage mit Ihnen zu verbringen! :lol:

Herzliche Grüße
fantail
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