Luxusproblem: viel Hilfe aber die Frage nach dem Warum

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Novembersonne
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Luxusproblem: viel Hilfe aber die Frage nach dem Warum

Beitrag von Novembersonne »

Hallo Ihr Lieben,
ich habe erst vor kurzem einigen guten Freunden gegenüber reinen Tisch gemacht und von meinen Depressionen berichtet. Seit dieser "Beichte" habe ich den Eindruck, daß sich meine Freunde noch mehr als üblich bemühen zu helfen. Gerade eben habe ich einen Anruf von einem Freund erhalten. Er und ein weiterer Freund wollen spontan am Sonntag auf unserer Baustelle (Hausrenovierung) helfen. Dabei hat der eine von beiden gerade erst letzten Sonntag schon geholfen.

Das passiert in letzter Zeit öfter mal, daß ich den Eindruck habe momentan besonders oft Hilfe angeboten zu bekommen. Ich freue mich natürlich sehr darüber. Aber gleichzeitig sitzt da dieses kleine Männchen auf meiner Schulter und flüstert mir ins Ohr: "Warum wollen alle auf einmal so viel helfen? Das ist doch nur Mitleid mit Dir." Und ich kann diesem Männchen sooft erklären wie ich will, daß das eben gute Freunde sind. Ich würde ihnen ja auch jederzeit helfen. Und wenn man weiß, da geht es jemandem nicht immer sooooo gut, dann erst recht. Aber irgendwie bleibt da dieses ungute Gefühl in der Magengrube.

Kennt Ihr das auch? Oder gewöhnt man sich das ständige Hinterfragen auch irgendwann mal ab? Vielleicht ist das bei mir momentan auch eher die Angst, daß die Freunde doch nicht so richtig wissen, wie sie jetzt mit mir umgehen sollen... Hmh, keine Ahnung, was ich Euch jetzt eigentlich genau fragen wollte... Vielleicht wäre es zielführender, wenn ich meine Helfer direkt fragen würde, warum sie helfen wollen. ;-)

Schönen Abend noch,
Novembersonne
"Tief im Herbst drin liegt ein Neubeginn" (Herbert Grönemeyer, "November")
Hurli
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Re: Luxusproblem: viel Hilfe aber die Frage nach dem Warum

Beitrag von Hurli »

Hallo Novembersonne,

Ist es deiner Wahrnehmung geschuldet, dass sie Dir jetzt mehr helfen als zuvor oder ist es wirklich so. Und auf der anderen Seite selbst wenn es so ist, sei doch froh, dass Du so freunde hast, die Dir helfen jetzt wo sie wissen, dass es Dir nicht gut geht.

Und ansonsten kann ich Dich nur an Dich selbst weiterleiten:
Novembersonne hat geschrieben:Vielleicht wäre es zielführender, wenn ich meine Helfer direkt fragen würde, warum sie helfen wollen. ;-)

Liebe Grüße Hurli
dieRuth
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Registriert: 23. Nov 2014, 15:49

Re: Luxusproblem: viel Hilfe aber die Frage nach dem Warum

Beitrag von dieRuth »

Novembersonne, fällt es dir grundsätzlich schwer, um Unterstützung oder Hilfe zu bitten? Wärst du für Freunde in Not nicht auch da?

Stell dir vor, nicht deine Seele wäre erkrankt, sondern du hättest ein oder beide Beine gebrochen. Würdest du das liebe Angebot der Freunde dann auch so kritisch hinterfragen?
dieRuth
Beiträge: 400
Registriert: 23. Nov 2014, 15:49

Re: Luxusproblem: viel Hilfe aber die Frage nach dem Warum

Beitrag von dieRuth »

Übrigens ging es mir genau wie dir. Ich war 2013 stationär wegen einer depression. 2014 erwischte es mich wieder. Und ich wollte keinesfalls in die Klinik. Meine Freunde haben ein richtiges Netz um mich herum gesponnen. Sind mit mir einkaufen oder spazieren gegangen, haben gekocht und sich um mich und meinen Sohn gekümmert. Erst hatte ich auch Probleme, das anzunehmen. Aber meine Freunde wollten mir helfen, vielleicht, weil ich ihnen leid tat. In aller erster Linie aber doch, weil sie mich lieb haben. Und sie sind alle noch da und haben sich sehr gefreut, als es mir wieder besser ging. Freunde gehen gemeinsam durch dick und dünn
Katerle
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Re: Luxusproblem: viel Hilfe aber die Frage nach dem Warum

Beitrag von Katerle »

Hallo Novembersonne,

du kannst dich freuen, solche Freunde um dich herum zu haben.

ein solches Gefühl hatte ich damals in meiner ersten Reha empfunden, dass mir plötzlich so viel Hilfe angeboten wurde.

Wie Ruth schon schrieb, mir fiel es auch schwer, jemanden um Unterstützung oder Hilfe zu bitten. War ich ja immer diejenige, die allen anderen geholfen hatte.

In der stärksten Not, weiß man einen wahren Freund zu erkennen.

Alles Gute.
otterchen
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Registriert: 3. Jan 2007, 10:43

Re: Luxusproblem: viel Hilfe aber die Frage nach dem Warum

Beitrag von otterchen »

Hallo,

woher kommt dieses "nur Mitleid haben"?
Hättest DU Mitleid und würdest nur aus diesem Grund helfen wollen?
Oder wäre es Dir eher ein inneres Bedürfnis, diese Person zu unterstützen?
mein gelerntes Sammelsurium: https://otterchenblog.wordpress.com/
soultears
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Re: Luxusproblem: viel Hilfe aber die Frage nach dem Warum

Beitrag von soultears »

Hallo..sei froh das Sie helfen..gerade Bauen kostet psychisch wie psychisch Energie.
Wir haben dreimal umgerissen im großen Stil.
Bei mir kam keine Hilfe...von Niemanden.
Ich bin regelrecht ausgebrannt..nach Jahrelangem Überlebenskampf...immer mehr...physisch und psychisch...es kam eine böse Abwärtsspirale..der totale Rückzug...
Nie wieder möchte ich in solch ein schwarzes Loch.
Gut wer echte Freunde hat...und die scheinst Du zu haben.
Depri kann Heute jeden erwischen.
Gruss soultears
Novembersonne
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Registriert: 15. Okt 2015, 13:49

Re: Luxusproblem: viel Hilfe aber die Frage nach dem Warum

Beitrag von Novembersonne »

Hallo Ihr Lieben,
Ihr alle seid einfach fantastisch!

Ja, Hilfe anzunehmen oder gar danach zu fragen, ist für mich schon immer höllisch schwer gewesen. Dabei ist es allerdings unerheblich, ob ich mir das Kreuzband gerissen hatte, mit Krücken unterwegs war aber mein Tablett vom Mittagstisch in der Kantine unbedingt selber tragen wollte oder ob ich psychisch völlig fertig bin. Mir helfen zu lassen ist einfach nicht meins...

Aber klar, selbstverständlich freue ich mich fürchterlich über die Hilfe! Ich habe von einem Freund gehört, er würde mir so gerne helfen, weil ich mich so herzlich darüber freuen kann. Und selbstverständlich helfe ich meinen Freunden so gut ich es irgend kann! Das war noch nie mein Problem - oder ganz im Gegenteil, ich neige dazu zu viel zu helfen.

Es fällt mir einfach unwahrscheinlich schwer zu glauben, daß ich so gute Freunde habe. Das war so viele lange Jahre meines Lebens (eigentlich fast mein ganzes Leben lang) nicht der Fall. Und nun soll ich tatsächlich ein Mensch sein, den so liebe Menschen auch lieb haben - einfach so. Mein Verstand sagt: "Novembersonne, halt die Klappe und genieße." Aber da ist dieses Teufelchen auf meiner Schulter das sagt: "Glaub es nicht, das muß ein Trick sein. Wart's nur ab, das dicke Ende kommt noch. Sie lassen Dich eines Tages alle im Stich. So wie immer."

Da hat man so lange für etwas gearbeitet und wenn man es erreicht hat, ist es trotzdem schwer. ;-)

Liebe Grüße,
Novembersonne
"Tief im Herbst drin liegt ein Neubeginn" (Herbert Grönemeyer, "November")
Hurli
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Registriert: 9. Nov 2015, 15:30

Re: Luxusproblem: viel Hilfe aber die Frage nach dem Warum

Beitrag von Hurli »

Novembersonne hat geschrieben:Aber da ist dieses Teufelchen auf meiner Schulter das sagt: "Glaub es nicht, das muß ein Trick sein. Wart's nur ab, das dicke Ende kommt noch. Sie lassen Dich eines Tages alle im Stich. So wie immer."
Selbst wenn das Teufelchen recht behalten sollte (man beachte den Konjunktiv) was spricht dagegen die jetzige Situation zu genießen? Wenn es Jahrelang eben genau nicht der Fall war dann genieße es umso mehr. Was in einer Woche, einem Monat, einem Jahr oder in einem Jahrzehnt ist wissen wir nicht. AUCH UND INSBESONDERE DAS TEUFELCHEN NICHT.
Also genieße den Moment und bedenke, nachdem es immer umgekehrt war hast Du das auch endlich mal verdient.

Und um deine Eingangsfrage zu beantworten
Luxusproblem: viel Hilfe aber die Frage nach dem Warum
Vielleicht weil du es verdient hast

Meine Güte wenn ich das so lese glaube ich wird heute doch noch ein guter Tag, ich scheine ja vor positiver Energie zu strotzen.

In dem Sinne ich wünsche Dir viel positive Energie, durch deine Freunde und in Dir selbst
lg
Hurli
Novembersonne
Beiträge: 43
Registriert: 15. Okt 2015, 13:49

Re: Luxusproblem: viel Hilfe aber die Frage nach dem Warum

Beitrag von Novembersonne »

Hurli hat geschrieben:Und um deine Eingangsfrage zu beantworten:
Novembersonne hat geschrieben:Luxusproblem: viel Hilfe aber die Frage nach dem Warum
Vielleicht weil du es verdient hast
Danke Hurli! Das rührt mich! Ich habe es verdient - vielleicht hast Du ja sogar Recht...
Hurli hat geschrieben:Meine Güte wenn ich das so lese glaube ich wird heute doch noch ein guter Tag, [...] .
Das wünsche ich Dir von Herzen!

Liebe Grüße,
Novembersonne
"Tief im Herbst drin liegt ein Neubeginn" (Herbert Grönemeyer, "November")
dieRuth
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Registriert: 23. Nov 2014, 15:49

Re: Luxusproblem: viel Hilfe aber die Frage nach dem Warum

Beitrag von dieRuth »

Novembersonne, jede depression ist anders. Und jeder depressive ist anders. Aber, ich habe mich so intensiv mit der Krankheit beschäftigt, dass ich für mich folgende Feststellung getroffen habe: die Krankheit ereilt oft diejenigen, die über alle Maßen hilfsbereit sind, die schlecht Nein sagen können, die verantwortungsvoll und pflichtbewusst sind. Und die sich schwer tun, Hilfe anzunehmen. Alles alleine schaffen und zwar zu mindestens 100 %.

Umso schöner, wenn da Freunde sind, die dich lieb haben, sich um dich sorgen und Gedanken machen, wie sich dich unterstützen können. Und das dann auch tatsächlich TUN. Nimm es als Geschenk. Das ist es. Und es tut gut. Und das soll es auch. Deine Freunde mögen dich, mit und ohne Depri.
dieRuth
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Registriert: 23. Nov 2014, 15:49

Re: Luxusproblem: viel Hilfe aber die Frage nach dem Warum

Beitrag von dieRuth »

Und hänge dem Teufelchen den Maulkorb um. Backe lieber einen Kuchen oder brate Frikadellen für die Hilfstruppen
Cara Mia
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Registriert: 24. Aug 2015, 09:15

Re: Luxusproblem: viel Hilfe aber die Frage nach dem Warum

Beitrag von Cara Mia »

Liebe Novembersonne,

danke, dass Du davon erzählt hast. Ich hatte den Beitrag heute morgen schon gelesen und gerade nochmal, weil er bei mir so ein behagliches Gefühl ausgelöst hat.

Ich finde es gerade sehr, sehr schön, dass es dass bei Dir gibt. Warum sollte es bei mir also nicht auch so sein können, wenn ich nochmal ehrlich mit meinen Freunden und der Familie spreche?

Derzeit ist das nicht notwendig, ich bin jetzt schon seit längerer Zeit stabil, aber wenn ich die Medikamente reduzieren will, auf Null, dann werde ich vorher mit jedem, der mir so halbwegs nahesteht sprechen und konkret um Hilfe bitten. Das Beispiel Deines Freundeskreises ermutigt mich dazu.

Danke!

Cara
Novembersonne
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Registriert: 15. Okt 2015, 13:49

Re: Luxusproblem: viel Hilfe aber die Frage nach dem Warum

Beitrag von Novembersonne »

Hallo Ihr alle,
ich habe meinen Helfern am Wochenende mal ganz tief in die Augen gesehen. Und was ich da gesehen habe, war kein Mitleid. Das waren offene, klare Blicke, die sich freuten. Einfach so. Schön!
dieRuth hat geschrieben:[...]die Krankheit ereilt oft diejenigen, die über alle Maßen hilfsbereit sind, die schlecht Nein sagen können, die verantwortungsvoll und pflichtbewusst sind.
Eigentlich sollten wir und alle andern uns selber wahnsinnig lieb haben. Wir sind schon tolle Menschen. ;-)
Cara Mia hat geschrieben:Ich finde es gerade sehr, sehr schön, dass es das bei Dir gibt. Warum sollte es bei mir also nicht auch so sein können, wenn ich nochmal ehrlich mit meinen Freunden und der Familie spreche?
Ich war auch sehr überrascht, wie toll die Freunde reagiert haben, als ich ihnen von meinen Depressionen erzählte. Dabei habe ich es zunächst nicht mal fertig gebracht, darüber zu reden. Ich habe ihnen Briefe geschrieben, die sie in meinem Beisein zum Lesen bekommen haben. Ich habe mich gefühlt, wie in der Grundschule. Habe sogar gesagt, daß ich nicht einmal sicher bin, ob wir "nur" gute Bekannte seien oder doch echte Freunde. Sie fanden meine Offenheit gut. Seitdem hat unsere Freundschaft noch mal an Tiefe gewonnen und mir ist einfach nur ein dicker Felsbrocken vom Herzen gefallen.

Ich hatte wohl auch Glück, echte Freundschaft ist alles andere als selbstverständlich. Andererseits kann man auch keine Freunde verlieren, wenn man mit ihnen über z.B. seine Depressionen redet und um Hilfe bittet. Wer damit nicht klar kommt, war wohl nie ein guter Freund...

@ Cara: Ich drücke Dir die Daumen, daß Du auch Glück hast.

Liebe Grüße,
Novembersonne
"Tief im Herbst drin liegt ein Neubeginn" (Herbert Grönemeyer, "November")
Tanja_40
Beiträge: 55
Registriert: 11. Nov 2015, 15:47

Re: Luxusproblem: viel Hilfe aber die Frage nach dem Warum

Beitrag von Tanja_40 »

Liebe Novembersonne,

ich wünsche dir, dass du weiterhin die Hilfe deiner Freunde annehmen kannst.
Solche Freunde sind selten.

Und weiterhin viel Erfolg mit deiner Baustelle.
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