In meinem Kopf ist scheinbar etwas verrückt

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alles wird gut
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In meinem Kopf ist scheinbar etwas verrückt

Beitrag von alles wird gut »

Hi,
ich bin neu hier. Bis vor einiger Zeit glaubte ich hätte ein gestörtes Verhältnis zu Alkohol, hatte ich auch sicher. Ich habe mir mehr oder weniger freiwillig Hilfe gesucht - aber es war augenscheinlich nicht das Problem - sondern es wurde wohl festgestellt das ich depressiv bin.
Gut, wenn das jetzt so ist, dann habe ich das schon mind. 15 Jahre zumindest in abgeschwächter Form.

Außerhalb der Arbeit meide ich soziale Kontakte immer mehr, zumindest persöhnliche. Auch mein geliebtes Hobby Ageln tritt immer weiter in den Hintergrund.
Wenn einer fragt warum das so ist, sage ich immer die Arbeit nimmt mich so sehr in Anspruch - tut sie auch weil ich keine Motivation habe meinen Traumjob - um den ich mächtig gekämpft habe - zu erledigen. Wenn ich die Arbeit nicht mache - macht sie keiner - bin selbstständig und arbeite viel allein am PC.

Wie gesagt, ich gehe davon aus - angenommen die Diagnose ist richtig -dass ich diese Krankheit schon lange habe.
Bis ca. Ostern hatte ich eine sehr liebe Freundin, aus Gründen die mir bis heute nicht alle klar sind, habe ich sie übelst abgeschossen. Mal wieder alles vermasselt.
Später hatte ich ein mächtig schlechtes Gewissen und habe dann versucht mich zu entschuldigen - das Ganze führte dann zu meinem Entschluss etwas gegen den oben genannten Alkoholkonsum zu tun.
Nun gut die Entschuldigung wurde angenommen - ich hatte auf mehr gehofft.
Ob ich sie liebe - keine Ahnung - aber ich habe sie nicht nur gefragt ob wir es noch einmal versuchen wollen, sondern gefragt ob sie mich heiratet. Dazu muss man sagen wir sind beide 50 und es wäre meine 1. Ehe gewesen. Sie hat nicht gewollt - wir können nur Freunde sein sagt sie.
Wie gesagt ich weiß gar nicht ob sie liebe oder je geliebt habe, was ich vermisse ist die Strucktur - morgens frühstücken - Sonntags einen Ausflug etc. und natürlich das intime.
Sie weiß von der Diagnose und hat mir Gespräche oder Zuhören anngeboten, sie ist halt eine Liebe. Das ist für mich keine Option, im Moment zumindest nicht.

Tatsächlich ist mein Leben von Leistungsdruck, Funktionieren müssen - immer egal was gestern war etc. geprägt, die Erziehung war auch so ausgelegt, aus dem Jungen muss was werden.
Somit fing das Scheitern an Aufgaben schon in der Schule an. Die abgeschlossene Berufsaubildung im Handwerk, wurde von den Eltern so kommentiert: "Eine erlerntes Handwerk ist ja auch gut" Für mich klang das eher so: "wenigstens das hast du geschafft", daher habe ich mir dann den Druck selber gemacht.
Tatsächlich bin ich mit meinem Beruf jetzt zufrieden und bin sicher auch ein wenig stolz, aber nun ist in meinem Kopf scheinbar etwas verrückt.
Hauptsache ich finde mich in der neuen Ordnung irgendwann zurecht und finde Spass, Freude, Motivation und das Lächeln wieder. Im Moment bin ich da allerdings nicht so sicher das es was wird.

Keine Ahnung ob das jemand interessiert, aber aufschreiben ist ja auch immer mal gut.
Königin der Nacht
Beiträge: 110
Registriert: 26. Okt 2015, 23:26

Re: In meinem Kopf ist scheinbar etwas verrückt

Beitrag von Königin der Nacht »

Hallo alles wird gut,

doch, aufschreiben hilft tatsächlich. Mir zumindest auch, weil es irgendwo ein Sortieren des Gedankenchaos' ist und es auch hilft sich einfach mal etwas von der Seele zu schreiben. Man schluckt und schluckt und irgendwann quillt es dann einfach mal über.
Klingt, als ob Du kein so besonders leichtes Leben hattest. Leistungsdruck kann sehr krank machen, vor allem wenn er permament anhält. Man funktioniert, aber irgendwann geht es nicht mehr. Das ist nicht verrückt im Kopf. Ich habe mir diese Frage auch gestellt, bin aber mittlerweile zu dem Entschluß gekommen, daß es einfach eine natürlich Reaktion eines permament überforderten Geistes und auch Körpers ist.

Keine Ahnung was ich Dir raten soll, ich bin selber noch neu hier und kämpfe auch gerade mit den richtigen Schritten, befindet mich quasi in der Orientierungsphase ohne zu wissen wohin die Fahrt überhaupt einmal geht. Bezüglich Deiner Freundin kann ich nur sagen, daß ich sie irgendwo auch verstehe. Ist nicht böse gemeint, ich denke, sie ist mit der Situation auch etwas überfordert. Vielleicht hilft es Dir ja ihren Standpunkt besser zu verstehen wenn Du versuchst Dich in ihre Lage zu versetzen, versuchst, die Dinge aus ihrer Sicht zu verstehen. Das kann manchmal wirklich hilfreich sein. Ich kann auch Dich verstehen. Du willst mehr und das kann und will sie Dir nicht geben. Das ist für einen selber sehr frustrierend und kann tief drinnen im Herzen auch sehr weh tun. Auch wenn ihr Gesprächsangebot natürlich sehr liebevoll ist und zeigt, daß Du ihr nicht völlig egal bist. Ich kenne diese Zwickmühle, auf der einen Seite will man das bzw. die Person nicht missen, auf der anderen Seite tut es weh und man ist vielleicht doch besser beraten einen klaren Strich zu ziehen. Schwer zu entscheiden.

Ich wünsche Dir auf jeden Fall viel Glück und Kraft, daß Du bald wieder Spaß, Freude, Motivation und das Lächeln wiederfindest.
Sonnenblume14
Beiträge: 1038
Registriert: 16. Sep 2014, 18:36

Re: In meinem Kopf ist scheinbar etwas verrückt

Beitrag von Sonnenblume14 »

Hallo alleswirdgut,

aufschreiben hilft, die Gedanken sortieren sich oft dabei.

Ich bin unter ähnlichem Druck aufgewachsen. Leistung und keine Schwäche zeigen, Werte anschaffen - das ist die Lebenseinstellung unserer Eltern gewesen. Ich bin im gleichen Alter wie du, ich kenne das. Ich sehe bei mir, wohin das geführt hat und ich sehe bei meinen Eltern, auf welchem Holzweg sie waren. Ihr Leben - ebenso erzieherisch vorgegeben durch eine Kriegsgeneration. Aussprechen oder gar Zulassen von Gefühlen? Fehlanzeige.
Schulisch? Gymnasium musste es sein - ich WUSSTE, dass ich das weder wollte noch konnte. Nachhilfe, ewige Kämpfe, das war meine Schulzeit, die ich nach 10 Jahren beendete. Der Druck war so stark, dass ich mich davon gemacht habe. Bin einfach nicht mehr nach Hause. Versteh mich nicht falsch, ich betrachte meine Kindheit trotzdem als behütet, meine Eltern lieben mich und umgekehrt - daran ist gar kein Zweifel. Ich habe einen sicheren Job, arbeite nicht ganz Vollzeit, um Zeit für mich zu haben. Werte schaffe kann ich damit nicht. Aber LEBEN.

Du wolltest (wie alle kinder), dass deine Eltern glücklich und zufrieden mit dir sind. Deshalb siehst du das, was du geschafft hast, als Versagen - und nicht als deinen eigenen, persönlichen Weg. Die Frage ist doch nicht: "Achten meine Eltern meine Leistung"(das Ziel ist unerreichbar), sondern "Bin ich zufrieden?"
Mach dich frei von den Vorgaben der Kindheit. Die brauchst du nicht mehr. Du bist selbstständig, Handwerker - na und? Wie unglücklich wärst du womöglich als Anwalt oder Banker?! Du lebst dein Leben und hast vermutlich auch dein Auskommen. Das finde ich enorm positiv, denn damit stehst du mit beiden Beinen im Leben.

Eine Lebenspartnerschaft ist ... eher Glückssache. Auch hier spüre ich zwischen den Zeilen dieses "Mein Haus, meine Familie, mein Auto" Familie mit Hund und Häuschen im Grünen .... Blödsinn. Das Leben kennt nicht nur diese Variante, es ist facettenreich und jeder Weg hat seine Vor- und Nachteile. Ich habe Mann, Haus und Familie ... aber manchmal hätte ich auch gern etwas anderes. Ein Leben, in dem ich die Welt hätte sehen können. Reise, fremde Länder. Man wünscht sich immer das, was man nicht hat, weil man es in Gedanken idealisiert. Anstatt das, was man hat aktiv zu idealisieren. Es zu nehmen und das Beste draus zu machen.

Liebe Grüße
Sonnenblume
"Depressionen sind kein Zeichen von Schwäche, sondern dafür, dass jemand zu lange zu stark sein musste" (Johnny Depp)

"Verstehen kann man das Leben nur rückwärts. Leben muss man es vorwärts." Sören Kierkegaard
alles wird gut
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Registriert: 8. Nov 2015, 11:56

Re: In meinem Kopf ist scheinbar etwas verrückt

Beitrag von alles wird gut »

Hi Sonnenblume, hi Königin der Nacht,
genau das Gymnasium musste sein - trotz einer Lese- Rechtschreibschwäche die ich wohl hatte oder noch immer habe - Nachhilfe war ein ständiger Begleiter. In der 9. Klasse wurde ich dann wegen der schulischen Leistungen auf ein Internat geschickt.
Der Handwerker bin ich nicht geblieben, sondern bin nun Bautechniker und habe nun ein kleines Büro mache Bauleitungen und Sachverständigenleistungen etc..
Dass heißt wenn es gut läuft sitze ich oft stundenlang am Computer und arbeite, telefoniere etc.- wenn es schlecht läuft sitze ich am Computer und kann nichts machen - ausgenommen auf Facebook blättern oder ähnliches.
An mittelprächtigen Tagen arbeite ich eine oder zwei Stunden und mache dann eine Pause, ist dann halt immer ein kleiner Kampf mit mir selber.
Derzeit schlimmer ist die Sache mit der Esserei, zum Glück habe ich keine Waage, aber wie man so schön sagt bei Wind darf ich eigentlich nicht raus (geschätzt 60kg/180 cm)

Die Überschrift ist wohl provokant - aber eigentlich wörtlich und nicht übertragend gesehen. Also so als wenn man die Wohnung und den Inhalt der Schränkke umräumt und erstmal nichts mehr wiederfindet.

Liebe Grüße
Königin der Nacht
Beiträge: 110
Registriert: 26. Okt 2015, 23:26

Re: In meinem Kopf ist scheinbar etwas verrückt

Beitrag von Königin der Nacht »

Ein spontaner Gedankengang meinerseits beim Durchlesen: was genau spricht denn eigentlich immer gegen Handwerker. Jeder ist froh wenn er einen ins Haus bekommt wenn was kaputt ist, aber Handwerker sein will anscheinend niemand. Bzw. ein Großteil der Gesellschaft sieht Handwerker leider irgendwie als Leute, die zu doof zum Studieren waren an und sonst halt zu nix taugten. Ganz ehrlich? Um Handwerker zu sein muß man durchaus Köpfchen haben, nen Nagel gerade einschlagen können reicht da nicht. Egal ob das jetzt auf dem Bau, Elektriker, Schreiner etc. ist. Was nützen mir die ganzen Studierten, die oftmals zwar in ihrem Fachgebiet Genies sind, im praktischen Leben - zumindest meine Erfahrung - aber nicht viel auf die Reihe bekommen. Wäre ich nochmal jung würde ich wohl auch einen Beruf im Handwerk erlernen, auch und gerade als Frau. Damit kommt man im Leben immer weiter, das ist etwas Solides.
Und es ist etwas, alles wird gut, das DU Dir geschaffen hast, das DU erreicht hast und darauf kannst Du nun wirklich stolz sein. Eltern haben vermutlich immer etwas überzogene Erwartungen, vor allem weil Ihnen die Gesellschaft vorlebt, man ist nur erfolgreich wenn man das und das und das vorweisen kann. Nur weil man Abitur oder einen Studienabschluß hat ist man deswegen noch lange kein erfolgreicher oder besonders kluger Mensch. Deine Eltern haben das bestimmt nicht böse gemeint, wollten wie die meisten Eltern nunmal einfach nur das Beste für Ihr Kind. Die Erwartungen nicht erfüllt zu haben kann durchaus für einen selber demütigend und depremierend sein. Aber wie Sonnenblume schon so schön geschrieben hat, wichtig ist, was DU willst. Man wird es nie jeden recht machen können.
alles wird gut
Beiträge: 8
Registriert: 8. Nov 2015, 11:56

Re: In meinem Kopf ist scheinbar etwas verrückt

Beitrag von alles wird gut »

Ja ist sicher alles richtig, aber die Gesellschaft sieht das einfach anders.
Ein Dipl. Ing. genießt ein höheres Ansehen wie ein Handwerksmeister - und das trotz aller Gleichstellungsversuche auf dem Papier der Politik.
Sieht man schon an der Förderung, einem Studenten wird alles hinten reingeblasen - der Handwerksgeselle zahlt ca. 10.000,- € wenn er den Meister machen will.

Das ist aber nicht mein Problem, auf die Anerkennung der Gesellschaft kann ich verzichten, das Problem ist, dass ich beruflich genau da bin wo ich hin wollte - nur jetzt will mein Kopf nicht mehr mitmachen.
alles wird gut
Beiträge: 8
Registriert: 8. Nov 2015, 11:56

Re: In meinem Kopf ist scheinbar etwas verrückt

Beitrag von alles wird gut »

Der Tag war mal so ganz ok, habe gearbeitet, gekocht und das Gekochte sogar gegessen.
Morgen den ganzen Tag unterwegs auf Baustellen und bei anderen Kunden.

Gerade noch auf einer Geburtstagsfeier gewesen, nach 1,5 Std. war dann genug. Das ich zumindest derzeit keinen Alkohol trinke- daran müssen sich die anderen wohl noch gewöhnen.

Jetzt bin ich platt und gehe schlafen.

Lieben Gruß
alles wird gut
Beiträge: 8
Registriert: 8. Nov 2015, 11:56

Re: In meinem Kopf ist scheinbar etwas verrückt

Beitrag von alles wird gut »

2 recht gute Tage sind Vergangenheit - seit ich meinem Vater (86) vor ca. einer Woche erklärt habe was los ist, ruft er oft an um zu fragen ob nun dieses Johanniskraut Zeug hilft und wie es mit der Arbeit klappt. Mag nett gemeint sein - mich stresst das ungemein - ein normales Vater Sohn Verhältnis gab es eigentlich nie - es geht immer um das Funktionieren.
Den heutigen Anruf habe ich nicht angenommen und bin aus meiner Whg. geflüchtet.
Jetzt sitze ich hier zwischen Wut und Heulen und wollte eigentlich zu einer Veranstaltung gehen.

Meine Schwester, zu der ich großes Vertrauen habe, weiß davon schon länger und kümmert sich auch um den Vater. Sie hat ihm schon mehrfach ausgerichtet, dass ich seine Anrufe nicht ertrage - wie man sieht ohne Erfolg.
Hätte ich mal meine blöde Schnauze gehalten.

Verdammt
Cara Mia
Beiträge: 235
Registriert: 24. Aug 2015, 09:15

Re: In meinem Kopf ist scheinbar etwas verrückt

Beitrag von Cara Mia »

Hallo, alles wird gut!

Ich finde mich in Deinen Beschreibungen durchaus wieder, arbeite ebenfalls selbständig und kenne viele KollegeInnen mit denen ich mich durchaus auch über unsere Arbeitsprozesse austausche.

Das stundenlange Sitzen am Computer kenne ich selbst. Ich habe festgestellt, dass das, was ich lange Zeit als "Versagen" empfunden habe, nicht wirklich eines ist. Viele meiner KollegInnen schaffen es nicht mal an den Computer :-) und hängen auf dem Sofa, im Bett, sonstwo ab.

Mir tut es gut, wenn ich mich bereit halte und alles soweit startklar ist. Ob ich tatsächlich ins Arbeiten komme oder nicht, kann ich vorher auch nicht sagen, aber die Chance erhöht sich bei mir beträchtlich, wenn ich meine Arbeitsdokumente schon mal da habe.

Ich mache mich schon deslängeren nicht mehr dafür runter, w i e ich arbeite. Mit vielen Pausen, mit vielen Ablenkungen, mit viel Hauruck, wenn´s denn mal geht. So bin ich halt.

Ich sehe das als meinen persönlichen Vorteil, dass ich dabei unbeobachtet bin. Extern zählt das Ergebnis. Meine Kunden sehen das und denken sich ihren Teil. Dass ich eine ganz Disziplinierte bin, die wahrscheinlich um acht Uhr morgens bis zur Mittagspause konsequent durcharbeitet.

Mir ist das egal und recht so. Hauptsache, ich komme klar. Ich rechne meine "Trödelphasen" für mich selbst in meine Arbeitszeit ein. Habe mir abgewöhnt zwischen passivem Anlaufnehmen und aktivem Lauf zu unterscheiden. Ich brauche beides und damit geht es mir meistens gut. Ich werde immer wieder mal nervös, wenn ich Angst vor der Stagnation bekomme, aber durch die Erfahrung weiß ich, dass es schon oft genug zu guten Ergebnissen geführt hat.

Einen 86-jährigen Vater, der meine Behandlungserfolge abfragt, habe ich nicht. Würde ich pragmatisch lösen und dem erzählen, was ihm gut tut. Ja, läuft alles, danke der Nachfrage. Wie geht´s Dir so?
Menschen erzählen gerne von sich selbst, warum sollte er eine Ausnahme sein?

Andere Möglichkeit wäre, dass er Dir helfen kann. Dann würde ich das nutzen und ehrlich antworten. Sagen, dass es nicht auf die Schnelle den erwünschten Erfolg gebracht hat. Fragen, ob er ähnliches von sich berichten kann. Fragen, ob es Leute mit dieser Erkrankung in der Familie gab und wie sie gesund geworden sind. Praktisch um Unterstützung bitten, ob er Dir Fotos geben kann oder Dir Gutes erzählen. Ein so alter Mann ist auch per se keiner, der nur die Sonnenseite des Lebens kennt. Der hat mindestens einen großen Krieg mitgemacht, das geht auch an ihm nicht spurlos vorbei. Mir ging es besser, als ich akzeptiert habe, dass die älteren Verwandten alle ihre Macke haben müssen. Und dass sie ihre ganz persönlichen Wege gelaufen sind, um damit umzugehen. Deshalb waren sie auch nicht mehr so frei in ihren Entscheidungen, manchmal so bitterhart geworden im Umgang mit sich selbst und damit auch mit anderen. Aussetzen muss ich mich dem trotzdem nicht, das stimmt. Aber es hat mich gelassener gemacht und ich konnte leichter auf die Bereiche fokussieren, mit denen ich gut zurecht kam.

Alles Gute, alles wird gut,
alles ist schon gut, denke ich manchmal,

Cara
Cara Mia
Beiträge: 235
Registriert: 24. Aug 2015, 09:15

Re: In meinem Kopf ist scheinbar etwas verrückt

Beitrag von Cara Mia »

Hallo, alles wird gut!

Ich finde mich in Deinen Beschreibungen durchaus wieder, arbeite ebenfalls selbständig und kenne viele KollegeInnen mit denen ich mich durchaus auch über unsere Arbeitsprozesse austausche.

Das stundenlange Sitzen am Computer kenne ich selbst. Ich habe festgestellt, dass das, was ich lange Zeit als "Versagen" empfunden habe, nicht wirklich eines ist. Viele meiner KollegInnen schaffen es nicht mal an den Computer :-) und hängen auf dem Sofa, im Bett, sonstwo ab.

Mir tut es gut, wenn ich mich bereit halte und alles soweit startklar ist. Ob ich tatsächlich ins Arbeiten komme oder nicht, kann ich vorher auch nicht sagen, aber die Chance erhöht sich bei mir beträchtlich, wenn ich meine Arbeitsdokumente schon mal da habe.

Ich mache mich schon deslängeren nicht mehr dafür runter, w i e ich arbeite. Mit vielen Pausen, mit vielen Ablenkungen, mit viel Hauruck, wenn´s denn mal geht. So bin ich halt.

Ich sehe das als meinen persönlichen Vorteil, dass ich dabei unbeobachtet bin. Extern zählt das Ergebnis. Meine Kunden sehen das und denken sich ihren Teil. Dass ich eine ganz Disziplinierte bin, die wahrscheinlich um acht Uhr morgens bis zur Mittagspause konsequent durcharbeitet.

Mir ist das egal und recht so. Hauptsache, ich komme klar. Ich rechne meine "Trödelphasen" für mich selbst in meine Arbeitszeit ein. Habe mir abgewöhnt zwischen passivem Anlaufnehmen und aktivem Lauf zu unterscheiden. Ich brauche beides und damit geht es mir meistens gut. Ich werde immer wieder mal nervös, wenn ich Angst vor der Stagnation bekomme, aber durch die Erfahrung weiß ich, dass es schon oft genug zu guten Ergebnissen geführt hat.

Einen 86-jährigen Vater, der meine Behandlungserfolge abfragt, habe ich nicht. Würde ich pragmatisch lösen und dem erzählen, was ihm gut tut. Ja, läuft alles, danke der Nachfrage. Wie geht´s Dir so?
Menschen erzählen gerne von sich selbst, warum sollte er eine Ausnahme sein?

Andere Möglichkeit wäre, dass er Dir helfen kann. Dann würde ich das nutzen und ehrlich antworten. Sagen, dass es nicht auf die Schnelle den erwünschten Erfolg gebracht hat. Fragen, ob er ähnliches von sich berichten kann. Fragen, ob es Leute mit dieser Erkrankung in der Familie gab und wie sie gesund geworden sind. Praktisch um Unterstützung bitten, ob er Dir Fotos geben kann oder Dir Gutes erzählen. Ein so alter Mann ist auch per se keiner, der nur die Sonnenseite des Lebens kennt. Der hat mindestens einen großen Krieg mitgemacht, das geht auch an ihm nicht spurlos vorbei. Mir ging es besser, als ich akzeptiert habe, dass die älteren Verwandten alle ihre Macke haben müssen. Und dass sie ihre ganz persönlichen Wege gelaufen sind, um damit umzugehen. Deshalb waren sie auch nicht mehr so frei in ihren Entscheidungen, manchmal so bitterhart geworden im Umgang mit sich selbst und damit auch mit anderen. Aussetzen muss ich mich dem trotzdem nicht, das stimmt. Aber es hat mich gelassener gemacht und ich konnte leichter auf die Bereiche fokussieren, mit denen ich gut zurecht kam.

Alles Gute, alles wird gut,
alles ist schon gut, denke ich manchmal,

Cara
Königin der Nacht
Beiträge: 110
Registriert: 26. Okt 2015, 23:26

Re: In meinem Kopf ist scheinbar etwas verrückt

Beitrag von Königin der Nacht »

Es geht immer um das Funktionieren...........ja, irgendwie schon. Aber nur Du entscheidest ob Du funktionieren willst oder Deine eigenen Wege gehst. Vielleicht macht sich Dein Vater ja wirklich Sorgen um Dich, kann das aber nicht so gut zeigen. Wie Cara schon geschrieben hat stammt Dein Vater aus einer Generation, die viel mitgemacht haben. Gefühle zeigen war da eher verpönt. Er hat vermutlich gerade in der Kriegszeit und auch danach viel Leid gesehen, Dinge, die einen vielleicht auch unheimlich hart machen. Quasi eine Art Überlebensstrategie, ein Weg um nicht total zusammenzubrechen angesichts diverser Erlebnisse. Ich will das nicht entschuldigen und ich weiß noch wie mich diese Art und Weise bei z.B. meiner Oma oftmals sehr gekränkt hat, aber mit der Zeit habe ich gelernt zu verstehen, daß die vermutlich einfach nicht aus ihrer Haut können, so erzogen wurden, durch Erlebnisse zu dem geworden sind was sie sind.
Natürlich hat man für Nachsicht eher weniger Nerven wenns einem selber schlecht geht, auch das verstehe ich. Du hast hier zwei Möglichkeiten: entweder Kontakt vermeiden oder versuchen mit ein paar kurzen Worten zu erklären, wie es Dir geht, ihn somit zu beruhigen indem Du überhaupt korresponierst und dann das Gespräch wieder beendest, weil Du z.B. weiterarbeiten mußt o.ä. Ich sehe das so wie Cara, das fände ich jetzt einen guten Kompromiss.

Selbständig bin ich (zum Glück) nicht und ich muß ehrlich sagen mir hilft die Struktur des Arbeitnehmers auch ganz gut nicht vollständig zu versacken. Zu wissen man muß um die und die Uhrzeit da und da sein, arbeitet bis soundso kann sehr hilfreich sein. Ich habe mir allerdings angewöhnt, sowohl teilweise auf Arbeit als auch in meiner Freizeit zuhause kleine Tagespläne zu machen. Nicht nach Uhrzeit gestaffelt, das wiederum finde ich für mich persönlich eher einengend und daher unmotivierend, sondern einfach nach dem Motto: "heute will ich putzen, die Wäsche machen, einen Spaziergang unternehmen......." Und abend schreibe ich dann darunter was ich gemacht habe und wie es war (z.B. Spaziergang war toll, schönes Wetter, sogar ein paar nette Leute mit nem putzigen Hund getroffen......so als Beispiel) und daraus wiederum kann ich auch mal positive Bilanz ziehen. Wenn ich meinen Tagesplan nicht geschafft habe schreibe ich halt dazu: ok, habs versucht, war aber nicht mein Tag, morgen dafür wieder. Für mich persönlich finde ich das einen ganz guten Weg überhaupt etwas zu machen und mich nicht ständig zu bedauern oder schlechtzureden.

Du schreibst, Dein Beruf ist genau das was Du machen wolltest. Also hast Du doch schonmal soweit alles richtig gemacht. Irgendwann kapiert Dein Kopf das auch noch ;-).
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