Traurigkeit, Leere, Verzweiflung

Pummelchen
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Re: Traurigkeit, Leere, Verzweiflung

Beitrag von Pummelchen »

Hallo Blake,
ich kenne diesen Zustand auch wenn ich mir selber fremd bin u. innerlich alles abgestorben ist u. kein Gefühl vorhanden ist. Ich finde das auch schrecklich!! Ich habe dann auch schon öfters zu meinem Mann gesagt, ich will nicht mehr kämpfen. Ich leide an rez. Depressionen. Ich habe aber wieder gute Zeiten u. wenn diese "böse Hexe" namens Depression wieder Einzug nimmt ist es für mich wahnsinnig schwer es zu aktzeptieren. Wir waren z.B. in einer Depressionsphase in Urlaub, wollte überhaupt nicht mit, mein Mann hat darauf bestanden. Wir waren eine Riesenclique, es war so unheimlich anstrengend ich habe alles wie durch einen Nebel empfunden! Ich habe zwar die Schönheiten gesehen aber ohne Empfindung. Jetzt geht es mir GsD wesentlich besser u. wir haben uns erst die Bilder vom Urlaub angesehen. Ich beurteilte die Landschaft u.alles ganz anders konnte es fühlen die Schönheit.
Blake glaube mir es lohnt sich zu kämpfen, auch wenn du es im Moment nicht glauben kannst das es besser wird. Ich kann es wirklich aus Erfahrung sagen, u. es wird auch dir ganz bestimmt auch wieder besser gehen. Halte durch es ist es wert!!!
Ich wünsche dir ganz viel Kraft u. Geduld auch wenn es im Moment wahnsinnig schwer für dich ist.
Ganz liebe Grüße Pummelchen
W_Blake
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Re: Traurigkeit, Leere, Verzweiflung

Beitrag von W_Blake »

Liebe Bittchen,
liebe Pummelchen,

habt vielen Dank für eure Zusprüche! Hoffnung, Zuversicht, Kraft und Geduld könnte ich in der Tat gut gebrauchen …

Aber mir wird immer klarer, dass ich keinen Grund zur Hoffnung und Zuversicht habe: Wenn ich mein bisheriges, zugegeben noch verhältnismäßig kurzes, Leben Revue passieren lasse, dann blicke ich auf ein eher freudloses, von Krankheiten, Ernst und Selbstzweifeln geprägtes, irgendwie selbstentfremdetes Dasein zurück. Ich verstehe jetzt, dass ich nicht der Außenseiter war, weil die anderen mich dazu gemacht haben; ich war es – oder besser gesagt: etwas in mir war es, das mich zum Außenseiter gemacht hat. Noch heute bleiben Begegnungen mit Menschen unbefriedigend, weil ich keinen echten emotionalen Kontakt zu anderen (und vermutlich nicht einmal zu mir selbst) herzustellen vermag. Ich fühle mich eigentlich so gut wie immer einsam, obwohl ich einige mir nahe Menschen in meinem Umfeld habe, die sehr verständnisvoll sind. Es gab und gibt keinen Ort, an dem ich mich sicher und geborgen fühle. Es gibt keinen Ort auf dieser Welt, an dem ich das Gefühl habe, dass es gut ist, wie es ist, an dem ich mich gut fühle, wie ich bin. Ich fühle mich letztlich doch meistens fremd, unsicher, minderwertig und deplatziert.

Der entscheidende Punkt ist: Selbst wenn es irgendwann auch wieder besser wird, wird es eben nicht gut, sondern lediglich weniger schlimm. Jedenfalls habe ich nach all den Erfahrungen, die ich in meinem Leben gemacht habe, keinen Grund, an etwas anderes zu glauben. Es gab sicherlich auch glückliche Momente in meinem Leben, aber ich erinnere keinen einzigen, der das Leid und die Qualen aufwiegt. Vielleicht bin ich nicht fähig, Glück und Freude in dem Maße zu empfinden, in dem es andere, „normale“ Menschen empfinden können; vielleicht geben mir die potentiellen zukünftigen glücklichen Momente deswegen keinen Grund dafür, warum es sich zu kämpfen lohnen sollte: Ich kann einfach nicht sagen, dass irgendeiner der glücklichen Momente es wert ist – nicht einmal alle glücklichen Momente zusammengenommen. Es bliebe also ein Kampf des Überlebens wegen, nicht aber des Lebens willen – dafür müsste ich ein anderer Mensch werden. Aber wie?

Bitte entschuldigt meine, in euren Augen, pessimistische Sichtweise! Ich weiß, dass ihr es selbst schwer habt mit der Krankheit und sehr viel Kraft aufbringt, um diese zu bekämpfen. Davor habe ich großen Respekt! Und ich möchte euch nicht mit meiner deprimierenden Sichtweise anstecken. Dennoch halte ich meine Sichtweise auf meine Aussichten für realistisch: es bleibt lediglich ein Überleben.

Herzliche Grüße
Blake
nine73
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Re: Traurigkeit, Leere, Verzweiflung

Beitrag von nine73 »

Hallo Blake,

wollte endlich mal sagen, dass ich mich auch über deine Antwort echt gefreut hab :) Und es ist definitiv zu was gut- grade weil es so "abgespaced" ist...denn ich denke immer, ich sollte diese Gedanken und Gefühle nicht haben- aber sie sind ja da und da tut es einfach neben den "positiven" Beiträgen auch einfach mal gut zu lesen, dass andere ähnlich ticken...
Noch heute bleiben Begegnungen mit Menschen unbefriedigend, weil ich keinen echten emotionalen Kontakt zu anderen (und vermutlich nicht einmal zu mir selbst) herzustellen vermag
Auch das erlebe ich (bis auf Ausnahmefälle) fast immer so und finde es sehr belastend, traurig, whatever :(
Rational verstehe ich, warum das so ist und was es vielleicht verändern könnte (Selbstannahme etc.), aber praktisch und gefühlsmäßig ändert sich dadurch leider bisher gar nichts- der Autopilot läuft...aber da ich ja kleine andere Momente kenne, weiger ich mich einfach, die Hoffnung aufzugeben :roll:

Ich les dich weiter :)

Lieben Gruß, nine
W_Blake
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Re: Traurigkeit, Leere, Verzweiflung

Beitrag von W_Blake »

Liebe nine,

nochmals danke dafür, dass du mich in meiner Schreibtätigkeit hier im Forum bestärkst. Es tut mir gut, so ein Feedback zu lesen! Denn wie bereits erwähnt, habe ich eigentlich immer das Gefühl, dass meine Beiträge allgemein in diesem Forum und insbesondere in diesem Thread deplatziert sind.

Keine Ahnung, vermutlich wiederholt sich hier im Forum nur das, was ich aus meinem alltäglichen, „echten Leben“ gewohnt bin: ich habe immer das Gefühl, dass es ohnehin niemanden interessiert, wie es mir geht, was ich empfinde, welche Ängste, Wünsche und Hoffnungen ich habe … Ich habe nie gelernt, dass es jemanden interessieren könnte, was in mir vorgeht. Vermutlich habe ich nicht einmal gelernt, für mich selbst zu erkennen, was in mir vorgeht – Staumauern zu errichten, die meine Emotionen und Gefühle eindämmen, war vermutlich die einzige Überlebensstrategie, die mir irgendwann noch blieb.

Mit der Art und Weise, in der ich hier im Forum überhaupt erst über meine Gefühle und Emotionen schreiben kann, stelle ich auch so etwas wie eine, ich nenne es mal, „ästhetische Distanz“ zu diesen Gefühlen und Emotionen her. Das wirkt vielleicht tatsächlich auf manche Forumsmitglieder befremdlich. Aber anders, unmittelbarer kann ich darüber nicht schreiben. Deswegen sind die Gefühle und Emotionen nicht weniger real – ganz im Gegenteil –, aber vielleicht erschwert diese Herangehensweise auch gleichzeitig anderen, damit umzugehen. Gepaart mit meinem Pessimismus (ich würde sagen: Realismus) ist das vielleicht auch schwer verdaulich und erschwert es anderen, darauf zu reagieren. Ich kann sehr gut verstehen, dass es sich mit der Hoffnung, dass das depressionsgeplagte Leben irgendwann auch wieder besser wird, wesentlich besser leben lässt, als mit Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung. Aber der Weg der Hoffnung und Zuversicht steht mir aufgrund meiner bisherigen Erfahrungen leider nicht offen. Das ist auch für mich eine sehr leidvolle Erfahrung, jedoch kann ich dieses, mein Erleben nicht einfach abstellen.
nine73 hat geschrieben:Rational verstehe ich, warum das so ist und was es vielleicht verändern könnte (Selbstannahme etc.), aber praktisch und gefühlsmäßig ändert sich dadurch leider bisher gar nichts
Diese Diskrepanz zwischen rationaler Einsicht und unverändertem Erleben kann ich voll und ganz nachvollziehen! Ich fange an zu begreifen, dass mehr als eine Depression hinter all dem negativen Erleben steht, aber durch das Verstehen ändert sich rein gar nichts. Es sind erlernte Muster, die offenbar zu tief sitzen, als dass sie durch rationale Einsichten beeinflusst werden könnten. Ich erlebe das als sehr frustrierend und es lässt mich geradezu verzweifeln …
nine73 hat geschrieben:aber da ich ja kleine andere Momente kenne, weiger ich mich einfach, die Hoffnung aufzugeben
Leider reichen mir die kleinen anderen Momente nicht, um so etwas wie Optimismus zu wahren. Gefühle wie Fremdheit, Unsicherheit, Minderwertigkeit und Traurigkeit sind einfach so mächtig, dass die paar wenigen, flüchtigen glücklichen Momente wenig ausrichten … Ich wünschte, es wäre anders, aber ist es nun einmal nicht. Es ist, als sei ich von meinem eigenen Leben abgeschnitten: mein Herz schlägt noch, aber ich habe schon sehr lange aufgehört zu leben. Die Depression erscheint mir nur eine übersteigerte Form eines Erlebens zu sein, das für mich normal und unumgänglich zu sein scheint. Meine Vergangenheit wirft einen langen, dunklen Schatten auf mein gegenwärtiges Dasein …

Ich habe das Gefühl, so traurig zu sein, dass ich nicht mal richtig weinen kann! Manchmal wünsche ich mir, all die negativen Gefühle und Emotionen einfach „auszuweinen“, aber es geht einfach nicht: ich komme, wenn überhaupt, nicht über mehr als ein paar wenige Tränen hinaus …

– Blake
W_Blake
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Re: Traurigkeit, Leere, Verzweiflung

Beitrag von W_Blake »

Noch ein Gedanke als Nachtrag:

„Die Zeit heilt alle Wunden“, heißt es so schön. Ich glaube, das stimmt nicht: Genauso wie es offene körperliche Wunden gibt, kann es bei seelischen Verletzung zu offenen Wunden kommen, die nicht verheilen. Man kann seelische offene Wunden vielleicht mit „seelischen Salben“ und „seelischem Verbandsmaterial“ behandeln bzw. verbinden, aber es bleiben eben offene, eiternde Wunden.
Bittchen65
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Re: Traurigkeit, Leere, Verzweiflung

Beitrag von Bittchen65 »

Lieber Blake,
mir ist es manchmal zu anstrengend, langen Beiträgen zu folgen.
Trotzdem schaue ich immer, wenn du geschrieben hast,wie es dir geht.
Oft denke ich,wie traurig,dass ein so begabter ,noch junger Mensch ,auch mit so einer Krankheit zu kämpfen hat.Es ist schon gut dass du nicht alleine lebst.

Liebe Grüße Bittchen
Anne Blume
Moderator
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Re: Traurigkeit, Leere, Verzweiflung

Beitrag von Anne Blume »

Hallo Blake,
möchten Sie einen der Ratschläge annehmen, die Sie hier in den letzten Tagen bekommen haben?
Zum Beispiel Bittchen hat Ihnen Mut gemacht, eine Akutklinik mit Depressionsstation aufzusuchen. Vielleicht nehmen Sie aber auch einfach die Klinikempfehlung Ihrer Therapeutin an.
Wir Moderatoren möchten Sie noch einmal bestärken.

Herzliche Grüße
Anne Blume
W_Blake
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Re: Traurigkeit, Leere, Verzweiflung

Beitrag von W_Blake »

Liebe Bittchen,

ich weiß ja, dass mein Gefühl, dass es ohnehin niemanden interessiert, was ich schreibe, nur ein Phantom ist. Aber hier kommt wieder die Diskrepanz zwischen Verstehen und Empfinden zum Tragen: Das Verstehen scheint leider nichts am Empfinden zu ändern …

Ich hoffe, dass es dir mittlerweile auch wieder besser geht! Du selbst machst ja auch eine sehr schwere Zeit durch und versuchst dennoch so oft, für die anderen Forumsmitglieder da zu sein. Vor deiner Leistung habe ich großen Respekt!

Herzliche Grüße
Blake
W_Blake
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Registriert: 7. Sep 2015, 18:21

Re: Traurigkeit, Leere, Verzweiflung

Beitrag von W_Blake »

Liebe Frau Blume,

ich bin ja mittlerweile so weit, dass ich mich auf den Versuch „Klinikaufenthalt“ einlassen möchte. Aber ich möchte mir auch, was immer das genau heißen mag, bei der Klinik sicher sein. Meine Therapeutin und ich werden das Projekt gemeinsam angehen …

Ungeachtet dessen glaube ich, dass mein – wie es scheinen mag – Pessimismus (ich bleibe bei Realismus) nicht allein der Depression geschuldet ist, sondern auch, so vermessen das klingen mag, auf meinen Lebenserfahrungen basiert.

Herzliche Grüße
Blake
irma
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Re: Traurigkeit, Leere, Verzweiflung

Beitrag von irma »

lieber blake,

dieser thread beschreibt auch meine gefühle. ich war oft erschüttert zu lesen, wie treffend.

mir macht er aber auch grosse angst und mich gleichzeitig sehr unruhig.

er geht so sehr in die tiefe und ich habe angst, so tief in meine eigene seele zu sehen und vor der wahrheit, was da ursächlich ist.

was ist, wenn ich da nichts finde?

bringen dich diese gedanken in irgendeiner weise weiter? wie ich vorsichtig vermute, ich glaube es nicht.

und doch bin ich angetan von deiner art zu denken und zu schreiben.

ich finde die anderen beteiligten, die ebenso in ihr innerstes gehen und darüber schreiben,
beweisen mut, wie du. ich habe ihn nicht.

lieber blake, ich wünsche dir, falls du dich für eine klinik entscheidest, alles erdenklich gute und vor allem hilfe.

herzlichst
irma
artig musst du nicht sein; es reicht, wenn du grossartig bist. (dieter becker)
W_Blake
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Registriert: 7. Sep 2015, 18:21

Re: Traurigkeit, Leere, Verzweiflung

Beitrag von W_Blake »

Liebe irma,

habe auch du vielen Dank für deine ehrlichen Worte und die guten Wünsche!
irma hat geschrieben:ich habe angst, so tief in meine eigene seele zu sehen und vor der wahrheit
Klar, je nachdem, worin die Wahrheit besteht, kann sie einem Ängste bereiten – das kann ich sehr gut verstehen. Aber ich habe keine Angst vor „meiner“ Wahrheit – ich wüsste nicht, was so schlimm daran sein könnte? Schlimm ist mein heutiges Erleben, dass sehr traurig, ernst und beschwert ist. Die Vergangenheit ist ein Teil dessen, was mich zu dem macht, der ich bin, also auch ein Teil der Geschichte dieses Leidens. Die Wahrheit nicht zu kennen, bewahrt mich nicht vor diesem Leiden …
irma hat geschrieben:was ist, wenn ich da nichts finde?
Wie meinst du das? Dass es nichts gibt, was die Depressionen erklärt? Ich bin mir sicher, dass ich etwas finde. Aber ich weiß nicht, wie ich reagieren würde, wenn ich mir dessen nicht sicher wäre. Allerdings weiß ich nicht, ob ich dich richtig verstehe.
irma hat geschrieben:bringen dich diese gedanken in irgendeiner weise weiter? wie ich vorsichtig vermute, ich glaube es nicht.
Das ist eine gute Frage! Aber was heißt es, dass mich etwas weiter bringt? Dass ich weniger leide? Dann müsste die Antwort bisher wohl „nein“ lauten. Dennoch helfen mir diese Gedanken, mich besser zu verstehen, bestimmte Zusammenhänge zu erkennen. Ich finde, dass das einen Wert an sich hat, aber gleichzeitig hoffe ich natürlich (immerhin: Hoffnung!), dass das Verstehen ein erster Schritt ist, der in die Richtung einer Besserung geht – auch wenn durch das Verstehen allein keine Besserung eintritt.

Herzliche Grüße
Blake
W_Blake
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Re: Traurigkeit, Leere, Verzweiflung

Beitrag von W_Blake »

Liebe Bittchen,

das Kompliment ist meiner Aufmerksamkeit entgangen:
Bittchen65 hat geschrieben:Oft denke ich,wie traurig,dass ein so begabter ,noch junger Mensch ,auch mit so einer Krankheit zu kämpfen hat.
Bittchen, ich bin beeindruckt, dass du immer ein freundliches Wort für deine Lediensgenossinnen und -genossen übrig hast, obwohl es dir selbst so schlecht geht. Das ist eine wirklich großartige Leistung!

Und auch, wenn ich das Kompliment nicht annehmen kann, möchte ich mich dafür bedanken! Denn ich höre so etwas nicht oft. Ich halte mich selbst für unbegabt und unfähig – oder wenn nicht in allen Bereichen unbegabt, so doch für zu unbegabt, um etwas aus meinen spärlichen Begabungen zu machen. Ich wollte zum Beispiel eigentlich immer in die Forschung, aber schaffe es einfach nicht, die damit verbundenen Hürden zu nehmen; war und bin einfach in gewisser Weise zu blöd, mein Ziel zu erreichen …

Am Ende lebt man vielleicht eben doch nicht das Leben, das man sich ausgesucht hat, sondern das Leben, wie es sich einem „aufgedrängt“ hat. Das scheint jedenfalls auf mein Dasein zuzutreffen. Na ja, und es stimmt leider einfach nicht, dass es nie zu spät für etwas ist. Das stimmt mich alles sehr traurig.

– Blake
Novembersonne
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Registriert: 15. Okt 2015, 13:49

Re: Traurigkeit, Leere, Verzweiflung

Beitrag von Novembersonne »

Hallo Blake,
ich habe jetzt schon eine ganze Weile in Deinem Thread mitgelesen, bisher aber nicht die richtigen Worte gefunden. Ich weiß nicht, ob es Dir hilft, aber ich schreibe Dir einfach ein par Gedanken zu ein paar Dingen, die Du in den letzten Tagen und Wochen geschrieben hast. Vielleicht ist ja was für Dich bei.
W_Blake hat geschrieben:Mit der Art und Weise, in der ich hier im Forum überhaupt erst über meine Gefühle und Emotionen schreiben kann, stelle ich auch so etwas wie eine, ich nenne es mal, „ästhetische Distanz“ zu diesen Gefühlen und Emotionen her. Das wirkt vielleicht tatsächlich auf manche Forumsmitglieder befremdlich. Aber anders, unmittelbarer kann ich darüber nicht schreiben. Deswegen sind die Gefühle und Emotionen nicht weniger real – ganz im Gegenteil –, aber vielleicht erschwert diese Herangehensweise auch gleichzeitig anderen, damit umzugehen.
"Ästhetische Distanz" ist wirklich ein sehr schönes Bild. Das kenne ich nur zu gut. Ich bin auch sehr gut darin, anderen Menschen völlig "emotionslos", distanziert von Ereignissen aus meinem Leben zu erzählen (so ich es denn überhaupt mal tue). Ja, das erschwert den Umgang enorm. ;-) Aber Du findest dadurch einen Zugang zu Dir und Deinen Gefühlen. Das ist doch gut. Also mach Dir keine Gedanken, ob Du hier im Forum jemanden befremdest. (Außerdem glaube ich, daß viel zu viele Leute hier das Phänomen kennen, als daß Du damit jemanden ernsthaft befremden könntest.)
W_Blake hat geschrieben:Am Ende lebt man vielleicht eben doch nicht das Leben, das man sich ausgesucht hat, sondern das Leben, wie es sich einem „aufgedrängt“ hat. Das scheint jedenfalls auf mein Dasein zuzutreffen. Na ja, und es stimmt leider einfach nicht, dass es nie zu spät für etwas ist. Das stimmt mich alles sehr traurig.
Ich glaube man lebt das Leben, das man sich ausgesuch that UND das Leben, wie es sich aufgedrängt hat. Man versucht sein Ziel zu erreichen und irgendjemand schmeißt einem ständig die Knüppel zwischen die Beine. Zum Leben gehört einfach beides. Hast Du mich nicht selber erst letztens darauf hingewiesen, daß man nicht immer alles unter Kontrolle haben kann? ;-)

Du schreibst, es stimme nicht, daß es nie zu spät für etwas sei. Du scheinst ein sehr reflektierter, intelligenter Mensch zu sein. Aber das ist Humbug (entschuldige bitte die offenen Worte). Ich glaube Dir, daß Du gerade keine Hoffnung auf Besserung hast. Und so manche Chance wird sich Dir kein zweites Mal bieten. Aber jeden Morgen geht die Sonne auf, selbst wenn man sie nicht sieht. Jeder Tag bringt eine neue Chance. Worauf? Das weißt Du erst, wenn Du sie genutzt hast. Du scheinst doch sowieso zu glauben, Du hättest nicht viel zu verlieren. Also worauf wartest Du? ;-) (Ich weiß, ist leider nicht so leicht, wie es sich schreibt.)
W_Blake hat geschrieben:„Die Zeit heilt alle Wunden“, heißt es so schön. Ich glaube, das stimmt nicht: Genauso wie es offene körperliche Wunden gibt, kann es bei seelischen Verletzung zu offenen Wunden kommen, die nicht verheilen. Man kann seelische offene Wunden vielleicht mit „seelischen Salben“ und „seelischem Verbandsmaterial“ behandeln bzw. verbinden, aber es bleiben eben offene, eiternde Wunden...
Ja, da hast Du Recht. Viele Wunden verheilen einfach nicht mehr. Sie schmerzen jeden Tag aufs Neue. Wenn man Glück hat, wird der Schmerz vielleicht irgendwann etwas erträglicher. Aber unsere Erfahrungen machen uns zu dem Menschen, der wir sind. Auch unser Schmerz macht uns zu dem Menschen, der wir sind. Was Geschehen ist, wirst Du nicht mehr rückgängig machen können. Aber Du kannst damit leben. Und das tust Du. Jeden Tag aufs Neue. Und das macht Dich zu einem ganz besonderen Menschen.
W_Blake hat geschrieben:Ungeachtet dessen glaube ich, dass mein – wie es scheinen mag – Pessimismus (ich bleibe bei Realismus) nicht allein der Depression geschuldet ist, sondern auch, so vermessen das klingen mag, auf meinen Lebenserfahrungen basiert.
Wieso sollte das vermessen klingen? Nicht jede negative Erfahrung im Leben macht einen zwangsläufig depressiv - auch nicht einen Depressiven. Nur der Umgang damit kann krank machen. Und der Umgang spielt sich im Hier und Jetzt ab. Das heißt, die Frage ist, ob die Dämonen noch immer Dein Leben beherrschen. Oder ob Du sie beherrschst - oder zumindest ab und an mal aus der guten Stube rausschmeißen kannst.

Kleiner Exkurs:
Ich hatte schon mal erwähnt, daß ich mißbraucht wurde. Das tut noch immer maßlos weh, wird es vermutlich auch immer. Aber ich habe das irgendwann akzeptiert. Das Ereignis als auch der Schmerz gehören zu meinem Leben.

Anderes Beispiel:
Eine meiner frühesten Kindeheitserinnerungen ist die, daß ich wirklich dachte, ich müßte sterben. Ich war (bin) chronisch krank, damals ging es mir sehr schlecht. Ich bin unzählige Male nachts ins Krankenhaus gebracht worden. Einmal war es so schlimm, daß ich, während mein Papa mich auf seinem Arm die Treppe runter zum Auto trug, merkte, wie ich ohnmächtig wurde, weil ich keine Luft mehr bekam. Im ersten Moment hatte ich panische Angst zu Ersticken. Dann wurde ich ruhig und dachte mir: "Gut, dann soll es jetzt eben so sein. Dann hast Du es hinter Dir und mußt nicht mehr leiden, nicht mehr kämpfen. Mach einfach die Augen zu und Ruhe ist." Ich war damals knapp 5 Jahre alt... Auch bei mir durften meine Eltern nicht im Krankenhaus bei mir bleiben. Auch nicht bei irgendeinem der unzähligen anderen Krankenhaus-/ Rehaaufenthalte. Das alles macht mich traurig, manchmal auch wütend. Je nach Tagesform. Aber das ist ok so.

Ja, Blake, die Zusammenhänge zu erkennen helfen nicht wirklich im Sinne einer spontanen Heilung. Aber sie helfen zu verstehen. Soweit bist Du schon. Nun solltest Du den nächsten Schritt gehen und einen "gesunden" Umgang mit allem lernen. Wie Du das hinbekommen kannst, kann ich Dir nicht sagen. Da kann Dir wohl nur ein Profi helfen. Du hast mir geraten zum Arzt zu gehen. Also rate ich Dir: setze Deinen Vorsatz in die Tat um und entscheide Dich für eine Klinik.

Ich wünsche Dir von Herzen alles Gute dafür,
Novembersonne
"Tief im Herbst drin liegt ein Neubeginn" (Herbert Grönemeyer, "November")
W_Blake
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Re: Traurigkeit, Leere, Verzweiflung

Beitrag von W_Blake »

Liebe Novembersonne,

vielen Dank für deine ausführlichen Gedanken zu meinem Geschreibsel! Ich versuche mal, der Reihe nach auf deine Punkte einzugehen:
Novembersonne hat geschrieben:"Ästhetische Distanz" ist wirklich ein sehr schönes Bild. […] Aber Du findest dadurch einen Zugang zu Dir und Deinen Gefühlen. Das ist doch gut.
Einerseits, ja, ist es gut, andererseits weiß ich nicht, ob ich durch die ästhetische Distanz wirklich einen Zugang zu meinen Gefühlen bekomme. Vielleicht verbirgt sich dahinter auch nur eine Art Abwehrmechanismus, der eigentlich nur dazu dient, mich von meinen Gefühlen fernzuhalten … Aber klar, das ist wieder sehr hypothetisch und bevor ich gar nicht über meine Gefühle sprechen bzw. schreiben kann, ist die „Ästhetisierung“ vielleicht das kleinere Übel.
Novembersonne hat geschrieben:Ich glaube man lebt das Leben, das man sich ausgesuch that UND das Leben, wie es sich aufgedrängt hat. Man versucht sein Ziel zu erreichen und irgendjemand schmeißt einem ständig die Knüppel zwischen die Beine. Zum Leben gehört einfach beides. Hast Du mich nicht selber erst letztens darauf hingewiesen, daß man nicht immer alles unter Kontrolle haben kann?
Damit hast du natürlich völlig recht. Etwas präziser hätte ich formulieren können: „Der Anteil, zu dem sich mir mein Leben aufdrängt, ist verglichen mit dem Anteil, zu dem ich mein Leben selbst bestimme, bedauerlicherweise übermächtig. Das stimmt mich sehr traurig.“ Ich will ja nicht absolute Kontrolle über mein Leben, aber doch mehr Mitspracherecht, als ich gefühlt hatte und habe.
Novembersonne hat geschrieben:Du schreibst, es stimme nicht, daß es nie zu spät für etwas sei. […] Aber das ist Humbug (entschuldige bitte die offenen Worte). Ich glaube Dir, daß Du gerade keine Hoffnung auf Besserung hast. Und so manche Chance wird sich Dir kein zweites Mal bieten.
Also doch kein Humbug! Wenn manche Chancen nicht wieder kommen, dann ist es eben doch für manches im Leben zu spät. Ich bestreite nicht, dass das Leben ständig neue Chancen bietet, aber manche Gelegenheiten bekommt man eben doch nie wieder.
Novembersonne hat geschrieben:Du scheinst doch sowieso zu glauben, Du hättest nicht viel zu verlieren. Also worauf wartest Du? ;-) (Ich weiß, ist leider nicht so leicht, wie es sich schreibt.)
Ja, – und nicht viel zu gewinnen. Das macht die Sache noch schwieriger. Aber klar, du hast natürlich recht: von nichts, kommt nichts.
Novembersonne hat geschrieben:Aber unsere Erfahrungen machen uns zu dem Menschen, der wir sind. Auch unser Schmerz macht uns zu dem Menschen, der wir sind.
Was, wenn ich nicht sein will, wer ich bin?! Ich habe leider noch nicht herausgefunden, wie ich ein anderer Mensch werden kann – das mag wiederum an meiner schlechten Chancenverwertung (s.o.) liegen. ;-)
Novembersonne hat geschrieben:Wieso sollte das vermessen klingen?
Sich in meinem Alter auf die Lebenserfahrung zu berufen, mag vielleicht vermessen klingen, dachte ich.
Novembersonne hat geschrieben:Also rate ich Dir: setze Deinen Vorsatz in die Tat um und entscheide Dich für eine Klinik.
Jawohl! Aber ich mach’s auf meine Art … (davon abgesehen war ich schon beim Arzt und bin, hoffentlich, beim Profi).

Ich versuche den Grund für meine wenig optimistischen Aussichten noch einmal darzulegen: Wenn ich mich an die besseren, d.h. weniger schlimmen (i.d.R. nicht: guten) Phasen, in meinem Leben, ja, selbst wenn ich mich an die paar glücklichen Momente in meinem Leben zurückerinnere, dann drängt sich mir die Frage auf: Wofür all dieses Leid ertragen?! Selbst die glücklichen Momente haben für mich wenig wert, gemessen an den negativen Erfahrungen – selbst die glücklichen Augenblicke haben mir nur ein sehr begrenztes Glücksgefühl vermittelt. Wenn das also das Ende der Fahnenstange ist – und davon muss ich aufgrund meiner Erfahrung ausgehen –, weiß ich einfach nicht, wofür das alles gut sein soll. Vielleicht kann ich Glück einfach nur in einem sehr begrenzten Umfang empfinden, weswegen ich einfach weniger hoffnungsvoll und zuversichtlich bin. Denn selbst, wenn es mal besser ist, so meine Erfahrung, ist es unterm Stich eben doch nicht gut, sondern nur weniger schlimm. – Das reicht mir jedoch, ehrlich gesagt, nicht.

Sorry, dass ich vielleicht einmal wieder destruktiv bin, aber was soll ich tun?

Danke nochmal für deine Mühen, auf meine Gedankenwelt einzugehen. Bitte werte meine destruktive Antwort nicht als mangelnde Wertschätzung!

Herzliche Grüße
Blake
sadsmile
Beiträge: 5
Registriert: 25. Okt 2014, 20:46

Re: Traurigkeit, Leere, Verzweiflung

Beitrag von sadsmile »

Liebe(r) Blake,

ich habe nicht alle Antworten gelesen - so hoffe ich, Dich nicht zu langweilen, indem ich wiederhole was andere bereits geschrieben haben.

Ich fühle ähnlich wie Du - und es ist nichts, was ich so einfach abstellen kann. Die Sicht auf die Dinge oder die "Krankheit" ändern... das ist sicher ein Ansatz, aber meist wird es wohl nicht den berühmten Schalter umlegen.

Was also tun, wenn die Glasglocke nicht von selbst zerbricht, der Schmerz im Innern nicht abnimmt...

Der Erfolg einer Therapie ist sicher abhängig davon, wie Dein Leiden genau aussieht (ist es "alte", ist es neu... und welche "Form" und Ausprägung hat es), welche Therpieform Du machst (Verhaltenstherapie, tiefenpsychologisch fundierte Gesprächstherapie, Psychoanalyse...), welchen Therapeuten Du hast ("stimmt" es zwischen Euch, kann er/sie Dir die entscheidende Hilde/Impulse zur Heilung geben - das, was Du brauchst)... und natürlich ob das, was vielleicht in Deinem Leben/deinem Alltag sich ändern sollte, auch geändert wird - falls es da Punkte gibt, die Deine Krankheit noch verstärken.

Bei mir: ich mache seit 1,5 Jahren eine Therapie, tiefenpsycholog. fundierte Gesprächstherapie (1/Woche). Ich mag meine Therapeutin sehr und wir hatten schon einige Sitzungen, in denen ihre Sicht -oder Analyse/Statement...- mir geholfen haben, mich erleichtert haben... insgesamt sagte mein Mann, es habe sich zum Besseren verändert, die dunklen Tage und Stunden seien seltener. Auch ich hatte das Gefühl. Zur Zeit - seit einigen Wochen, vielleicht sind es eher schon Monate - ist das aber nicht mehr der Fall. Die Dunkelheit nimmt zu.

Ich glaube, wenn man dieKraft dazu hat, dann ist es gut, auf mehrern Ebenen anzusetzen. Zum einen die Therapie: da ist einer, der hört zu und zwar aus freiem Willen von Berufs wegen. Im besten Falle hilft er, sich selbst wieder näher zu kommen und nicht so sehr der Depression unterworfen zu sein, vielleicht ist er sogar derjenige, der einen entscheiden da heraus führen kann.

Dann: man kann seinen Geist beeinflussen - seine Gefühlslagen, die zugrundeliegenden Befindlichkeiten... d.h.: sein eigenes Gehirn. Das geht beispielsweise über Meditation sehr gut, wenn man bei der Sache bleibt. Einfach ist es erst einmal nicht. Man muss es tun. Das entscheidende ist, dass man es tut, auch wenn man es erst einmal nicht mag oder das Gefühl hat, dass es nichts nützt. Der Erfolg stellt sich erst mit der Zeit ein. Achtsamkeitsmeditation heisst das (ist also nicht-religiös)... mindfulness-based cognitive therapy und mindfulness based stress reduction. Der Begründer der Methode hat sie entwickelt für Patienten mit Depressionen, die als austherapiert galten - ohne geheilt worden zu sein. Man hatte sie also aufgegeben. Diese Methode aber griff auch bei diesen Patienten.

Als ich davon hörte, wusste ich sofort, das brauche ich als Baustein. Ich habe einen solchen Kurs gemacht (es sind klassischerweise 8-Wochen-Kurse) und abgesehen davon, dass ich zur Zeit nicht die Kraft für die Meditationspraxis habe (ich schlafe sofort dabei ein, insbesondere bei den Übungen im Liegen), ist die Theorie dazu und die Praxis in den Übungsstunden bereits sehr hilfreich gewesen. Es gibt dazu eine Menge Literatur - zur Wirkung der Meditation. Z.B. vom Hirnforscher Wolf Singer (der mit dem französ- buddhist. Mönch Mathieu Riccrad ein Buch dazu herausgebracht hat) und andere Forschungen aus dem medizinischen und psycholog. Bereich. Ein gutes Buch ist auch "Meditation für Skeptiker" von Ullrich Ott. Wenn man schon mehr in die therapeutische Richting lesen will, dann eben gleich etwas über MBSR/MBCT.

Für mich ergibt sich das Problem, das alles auch zu tun
Es ist ja etwas für mich und ich habe gelernt, dass das schlecht ist... etwas für sich zu tun. Das ist ohne Zweifel auch einer der Gründe, warum ich eine Depression entwickelt habe. Nicht für sich selbst sorgen können, gar nicht wissen, was man möchte - weil man es nie gelernt/verlernt hat. Bei mir ist das sehr alt.

Noch eines, auch zum Thema stationärer Aufenthalt. Ich hatte keinen, würde mir aber in irgend einer Form so etwas wünschen. Ein guter Freund von uns, der bis ins Erwachsenenalter von knapp 40 Jahren noch keine Depression hatte, entwickelte eine solche - mit selbstverletzung und suizidalen Tendenzen. Es war der Klinikaufenthalt (6 Wochen), der im half - und zwar wirklich half. Die Zeit in der Klinik hat ihn da herausgeholt und bisher ist es dabei geblieben, dass er der Depression entronnen ist. Im Übrigen hat ihn sein Arbeitgeber - dem er sich offenbart hatte - nach der Genesung: entlassen! Solche Sorgen sind also berechtigt. allerdings hatte die Situation am Arbeitsplatz sicher auch die Belastung mit verursacht, unter der die Depression entstand - und die neue Situation (auch hier hat der Freund - gleich bei der Bewerbung - reinen Wein eingeschankt, ist um längen besser. Etwa keine unbezahlten Überstunden mehr. Etwas durch die Krankheit zu verlieren bedeutet mitunter also auch, etwas anderes - besseres - zu gewinnen.

Soweit. Vielleicht findest Du Anregungen zur (Selbst)hilfe. Ein MBSR-Kurs kann man anderen - wenn man nicht hausieren gehen mag mit der eigenen Befindlichkeit und Krankheit - sehr gut als Entspannungs- oder Konzentrationspraxis verkaufen. "Man lernt dort moderne (nicht-religiöse) Meditationspraxis, die einen befähigt, fokussierter, entspannter und konzentrierter durch's Leben zu gehen... quasi das eigene Gehirn zu überlisten, sich von ihm nicht mehr sagen zu lassen, wie man zu reagieren hat etc." Damit weiß noch keiner, warum man wirklich so einen Kurs macht. Andererseits - zwei Personen zu sein... eine gespielte für die Umwelt... ist auf Dauer sicher nicht lebbar.

Alles Gute
sadsmile
sadsmile
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Registriert: 25. Okt 2014, 20:46

Re: Traurigkeit, Leere, Verzweiflung

Beitrag von sadsmile »

...noch etwas:
ja, es mag so sein: wenn es "gut" ist, dann ist es nur "weniger schlimm".
Ich kenne das. Das Dunkel kann jederzeit zuschlagen, so ist es bei mir.
Ich glaube dennoch, dass es einen Versuch wert ist.
Und dass man sich verändern kann (hier spricht die Naturwissenschaftlerin...):
das Gehirn weist auch im Erwachsenenalter eine immense Plastizität auf -
die können wir nutzen, indem wir es trainieren.

Du kannst erreichen, dass es besser wird. Das "gut" nicht mehr nur bedeutet
"weniger schlimm". Davon bin ich überzeugt. Ich sage nicht, dass es leicht ist.
Aber möglich.
W_Blake
Beiträge: 184
Registriert: 7. Sep 2015, 18:21

Re: Traurigkeit, Leere, Verzweiflung

Beitrag von W_Blake »

Liebe sadsmile,

vielen Dank für deine ausführliche Antwort und die eigentlich guten Tipps.

„Eigentlich“, denn mir geht es da ähnlich wir dir:
sadsmile hat geschrieben:Für mich ergibt sich das Problem, das alles auch zu tun
Ich habe zwar nie einen Meditationskurs gemacht, sondern habe einfach mal irgendwann damit begonnen … Die Zeiten, in denen ich regelmäßig meditiert habe, sind aber schon lange wieder vorbei. Und wenn ich einmal aus einer Tätigkeit draußen bin, dann fällt es mir immens schwer, diese wieder aufzunehmen – selbst dann, wenn sie mir eigentlich gut tut und ich auch weiß, dass sie mir gut tut würde. Ähnlich geht es mir mit Sport: Jetzt in der dunklen, kalten Jahreszeit kann ich mich äußerst schwer motivieren, mich sportlich zu betätigen … Beide Tätigkeiten, Meditieren und Sport treiben, wären gute unterstützende Ansätze … Aber ich bekomme es zur Zeit einfach nicht hin.

Zur Therapie kann ich (noch) nicht so viel sagen, da ich noch nicht so lange wieder dabei bin. Meine vorherige Therapie war aber eher ein Reinfall! Ich habe dieses Mal besonderen Wert auf die Person gelegt, weil mir die „Chemie“, wie man so sagt, wichtig ist. Diesbezüglich habe ich eigentlich ein gutes Gefühl, aber ob die Therapie wirklich was bringt, wird sich erst noch zeigen müssen … Das Therapieverfahren war für mich eher zweitrangig. Na ja, und es ist ja ohnehin nicht so, als hätte man eine große Auswahl. Ich bin ganz froh, dass ich überhaupt einen Therapieplatz bekommen habe und scheinbar noch bei einer Therapeutin, bei der ich mich einigermaßen gut aufgehoben fühle.
sadsmile hat geschrieben:Etwas durch die Krankheit zu verlieren bedeutet mitunter also auch, etwas anderes - besseres - zu gewinnen.
Das dumme ist nur, dass man vorher nie weiß, ob es nur anders wird oder eben auch besser! Da bei mir im Moment, gefühlt zumindest, so gut wie alles unsicher geworden ist, beruhigt mich der Gedanke, dass es besser werden kann (aber eben nicht muss), nicht unbedingt. Aber ich habe eigentlich auch sehr verständnisvolle Vorgesetzte, so dass ich mir um meine Arbeit, hoffe ich, zumindest keine Gedanken machen muss. Diesbezüglich wäre eher die Frage, ob die Arbeit eine Tätigkeit ist, mit der ich alt werden möchte, aber das ist wieder eine ganz andere Frage …
sadsmile hat geschrieben:das Gehirn weist auch im Erwachsenenalter eine immense Plastizität auf -
die können wir nutzen, indem wir es trainieren.
Die These von der Plastizität des menschlichen Gehirns ist mir bekannt. Allerdings ist mir auch bekannt, dass diese These umstritten ist. Es hängt sehr viel davon ab, wie man die Beispiele, die die Plastizität des Gehirns belegen sollen, interpretiert. Es gibt andererseits auch Gegenbeispiele, die für die Modularität des Gehirns sprechen und dafür, dass einzelne Module relativ impermeabel sind. Wahrscheinlich liegt die Wahrheit, wie so oft, irgendwo in der Mitte: Es gibt womöglich Hirnregionen, die plastischer und durchlässiger für Informationen anderer Areale sind als andere Hirnregionen, die vermutlich weniger plastisch und eher impermeabel sind. Da mein Problem vermutlich ein sehr altes Problem ist, das seinen Ursprung in meiner frühen Kindheit zu haben scheint, spielt von den Hirnregionen vermutlich die Amygdala eine nicht unerhebliche Rolle – eine Hirnregion, die eher als impermeabel für höherstufige kognitive Informationen gilt. Aber klar, du hast ja auch nicht gesagt, dass es einfach wird. ;-)

Leider gibt es aber auch keine Garantie, dass „besser“ irgendwann mehr bedeutet als „weniger schlimm“. Ich habe ja nun einmal nur meine Erfahrungen, auf die ich meine Überzeugungen über die Zukunft gründe – und die lassen mich einfach weniger optimistisch sein: Wenn es in der Vergangenheit (abgesehen von ein paar einzelnen Momenten) nie wirklich gut, sondern immer nur weniger schlimm war, fällt es einem schwer zu glauben, dass es irgendwann einmal doch richtig gut werden wird …

Sorry, ich bin schon wieder so destruktiv – aber was soll ich machen? Immerhin, ich halte noch mit den Fingerspitzen an so etwas wie einer abstrakten Hoffnung fest, dass es doch irgendwann einmal anders, ja, sogar gut werden wird.

Oje, jetzt habe ich schon wieder einen halben Roman geschrieben: sorry auch dafür!

Herzliche Grüße
Blake
W_Blake
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Registriert: 7. Sep 2015, 18:21

Re: Traurigkeit, Leere, Verzweiflung

Beitrag von W_Blake »

Hallo zusammen,

habe mich in den letzten Wochen, nicht nur aus dem Forum, sehr zurückgezogen. Heute Abend überkam mich dann aber doch das Bedürfnis, meine Gedanken/Gefühle auszudrücken und mitzuteilen:

Ich sitze zuhause und überlege, wen ich anrufen und was es bringen könnte, diese oder jene Nummer aus meinem Telefonbuch zu wählen. Aber ich weiß einfach nicht, wen ich anrufen könnte, noch weniger, was es bringen sollte – ich bleibe ja letztlich doch unberührt von einer zwischenmenschlichen Begegnung und am Ende eines jeden Gespräches bleibe ich doch wieder nur einsam mit meinen negativen Gefühlen zurück. Aus jedem Verständigungsversuch geht das Gefühl der Einsamkeit – durch das Scheitern gestärkt – als mächtiger Sieger hervor. Und während ich hier sitze und überlege, schreitet die Zeit voran, bis sie eine Uhrzeit überschritten hat, die es mir nicht mehr erlaubt, jemanden anzurufen …

Ich bin in etwa bei der Hälfte der Lebenserwartung eines Menschen in meinem Alter angekommen, weiß, dass mein Leben für den Rest meines Daseins durch Krankheit geprägt sein wird. Im Grunde weiß ich nicht einmal, wie sich ein gesundes Leben anfühlt. Ich bin der Krankheiten müde – die Vorstellung, nie ein völlig gesundes Dasein (ich weiß: was heißt das schon?) führen zu können, macht mich traurig und verzweifelt. Es fällt mir schwer, mich damit abzufinden. Ich bewundere Menschen mit (zum Teil wesentlich schwereren) Krankheiten, die es schaffen, ihre Krankheit als Teil ihres Daseins in ihr Leben zu integrieren. Für mich ist Krankheit, wenn auch nicht das Gegenteil, so doch zumindest ein Gegenspieler des Lebens – Krankheit als Hinderer und Verhinderer. Ich wäre gerne optimistischer, kann aber im Moment nicht einmal so tun, als sei ich es.

Herzliche Grüße
Blake
Bittchen65
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Registriert: 16. Jul 2015, 11:38

Re: Traurigkeit, Leere, Verzweiflung

Beitrag von Bittchen65 »

Lieber Blake,

zwar weiß ich nicht,welche Krankheiten,außer Depressionen ,du noch hast,
aber gerade diese seelische Störung ,
macht dir deine schlechten Gefühle.
Du hast mal geschrieben, du hast gute Freunde und auch eine Lebenspartnerin.
Wenn es dir wieder etwas besser geht,wird es dir leichter fallen,wieder Kontakte zu pflegen.
Es ist ,für mich immer wieder sehr anstrengend,aus dem Loch zu kriechen.
Auch diese, jetzt schon sehr lange Krise ,macht mir zu schaffen,aber ich gebe nicht auf.
Das wünsche ich mir auch für dich.
Hast du dir das mit der Klinik noch mal überlegt ? Ich möchte dir nicht auf den Wecker gehen,aber ich habe für mich entschieden,wenn es mir nach einem Jahr Krise (hat auch was mit meinem Nikotinentzug vor 9 Monaten zusammen)nicht besser geht,gehe ich zumindest mal in eine Tagesklinik.
Alles Gute und liebe Grüße von Bittchen
W_Blake
Beiträge: 184
Registriert: 7. Sep 2015, 18:21

Re: Traurigkeit, Leere, Verzweiflung

Beitrag von W_Blake »

Liebe Bittchen,

einmal wieder bin ich von deinem unermüdlichen Einsatz für andere beeindruckt. Vielen Dank dafür! Woher nimmst du nur die Kraft?

Über meine anderen Krankheiten kann bzw. möchte ich aus Gründen der Anonymität in diesem öffentlichen Forum nicht schreiben. Sie belasten mich jedenfalls zusätzlich und die Tatsache, dass es für mich nie mehr sein wird wie für einen Gesunden (was immer das genau heißen mag), frustriert mich, macht mich wütend, stimmt mich traurig und lässt mich verzweifeln! Dabei bin ich mir bewusst, dass es mich hätte bei Weitem schlimmer treffen können, aber mir fällt es dennoch schwer, mich mit meinen Krankheiten zu arrangieren …
Bittchen65 hat geschrieben:[…] gerade diese seelische Störung ,
macht dir deine schlechten Gefühle.
Das ist, fürchte ich, in meinem Fall leider nicht die ganze Wahrheit. Ich glaube, dass diese negativen Gefühle durch die Erfahrungen, die ich in meinem Leben mehr oder weniger von Beginn an gemacht habe, zu einem festen und dominanten Bestandteil meiner Persönlichkeit geworden sind. Vielleicht fällt es mir deswegen auch sehr schwer, Hoffnung und Zuversicht zu haben: diese negativen Gefühle sind eben nicht nur der Krankheit Depression geschuldet, sondern sind ein wesentlicher Teil von mir.
Bittchen65 hat geschrieben:Hast du dir das mit der Klinik noch mal überlegt ?
Ja, ich werde das früher oder später angehen, brauche aber noch etwas Zeit …

Ich wünsche dir, dass sich deine Kraft und Zuversicht nie erschöpfen mögen und dass du deine depressive Episode möglichst bald überwunden hast!

Herzliche Grüße
Blake
W_Blake
Beiträge: 184
Registriert: 7. Sep 2015, 18:21

Re: Traurigkeit, Leere, Verzweiflung

Beitrag von W_Blake »

Hallo zusammen,

ich bin so schrecklich unzufrieden mit allem! Nichts macht mir Spaß, ich habe kein richtiges Interesse für irgendetwas oder irgendjemanden, alles erscheint mir bedeutungs- und belanglos zu sein … Das Schlimme daran ist, dass ich diese Gefühle, wenn auch in abgeschwächter Form, selbst dann habe, wenn ich mich nicht mitten in einer depressiven Phase befinde. Ich frage mich: Wozu das alles? Nie scheine ich mit meinem Leben, mit dem, was ich erreicht habe, mit dem, womit ich mich beschäftige usw., zufrieden zu sein. Egal, was sich ändert, die Unzufriedenheit bleibt. Diese Unzufriedenheit und innere Leere und das Wissen, dass es nicht aufhört, selbst dann, wenn die Depression überwunden ist, sind so quälend! Ich frage mich manchmal, ob ich einfach eine depressive Persönlichkeit habe und es gewissermaßen mein Schicksal ist, eine depressive Sicht auf das Leben zu haben. Ich hasse mich und mein Leben! Und ich bin so unsagbar traurig …

– Blake
W_Blake
Beiträge: 184
Registriert: 7. Sep 2015, 18:21

Re: Traurigkeit, Leere, Verzweiflung

Beitrag von W_Blake »

PS
Hier im Forum schreiben so viele von einem Leben vor und/oder nach der Depression. Dieses Leben scheine ich nicht richtig zu kennen. Mein Leben vor der Depression war irgendwie unter ’m Strich auch ein Leben in Depression – mit weniger ausgeprägter Symptomatik, aber doch irgendwie depressiv. Ich habe keine rechte Vorstellung davon, was es heißt, ein glückliches Leben zu führen; klar, ich habe glückliche Momente erlebt, aber ein glückliches Leben … Ich weiß einfach nicht, wie sich das anfühlt.
Bittchen65
Beiträge: 1853
Registriert: 16. Jul 2015, 11:38

Re: Traurigkeit, Leere, Verzweiflung

Beitrag von Bittchen65 »

Lieber Blake,

ich lese gerade ,wie schlecht es dir wieder geht.
Wollte dir einen Gruß da lassen,verliere nicht den Mut.

Alles Gute Bittchen
W_Blake
Beiträge: 184
Registriert: 7. Sep 2015, 18:21

Re: Traurigkeit, Leere, Verzweiflung

Beitrag von W_Blake »

Liebe Bittchen,

habe einmal wieder herzlichen Dank und auch dir alles Gute!

Blake
W_Blake
Beiträge: 184
Registriert: 7. Sep 2015, 18:21

Re: Traurigkeit, Leere, Verzweiflung

Beitrag von W_Blake »

Es hilft einfach alles nichts! Die Medis, die ich ohne weitere Bedenken nehmen kann, wirken einfach nicht (Alternativen sind aufgrund einer anderen Erkrankung, unter der ich leide, problematisch). Die Therapie hilft auch (noch?) nicht; und, ehrlich gesagt, weiß ich auch nicht, wie sie helfen soll: die Aufgabe scheint einfach zu groß und unüberschaubar zu sein … Meiner Erwerbstätigkeit kann ich auch nur mit sehr großer Anstrengung nachgehen; alles kostet so viel Kraft, ich bin oft unkonzentriert und fühle mich überfordert (obwohl ich faktisch eher unterfordert bin); außerdem befriedigt mich der Job nicht, sondern frustriert mich ungemein. AU ist aber auch keine Alternative, weil mir dann nur die Decke auf den Kopf fallen würde. Die Erwerbstätigkeit, der ich nachgehe, gibt wenigstens etwas Struktur vor, sorgt dafür, dass ich wenigstens oberflächlich in soziale Kontakte eingebunden bleibe. Meine angestrebte Weiterqualifikation, die mir persönlich sehr am Herzen liegt, stagniert seit Wochen, Monaten, Jahren, weil mir einfach Disziplin, Antrieb, Kraft und vor allem Selbstvertrauen fehlen – vielleicht bin ich auch einfach zu blöd. Meine Beziehung zeichnet sich derzeit vor allem durch Streitereien, gegenseitige Verletzungen und emotionale Kälte aus … Es gibt nichts in meinem Leben, das mir Spaß macht, keine Tätigkeit, bei der ich mich entspannen könnte. Alles ist ein einziger Kampf, mein Leben ein einziger Trümmerhaufen!

– Blake
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