Wie soll ich nur damit umgehen?? Bitte lesen...

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nibor

Wie soll ich nur damit umgehen?? Bitte lesen...

Beitrag von nibor »

Hallo zusammen,

bis jetzt war ich immer nur stiller Mitleser. Nun versuche ich auch einmal etwas zu schreiben da ich wirklich ein paar gute Ratschläge gebrauchen könnte.

Um nicht den Rahmen zu sprengen, hier ein paar vorab Informationen.
Ich 23, m, seit ca. 3 Jahren ständige depressive Phasen (so genau kann ich das gar nicht mehr sagen). Wirklich Krank würde ich mich seit ungefähr 6 Monaten bezeichnen. Hatte eine ziemlich schlimme depressive Phase von Mitte März - Ende April. Das war auch der Punkt als ich endlich zum Arzt gegangen bin. Mein Hausarzt gab mir eine Überweisung zum Psychologen. Nach weiteren Wochen schaffte ich es wirklich einen Arzt und einen kurzfristigen Termin zu ergattern.
Ja, ich war wirklich stolz auf mich diesen Schritt nun endlich gemacht zu haben. Leider war der Psychologe nicht wirklich der richtige für mich. Fühlte mich nicht so verstanden wie erhofft. Trotzdem sagt er, dass ich wohl an einer mittelschweren Depression erkrankt bin.
Nach einigen Terminen ging ich nicht mehr hin. Ich war im Grunde wieder am Anfang.

Anfang Juni redete ich zum ersten Mal mit einen Freund über meine Probleme. Er ist ein Arbeitskollege von mir.
Er fragte in der schlimmen Phase von März-April oft nach was mit mir sei. Was los ist.
Wollte nun endlich mit offenen Karten spielen. Habe Wochen benötigt um endlich reden zu können. Anderen Freunden oder meiner Familie habe ich es noch nicht erzählt. Besonders bei meiner Familie habe ich Angst nicht verstanden zu werden.
Mein Kollege hatte viel Verständnis und fragte mich auch etwas aus. Es war wirklich eine Erleichterung für mich. Er sagte selbst, er hat selbst einen Bekannten den es nicht ganz so gut geht, wenn ihr versteht was ich meine.
Obwohl ich oft das Gefühl hatte ihn damit zu belasten, verneinte er dies und sagt ich soll mir nicht so viel Gedanken darüber machen. Ich war froh einen "verbündeten" gefunden zu haben.

Nun zum Problem.
Seit einigen Wochen (6 Wochen um genau zu sein) wurde das Thema nicht mehr angesprochen. Wir sitzen zusammen in einer Abteilung und die Anspannung in der Luft ist fühlbar, zumindest für mich. Seit einigen Wochen bin ich wieder ziemlich schlecht drauf.
Weiß wirklich nicht wie ich seit Wochen das durchhalte. Mir sind die Tränen und der Schmerz ziemlich anzusehen. Man kann es im Grunde nicht übersehen. Besonders wenn man nur wenige Wörter pro Tag raus bekommt. Mein Kollege ist nicht für mich verantwortlich, aber er hat mich noch kein einziges Mal gefragt was los ist. Finde das schon sehr traurig.
Selbst wenn er auf Arbeit nicht fragen möchte, eine einfache WhatsApp-Nachricht am Abend dauert keine Minute. Fühle mich ziemlich überflüssig und unverstanden.

Der Höhepunkt war leider heute.
Ich war wieder still und wortkarg. Er versuchte etwas Humor in den Raum zu bringen. Gelang mit mir natürlich nicht so gut. Darauf er: ,,Kannst du bitte etwas lustig sein und nicht so streng." Ich wusste kurz nicht ob ich mich verhört hatte. Wie kann er so etwas sagen obwohl er weiß was mit mir los ist? Ich verstehe es nicht. Zumindest habe ich dann versucht die restlichen 2 Arbeitsstunden tränenlos zu überstehen und Heim zu gehen. In diesen 2 Stunden war ich verärgert, extrem enttäuscht, traurig und einfach nur noch körperlich anwesend.
Ich weiß, solche Sprüche hört man von "unwissenden" öfters, aber von einem wissenden?
Jemand der selbst einen depressiven bekannten hat??
Ich glaube er hat gar keine Ahnung was das eigentlich ist.
Ich will aber auch nicht wieder von mir aus die Geschichte klar stellen.
Ich habe einfach das Gefühl nicht wichtig genug zu sein, dass man sich um mich Gedanken machen.
Ich bin einfach nur traurig wieder bei Null zu stehen und wieder keine Ansprechperson zu haben.
Seit letzter Woche habe ich für Mitte November einen neuen Termin beim Psychiater.
Würde diese GUTE Info ihn wirklich gern erzählen, aber bei diesem Interesse mir gegenüber.
Wie soll ich nun auf Arbeit auftreten und diese unangenehme Situation meistern?
Ich weiß gerade wirklich nicht mehr weiter... :cry:

Sorry..nun ist der Text durch arg lang geworden...hoffe es liest überhaupt jemand.
Über Antworten und Tipps würde ich mich wirklich freuen.
Sorry für eventuelle Schreibfehler...habe ca. eine Stunde gebraucht diesen Text zu schreiben.

Danke Euch!
szegfue75
Beiträge: 494
Registriert: 17. Mai 2006, 22:17

Re: Wie soll ich nur damit umgehen?? Bitte lesen...

Beitrag von szegfue75 »

Hallo Nibor,

ich kann sehr gut nachvollziehen wie es dir geht. Solche Erfahrungen habe ich leider auch schon gemacht. Selbst im Freundeskreis. Man öffnet sich und als dank wird man dann irgendwann so behandelt. Das Verständnis scheint wie weggeblasen.

Oh ja, das kenne ich. Manchmal gab es dann mit Freunden Diskussionen, dass es eben nicht nur mir schlecht geht, sondern auch den anderen. Das Ganze hat sich dann leider immer so hoch geschaukelt, das dann letztendlich die Freundschaft daran zerbrach. Also nicht sofort. Der Prozess hat manchmal Jahre gedauert. Hmm.. Das ist vielleicht ein Punkt an dem ich persönlich arbeiten sollte und das nach so einigen Psychotherapien... Heute mit Abstand zu damals kann ich sagen, dass es auf beiden Seiten an mangelndem Verständnis lag. Auch "gesunde" Menschen haben mal ein Tief und brauchen mal Unterstützung von außen. Leider sieht das vielleicht der andere "kranke" Part nicht, weil er selbst im Tief steckt und projeziert die unangenehme Stimmung auf sich.

Ich denke, du solltest das nicht persönlich nehmen was dein Arbeitskollege da heute zu dir gesagt hat. Aber ich verstehe durchaus wie es dir damit geht. Ich denke dein Arbeitskollege hat die angespannte Stimmung wahrgenommen und wollte durch den Humor die Stimmung etwas lockern. Da du nicht darauf reagiert hast, hat er dich auf eine schroffe Art "angestupst". Ich an deiner Stelle hätte an einem schlechten Tag auch gar nicht reagieren können.
.
Meinst du, du schaffst es morgen etwas die Stimmung aufzuheitern? Wie könntest du das machen? Es ist gut, dass du eine Therapie anfangen wirst. Dort kannst du solche Situationen wie heute mit deinem Therapeuten besprechen.

Wenn du dich überfordert fühlst mit der Situation, könntest du dich auch für den Rest der Woche krank schreiben lassen. Ich weiß jetzt aber nicht ob das ein guter Rat ist. Eigentlich eher nicht. Man sollte sich schon unangenehmen Situationen stellen. Denn oft ist es weniger schlimm als man denkt. Und würdest du dich krankschreiben lassen, könntest du bei der nächsten Gelegenheit, die dir unangenehm erscheint, dich wieder krankschreiben lassen.

D. h., du gewöhnst dich daran, dich zurück zu ziehen. Aber wenn es nicht anders geht, kannst du immer wieder darauf zurück greifen.

Mir hilft es an Sch*** Tagen mich in die Arbeit zu verkriechen. Auch das ist schwer, wenn man in einem Tief steckt. ABer man kann es hartnäckig versuchen und meistens klappt das sogar.

Und du wirst dich gleich um einiges besser fühlen und die Stimmung lockert sich von alleine :)
Alles wird gut.
LG,
Szegfue
Zuletzt geändert von szegfue75 am 30. Sep 2015, 22:18, insgesamt 3-mal geändert.
"Glücklichsein ist eine Angelegenheit rein persönlicher Anpassung an ihre Umgebung."
Zitat aus Cluny Brown auf Freiersfüßen
Michael2909
Beiträge: 243
Registriert: 26. Aug 2015, 23:56

Re: Wie soll ich nur damit umgehen?? Bitte lesen...

Beitrag von Michael2909 »

Hallo dibor

Ich kann dich super verstehen und mit dir mit fühlen.
Deine Geschichte erinnert mich an meine.
Den richtigen Schritt hast du ja schonmal gemacht.
Dir Hilfe zu holen. Das gebührt schonmal Respekt und du kannst darauf stolz sein.
Über freuend bzw Arbeitskollegen kann ich nur so viel sagen das er einfach nicht weiß wie er mit der Situation umgehen soll. Ich denke er hat Angst was falsches Zusagen oder zumachen und deswegen zeigt er dir sozusagen die kalte Schulter.
Und dadurch das er das macht macht er in deinen Augen noch mehr kaputt.
Ich habe diese Erfahrung auch gemacht.
Es gibt Freunde die sagen mir einfach gar nichts.
Deswegen habe ich mir ein guten Freund ausgesucht denn ich einfach mal alles erzählen kann wenn es mir schlecht geht.
Genauso wie meine Familie. Ich habe meine Eltern eingeweiht und auch meine Geschwister.
Denn sie sind schließlich die wichtigsten Menschen in meinen Leben.
Und das hilft mir sehr.

Vielleicht solltest du das auch deinen Eltern sagen auch wenn du Angst davor hast.
Und du solltest auch ein oder zwei Freunde einweihen.
Glaub mir wenn du das machst wird dir schon eine Last abfallen.
Ich weiß zwar nicht wie dein Verhältnis zu deinen Eltern ist aber du bist ihr Sohn und ich denke die werden für dich da sein. Du wärst ja auch für Sie da wenn sie krank wären.
Ich hoffe das dir der physiater helfen kann das du auch schnell einen Termin bei einen Physchologen bekommst.
Ich wünsche dir alles gute und sehr viel Kraft.
Du schaffst das. Und ich würde mich freuen öfters von dir hier zuhören. Mir tut es sehr gut hier zuschreiben und zulesen.
Liebe Grüße
Zarra
Beiträge: 5734
Registriert: 12. Mär 2010, 15:16

Re: Wie soll ich nur damit umgehen?? Bitte lesen...

Beitrag von Zarra »

Hi nibor,

Dein Kollege ist "wissend", aber war selbst wohl nie depressiv (... und selbst dann: in besseren Zeiten würde ich (!) mich nicht davon ausnehmen, daß andere extrem Depressive mich nerven könnten - denn das ist keineswegs leicht auszuhalten!!).

Häng' die Latte nicht so hoch; Dein Kollege scheint es mir keineswegs böse gemeint zu haben! - Die Aufmunterung, das Aufrütteln ist ihm nicht gelungen; Du bräuchtest anderes; okay, ... aber das ist nun mal nicht seine "Aufgabe", ... und so sieht normales Leben nicht aus. Depression ist eine Krankheit, bei der einiges eben anders läuft.

Ich kann Dir nur empfehlen, "Dir andere Therapeuten anzusehen" in der Hoffnung, daß es besser paßt.

Bin schon ziemlich matt heute, LG,
Zarra
Sonnenblume14
Beiträge: 1038
Registriert: 16. Sep 2014, 18:36

Re: Wie soll ich nur damit umgehen?? Bitte lesen...

Beitrag von Sonnenblume14 »

Hallo,

ich habe gerade im Kollegenkreis sehr viel Unsicherheit erlebt. Stell dir mal deine eigene Unsicherheit vor, wenn du jemandem gegenüberstehst, der z.B. an Krebs erkrankt ist. Du weißt nicht, sollst du das Thema ansprechen oder lieber nicht?! Der Erkrankte möchte nicht mit Krankengeschichten nerven und wartet also ebenfalls ab.

Es ist schwer, dir zu raten - ich kenne weder dich noch dein Verhältnis zu deinem Kollegen. Aber ein klärendes Gespräch würde vielleicht euch beiden helfen, die Stimmung wieder etwas zu verbessern. Du kannst ja einfach deine Eindrücke schildern und dass es dir momentan wirklich nicht gut geht, dass du dich bemühst, das nicht so spüren zu lassen, aber dass es eben nicht immer gelingt. Und dass du noch nach Hilfe suchst.

Wenn du etwas Bestimmtes von deinem Kollegen erwartest, musst du das formulieren - er kann nicht hellsehen. Wenn er zum Beispiel den Eidnruck hat, dass du nicht reden möchtest und deshalb nicht nachfragt, dann verschlechtert sich die Stimmung zwischen euch, obwohl ihr beide im Grunde aufeinander Rücksicht nehmt.

Vielleicht holst du mal für euch beideeinen Kaffee und bittest ihn um ein klärendes Gespräch?!

Du solltest insgesamt auch berücksichtigen, dass du dich in einer depressiven Phase befindest und dahe rbesonders sensibel reagierst. Ein flapsiger Kommentar wird in solchen Phasen gern umgedeutet, obwohl es gar nicht so gemeint war. Ich gebe zu, es ist schwer, das Gleichgewicht zu finden - man möchte die Kollegen natürlich auch nicht laufend mit Krankengeschichten belästigen . Wenn der Druck zu stark wird, würde ich einmal ernsthaft über eine Auszeit (Krankschreibung) nachdenken.

LG Sonnenblume
"Depressionen sind kein Zeichen von Schwäche, sondern dafür, dass jemand zu lange zu stark sein musste" (Johnny Depp)

"Verstehen kann man das Leben nur rückwärts. Leben muss man es vorwärts." Sören Kierkegaard
Salvatore
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Re: Wie soll ich nur damit umgehen?? Bitte lesen...

Beitrag von Salvatore »

Hallo Nibor,

willkommen im Forum!

Leider haben wir Betroffenen die Tendenz, dauernd nur um uns selbst zu kreisen. Deshalb habe ich mir einen "Perspektivwechsel" angewöhnt. Wie nimmt der andere die Situation wahr? Wenn man ein "Im Zweifel für den Angeklagten" zugrundelegt, wie könnte sich die Situation für deinen Arbeitskollegen darstellen? Er kann dir nicht in den Kopf gucken, er kann nicht hellsehen, er wird sich wahrscheinlich mangels eigener Erlebnisse nicht gut in dich einfühlen können. Woher soll er wissen, was du von ihm erwartest und was er sagen und fragen soll und was gerade nicht? Ist es möglich, dass er auf ein Zeichen von dir wartet? Und sich denkt, hm, sie spricht es seitdem gar nicht mehr an, was kann das bedeuten? Will sie gar nicht mehr darüber reden? Ist es ihr peinlich, dass sie es überhaupt mir gegenüber angesprochen hat und es ist besser wenn ich so tue, als wäre das nie geschehen?

Vielleicht magst du mal im Angehörigenforum mitlesen. Der Punkt, der dort am meisten bedauert wird ist die mangelnde Kommunikation.

LG, Salvatore
Blog: http://www.oddyssee.de
Instagram: Oddysee@meine_oddyssee
Botus
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Re: Wie soll ich nur damit umgehen?? Bitte lesen...

Beitrag von Botus »

Hallo Nibor,

Du solltest das nicht persönlich nehmen. Es hat auch nichts mit fehlender Wichtigkeit für andere zu tun. Jeder, der depressiv ist, würde wohl am Arbeitsplatz früher oder später so eine Reaktion erhalten. Die kommen ja in der Regel alle zum Arbeiten da hin.

Nach Feierabend eine Whats App Nachricht zu senden "wie geht es Dir..." dauert nicht lange. Aber für den Kollegen könnte es bedeuten, dass dann eine Antwort kommt, die er dann erneut beantworten muss, und so weiter und so fort. Dann wäre auch sein Feierabend weg. Möglicherweise denkt er so und fragt deshalb nach Feierabend nicht nach, wie es Dir jetzt geht.

Du bist ihm wichtig ! Aber der Kollege ist sich auch selbst wichtig. Genau wie Du möchte auch er in seinen Belangen wichtig genommen werden.

Ich glaube, dass professionelle Hilfe dafür einfach besser geeignet ist, auch wenn sie nicht immer in der Lage ist, die Krankheit wie einen Beinbruch oder ein Hautleiden innerhalb eines absehbaren Zeitfensters zuverlässig zu heilen.

Liebe Grüße vom Dobi
balsamico
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Registriert: 19. Apr 2013, 09:50

Re: Wie soll ich nur damit umgehen?? Bitte lesen...

Beitrag von balsamico »

Hallo Nibor,

ich bin Angehörige eines depressiven Partners und möchte mich den Vorschreibern gerne anschließen.

Wie Salvatore so richtig geschrieben hat, habe auch ich am stärksten mit mangelnder (bzw. missglückter) Kommunikation zu kämpfen. Richtigerweise betrifft das aber die Vergangenheit, weil es sich verbessert hat, wenn es auch noch weit entfernt von gut ist.

Es ist für mich extrem schwer (und mittlerweile weigere ich mich auch), die Befindlichkeit meines Gegenübers permanent zu erraten und dann auch noch angemessen (…also exakt! richtig für meinen Partner) zu reagieren. Zumal ich zeitweise keine Chance hatte, es überhaupt irgendwie richtig zu machen. Auf Nachfragen, wie das Befinden gerade ist, kam dann auch mal :“Siehst Du doch…“, fehlendes Nachfragen hingegen hat die Bestätigung geliefert, dass Niemand Verständnis habe.

Das ist ein echter Drahtseilakt und ohne ein paar (er)klärende Worte (trotz Nachfragen) hat das regelmäßig zu großer Unsicherheit meinerseits und in der Folge zu angespannter Atmosphäre geführt.

Als Dein Kollege z.B. den Aufmunterungsversuch unternommen hat, hätte evtl. ein unmittelbares „ne Du, mir geht es gerade sehr schlecht, kriege ich nicht hin mit lustig…“ oder so ähnlich, auf direktem Wege Spannung aus der Situation nehmen können. Noch besser natürlich, wenn Du noch vorher gleich von Dir aus eine Mitteilung machst, wie es Dir geht und das Gespräch suchst.

So scheinst Du 6 Wochen lang stillschweigend auf etwas gewartet zu haben und der Kollege wusste nichts davon oder er war evtl. selbst verunsichert.

Kennst Du die Geschichte mit dem Hammer von Paul Watzlawick? Da steht im Grunde genau Dein Erlebnis drin, nur eben mit anderem „Zubehör“.

Vielleicht magst Du mal lesen?

die Geschichte mit dem Hammer

Beste Grüße
balsamico
Zuletzt geändert von balsamico am 2. Okt 2015, 06:45, insgesamt 1-mal geändert.
nibor

Re: Wie soll ich nur damit umgehen?? Bitte lesen...

Beitrag von nibor »

Hallo zusammen,

vielen vielen Dank für die ganzen Antworten! Ich hätte niemals mit so vielen lieben und guten Ratschlägen gerechnet.
Durch eure Antworten bin ich wieder etwas runter gekommen und versuche es nun von einer anderen Seite zu betrachten.

Habe leider gerade nicht so viel Zeit, daher nur kurz.

Habe meinen Kollegen heut morgen gleich angesprochen und gefragt ob wir in der Mittagspause mal reden können. Also gleich.

Bin schon ganz schön aufgeregt. Ich weiß zwar so ca. was ich sagen möchte, aber in der Situation ist es doch wieder etwas anders. Ihr versteht

Lieben Dank an alle. Es sind so viele Namen die ich erwähnen möchte.

Die Geschichte mit dem Hammer kannte ich noch nicht, trifft den Nagel aber auf den Kopf.

Ist wirklich gut und bringt mich zum nachdenken. Vielen Dank für diesen Tipp!

 

Melde mich später nochmal.

 

Vielen Dank!
Cara Mia
Beiträge: 235
Registriert: 24. Aug 2015, 09:15

Re: Wie soll ich nur damit umgehen?? Bitte lesen...

Beitrag von Cara Mia »

Lieber Nibor,

viel Erfolg für Dein Gespräch.

Im Umgang mit meiner eigenen Depression und Gesprächen mit Freunden habe ich die Erfahrung gemacht, dass viele (zu Recht) Angst vor der Verantwortung haben, die mit diesem Wissen einhergeht.

Dem kann ich begegnen, indem ich einen sicheren Rahmen schaffe. Meine Freunde wissen, dass ich medizinisch begleitet bin, dass ich Notfallpläne habe, dass ich den Wunsch habe, gesund zu werden und diesen auch realisiere (Rückschritte gibt es immer).

Meine Erfahrung ist ebenfalls, dass die Gespräche über "das Leid" mir allenfalls eine kurzfristige Erleichterung bringen. Aber die depressiven Gedanken sind nicht aufzulösen dadurch.

"Alles ist so sinnlos. Ich habe Schmerzen. Ich kann nicht aufstehen. Das Leben hat überhaupt keinen Sinn. Es wäre besser, ich wäre tot."

Was soll mein Gegenüber denn dazu sagen, außer: Nein, so ist es nicht. Guck mal, die Blätter fallen jetzt, aber im Frühling gibt´s neue!
Dann sage ich: Ja, schon, aber erstmal ganz lange keine und selbst wenn´s neue gibt, die fallen ja wieder ab.

Dementsprechend können wir tausend Herbste und Frühlinge und Herbste durchdeklinieren. Das Problem sind nicht fallende Blätter, sonder meine (!) Depression.

Also rede ich mittlerweile lieber über die Depression als Krankheit.
"Gerade habe ich einen depressiven Blick auf alles. Das macht es mir derzeit schwer. Nur, dass Du es weißt, nimm´s nicht komisch, es wird wieder anders, aber ich kann nicht sagen, wann. Wäre nett, wenn Du das einfach mit mir aushältst. Ich bin nicht gerne so, aber ich werde es derzeit nicht so schnell los. Danke."

Dann stehen der Freund und ich auf einer gemeinsamen Seite. Ich und er und auf der a n d e r e n Seite ist die Depression. Die Depression ist nicht "ich". Das macht es für meine Freunde leichter "mich" zu sehen unter dem grauen Mantel und zu sagen "aha, verstehe, wenn ich etwas tun kann, sag Bescheid" und ich habe die Möglichkeit konkrete Wünsche zu äußern wie "Ich weiß, das hört sich ein bisschen komisch an, aber könntest Du am Samstag mit mir zu IKEA fahren und ein Regal besorgen. Das schaffe ich derzeit nicht alleine"

Solche Sachen machen meine Freunde dann schon. Was sie nicht gerne machen, ist mich in die Endlosschleife zu begleiten und dann zu sagen: Stimmt, dieser Herbst bleibt wahrscheinlich ewig. Und immer kommt ein neuer Herbst. Lass uns das alles lassen.

Es ist gut, dass sie das nicht tun. Sie sind ja gesund. Sie sollen auch gesund bleiben. Schließlich habe ich keine Lust, wenn ich wieder aus meiner Depression auftauche, nur Storys über den Verfall zu hören. Nee, dann will ich was machen, unterwegs sein, Kuchen essen, Autofahren uns den lieben Gott einen guten Mann sein lassen :-)

Herzliche Grüße,
es ist möglich, damit zu leben!

Cara
Lana_del_rey
Beiträge: 29
Registriert: 27. Aug 2015, 10:56

Re: Wie soll ich nur damit umgehen?? Bitte lesen...

Beitrag von Lana_del_rey »

Hallo Nibor und hallo alle anderen zusammen,

Mir geht es auch oft so, wie Nibor es geschildert hat. Aber eure ganzen Kommentare haben mich auch zum Nachdenken gebracht und ich werde auch versuchen, alles aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Nibor: Ich wünsche dir viel Erfolg und Glück für das Gespräch. Schreib doch bitte, wie es gelaufen ist.

@Cara Mia: Deinen Ansatz, alles so zu sehen, dass die Depression als Krankheit auf einer anderen Seite steht und man nicht selber die Depression ist, finde ich gut :) Das werde ich auch versuchen, umzusetzen.

Alles Liebe
Lana
Bittchen65
Beiträge: 1853
Registriert: 16. Jul 2015, 11:38

Re: Wie soll ich nur damit umgehen?? Bitte lesen...

Beitrag von Bittchen65 »

Hallo balsamico,
die Geschichte mit dem Hammer finde ich sehr treffend.
Dies negative Voraussicht,was sein könnte ,kenne ich sehr gut von mir.Grrrr
LG Bittchen
nibor

Re: Wie soll ich nur damit umgehen?? Bitte lesen...

Beitrag von nibor »

Hallo zusammen,

möchte euch nun von meinem heutigen Gespräch erzählen. Ich war extrem nervös. Ich habe zwar schon einige Male mit meinem Kollegen über meine Krankheit gesprochen, aber es ist immer wieder eine Überwindung. Besondern wenn, wie schon erwähnt, einige Woche nicht mehr darüber gesprochen wurde.

Er leitete das Gespräch ein. Zum Glück. Er meinte, er hatte schon gemerkt das es mir schon einige Zeit ziemlich mies geht. Er mich aber oft nicht gut einschätzen kann, da ich ja auch mal gute Phasen habe. Einige Kollegen fragt bei ihn schon nach was mit mir los sei.
Das ich total neben der Spur bin.
Er sagte nichts.
Ich gebe zu, mir kommt ab und zu der Gedanke, dass er etwas weiter plaudert.
Versuche und schaffe diesen Gedanken als FALSCH und UNWAHR gleich wieder aus meinem Kopf zu jagen.

Ich sagte ihn, dass ich oft noch den Eindruck habe ihn mit meiner Offenheit eine Last aufgebunden zu haben. Er verneinte...bestimmt bereits zum hundertsten Mal. Ich soll nicht mehr so denken da es quatsch ist. Er weiß nur nicht immer wie er mit mir reden soll.
Ich sagte ihn, dass ich den gestrigen Spruch ziemlich verletzend empfand und traurig darüber war, ihn aber nicht mehr böse bin. Er sagte, er merkte gestern selbst dass es ziemlich daneben war, es ihn aber einfach so raus gerutschte ist.
Wie schon gesagt, ich bin ihn nicht böse und kein bisschen nachtragend.
Ich finde mich zur Zeit auch ziemlich anstrengend....

Ich sagte ihn, dass ich es schade finde das so eine lange Zeit vergangen ist und wir unsere Kommunikation verbessern sollten damit jeder weiß woran er ist.
Ich sagte ihn, er kann sofort fragen falls er glaubt es ginge mir schlecht.
Egal ob persönlich (was auf Arbeit mit anderen Kollegen halt nicht immer leicht ist), oder einfach kurz per Mail oder WhatsApp. Im Gegenzug versuche ich mich zeitiger an ihn zu wenden falls etwas ist oder wieder hochkommt.
Keine peinliche Stille mehr! Nur Offenheit und Ehrlichkeit.

Vor 7 Wochen oder so fragt ich ihn ob er nicht mal mit zu mir kommen möchte um in einer mir lieben Umgebung, ungestört und etwas intensiver über die Sache zu reden. Er stimmte zu, sagte aber gleich, dass er momentan viel um die Ohren hat und er nochmal auf mich zu kommt.
Leider wurde das ja die letzten Wochen nichts...war bestimmt auch ein Grund für die unangenehme Situation.
Zumindest er sprach dieses treffen heute nochmal an, also das es immer noch steht.
Dass er schon selbst ein schlechtes Gewissen hat, da er nichts mehr dazu gesagt hatte.
Es sieht nun zeitlich etwas besser bei ihn aus.

Zum Schluss fragt ich noch was seine Frau überhaupt zu der ganzen Sache sagt. Ich kenne sie flüchtig, aber wünschte mir natürlich das er auch mit ihr über DAS spricht. Was er natürlich auch gemacht hat. Zum Glück.
Er meinte, als er ihr sagte dass ich krank bin und gern ein Besuch zum reden hätte, sie gleich sagte er solle sofort hin fahren. Finde ich voll nett. :D
Naja mal schauen wenn das treffen zustande kommt. Er hat wenigstens noch daran gedacht.

Danach hatte ich schon eine Last weniger auf den Herzen und konnte auch mal wieder mich über etwas freuen. Dann merkte ich aber schnell wie sehr mich die letzten tage belasten hatten. Ich bin echt kaputt einfach nur noch müde.

puhh....mal wieder ein langer Text. Glaube aber ich hätte es nicht kürzer erklären und schreiben können.

Danke euch allen für die Antworten.
Die Geschichte mit dem Hammer werde ich nie vergessen! Niemals!
Sonnenblume14
Beiträge: 1038
Registriert: 16. Sep 2014, 18:36

Re: Wie soll ich nur damit umgehen?? Bitte lesen...

Beitrag von Sonnenblume14 »

Hallo Nibor,

Wahnsinn! Du hast das wirklich super umgesetzt, klopf dir mal kräftig auf die Schulter. Dass da eine Last abgefallen ist, kann ich mir gut vorstellen. Es gehört Mut dazu, derart offen zu sein und ich finde es toll, dass dein Kollege so gut reagiert hat. Ich hoffe, dass ihr jetzt ein besseres Miteinander habt. Man verbringt auf der Arbeit so viel Zeit gemeinsam, da ist es wichtig, sich einigermaßen zu verstehen.

Aber wenn dein Kollege weiß, dass es dir manchmal richtig dreckig geht, kannst du dich auch mal kurz hängen lassen. Ich arbeite auch mit mehreren Kollegen zusammen in einem Raum ... in der ersten Zeit hatte ich viele Tiefphasen, in denen ich merkte, dass es anstrengend wurde. Mir haben einige Tricks geholfen.
Zum einen - wirklich mal eine Minute alles ruhen lassen und den Blick (und die Gedanken) schweifen lassen. Entspannungsübungen sind hilfreich, aber am Arbietsplatz (während der Arbeitszeit) ja nicht immer durchzuführen - bei mir ging das nicht. Und jetzt lach nicht: Grimassenschneiden auf der Toilette hilft, zu entspannen. Dort ist man im Allgemeinen ja ungestört und kann mal durchschnaufen.
Oder tatsächlich mal zehn Minuten Pause einlegen und an die frische Luft gehen. In der Anfangszeit habe ich diese "Krücken" sehr gebraucht. Inzwischen geht es (fast) ohne. Und einiges haben sogar die Kollegen übernommen (Fenster auf - durchatmen :)

LG Sonnenblume

P.S. den Hammer kannte ich schon - aber die Geschichte hat mich auch beeindruckt, weil sie so deutlich zeigt, wie blödsinnig das Hirn manchmal tickt.
"Depressionen sind kein Zeichen von Schwäche, sondern dafür, dass jemand zu lange zu stark sein musste" (Johnny Depp)

"Verstehen kann man das Leben nur rückwärts. Leben muss man es vorwärts." Sören Kierkegaard
balsamico
Beiträge: 153
Registriert: 19. Apr 2013, 09:50

Re: Wie soll ich nur damit umgehen?? Bitte lesen...

Beitrag von balsamico »

Guten Morgen zusammen,

Nibor, das finde ich ja richtig klasse, dass Du direkt ein Gespräch gesucht hast! Schön, dass es Dir auch etwas besser geht damit.

Und für den Kollegen war das bestimmt auch hilfreich.

Bittchen, das Buch, aus dem die Geschichte stammt – „Anleitung zum Unglücklichsein“ ist m.E. wirklich lesenswert. Ich mag u.a. auch die humorvolle Art, mit der Watzlawick die Tücken des Menschlichen beschreibt. Ich kenne bisher auch noch Niemanden, der sich nicht irgendwo im Buch wiedergefunden hätte :)

Viele Grüße
balsamico
nibor

Re: Wie soll ich nur damit umgehen?? Bitte lesen...

Beitrag von nibor »

Hallo zusammen,

Danke balsamico, Danke Sonnenblume. Freue mich, dass es euch interessiert wie es gelaufen bin :)
Bin froh das es so gut gelaufen ist.

Leider habe nun ein paar Zweifel ob ich mich wirklich so gut und verständlich
ausgedrückt habe wie ich denke.
Mein Kollege hat heute Urlaub, daher kann ich nicht so gut nachfragen und per WhatsApp will ich zu seinen freien Tag auch nicht. Und schon wieder das Problem mit dem Hammer.

Ist schon schlimm..man weiß das es quatsch ist, aber man denkt trotzdem so.
Diese ständigen Zweifel und Gedankengänge sind echt ätzend.
Einerseits habe ich etwas Angst wenn ich im November zu meinen neuen Psychiater gehe, anderseits würde ich an liebsten sofort hingehen. Hauptsache es bewegt sich was.

Euch einen schönen Start ins Wochenende!

Liebe Grüße
nibor
Bittchen65
Beiträge: 1853
Registriert: 16. Jul 2015, 11:38

Re: Wie soll ich nur damit umgehen?? Bitte lesen...

Beitrag von Bittchen65 »

Danke balsamico,

das Buch gibt es bei Weltbild, kostet 9,9o€ und habe ich mir bestellt.

Schönen Tag noch und liebe Grüße Bittchen
balsamico
Beiträge: 153
Registriert: 19. Apr 2013, 09:50

Re: Wie soll ich nur damit umgehen?? Bitte lesen...

Beitrag von balsamico »

Bittchen, das finde ich ja toll!! Ich wünsch' Dir viel Spass beim Lesen - wirst Du bestimmt haben :)

Viele Grüße und einen schönen Abend
balsamico
nibor

Re: Wie soll ich nur damit umgehen?? Bitte lesen...

Beitrag von nibor »

Habe mir das Buch auch heute bestellt. Freue mich schon sehr drauf.

Danke für den Tipp!:)
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