Zeitgefühl

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Lupine_84
Beiträge: 678
Registriert: 2. Mai 2014, 18:49

Zeitgefühl

Beitrag von Lupine_84 »

Hallo zusammen,

ich wollte mich einmal mit einer Frage melden, die mich schon lange beschäftigt.
Es heißt immer, in der Depression vergeht die Zeit gefühlt unendlich langsam.
Bei mir ist es aber genau das Gegenteil und ich wollte fragen, ob es noch jemandem so geht?

Sogar als ich gar nichts mehr eigenständig machen konnte (Anziehen, Essen, Einkaufszettel erstellen) und mich auch nicht ablenken konnte (fernsehen und lesen ging von der Konzentration her nicht), hatte ich immer nur das Gefühl, dass die Zeit rast und ich ihr nicht hinterherkommen kann. Mir war dauernd bewusst, wieviel Zeit schon wieder verstrichen ist, ohne dass ich etwas an meiner Lage und den Konsequenzen ändern konnte.

Und ich hatte das seltsame Gefühl all die Zeit nachholen zu müssen, die ich in Handlungsunfähigkeit verbrachte. Jede Arbeit die ich unter normalen Umständen erledigt hätte und jede Entscheidung, die ich getroffen hätte, müsste ich ja dann wohl später abarbeiten, weil das niemand für mich machen kann.
Das hat sich natürlich nicht so dargestellt, als ich tatsächlich wieder in dieser Welt Fuß fasste.

Aber es ist für mich so geblieben: Je schlechter es mir geht, desto schneller vergeht für mich die Zeit, weil ich umso weniger simple Aufgaben in üblicher Zeitspanne schaffen kann. Und weil ich das Gefühl habe, dass mir die Zeit zur Erholung davon läuft und immer kürzer wird.
Habe ich eine gute Phase, wundere ich mich darüber wieviel Aktivität in so einen Tag passt. Und zwar Pflicht, Erholung und gute, motivierte Aktivität nach meinen Vorstellungen (z.B. ein Einkaufsbummel). Das alles passt eigentlich in einen Tag.

Gibt es also unter euch noch mehr Leute, die nicht diese gedehnte langsame Zeitempfindung haben?

LG
Lupine
"Glück hängt nicht von äußeren Dingen ab, sondern von der Art, wie wir sie sehen" - Leo N. Tolstoj -
dine31
Beiträge: 169
Registriert: 5. Jan 2015, 09:21

Re: Zeitgefühl

Beitrag von dine31 »

Hallo Lupine

oh ja mir geht es da genauso....
ich dachte auch immer wenn ich einen stressigen tag vor mir hatte...das schaffst du nicht...und doch hab ich es geschafft und hatte noch zeit für spontanes...

Aber wenn es mir schlecht geht und ich kaum was hinbekomme ausser das nötigste und ich quasi nur die zeit tot schlagen muss oder will..kann man sehen wie man will....dann ist genau die zeit mein proplem...denn ich hab keine wirklich....
komisch ist aber so....

ich bin grad krankgeschrieben....und bin ja den tag über zuhause....da fängt es früh schon an....ich bring meine zwei kids in die schule fahre nachhause und fahre mittag wieder los..sie holen...
wo die zeit dazwischen hin ist ..weis ich nicht....machen tuh ich aber auch nichts wirkliches....und dann hab ich ein schlechtes gewissen weil ich nichts geschafft hab und das gedanken karussell fängt an sich zu drehen....wenn du weist was ich meine??

Also nein du bist damit nicht allein...im gegenteil da giebt es mehrere...
ein tip dafür hab ich nicht....es ärgert mich nur die zeit bekommen wir nicht wieder....sie ist weg....einfach weg...

lg dine
Zarra
Beiträge: 5734
Registriert: 12. Mär 2010, 15:16

Re: Zeitgefühl

Beitrag von Zarra »

Hi Ihr,
dine hat geschrieben:die zeit bekommen wir nicht wieder....sie ist weg....einfach weg...
Diese Betrachtung ist nicht hilfreich, weil sie uns weiterrunterzieht; letztendlich ist sie aber schon einfach realistisch, das sehe und erlebe ich auch so.

Mir geht manchmal ziemlich viel realistisches Zeitempfinden ab - in beide Richtungen. Ich glaube auch, daß es am ehesten so ist, daß man kein "reales" Zeitempfinden mehr hat.

Und ich denke, wenn einem alles dumpf und nur grau vorkommt, einen nichts wirklich erreicht, dann wirkt natürlich auch die Zeit träge.

Ich habe allerdings auch eher so das Gefühl, daß ich nicht mit der Zeit Schritt halten kann, daß sie schneller ist als ich.

... außer wenn ich ungeduldig bin: Nur leicht längere Autofahrten dauern mir meist zu lang; am liebsten wäre ich in der Hälfte der Zeit da. Das ist aber vielleicht eher ein Durchhalteproblem, fehlende Durchhaltelust bzw. anfangende "Erschöpfung"? Wieder bin ich zu langsam für die Welt.

LG, Zarra
Lupine_84
Beiträge: 678
Registriert: 2. Mai 2014, 18:49

Re: Zeitgefühl

Beitrag von Lupine_84 »

Hallo dine!

Ja, genau das ist es. Zwischen zwei Verpflichtungen (wie bei dir Kids fahren/holen) liegt eigentlich Zeit, die unerklärlicherweise nur verrinnt... und man versteht gar nicht, wie man so wenig machen konnte, bzw. warum die Zeit so schnell vergangen ist.

Ich hab Phasen, da ist es mein "reales" Gefühl, dass doch eigentlich jeder Mensch schon völlig ausgelastet damit sein müsste, sich 3x am Tag um eine Mahlzeit zu kümmern -mit Vor- und Nachbereitung eben.

Und dann wieder fällt mir an einem guten Tag auf, wie lang doch so ein Tag eigentlich ist. Vieles an Aufräumen geht nebenbei und so bleibt Platz für Bewusstes. Ich glaube auch, dass ich alles sehr viel schneller und flüssiger erledige. Eben ohne dieses dauernde kurze in-der-Luft-hängen, neu orientieren, oder eben die Müdigkeit.
Die Couch bzw. der Tag vergeht auf der Couch ganz besonders schnell, selbst wenn ich nicht einschlafe!!

In der schlechten Zeit staut sich auch alles mögliche, was mit minimalen Entscheidungen zusammen hängt (und sei es nur: ins Altpapapier oder abheften) zu einem riesen Berg auf, der mich mehr und mehr erdrückt, da ich ihn ja dennoch sehe und nicht kleiner kriege.

Dann kommt so ein guter Tag daher und ich entscheide "nebenbei", wie ich den Berg kleiner kriege. ich mache gleich ein paar Etappen, stelle fest, das manches GAR NICHT relevant war für eine Entscheidung usw.
Und das alles kostet irgendwie weniger Zeit, als das Nichtbefassen mit diesem angehäuften Berg. Jedenfalls fühlt es sich so an.

Tja, und für die Erholung ist die Empfindung natürlich eine Katastrophe. Dauernd ist das Wochenende rum. Dauernd ist der Arbeitstag erneut zu meistern. Dauernd stehen Termine an. Die unverplante Zeit verrinnt. :|
Zarra hat geschrieben:Ich habe allerdings auch eher so das Gefühl, daß ich nicht mit der Zeit Schritt halten kann, daß sie schneller ist als ich.
spüre ich auch so. Die Zeit ist viel schneller als ich. Schneller als ich es überblicken kann. Die Welt ist schneller als ich.
Alles rennt und ich renne mit und tue so als lebe ich im richtigen Tempo. Aber irgendwas beibt dabei auf der Strecke.
Die ganze Zeit ist so schnell und ich bin manchmal so wenig bewusst in der Welt, sondern eben immer nur den Hechtsprung hintendran... dass ich denke, das Alter ist nicht weit, es wird sich bald als schnell vergangen anfühlen... und dann gehe ich auf mein Ende zu und habe gar keine echte Erinnerung an mein Leben... weil ich immer nur gerannt bin.
Rennen oder Schlafen.
Die Ruhe auf der Couch ist keine Ruhe, wenn ich sehe wie sie den Nachmittag frisst. Wieder und wieder habe ich also gar nicht "teilgenommen" an bestimmten Stunden meines Lebens.

Nunja, ich hätte es gerne anders. Wobei ja generell alle Leute sagen, dass die Zeit so schnell vergeht.
Aber da gibt es eben immer diese Tage, an denen ich die Zeit wirklich füllen kann ohne dass es sich nach Rennen oder Anstrengung anfühlt.

Jedenfalls gibt es für mich keinerlei depressive zähe Zeit. Ich kenne nur das Gegenteil. Aber prima, dass ich nicht die einzige Ausnahme von den Lehrbüchern bin ;)

Danke für eure Antworten!

LG
Lupine
"Glück hängt nicht von äußeren Dingen ab, sondern von der Art, wie wir sie sehen" - Leo N. Tolstoj -
Cara Mia
Beiträge: 235
Registriert: 24. Aug 2015, 09:15

Re: Zeitgefühl

Beitrag von Cara Mia »

Liebe Lupine,

während depressiver Phasen habe ich auch ein anderes Empfinden für die Zeit. Ähnlich wie Du empfinde ich sie die ganze Zeit als "schnell", andererseits auch als "viel". Deshalb wird mir das auch so anstrengend. Als müsste ich eine Marathonstrecke sprinten. Ohne Wegmarken.
Was ich meiner Ärztin mal sagte als es ganz schlimm war: Jeder Tag hat so viele Stunde und jede Stunde so viele Minuten und alle sind einzeln.

LG,
ich wünsche Dir einen guten Tag!
Cara
Laryus
Beiträge: 103
Registriert: 9. Mär 2014, 18:24

Re: Zeitgefühl

Beitrag von Laryus »

Ja, das mit dem Zeitgefühl kenne ich auch. Vor allem ist das Schlimme ja: Du schaust dich um und wunderst dich, wie viel Zeit denn die anderen alle haben müssen, dass die so viel schaffen im Leben.

Egal wer, ob Familie oder Freunde oder Partner oder sonst irgendwer. Alle schaffen jeden Tag so unglaublich viel und ich mache den ganzen Tag immer, gefühlt, gar nichts.
Alle stehen mit irgendwelchen Berufen erfolgreich im Leben, haben ihr Hobby, haben ihre vielen Freunde die sie oft sehen, haben einen Partner, machen viel Sport.. und man selber denkt sich nur so: Wieso hast denn du so viel mehr Zeit als ich?

Das zieht mich immer sehr herunter..
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