Dialog zwischen Betroffenen und Angehörigen .

ellwood
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Dialog zwischen Betroffenen und Angehörigen .

Beitrag von ellwood »

Hallo da ich mit Katerle fast schon einen fremden Thread gekapert hatte ( eigentlich nicht weil es ja ums Thema ging ) , möchte ich hier mal einen Thread aufmachen in dem die Beziehung , der Umgang und das Wie zwischen Betroffenen und Angehörigen besprochen werden kann . Ich habe es mit meiner Freundin gemerkt das Sie sich ausgerechnet immer von mir abgrenzt wenn sie in ein Loch fällt . Sie sagt es hätte nichts mit mir zu tun und Sie bräuchte Zeit und Raum für Sich . Ich habe es so gut es mir möglich war immer mit Verständnis aber leider auch manchmal ohne Verstand gehandelt . Es ist aber auch das erste mal das ich mit Depressionen so nah konfrontiert war .

Auf der anderen Seite kenne ich jetzt Katerles Version , Sie sagt Sie habe den Dialog gesucht mit Ihrem Angehörigen und dieser hatte kein Interesse daran . Vielleicht können Wir hier ja was schaffen das gar nicht so leicht aussieht auf den ersten Blick ..... Nämlich das depressive Menschen nicht nur Heulsusen sind die sich doof anstellen genau sowenig wie Angehörige und Partner das alles nicht verstehen bzw. verstehen wollen .

Wenn auch ein bisschen schwierig so hoffe ich das am Ende sowas wie ein Konsens rauskommt was verständnisvolle Angehörige sowie offene Erkrankte angeht .

Danke schon mal und bitte , bitte ran an die Tasten . Denn ich will versuchen zu verstehen was ich mir bislang nur zusammenreimen konnte .
Katerle
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Re: Dialog zwischen Betroffenen und Angehörigen .

Beitrag von Katerle »

Guten Abend ellwood,

danke, dass du diesen Thread eröffnet hast. Wir haben ja schon einiges miteinander geschrieben. Und ich möchte auch noch hinzufügen, dass als ich dann die Diagnose hatte, ich bei einigen in meiner Familie (Schwiegerfamilie) kein gutes Gefühl hatte. Als ich das Erstemal zum Psychiater überwiesen wurde von einem anderen Facharzt wurde sich darüber lustig gemacht. Und als ich dann in Therapie ging kamen auch nur blöde Sprüche oder wenn ich was sagen wollte. Nun gut dachte ich mir, ich mache die Therapie für mich, was ich auch durchzog bis zu einem gewissen Punkt. Irgendwann fühlte ich mich aber so in die Ecke gedrängt, dass ich den Sinn nicht mehr sah, weiter in Therapie zu gehen. Und ja, ich ging dann nicht mehr zum Psychiater und auch nicht mehr zur Therapie. Warum auch, dachte ich, es interssierte eh keinen, also bräuchte ich das nicht. So dachte ich zumindest, denn es hatte auch niemanden weiter interessiert, wie es mir ging. Das heißt, es wusste auch keiner, dass ich nicht mehr in die Praxis ging und in Therapie. Ich fühlte mich mit meinem Latein am Ende... Aber da waren ja noch meine Kinder... Dann landete ich mal wieder in der Klinik wegen der Angst. Danach ergriff ich die Initiative und machte erneut Therapie und ging weiter zum Facharzt. Wurde auf Medis eingestellt, Spritzen alle zwei Wochen, jetzt nur noch alle drei Wochen, obwohl das auch schon reicht. Dann hatte ich zwischendurch den Wunsch, von den Medis wieder loszukommen, was mit Absprache meines Psychiaters erfolgte. Dann hatte meine S. einen Zusammenbruch, begleitete sie zum Arzt und ich kümmerte mich um sie, weil sie sonst allein gewesen wäre. Anfangs schlief sie viel und dann, als es ihr langsam wieder etwas besser ging, gingen wir zusammen ganz kleine Runden spazieren um den Block, bis sie langsam wieder zu Kräften kam. Sie fing sich langsam wieder und auf einmal ging es mir dann erneut wieder sehr schlecht. Ich schleppte mich zum Arzt und wurde erneut eingewiesen und wurde auf Spritzen eingestellt, höhere Dosis. Seitdem gehts mir besser und ich brauchte nicht wieder in die Klinik. Und dort war mein M. mal mit zum Gespräch und da wurde uns Beiden eine Paartherapie empfohlen. Zu Hause sprach er weiterhin mit mir kein Wort. Ich fühlte mich immer so, als hätte ich sonstwas verbrochen, weil ich krank war, auch wenn das jetzt krass klingt. Ich kümmerte mich also auch um einen Termin bei der Paarterapeutin und bei dem einen Termin war´s auch geblieben...

Das war´s erstmal von mir.

LG
ellwood
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Re: Dialog zwischen Betroffenen und Angehörigen .

Beitrag von ellwood »

Danke Katerle ,

das Du den Anfang machst wie im anderen Thread schon geschrieben kann ich das Verhalten von Deinem Mann nicht nachvollziehen . ich hätte alles für eine Paartherapiestunde gegeben . Das hätte mit Sicherheit einiges was ich aus meinen " Normalen " Beziehungen als Erfahrung mitgenommen , habe sicher direkt als falsch in der Beziehung zu einer depressiven Partnerin entlarvt . Die Fortschritte Die ich mit meiner Freundin machen konnte hingen somit nur von der Offenheit Ihrerseits ab wenn Sie dazu bereit war .

Das Du an Deiner Erkrankung keine Schuld hast ist für mich genau so ein Fakt wie das meine Freudin keine Schuld trifft . Was bei Euch vielleicht erschwerend hinzu kommt ist das Dei Partner Deine Erkrankung vielleicht zu " nah " mitbekommen hat und Sie deshalb nicht ernst genommen hat ( was wirklich schade ist ) . Ich lernte meine Freundin schon mit den Depressionen kennen , und habe von daher die Entscheidung treffen können ob ich Sie so annehmen kann. Was es im Resultat nicht wirklich einfacher macht .

Was ich damit sagen will ist das sich bei Uns die Frage des Ernst nehmen dieser Diagnose gar nicht gestellt hat .

Aber da ich den Thread ja extra hierfür eröffnet habe , was genau hättest Du von Deinen Partner erwartet ? Wie und in welchen Situationen hast Du Seine Hilfe gebraucht . Wo und wann hast Du nichts mit Ihm anfangen können und meine brennendste Frage an alle was bedeutet Zeit und Raum für sich in einer depressiven Episode ? Und bitte stellt alle Fragen Die Ihr habt auch ich würde so gerne Verstehen warum manche Dinge sich so ähneln .
Katerle
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Re: Dialog zwischen Betroffenen und Angehörigen .

Beitrag von Katerle »

Hi ellwood,

danke für deine verständnisvollen Worte.
Sie gaben mir das Gefühl, schuldig zu sein, weil ich krank war aufgrund ihres Verhaltens.
Nun, als wir uns damals kennenlernten musste ich manchmal weinen, wenn mich was belastet hatte, z. B. als meine Eltern beide nicht zu unserer Hochzeit erschienen oder, weil mein Vater mit einem M. betrunken auf meine M. losging und ich dazwischen ging... Oder weil der neue Partener meiner Mutter versuchte meine Mutter dazu zu bringen, dass sie den Kontakt zu allen Kindern abbrach und dann waren ja auch noch Dingem, die ich in frühester Kindheit erfahren hatte, die nicht so toll waren..., was ich aber versucht hatte, zu verdrängen...

Und mein Mann sah es halt nicht gerne, wenn ich mal weinte, obwohl ich dann hinterher immer erleichtert war. Meine SM sagte dann auch, ich sei ein "Sensibelchen" und ich hatte mir das Weinen dann auch verkniffen vor ihnen.

Ja, das macht es wirklich nicht einfacher, dass du deine Freundin schon mit Depressionen kennengelernt hattest, war ja eigentlich bei mir auch so, nur ich war halt auch noch voll berufstätig und hatte einige Aufgaben zu meistern neben meinem Beruf, den ich sehr gern ausübte.

Nun, ich hätte von meinem Partner gerne erwartet, dass er mir mal zuhört und nicht nur immer seine Meinung gelten ließe, mich auch mal zu Wort kommen ließe. Das er mit mir redet und mich nicht in dem Glauben ließe, ich sei ein dummes Schaf. Ich hätte mir gewünscht, dass er sich auch mal für meine Interessen interessierte und sich nicht nur lustig machte. Das er nicht nur Sex wollte, sondern auch mal mit mir redete. Meine Meinung mal akzeptierte.

Gut, ich muss sagen, es hat sich einiges geändert. Er macht zwar keine Paartherapie mit mir, aber er geht besser mit mir um. Sexuell klappts allerdings garnicht bei uns. Aber vielmehr mag er nicht mehr, obwohl ich anfangs da mehr zögerlich war, was seine Gründe hatte...

LG
Botus
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Re: Dialog zwischen Betroffenen und Angehörigen .

Beitrag von Botus »

Hallo Katerle,

Dein Mann und Deine Family haben im Grunde Glück, dass sie es mit einem Menschen wie Dir zu tun haben und nicht mit so einem Menschen wie mir. Bei solchen Begebenheiten, wie Du sie da geschildert hast, würde ich sofort das Weite suchen. Von sowas wird man nämlich krank, außerdem ist das Leben unter solchen Umständen keine Freude mehr und man altert und stirbt früher, als es genetisch vorgesehen war. Hört sich brutal an, ist aber leider so. Ich versuche (leider mit nur teilweisem Erfolg), um solche Sachen einen Riesenbogen zu machen.

Liebe Grüße vom Dobi
ellwood
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Re: Dialog zwischen Betroffenen und Angehörigen .

Beitrag von ellwood »

Wichtig für Dein Umfeld wäre gewesen Deine Erkrankung zu akzeptieren (was mir relativ leicht fiel ) und wenn Sie Dich schon nicht unterstützen das hinzunehmen als was es ist . Eine Krankheit eben . Ich denke das Ernst nehmen ist schon mal der erste Schritt den ein Partner machen kann/muss das es klappen kann .

Zuhören ist ein gutes Stichwort , kann ich gut aber ich hätte mir manchmal wohl die guten Ratschläge verkneifen müssen.
Lustig machen geht eigentlich gar nicht auch nicht in einer "normalen" Beziehung das zeugt von wenig Respekt . Ist aber nur meine Meinung .

So jetzt leg ich mal los was ich mir von meiner depressiven Partnerin gewünscht hätte.

Bedingungslose Ehrlichkeit , denn eine Krankheit deren Sterblichkeitsrate bei 15 % liegt macht es für einen Partner nicht so leicht wenn man nicht genau weiß wie es im Partner aussieht .

Das integrieren des Partners in die Therapie in irgend einer Form .
Das besprechen von Situationen in denen der Partner abrutscht , weil ich oft das Gefühl hatte dann nur noch Passagier oder Zuschauer zu sein. Ich kam von jetzt auf gleich nicht mehr zu Ihr durch.

Mir fehlt die Erklärung warum ausgerechnet ich immer draußen bleiben musste obwohl Sie sich kurz zuvor noch für die Ruhe die Sie bei und mit mir hatte bedankte .

Mir fehlt manchmal eine bildliche Beschreibung des Zustands in dem Sie sich in einer Episode befunden hatte , einfach um besser verstehen und reagieren zu können.

Unser Liebesleben war sehr gut , aber uns ging es niemals nur um Sex.
Katerle
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Re: Dialog zwischen Betroffenen und Angehörigen .

Beitrag von Katerle »

Danke Dobi auch für deine Worte.

Ich hatte schon manchmal Gedanken, einfach alles hinzuschmeißen oder das Weite zu suchen, aber ich steckte auch sehr in der Angst, was allerdings keine Rechtfertigung sein sollte.

Und dann kamen natürlich auch mal Gedanken, wozu ich eigentlich noch auf der Welt bin, wenn es bei mir nur was auszusetzen gab. Ne Zeit lang wurde ich auch nur als Kochmamsell und Putzfrau gesehen, obwohl ich ja auch Ehefrau und Mutter war. Aber auch das hatte sich später zum Positiven entwickelt.

@ ellwood

Ja, das wäre wichtig gewesen, wie du schreibst.

Ich war sonst auch immer ein guter Zuhörer und viele kamen auch gerne zu mir, von sich zu erzählen. Nur die Erfahrung, keiner hat mal Zeit für dich, war schon manchmal bitter für mich.

Dadurch weil sich lustig gemacht wurde, hatte ich leider kein Vertrauen, um mich weiter zu öffnen. Somit blieb ich mit meiner Erkrankung ganz schön allein. Ein paar wenige Leute hatte ich aber, mit denen ich normal reden konnte, dass gab mir Halt und meine Kids sowieso.

Wenn ich ihn mal was fragte (weil ich sonst garnichts erfuhr), bekam ich oft keine Antwort. Kurz gesagt, ich fühlte mich noch einsam in der Beziehung.

Diese Punkte, welche du ansprichst, kann ich nachvollziehen.

Ehrlichkeit halte ich für sehr wichtig und das Integrieren des Partners in die Therapie.

Und die letzten Punkte kann ich auch verstehen.

Herzliche Grüße
Botus
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Re: Dialog zwischen Betroffenen und Angehörigen .

Beitrag von Botus »

Hallo,

zu der Einbindung des Partners und einem Mitspracherecht des Partners bei der Therapie eines Patienten, der sich gerade getrennt hat, möchte ich sagen, dass das vermtlich schon deshalb nicht in Erwägung gezogen wird, weil es in Kollision mit gleich mehreren Grundrechten stünde. Dann wäre es praktisch nicht mehr möglich, sich als psychisch angeschlagener Mensch überhaupt von jemandem zu trennen.

Vor 100 Jahren war das faktisch so. Dafür gibt auch sehr prominente Beispiele (der eine oder andere kennt sie vielleicht...), da wurden Frauen quasi therapeutisch vor die Wahl gestellt: Entweder aufhören, aus der Reihe zu tanzen und zum Mann / zur Familie zurück kehren oder dauerhaft in der Anstalt bleiben.

Diese Verhältnisse sind glücklicherweise abgeschafft. Heute läuft das so, dass der Wunsch nach Trennung respektiert wird, egal ob jemand gesund oder krank ist. Die Selbstbestimmung wird als hohes Gut gesehen und entsprechend vertreten. Wenn einer sagt "ich habe mich von meinem Partner getrennt", wird vermutlich kein Arzt der Welt versuchen, den Patienten umzustimmen oder ihm empfehlen, den ehemaligen Partner zur nächsten Sitzung mitzubringen oder auf andere Art einzubinden.

Wenn man das ändern wollte, müsste man zunächst das Grundgesetz neu schreiben und das wird sicher nicht passieren.

Mein Ansatz, künftig besser mit solchen Risiken klar zu kommen, liegt jenseits der üblichen Wünsche (jemand bestimmten um jeden Preis zurück zu bekommen oder eine andere kennen zu lernen). Aus meiner Sicht tut man sich selber was wirklich Gutes, indem man sich selber aus diesen Abhängigkeiten komplett befreit.

Ich habe das bereits vor Jahren gemacht. Für mein Lebensgefühl und mein Lebensglück spielt es heute keine Rolle mehr, ob ich eine ganz bestimmte Frau habe oder nicht. Es spielt auch keine Rolle, ob ich dauernd Frauen kennen lerne oder jahrelang gar keine treffe.

Natürlich habe ich nach wie vor Interesse, aber das Ganze hat nicht mehr diese Wichtigkeit wie früher. Dadurch wird man sozusagen "frei". Nebenbei ist diese Sicht auch sehr realistisch, denn wenn ich heute eine frühere Partnerin treffe, wegen der ich mir damals den Kopf zermartert habe, kann ich rückblickend kaum glauben, dass ich die mal gut fand.

Liebe Grüße vom Dobi
Zuletzt geändert von Botus am 8. Sep 2015, 10:12, insgesamt 1-mal geändert.
ellwood
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Re: Dialog zwischen Betroffenen und Angehörigen .

Beitrag von ellwood »

Hallo Dobermann ,

nein das ich mit einem mündigen Partner zusammen bin/war steht außer Frage. Ich will auch nicht das hier Entscheidungen Widerrufen werden. Ich will nur sagen, und bis letzte Woche hatte ich eine tolle Beziehung die Ihr scheinbar über weite Strecken gut tat , das eine Einbindung in die Therapie vielleicht so manches hätte verhindern können.
Wie soll ein Partner den anderen verstehen wenn der sich teilweise selbst nicht mehr versteht.
Da braucht es keine Gesetzesänderungen weil der gesunde Menschenverstand ( den meiner Meinung nach idealerweise der Therapeut mitbringen sollte) vielleicht auf einen Kompromiss hin arbeiten sollte .
Bei mir und meiner Freundin gab es keinen ersichtlichen Grund sich zu trennen , es ging nur darum das die Reha anstand und Sie bis dahin Raum und Zeit für Sich braucht ...... Jetzt sind Wir sogar fast schon 9 Monate zusammen und von heute auf Morgen wird einseitig eine Kontaktsperre ausgesprochen die keinen klaren Zeitpunkt hat , weil niemand bis dato genau wusste wann Sie in Reha geht . Und genau darum gehts meiner Meinung nach , das muss ein Dialog sein , sonst geht der gesunde Part genau so vor die Hunde.
Und deswegen meine ich das es auch Stück weit sinnvoll ist solche Entscheidungen vielleicht in einer Paarsitzung zu besprechen bevor jemand da steht wie der " Ochs vorm Berg"
Florian77
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Re: Dialog zwischen Betroffenen und Angehörigen .

Beitrag von Florian77 »

Hallo
Also ich finde auch das so eine Paar bzw. Angehörigen Sitzung einige Vorteile hätte. Wenn meine ehem. Freundin bzw. für mich momentan nur die Mutter meines Kindes ihre Therapie machen sollte, denke ich kann die Ärztin bzw. Therapeutin sich mal aus einen anderen Blickwinkel einen Eindruck machen, als wenn sie nur die Betroffene befragt. Den Angehörigen zu befragen wie man die Betroffene in letzter Zeit erlebt habe, wie sich aus meiner Sicht ihr Verhalten geändert oder zu der Krankheit gekommen ist, das doch zur Heilung der Krankheit beitragen können oder sehe ich das falsch?
gruß
Florian
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Botus
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Re: Dialog zwischen Betroffenen und Angehörigen .

Beitrag von Botus »

Hallo,

ja natürlich, da stimmt wohl jeder zu. Aber was willst Du machen. Meine Ex hat (vor meiner Zeit) sogar einen Versuch unternommen. Sie stand zwischen ihrem Ehemann, einem gebundenen Arbeitskollegen und einem Verhältnis. Mit drei Männern gleichzeitig täglich mehrere male stundenlange Beziehungsdebatten zu führen, war wohl zu viel für sie. Ein Versuch ist eine ernste Sache, aber trotzdem ging es nach ihrer Therapie genauso weiter. Ich gehe davon aus, dass sie da nur wieder aufgebaut wurde. Niemand scheint Bezug auf das Problem genommen zu haben. Auch ihre Vertrauten, Freunde und Freundinnen sehen im Prinzip nichts Schlimmes darin. Ganz im Gegenteil wird so ein Wirrwarr und das daraus resultierende Chaos eher als eine positive Eigenschaft betrachtet. Man ist halt sehr emotional. Mich bezeichnen sie als als eine Art "Autisten", weil ich die Verläufe und insbesondere die Ergebnisse als schrecklich einstufe und mich nur für Echtes, Verlässliches, Dauerhaftes interessiere.

Da kann man nix machen. Ich würde es so beschreiben, dass da wirklich grundverschiedene Welten aufeinander prallen. Wenn man zusätzlich noch die bestehenden Mehrheitsverhältnisse betrachtet, zeigt sich das ganze Ausmaß des Dilemmas. Die überwiegende Mehrheit vertritt nämlich die Meinung, dass es völlig normal, richtig und auch gut sei, seinen jeweiligen Emotionen und spontanen Wünschen zunächst einmal zu folgen und erst später darüber nachzudenken, ob das besonders klug war. Wenn Du versuchst, so jemandem zu erklären, dass er sich selbst und auch andere dabei unglücklich macht und in den dauerhaften Nachteil setzt, bist Du ziemlich schnell der Arsch und irgendwann hört Dir gar keiner mehr zu.
Florian77
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Re: Dialog zwischen Betroffenen und Angehörigen .

Beitrag von Florian77 »

Es kommt denke ich mal auf den oder die richtige Therapeuten an. Aber so einen zufinden stelle ich mir auch nicht einfach vor. Meine ex meckert mit mir ständig wenn ich zuviel im Internet lese. Die Bewertungen der Ärztin bzw. Therapeutin zu die sie am 16. geht. Sie soll wohl eine direkte Art und Weise an sich haben wo nicht jeder mit klar kommt. Das habe ich ihr gesagt als Vorbereitung darauf. Ich hätte es mal sein lassen sollen. :roll:
gruß
Florian

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Botus
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Re: Dialog zwischen Betroffenen und Angehörigen .

Beitrag von Botus »

Es kommt ja auch drauf an, welche Zielsetzung man (n) hat.

Manche Männer sind halt Kämpfer, mein Vater ist so einer, auch der Vater des Kindes meiner Ex ist so einer. Ich habe auch einen Kumpel, der so ist. "Recht muss Recht bleiben". Das ist ein Spruch, den ich von jedem gehört habe. Alle 3 würden heute sagen, dass sie richtig gehandelt haben, denn sie haben gekämpft. Der Umstand, dass sie immer das Gegenteil ihrer Zielsetzung erreicht haben, ist ihnen egal.

Andere Männer machen das umgekehrt. Sie schauen allein auf das Ziel und tun dann das, was zur Erreichung des Ziels geboten ist. Sie wollen, dass die Frau sie gut findet. Das ist in der Regel nur zu erreichen, indem man versucht, künstlich eine Situation wie am Anfang herzustellen. Da fühlte sie sich magisch angezogen und kam quasi von selber.

Beide Varianten haben nur bedingte Aussicht auf Erfolg. Wenn eine Frau weg ist, ist sie weg. Die Chancen sind gering, aber die zweite Variante birgt eine höhere Erfolgsaussicht. Ich würde sagen, dass der Kämpfer es deutlich schwerer hat, weil das Kämpfen sich zum einen selbstzerstörerisch auswirkt und ihm zum anderen sämtliche früheren Anziehungskräfte verloren gehen.

Ich lass` lieber eine Frau gehen und bewahre mir die Chance, dass sie mich irgendwann wieder gut findet (ihren Weggang also bereut), als dass ich um sie kämpfe und sie damit wahrscheinlich für alle Zeiten verliere.

Als meine Partnerin mir vor einigen Wochen eröffnete, sie zöge aus und es sei vorbei, bin ich ganz ruhig geblieben, noch am selben Tag in die Firma gezogen und erst wieder gekommen, als sie ausgezogen war. Ich habe mich ihrem Wunsch also komplett unterworfen. Das fiel mir nicht leicht. Auch wenn die Beziehung ätzend war, eine total geile Frau ist sie trotzdem für mich. Was hat mir dieses Opfer gebracht ? Ich finde viel, denn in ihrer neuen Wohnung hängen überall Bilder von mir und der nächste wird es schwer haben. Mit diesem Ergebnis komme ich besser klar als wenn sie in den letzten Wochen jeglichen Respekt vor mir verloren hätte, weil ich die ganze Zeit traurig aus der Wäsche geguckt oder sie zum Bleiben überredet hätte.
Zuletzt geändert von Botus am 8. Sep 2015, 11:39, insgesamt 1-mal geändert.
ellwood
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Re: Dialog zwischen Betroffenen und Angehörigen .

Beitrag von ellwood »

Hallo ,

Ich sehe es auch so wie Florian ,

abgesehen von dem Dating Profil das ich wirklich so gut wie verdrängt habe finde ich das solche Themen wenn der Therapeut schon eine " Richtung " vorgibt , das nicht tun kann wenn er wirklich nur eine Seite der Geschichte kennt . Viele Erkrankte verlassen sich zu 100 % auf das von Therapeuten gesagte ohne zu reflektieren. Vertrauen darauf das es gut ist wenn es nur um " Sie " geht .

Sag mir doch mal einer , und das habe ich in einem anderen Thread schon angesprochen , was soll Deutschland wenn die Heilungsquote bei 100 % läge ( tut sie nicht weiß ich ) mit 6 Millionen Egoisten ?

Wenn man als Single oder im Geschäftsleben als Selbstständiger unterwegs ist kann das wohl funktionieren . Aber wenn man nicht alleine bleiben will und mit Kollegen zusammen arbeiten muss dann wird die " antherapierte " Egoschiene mit Sicherheit nicht funktionieren .

Ich bin immer , und mache das immer noch, mit Augenhöhe , Ernsthaftigkeit und viel Emotion in Beziehungen gegangen . Und ich finde das sind , auch in vielen anderen mir Bekannten Beziehungen , die Grundpfeiler einer Partnerschaft .
Und ich denke was aus gesunder Sicht normal ist sollte nicht von Therapeuten negiert werden . Ich bin mir auch klar das ich mir selbst der nächste bin , weiß aber wann und wo es richtig und wichtig ist den Egotrip weg zu lassen . Ich neige oder neigte Stellenweise in meinem Leben dazu mich ausnutzen zu lassen und habe das auch best möglich abgestellt , was aber nicht bedeutet das " jeder " von mir die kalte Schulter bekommt . Das ist es was ich mit einem Dialog meine , reflektieren , selektieren und dann schauen was von dem Umfeld noch übrig bleibt .
Katerle
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Re: Dialog zwischen Betroffenen und Angehörigen .

Beitrag von Katerle »

@ ellwood

So war ich auch an meine Beziehung rangegangen.

@ Florian

Finde so ne Paartherapie auch sinnvoll, wo beide Partner zu Wort kommen. Denn wenn zu Hause kein Dialog stattfindet, wie soll man dann was vom anderen erfahren...

LG
Florian77
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Re: Dialog zwischen Betroffenen und Angehörigen .

Beitrag von Florian77 »

@ellwood & Katerle
Schön das ihr das auch so sieht. Aber wird schwer dem (ex) Partner davon zu überzeugen, sollte es zu einer Therapie kommen denjenigen zu fragen ob er/sie eine gemeinsame Sitzung mit dem Therapeuten machen würde. Wie gesagt ich denke dem Therapeuten würde es eine Menge bringen. Aber wie kann man sows denjenigen überzeugen?
LG
gruß
Florian

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Katerle
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Re: Dialog zwischen Betroffenen und Angehörigen .

Beitrag von Katerle »

Mit einer einfühlsamen Art und Weise kann man das versuchen. Wenn das nicht´s bringt, dann sehe ich da null Chance.
ellwood
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Re: Dialog zwischen Betroffenen und Angehörigen .

Beitrag von ellwood »

ja Katerle , eben wenn der Dialog eingeschlafen ist oder mal provokativ gesagt eingeschlafen wurde ist es schwer bis unmöglich einen Nenner zu finden . Und da kommt irgend wann automatisch die Trennung .

Wie gesagt ich weiß was Selbstbestimmung ist und halte es auch bei psychischen Krankheiten für sehr wichtig diese zu behalten . Nur wenn ein Partner mit an Bord ist sollte die Betrachtung vielleicht oder idealerweise nicht einseitig statt finden .

@ Florian , ja das ist die Gretchenfrage . Durch Eure " vollzogene " Trennung wird auch der Therapeut kaum darauf kommen das vor zu schlagen . Soll heißen , wenn Sie nicht will wird's eher nichts :(
Botus
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Re: Dialog zwischen Betroffenen und Angehörigen .

Beitrag von Botus »

Genau das ist der Punkt. Wenn der andere nicht will, geht gar nichts.

Dann heißt es entweder für den anderen, sich damit abzufinden, oder, wenn das unmöglich ist, strategisch vorzugehen. Das aber ist Unterlegenen (die damit leben müssen, was der andere Part entscheidet) naturgemäß logischerweise kaum möglich, denn der ist ja im selben Maße von Emotionen dominiert, wie der Part, der die Entscheidungen trifft.

Deshalb habe ich auch gleich zu Anfang geschrieben, dass solche Sachen Untergangspotenzial in sich bergen. Da muss man echt aufpassen, dass man sich nicht verfranst.
Zuletzt geändert von Botus am 8. Sep 2015, 12:13, insgesamt 1-mal geändert.
Florian77
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Re: Dialog zwischen Betroffenen und Angehörigen .

Beitrag von Florian77 »

Na mal sehen vielleicht kann ich sie davon überzeugen kurz angedeutet hatte ich sowas schon mal. Sie meinte nur mal schauen was die Therapeutin dazu sagt. Erstmal würde sie es alleine machen wollen, wenn es die Therapeutin ihr rät. Bei Panikstörung wird sie wohl nicht rum herum kommen eine zu machen bzw. wird ihr es empfohlen eine Therapie zu beginnen. Wenn ich mit ihr gefühlvoll darüber spreche, das es sinn macht aus meiner Sicht ihr diese Panikattacken die sie hatte und ihr Verhalten der Therapeutin zu erzählen, einen andern Eindruck von der ganzen sache bekommt. Ihr dadurch vielleicht bessere Hilfe bekommen kann.
LG
gruß
Florian

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ellwood
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Re: Dialog zwischen Betroffenen und Angehörigen .

Beitrag von ellwood »

@ Dobi , auch Dir stimme ich genau wie Katerle zu . Und jetzt kommt der Punkt wo es ein wenig kontrovers wird . Was passiert wenn ein Therapeut " falsche" Tatsachen bewertet ? Ich z.B. bin momentan so durch den Wind das mir eine " reaktive Depression" Diagnostiziert wurde ...... Klar hab ich mich selbst krank und fertig gemacht , aber das hätte meiner Meinung nach mit nur einem Paargespräch verhindert werden können .
Und je nach Beziehungslänge hätte es auch verhindert werden müssen an diesen Punkt zu kommen . Es kann Doch nicht sein das Therapeuten , und jetzt mal weg von der Selbstbestimmung , Ihren Patienten so auf sich selbst einschießen das ein zusammen Leben oder ein friedvoller Umgang nicht mehr möglich ist . Mit wie vielen Egoisten seid Ihr so durchschnittlich gerne täglich in Kontakt ??? Steht schon irgendwie im Wort Ego´s sind meistens alleine . Und das ist was ich mit diesem Dialog vielleicht ein wenig forcieren möchte .

Klar soll man sich selbst lieb und Wertvoll sein , nur das wie ist Entscheidend .
Muss ich zum Ego werden wenn ich aus einer Depression wieder raus will ?
Ist nur Gutmütigkeit ein Auslöser der Depression ?
Haben alle depressiven " nur " Idioten um sich ?

Oder ist es vielleicht auch so das man sein Umfeld sehr genau beobachten sollte wenn man in einer Depression steckt um dann vielleicht mit seinem Therapeuten eine Lösung zu finden wer wie wo bei was involviert oder vielleicht aussortiert wird .

Ich lese hier so viele Geschichten und eine gleicht der andern so das es fast schon unheimlich scheint , das muss doch irgendwo herrühren . Vielleicht aus Lehrbüchern , vielleicht aus Studien . Aber es kann Doch nicht sein das so eine vielschichtige Krankheit im Endeffekt so oft das gleiche Gesicht zeigt . Mir leuchtet es jedenfalls nicht ein ......

Aber genau dafür haben Wir den Thread ja. Ich wäre über jeden Input von Betroffenen dankbar , weil je mehr ein Partner davon versteht um so weniger schwer wiegende Fehler wird er machen .
riverflow
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Re: Dialog zwischen Betroffenen und Angehörigen .

Beitrag von riverflow »

@ Ellwood,

ich möchte Dir voll und ganz zustimmen! Es kann nicht sein, dass Betroffene zu Egoisten "therapiert" werden.

Wie schon einmal gesagt, ich kenne diese Theorie weder aus meiner eigenen Therapie noch von Seminaren oder Vorlesungen im Studium.
Vielmehr bin ich schon zum Helfen motiviert worden, weils gut tut.

Ich denke zum einen, dass die Geschichten hier nicht repräsentiv sind. Sie ähneln sich zwar, sind aber doch von der Anzahl her limitiert.
Dann gibt es noch das Phänomen der Suggestion. Man erlebt etwas, lernt etwas kennen und übernimmt es. Die Hysterie nach Charcot war z.B. ein solches Phänomen. Ausgelöst durch häufige Befragung der Klinikärzte und durch Kontakt mit anderen Klinikpatientinnen zeigten plötzlich alle Patientinnen ähnliche Symptome. So viele, dass die Hysterie nach Charcot zur eigenständigen Diagnose wurde, deren Verlauf in Phasen vor sich ging, die immer ähnlich abliefen. Irgenwann später ist dann die gesamte Diagnose gekippt, weil sei auf Suggestion beruhte.
Außerdem glaube ich, dass oft von Betroffenen auch in Therapiegesprächen genau das gehört wird, was sie verstehen möchten.

Partnerschaften und soziale Kontakte sind sehr wichtig. Gewiss kann es angebracht sein, zu hinterfragen, wie sich das Gleichgewicht zwischen Geben und Nehmen gestaltet und ob es Kontakte gibt, die vielleicht unter die Kategorie "falsche Freunde" fallen.
Aber es kann nicht sein, dass Betroffene ermuntert werden, nur noch ihre eigenen Interessen zu wahren. So funktioniert keine Beziehung und noch nicht mal eine Freundschaft. Da alle, aber besonders psychisch "angeknackste" Menschen auf positive Rückmeldungen angewiesen sind wäre das sogar kontraproduktiv.
Auch das Argument mit dem erst zu viel gegeben haben, also erst mal nur um die eigenen Interessen kümmern um dann in eine Mitte zu pendeln, finde ich nicht stichhaltig. Das würde den Betroffenen viel zu sehr hin- und herwerfen und irgenwann kommt die Frage auf, wer man eigentlich wirklich ist.
Aus der Depression kommt man gewiss nicht raus, wenn man alle sozialen Kontakte vor den Kopf gestoßen hat!
Salvatore
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Re: Dialog zwischen Betroffenen und Angehörigen .

Beitrag von Salvatore »

Hallo liebe Angehörigen,

bitte macht euch doch mal die Mühe, im Betroffenen-Teil mitzulesen - das ist eine vollkommen ernst gemeinte Bitte. Es kann nämlich ganz und gar nicht!!!!! die Rede davon sein, dass Therapeuten flächendeckend ihre Patienten zu Egoisten erziehen.
Unter Garantie und völlig ohne Zweifel gibt es in dieser Republik auch irgendwo Therapeuten, die das so für sinnvoll halten, gängige Methode ist das deshalb jedoch nicht. Durch Erfahrungen aus drei verschiedenen Kliniken (Tagesklinik, Psychiatrie, Psychosomatik) habe ich eine ganze Reihe Therapeuten mit verschiedensten Schwerpunkten kennengelernt. KEINER von denen, nicht ein einziger, hat das so vermittelt. Und dabei bin ich auf eine Therapeutin getroffen, die für ihren Job gänzlich ungeeignet war und wenig Ahnung hatte, was sie tat - aber selbst die hat nicht zum rücksichtslosen Egoismus aufgerufen. Davon habe ich auch weder von Mitpatienten gehört noch lese ich davon im Betroffenforumsteil, dass das ein Ziel sein soll.

Allerdings, sehr viele Betroffene müssen einen gesunden, maßvollen (!) Egoismus lernen, so ich auch. Für meine Umgebung war das an sich schon äußerst unbequem, denn wo ich vorher wunderbar funktioniert hatte, regte sich ja plötzlich Widerstand. Auf Begeisterung stößt das selten, deshalb konnte ich auf die Reaktionen meiner Umwelt auch nicht wirklich was geben. Es war ja klar, dass mein Nein auf deren "kannst du mal eben..." nicht gut aufgenommen werden würde.
Außerdem: wenn man etwas neu lernt, das man vorher nicht konnte, macht man Fehler und man übertreibt. Als ich das erste Mal im Auto saß, habe ich die Kupplung zu schnell kommen lassen, so dass der Motor abgewürgt wurde. Ich habe zu doll aufs Gaspedal getreten, so dass wir (mein Fahrlehrer und ich) urplötzlich nach vorne schossen. Ich habe zu doll auf die Bremse getreten, so dass wir fast an der Windschutzscheibe klebten. Ich habe das Lenkrad zu stark eingeschlagen, so dass ich die Kurve zu eng genommen habe.

So ist das mit dem gesunden Egoismus auch: wenn man sich vorher nur an den Bedürfnissen der anderen orientiert hat und nie an den eigenen, hat man dafür kein Gefühl. Man probiert es aus und da kann es passieren, dass man übertreibt. Ich HABE bei einigem übertrieben und von MEINEM Therapeuten hinterher jedes Mal einen auf den Deckel gekriegt. Es ist ein Prozess und der braucht Zeit. Als Angehöriger muss man das weder gut finden noch aushalten wollen, aber vielleicht auch nicht gerade verteufeln. Ich habe mir auch nicht ausgesucht, dass ich als Erwachsene lernen muss, was mir als Kind hätte beigebracht werden sollen.

Bitte macht euch die Mühe und lest regelmäßig auch mal in "Umgang mit der Krankheit". Die meisten von uns sind keine Egoisten und auch keine Arschlöcher - auch wenn es solche natürlich, wie überall, gibt. Vielleicht würde es eure Perspektive etwas verschieben, wenn ihr das mal ausprobiert.

LG, Salvatore


PS: Ich bin dafür, dass Paargespräche von Ärzten und Therapeuten angeboten werden. Mir wurde das nicht angeboten, allerdings hätte ich auch abgelehnt. Mir hat mein ganzes Leben lang immer jemand reingeredet, die Therapie ist MEIN Ding. Ich habe nur äußerst selten meinem Mann erzählt, was ich in der Therapie besprochen habe und ich liebe ihn dafür, dass er mich auch nie danach gefragt hat. Er hätte sich wahrscheinlich auch gewundert, wie wenig es um ihn ging. (Findet ihr es nicht auch ein bisschen egoistisch von euch zu glauben, es ginge in der Therapie eures Partners/eurer Partnerin die meiste Zeit um euch?)
Blog: http://www.oddyssee.de
Instagram: Oddysee@meine_oddyssee
ellwood
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Re: Dialog zwischen Betroffenen und Angehörigen .

Beitrag von ellwood »

Hallo riverflow , danke Dir für diesen fundierten und gehaltvollen Beitrag .

Studierst Du Psychologie ?
Denn dann fände ich es schön wenn ich wüsste es gebe Therapeuten bzw. Psychiater die eben nicht nur Egoisten produzieren . Meine Freundin wurde im übrigen auch nicht zur Egoistin erzogen , jedoch merkte ich schon Tendenzen nach einer Therapiestunde . Vielleicht bin auch einfach nur zu sensibel .
Aber vielen Dank , genau von solchen Beiträgen wie dem Deinen zehre ich . Denn es lässt mich hoffen das meine Wahrnehmung noch nicht in eine komplette Schieflage geraten ist.
ellwood
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Re: Dialog zwischen Betroffenen und Angehörigen .

Beitrag von ellwood »

Hallo Salvatore ,

auch Dir ein ganz Dickes Danke für Deinen Beitrag . Ich freue mich ganz besonders zu hören das ich auf dem Holzweg bin ...... Ehrlich , denn alles was ich will ist das meiner Freundin geholfen wird , und wenns irgendwie geht auch richtig . Mir haben nur so Dinge aufgestoßen wie Abgrenzung . Ich führe doch keine Beziehung um mich von allem und jedem ab zu grenzen wenns mal holprig wird . Und das ist etwas das ich damit gerne zum Ausdruck brächte . Mann kann nicht mit Stopp eine Beziehung führen nur weils der Therapeut sagt und wenn man dann als " gesunder " nicht so funktioniert wie es der Therapeut meint , dem Partner mit zu geben das er sich abgrenzen muss. Das ist und bleibt mir unverständlich . Ich bin wahrlich kein Psychologe , nur ist es vielleicht nicht sinnvoller die Patienten auf etwaige Konflikte ( die in jedem Leben mal mehr mal weniger vorhanden sind ) vorzubereiten , Sie nicht zur Flucht und zur Abgrenzung zu ermutigen sondern vielmehr Ihnen versuchen Wege auf zu zeigen wie Sie das schadlos mit einem gesunden Ego und erhobenen Hauptes überstehen ?
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