KEINE AUSRICHTUNG MEHR

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Ashara
Beiträge: 10
Registriert: 29. Apr 2015, 08:25

KEINE AUSRICHTUNG MEHR

Beitrag von Ashara »

Hallo,
Ich schreibe als Angehörige und hab eine Frage.
Mein Mann leidet seit 7 Wochen an schwerer Depression als Folgewirkungen eines Flashback eines frühkindlichen Entwicklungstrauma.
Antriebslosigkeit ist ja ein "normales" Symptom der Depression. Aber ihm fehlt jegliche Ausrichtung im Leben, alles was ihn mal interessiert hat ist weggebrochen. Kinder, Enkel alles ist ihm gleichgültig.Die Frage nach dem Sinn des Lebens War ganz wichtig für ihn, auch alles weg.Im Moment muss er sich zu jeder Aktivität zwingen. Ob Frühstück, duschen .....
Nun meine Frage , hat jemand von euch ähnliches erlebt? Und wird das wieder besser?
Er nimmt 100mg Sertralin und 30 mg Mirtazapin.
Nur wenn er Tavor nimmt geht's etwas besser. Wenn da nur nicht das grosse Suchtpotential wäre :(
Danke schon mal für euer "zulesen"
ndskp01
Beiträge: 2874
Registriert: 9. Feb 2008, 19:34

Re: KEINE AUSRICHTUNG MEHR

Beitrag von ndskp01 »

Liebe Ashara,

was du beschreibst, ist bei Depression normal. Es interessiert einen eben gar nichts mehr.

Versuche nicht, deinen Mann zu aktivieren. Erlaube ihm, im Bett zu bleiben oder auf dem Sofa zu sitzen, ohne sich zu bewegen.

Sinnvoll wäre aber neben der Medikamenteneinnahme auch eine psychologische Betreuung, hat er sich bereits um einen Therapieplatz gekümmert, oder ist er sogar bereits in der Therapie? Alleine vom Pillenschlucken werden Depressive in der Regel nicht wieder gesund. Und bei der Traumaverarbeitung gilt das erst recht.

Viele Grüße, deine Puk.
Sonnenblume14
Beiträge: 1038
Registriert: 16. Sep 2014, 18:36

Re: KEINE AUSRICHTUNG MEHR

Beitrag von Sonnenblume14 »

Hallo,

wie Puk schon sagte, alles Geschilderte sind normale Symptome einer Depression. Dennoch gehört dein Mann in therapeutische Behandlung. Wartezeiten müsst ihr dabei einkalkulieren, aber allein der Gedanke, dass in absehbarer Zeit Hilfe kommt, ist hilfreich.

Für jemanden "Gesunden" ist es kaum nachvollziehbar, dass eine solche Antriebslosigkeit, eine solche Egalstimmung möglich ist. man ist versucht, mit dem "reiss dich mal zusammen2 zu kontern, aber für die Betroffenes ist es ein Wille, der nicht auszuführen ist. Es geht nicht - ich hätte es auch nicht geglaubt, wenn ich es nicht selber erlebt hätte.
Es ging in kleinen Schritten voran. Ich nahm mir vor, jeden Tag etwas Kleines zu vollbringen. Dazu zählt schon Anziehen, Duschen, Haarewaschen oder angezogen am Frühstückstisch zu sitzen. Danach war ich so erschöpft, dass ich wieder auf dem Sofa lag. Mit einem schlechten Gewissen ... man sieht ja die Arbeit, man sieht die Sorgen, die sich die Angehörigen machen. Man weiß, welche Belastung man ist.

Dir kann ich nur raten, für ihn da zu sein, das Ganze als Symptom zu sehen und ihm immer wieder zu sagen, dass die Gesundung lange dauert. Wir reden nicht von Tagen, sondern von Wochen, wenn nicht gar von Monaten. Es geht bergauf, dann kommen Rückschläge ... jeder Therapeut rät, nur das zu tun, was guttut (leider weiß man das auch nicht). Ein Positivtagebuch zu führen (drei Dinge, die man als positiv empfunden hat am Tag ... führt dazu,d ass man auf Kleinigkeiten achtet und so das negative Denken langsam wieder "umpolt").

Wenn es irgendwie machbar ist, lass ihm die Freiheiten, pass aber auf, dass du dich nicht selber überlastest. Wenn er von sich aus aufsteht und etwas tut, lass ihn. Er muss im Bereich seiner Möglichkeiten aktiv bleiben. Und will das hoffentlich auch. Hör ihm zu, höre auf seine Gedanken und vor allem: beachte, dass die Art des Denkens oft falsch ist. Man fühlt sich wie fehlgesteuert.

LG Sonnenblume
"Depressionen sind kein Zeichen von Schwäche, sondern dafür, dass jemand zu lange zu stark sein musste" (Johnny Depp)

"Verstehen kann man das Leben nur rückwärts. Leben muss man es vorwärts." Sören Kierkegaard
akinom53
Beiträge: 319
Registriert: 2. Mär 2015, 23:41

Re: KEINE AUSRICHTUNG MEHR

Beitrag von akinom53 »

Hallo,
dass was du hier schreibst, deutet darauf hin, es ist nicht nur eine schwere Depression, sondern auch eine posttraumatische Belastungssituation. Ja auch das kann sehr spät auftreten. Ich musste dies auch erfahren, wollte es anfangs selbst nicht glauben. Der Auslöser, ist meist eine starke psychische Belastung, die das Fass zum überlaufen bringt, bei deinem Mann wahrscheinlich die Arbeitslosigkeit. Wenn er Flash backs hat, dann fühlt er wie damals als Kind, dies kann die Depression noch verstärken. Dein Mann braucht Zeit, muss erst einmal wieder sich selbst finden, Vertrauen zu seiner Person auf bauen. Da brauchst auch du Zeit und Vertrauen, dass es wieder aufwärts geht, aber nur in kleinen Schritten und ohne Druck auf deinen Mann.
Lasse auf keinen Fall Worte fallen wie z. B. "reiß dich doch einfach mal zusammen" oder " du hast doch alles wieso dann.......?, denn das macht ihn noch hoffnungsloser. Sondern zeige ihm, dass du trotzdem für ihn da bist , kleine Fortschritte erkennen und positiv bewerten wirst usw. Ansonsten kann ich mich den Schreibern vor mir in ihrer Meinung anschließen.
Ihr werdet Beide Kraft und Ausdauer brauchen um die schweren Tage und Monate zu schaffen.
Ich kann von mir sagen, ich habe gekämpft und kämpfe noch, doch ohne Hilfe vor allem auch professionelle und zumindest einen Teil der Familie, hätte ich es nicht durchgehalten.

aki
Mehrschwein
Beiträge: 89
Registriert: 2. Mai 2015, 09:07

Re: KEINE AUSRICHTUNG MEHR

Beitrag von Mehrschwein »

Hallo Ashara,

es tut mir leid, wie es deinem Mann geht.

Mit den AD kenne ich mich nicht aus. Ich bin auch "nur" Angehörige. Kann aber sagen, dass das Tavor bei meinem Mann genau das Gegenteil bewirkt hat - dass er nämlich total platt war, genauso wie du es von ihm beschreiben hast. Aber du meintest ja, er nimmt es nicht regelmäßig und auch geht es ihm damit besser?!

Bekommt er die AD denn schon lange? Evtl. wirken sie einfach noch nicht richtig?!

Ich wünsche dir viel Kraft und Geduld.
Ashara
Beiträge: 10
Registriert: 29. Apr 2015, 08:25

Re: KEINE AUSRICHTUNG MEHR

Beitrag von Ashara »

Danke für eure Antworten.
Also eine Therapie Platz haben wir noch nicht. Aber wir haben demnächst einen Termin für ein Gespräch in einer Tagesklinik die aufTraumatherapie spezialisiert ist.
Er War auch schon bei einer Verhaltenstherapie Utensilien, aber da hat das Bauchgefühl nicht gepasst.
Der Tag konnte früher nicht lang genugsein und jetzt hat er gefühlte 96 Stunden. Was soll ich mit meiner Zeit machen wenn da nix ist was mich interessiert? Das ist im Moment die Standardfrage.
Er geht freiwillig mit mir Schuhe kaufen :shock:
Nur um die Zeit irgendwie tot zu schlagen.
Ashara
Beiträge: 10
Registriert: 29. Apr 2015, 08:25

Re: KEINE AUSRICHTUNG MEHR

Beitrag von Ashara »

Hallo Akinom,
nein die PTBS geht nicht auf die Arbeitslosigkeit zurück. Er ist schon seit 10 Jahren frühverrentet wegen Burnout . Es ist ein Entwicklungstrauma das sich jetzt da zeigt.
Wir müssen halt jetzt den richtigen Therapeuten finden. Ich denke EMDR, SE oder die Arbeit mit dem inneren Kind werden wohl das Mittel der Wahl sein.
Ashara
Beiträge: 10
Registriert: 29. Apr 2015, 08:25

Re: KEINE AUSRICHTUNG MEHR

Beitrag von Ashara »

Liebes Meerschweinchen,
er nimmt morgens Sertralin das verträgt er sehr gut. Abends hatte er inzwischen verschiedene Neuroleptika die aber alle einen ewigen Überhang hatten, damit hat er sich nicht wohl gefühlt.
Mit 1 Tavor gegen Mitternacht geht es ihm eindeutig den ganzen nächsten Tag besser, aber er weiß um die Gefahr der Abhängigkeit und will sie nicht oft nehmen, deshalb jetzt am Abend das Mirtazapin, ist auch ein AD wirkt aber sezieren im Gegenteil zu Sertralin.
Ashara
Beiträge: 10
Registriert: 29. Apr 2015, 08:25

Re: KEINE AUSRICHTUNG MEHR

Beitrag von Ashara »

Damit dieser Thread abgeschlossen werden kann, möchte ich euch mitteilen, dass es meinem Mann von einem auf den anderen Tag wieder gut ging. So schnell wie die Depression kam so schnell ist sie wieder verschwunden. Sie dauerte genau 2 Monate. Er hat die Medis komplett abgesetzt und es geht ihm gut. Die Schlaftabletten konnte er auch absetzen , dafür trinkt er jetzt einen Schlaftee von Maria Treiben., und der wirkt super. Vorher ging nichts ohne Mirtazapin oder Tavor.
Man sagt ja jede Depression geht vorbei, und allen Betroffenen und Angehörigen wünsche ich, das es auch bei euch schnell vorbei geht. In diesem Sinne
liebe Grüsse
Ashara :hello:

PS. Das bemerkenswerte ist ja, das mein Mann jetzt im Nachhinein von der "dunklen Nacht der Seele" spricht und dankbar ist die Erfahrung machen zu dürfen. Es ist im wahrsten Sinne des Wortes die Hölle auf Erden und es sind wohl alle Zustände die man erleben kann mit wenigen Ausnahmen besser als so eine schwere Depression. Er kann dadurch jetzt mit leidvollen Erfahrungen viel besser umgehen.
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