Erfahrungen, Fragen, Verzweiflung

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trebor
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Erfahrungen, Fragen, Verzweiflung

Beitrag von trebor »

Hallo an alle,

Ich bin neu hier, bin Mitte 30 und leide seit 15 Jahren an einer schweren therapieresistenten Depression. Ich war bei unzähligen Ärzten und Therapeuten, aber bislang hat mir nichts geholfen.

Vor ein paar Stunden habe ich nun im Fernsehen (Bayern Alpha) einen Beitrag über das Kompetenznetz-Depression gesehen, woraufhin ich nun all meinen Mut und Energie zusammengenommen habe, um mich hier anzumelden, und einiges zu schreiben, über meine Erfahrungen und Emfindungen u.s.w. Mich würde interessieren, ob andere Betroffene ähnliche Erfahrungen haben und ähnlich denken. Und ich suche verzweifelt Hilfe, irgend etwas, was mir noch helfen könnte.

Meine Depression begann vor 15 Jahren ohne erkennbaren Grund und ganz schlagartig über Nacht. Ich hatte sehr lange geschlafen (länger als sonst üblich) und als ich aufwachte und aufstand fühlte ich mich total elend, ein unbeschreiblich dumpfes, niederdrückendes Gefühl im Kopf. Ich hatte den Eindruck nicht mehr klar denken zu können und fühlte mich total neben der Spur, so als wäre ich soeben aus einem 20-Jährigen Koma erwacht. Zudem hatte ich ein lautes Pfeiffen im rechten Ohr, wodurch auch alles (z.B. die Sprache anderer) merkwürdig verzerrt klang. Im Laufe des Tages gingen die Symptome zurück und gegen Abend fühlte ich mich fast schon wieder OK. Einige Tage später dann wieder das selbe, aber weniger extrem und ohne Pfeiffen im Ohr. Auch da ging's mir langsam wieder besser. So immer wieder, und innerhalb von wenigen Tagen schaukelte sich das auf, zu einem kontinuierlichen Zustand, der bis heute unverändert anhält.

Ich ließ mir damals vom Hausarzt eine Überweisung zum Psychiater geben, der mir (wohl weil ich auch völlig mit den Nerven am Ende war) eine Imap-Spritze gab und im Abstand von jeweils einer Woche eine weitere. Nach der ersten Spritze fühlte ich mich tatsächlich kurzfristig besser. Nach ein paar Tagen (oder Wochen, ich weiß es nicht mehr) ging's mir aber wieder so schlecht wie zuvor.

Bis heute war ich bei unzähligen Psychiatern und habe so ziemlich jedes Antidepressivum, das auf dem Markt ist, schon genommen, auch Lithium, MAO-Hemmer u.s.w. Geholfen hat nichts. Zwei mal war ich für ein paar Wochen in stationärer Behandlung, was für mich das schlimmste überhaupt war, denn da wußte ich (im Gegensatz zu zuhause) überhaupt nichts sinnvolles anzufangen, bzw. die Tätigkeiten die es da gab empfand ich als zusätzliche Last, und ansonsten saß ich nur apatisch da und dachte darüber nach, wie elend ich mich fühle. Zuhause ist das zwar im Prinzip auch so, aber da gibt es noch maches (PC, Hobbies u.s.w.) wo ich mich (zumindest zeitweise wenns mir nicht ganz so schlecht geht) noch sinnvoll beschäftigen kann.

Bei mehreren Therapeuten war ich auch schon (Verhaltenstherapie u.s.w.), was mir insofern hilfreich war, daß ich da meine Probleme besprechen konnte (also einfach jemand der zuhörte und Ratschläge gab). Meine Depression hat sich dadurch aber nicht gebessert. Die Vorstellung meine Depression mit einer solchen Gesprächstherapie zu bekämpfen, erscheint mir auch etwa so, als wolle man einen Waldbrand mir einem Glas Wasser löschen.

Während der ersten drei Jahre meiner Depression war ich von morgens bis abends kaum in der Lage überhaupt an etwas anderes zu denken, als nur daran, wie mies es mir geht, und heute ist das auch noch manchmal so, wenn's mir besonders schlecht geht. Damals hatte ich auch viel über Selbstmord nachgedacht, aber nie konkrete Pläne geschmiedet. Es ist irgenwie paradox, aber obwohl mein Leben seit 15 Jahren nur noch eine endlose Qual ist, hänge ich dennoch sehr daran. Ich denke z.B. an frühere Zeiten, als es mir noch gut ging, und dann überkommt mich eine unbeschreibliche Sehnsucht nach allem, was ich seither vermisse: Begeistert etwas unternehmen, Spaß haben, Leben! Ich möchte so unbeschreiblich gerne so wie früher sein, das Leben genießen, aber ich kann es nicht. Jede Kleinigkeit kostet mich enorme Überwindung, und alles was früher Spaß machte wäre heute für mich eine extrem stressige Last.

Die Folge davon ist, daß ich die eigenen vier Wände nur noch zum Einkaufen verlasse, oder wenn ich zum Arzt gehe. Es ist einige Jahre her, daß ich zum letzten mal irgend eine öffentliche Veranstaltung besucht habe. Seit 15 Jahren höre ich immer wieder gut gemeinte Ratschläge (von Ärzten, von Bekannten u.s.w.): "Mensch unternimm doch mal was, damit Du aus Deiner Depression rauskommst. Geh' zu Veranstaltungen, oder mach bei irgend 'nem Verein mit u.s.w." Solche Ratschläge sind gut gemeint, aber nach allen meinen Erfahrungen sind sie völlig kontraproduktiv, denn alles was ich gegen meinen Willen unternehme ist nur eine zusätzliche Qual für mich, ohne den geringsten positiven Aspekt.

Ich betrachte meine Krankheit auch nicht als psychisches Problem, sondern als organisches, neurologisches, eine Stoffwechselstörung, oder ähnliches. Wenn ich meine Krankheit jemandem Beschreiben müßte, der sich eine Depression überhaupt nicht vorstellen kann, dann würde ich folgenden Vergleich wählen:

Wenn es einem von einer längeren Autofahrt schlecht ist, oder (was ich noch aus früheren Zeiten kenne) wenn man Abends ausgeht und hat ein paar Bier zu viel getrunken, so daß einem kotz-übel ist, so daß man nur noch dasitzt und in Ruhe gelassen werden will, das würde ich am ehesten mit meiner Depression vergleichen. Bei jeder anderen Krankheit kann man sagen hier oder hier tut's weh, aber bei einer Depression tut nichts weh. Man hat keine Schmerzen und fühlt sich trotzdem elend. Ebenso ist es bei Übelkeit, wenn es einem kotz-übel ist. Da kann man auch nicht sagen hier oder hier tut's weh, und trotzdem fühlt man sich elend. Natürlich ist eine Depression was ganz anderes als Übelkeit. Bei Übelkeit fühlt man sich irgendwie gesamtkörperlich schlecht, und die Depression (so wie ich sie empfinde) ist eher ein dumpes niederdrückendes Gefühl im Kopf, aber dennoch halte ich diesen Vergleich für passender als jeden anderen.

Hierzu würde mich auch die Meinung von anderen Betroffenen interessieren. Was haltet Ihr von diesem Vergleich?

Wenn sich nun z.B. jemand nach einer Achterbahnfahrt hinsetzt und sagt: "Laßt mich erst mal 5 Minuten in Ruhe hier sitzen, mir ist kotz-übel", dann würde sicher niemand auf die Idee komen zu sagen: "Steh' auf, du mußt jetzt wild tanzen, dann geht's Dir besser.", und wenn doch, dann wäre das kontraproduktiv und eine zusätzliche Qual für denjenigen, wenn er das machen würde, und genau so empfinde ich es, wenn mir jemand sagt: "Du mußt mehr unternehmen, um aus deiner Depression rauszukommen."

Ich weiß nicht, wie Ihr das seht, wie eure Erfahrungen sind, und ob ich der einzige bin, der das so sieht. Manchmal denke ich das versteht keiner, und niemand kann sich auch nur ansatzweise vorstellen, wie es mir geht. Selbst von Fachärzten fühle ich mich oft mißverstanden und gedemütigt. Seit ein paar Jahren bekomme ich wegen meiner Erkrankung Rente. Als ich vor zwei Jahren erstmals bei einem neuen Psychiater war, ihm meine Krankengeschichte schilderte, und beim Thema Rente ankam, fragte er mich, ob das der große Hit war. Wie kommt er dazu mir eine solche Frage zu stellen? Wenn jemand eine schwere körperliche Krankheit hätte, über 10 Jahre schwer leiden würde ohne jegliche Besserung, und er bekäme dann Rente, würde der entsprechende Facharzt dann auch fragen, ob das der große Hit war? Eine Therapeutin hatte mir mal gesagt, ich würde meine Krankheit als Vorteil betrachten. (In dem Moment wünschte ich mir, sie würde sich nur eine Minute lang so fühlen wie ich. Ihre Worte wären ihr wohl im Hals stecken geblieben.) Weiter meinte sie, ich würde (mit der Depression als Rechtfertigung) immer nur den bequemsten Weg gehen. Sie hat ja recht! Ja, verdammt, ich gehe den bequemsten Weg, weil es der einzige ist, den ich aushalte! Aber muß man mir das wirklich vorwerfen, wenn selbst der bequemste Weg durch die Hölle führt?

Manchmal geht es mir für einige Stunden (oder selten sogar Tage) etwas besser. Dann bin ich auch in der Lage vieles zu tun, was eigentlich schon seit Wochen erledigt werde sollte, oder ich packe neue Ideen an, und beginne irgend etwas von dem ich dann am nächsten Tag (wenns mir wieder schlecht geht) feststelle , daß es mich völlig überfordert. Allerdings denke ich, daß meine Stimmungschwankungen "normal" sind, nicht ausgeprägter als bei gesunden Menschen, nur insgesamt eben auf sehr viel niedrigerem Niveau. Wenn man Stimmungen in einem Diagramm einzeichnen würde und eine Neutral-Linie definieren würde, dann wären gesunde Menschen mal etwas über der Linie und mal etwas darunter. Meine Stimmung schwankt dagegen nur zwischen mies und ganz furchtbar mies.

Am ehesten kann ich noch Dinge erledigen, wenn ich alleine bin. Jede Ablenkung empfinde ich als extrem stressig. Manchmal sind ein paar Bekannte bei mir, was mir einerseits sehr recht ist, denn ich möchte nicht völlig vereinsamen. Andererseits empfinde ich das als sehr stressig. Wenn z.B. drei Bekannte von mir da sind und reden, im Hintergund läuft vielleicht noch (wenn auch leise) Fernseher, einer fragt mich dann was, und dann klingelt auch noch das Telefon, dann wäre das für die meisten Leute wohl eine ganz gewöhnliche Alltagssituation. Für mich ist es der absolute Megastress. Dabei habe ich keinerlei Angst (wie das ja sonst bei Depressiven oft der Fall ist), ich empfinde alles nur als extrem stressig. Aber wie sollte ich das jemandem verständlich machen? Oft gibt es Situationen, wo ich lauthals schreien möchte: "Lasst mich endlich in Ruhe, ich kann nicht mehr. Ich halt' das nicht mehr aus.", so laut schreien, daß schlagartig jeder ruhig ist. Das mache ich natürlich nicht. Statt dessen ertrage ich den Stress weiter und bin dann fix und fertig.

Zudem habe ich noch extreme Probleme mit dem Einschalfen. Es kommt manchmal vor, daß ich bis zu 8 Stunden im Bett liege und vergeblich versuche einzuschlafen, obwohl ich müde bin. Manchmal nehme ich dann in letzter Zeit eine Zopiclon-Tablette. Damit kann ich etwas besser schlafen, nur andererseits möchte ich sie auch nicht regelmäßig nehmen, weil sie abhängig machen.

Am schlechtesten geht es mir meistens morgens nach dem aufstehen, und wenn's mir extrem schlecht geht, habe ich auch immer den Eindruck, ich kann nicht klar denken, kann mir nichts merken, nichts entscheiden, vergesse alles. Selbst Namen von Personen die ich gut kenne, fallen mir nicht auf Anhieb ein. Wenn's mir stimmungsmäßig etwas besser geht, habe ich diese Probleme dagegen nicht.

Seit ein paar Jahren habe die Hoffnung endgültig aufgegeben, daß mir ein gängiges Antidepressivum helfen könnte, denn alle haben die gleichen Nebenwirkungen, aber wirklich geholfen hat noch keines. Statt dessen werde ich davon nur immer noch dicker. Auch mit Trevilor und Remergil (den beiden neuesten Antidepresiva) war es nicht anders. Ich denke aber es gibt tausende Stoffwechselvorgänge im Gehirn und somit tausend Dinge, die da falsch laufen können, und somit auch unzählige mögliche Ursachen von Depression. Bei den Schlaftabletten Zopiclon ist z.B. als möglich Nebenwirkung Depression angegeben. Tatsächlich habe ich aber den Eindruck mir geht es eine Weile nach der Einnahme minimal besser. (Als Antidepressivum kann ich sie natürlich dennoch nicht nehmen, weil sie bei regelmäßiger Einnahme Gewöhnung und Abhängigkeit verursachen.) Die einzige Hoffnung, die ich in den letzten Jahren noch verfolge, ist, daß mir vielleicht irgend ein ungewöhnliches Medikament helfen könnte. Fischöl-Kapseln, NADH, Q10 u.s.w. habe ich z.B. alles schon mal gekauft, weil es in Einzelfällen geholfen haben soll, wie ich in einem Forum gelesen habe. Sogar Ritalin hab' ich mir vor zwei Jahren mal verschreiben lassen, weil ich von einem Fall gehört habe, wo es geholfen haben soll. Mir hat es nichts gebracht, aber ich denke einen Versuch war's Wert.

Hat vielleicht irgend jemand hier eine Idee, was mir noch helfen könnte?

Bye, Robert
Xenia
Beiträge: 2051
Registriert: 20. Apr 2003, 12:31

Re: Erfahrungen, Fragen, Verzweiflung

Beitrag von Xenia »

Guten Morgen Robert,

erst einmal: herzlich willkommen, schön, daß Du Dich getraut hast, Deine Geschichte hierein zu schreiben. Das ist vielleicht ein erster Schritt in die richtige Richtung.

Ich habe Dein Posting überflogen und spüre, daß Du momentan jegliche Hoffnung verloren hast. Ist das richtig?

Hast Du schon einmal über Elektrokramptherapie (EKT) nachgedacht? Sie wird bei therapieresistenten Depressionen mit sehr gutem Erfolg eingesetzt. Hier im Forum gibt es auch einen thread dazu. Unter "Medikamente" glaube ich. Dort habe ich kurz beschrieben, wie sie vonstatten geht. Sie ist nicht so, wie man das aus Filmen kennt. Wenn Du magst, lies es Dir mal durch. Über die Homepage der Uni München -> Psychiatrische Uni-Klinik kommt man auch zu diesem Thema.

Liebe Grüße,
Xenia

P.S. was wurde denn in dem Bericht so gezeigt? Würde mich sehr interessieren!
°*°*°*°*°*°*°*°*°*°*°*




ТЪПАЦИ!!!
trebor
Beiträge: 2
Registriert: 19. Nov 2003, 21:23

Re: Erfahrungen, Fragen, Verzweiflung

Beitrag von trebor »

Hallo,

> Ich habe Dein Posting überflogen und
> spüre, daß Du momentan jegliche Hoffnung
> verloren hast. Ist das richtig?

Ja, ich denke immer wieder, so kann es doch
nicht weitergehen, aber ich weiß beim besten
Willen nicht mehr, was mir noch helfen
könnte und irgendwie fehlt mir auch die
Energie, noch weitere Ärzte aufzusuchen
oder mich im Internet nach alternativen
Behandlungsmethoden umzusehen.

> Hast Du schon einmal über
> Elektrokramptherapie (EKT) nachgedacht?

Ja, nachgedacht habe ich auch darüber schon,
aber da habe ich auch schon viel über sehr
hohe Risiken und Nebenwirkungen gelesen,
z.B. (wenn ich mich richtig erinnere), daß
dadurch Epilepsie ausgelöst werden kann,
worunter die Patienten dann ihr Leben lang
leiden, und sonstige häufige Komplikationen,
und das Gedächnis soll auch darunter leiden.

Bitte korrigiere mich, wenn ich da falsch
liege, aber das meiste, was ich darüber
gehört habe, macht mir ziemlich Angst.

> Hier im Forum gibt es auch einen
> thread dazu.

Ja, hab' ich vorhin gelesen.

> P.S. was wurde denn in dem Bericht so
> gezeigt? Würde mich sehr interessieren!

Das war ein Gespräch über das Kompetenz-
Netz-Depression, über Aufklärungsarbeit,
über die verschiedenen Ebenen (z.B. das
Hausärzte auch oft zu wenig über Depression
wissen u.s.w.) und dabei wurde auch das
Forum erwähnt.

Bye, Robert
dreikiloweg
Beiträge: 2
Registriert: 26. Nov 2003, 11:45

Re: Erfahrungen, Fragen, Verzweiflung

Beitrag von dreikiloweg »

Hallo Robert,

ich kann dir in vielem zustimmen.
Habe lange gelitten und jetzt meinen Weg gefunden.

Liebe Grüße von dreikilo
Nachttaube
Beiträge: 295
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Re: Erfahrungen, Fragen, Verzweiflung

Beitrag von Nachttaube »

hallo Robert,
Dein Posting hat mich sehr berührt und in mir einige Fragen hinterlassen. Kurz zu meiner Person. Ich habe seit ca 16 Jahren mal mehr, mal weniger Depressionen und versucht sie mit viel Party und viel Arbeit zu verdrängen. Hat auch nicht geklappt, momentan ist sie wohl im schlimmen Bereich.
Du schreibst Du hast viele Therapien gemacht. Nur Verhaltenstherapie? Wie stehst Du zu anderen Therapieformen (zb. Gestaltungstherapie)? Therapie ist immer sehr anstrengend, konntest Du so gar nichts mit in den Alltag nehmen? Kein Gedankengang, keine Ansätze? Ein Beispiel: der Therapeutische Ansatz sich eine strikten Tagesstruktur anzueigenen, also um 8 Uhr aufstehen, Morgentoilette, danach Sport, 1 Stunde zur freien Verfügung, Mittag essen..., ist ja so ziemlich standard. Ich habe ihn für mich in einem Viertel-Tages-Rythmus umgesetzt. Ich schreibe mir meine Doings für den nächsten Tag auf und arbeite sie ab. Ohne Stress, aber mit einem gewissen Stolz. Das beinhaltet auch Sport im Fitness-Club. Es ist nicht so, dass ich mich nie dabei quäle, aber der Weg ist das Ziel und das Ziel heißt, die Depri runterzuschrauben. Insofern ist Dein Gedankenansatz, der in Deinem Posting in jedem Absatz sehr klar rüberkommt wirklich nicht gut für Dich. Die ganz passive Rolle musst Du ablegen, dass kann Dir keiner Abnehmen, selber für Dein Wohl zu kämpfen. Nur die Art und Weise kannst Du selber bestimmen.
In übrigen habe ich auch einen Psychiater, der ziemlich sarkastische Sprüche rüberbringt. Mein Therapeut erklärte mir das so, dass einige Psychiater eben auch mit dem vielen Leid, was der Patient auszuhalten hat überfordert sind.
Du betrachtest Deine Depri als organisches, neurologisches Problem oder als eine Stoffwechselstörung. Was sagen die Ärzte? Sicherlich hast Du dich ärztlich durchchecken lassen, oder?

Du fragst in Deinem Posting, was noch helfen könnte. Zwar zielt Deine Frage auf Medikamente ab, dennoch möchte ich Dir einen anderen Tip geben (da Du ja offensichtlich schon viele Medis ohne Erfolg probiert hast). Wie ich schon erwähnte, ist Deine aktive Mitarbeit unumgänglich, damit es Dir wieder besser geht (sicherlich nicht so wie früher, dafür bist Du jetzt ein anderer Mensch geworden). Insofern schlage ich Dir die chinesische Heilkunst vor. Einige Kassenärzte bieten Akupunktur gegen Depressionen an. Mein Therapeut hat mich in
das Qi-Gong eingeführt. Ausführliche Infos unter: http://www.qigong-yangsheng.de
Mittlerweile ist Qi-Gong Krankenkassen tauglich, so dass Du mit finanzieller Unterstützung seitens der KK rechnen kannst.
ich wünsche Dir, dass Du hier in diesem Forum noch jede Menge, für Dich wertvolle, Tips und anregungen bekommst
Nachttaube
Seila
Beiträge: 149
Registriert: 21. Mär 2003, 17:57

Re: Erfahrungen, Fragen, Verzweiflung

Beitrag von Seila »

Hallo, ich lese immer von 10-20jährigen *Deprijahren*, meio ich befinde mich seid gut einem Jahr tief unten. Die Depressionen davor wurden nie behandelt. Und ich hab jetzt schon keine Lust mehr auf *aktive Mitarbeit*, mir is alles egal. Hoffnung auf Medikamente hatte ich nie, einiges ausprobiert und wie befürchtet ausser Nebenwirkungen nix gewesen. Therapie läuft, aber naja, noch zu kurz um darüber einen Schluss zu ziehen..
nach dem ich im SPIEGEL (Spezialheft) rumgestöbert habe und auch im SPIEGEL *Seele aus Eis* kam mir immer mehr der Verdacht, daß selbst die Mediziner nicht so recht wissen was Sache ist. Einer meinte: "Wir sprechen immer nur von der Depression, vielleicht gibt es ja zig verschiedene". Das denke ich, stimmt.
Meine Deprisymptome weichen von den "normalen" etwas ab: ich kann wunderbar schlafen, bis zu 10 Std., bin morgends etwas verplant aber fit und Laune noch im ok-bereich, ab mittags gehts abwärts und ich kann es kaum erwarten um 21 bis 22 uhr ins Bett zu fallen, esse normal, gehe sogar fast täglich ne runde spazieren und Teilzeit arbeiten. Nur is das nicht das Leben das ich kenne, alles ist so lustlos, anstrengend, sehne mich nach Menschen und kann keinen an mich ranlassen, verabredungen werden abgesagt, wenn überhaupt getroffen. Nur das nötigste wird gemacht...
Selbst mein Arzt schwieg heute fast nur, ich heulte...hätt ich mir sparen können...
Vom Freund verlassen, mit der Freundin gestritten, Schwester hochschwanger, sitz ich da und friere trotz Heizung und dicken Pulli.Allein und einsam...
Bis ich meinen Weg gefunden habe....
Kia koe koa
Ronja75
Beiträge: 153
Registriert: 22. Mär 2003, 18:35

Re: Erfahrungen, Fragen, Verzweiflung

Beitrag von Ronja75 »

Hallo Seila!
Ich kann Deine Symptome gut nachvollziehen. Ich war im letzten Jahr ganz tief unten mit allen Standardsymptomen, aber bei mir ist auch eine Dystymie diagnostiziert, eine andauernde "leichte" Depression: ich funktioniere irgendwie, aber es fällt mir schwer und es gibt nur seltene Momente, in denen ich zufrieden bin.
Allerdings kann man ja auch dagegen anarbeiten und inzwischen gehts mir besser, nicht gut, aber deutlich besser.
Hast Du denn Hilfe?
Igendeine Therapie oder so?
Es gibt wirklich gute, am Anfang sehr banal wirkende Wege, besser mit sich umzugehen.
aber es stimmt schon, Du mußt es wollen und tun. Und es ist verdammt anstrengend. Aber das ist die einzige Chance, sich zu retten. Das kann unds wird einem niemand abnehmen.
Ich wünsche Dir viel Kraft,
liebe Grüße,
Wibke
Ronja75
Beiträge: 153
Registriert: 22. Mär 2003, 18:35

Re: Erfahrungen, Fragen, Verzweiflung

Beitrag von Ronja75 »

Hallo Seila!
Ich kann Deine Symptome gut nachvollziehen. Ich war im letzten Jahr ganz tief unten mit allen Standardsymptomen, aber bei mir ist auch eine Dystymie diagnostiziert, eine andauernde "leichte" Depression: ich funktioniere irgendwie, aber es fällt mir schwer und es gibt nur seltene Momente, in denen ich zufrieden bin.
Allerdings kann man ja auch dagegen anarbeiten und inzwischen gehts mir besser, nicht gut, aber deutlich besser.
Hast Du denn Hilfe?
Igendeine Therapie oder so?
Es gibt wirklich gute, am Anfang sehr banal wirkende Wege, besser mit sich umzugehen.
aber es stimmt schon, Du mußt es wollen und tun. Und es ist verdammt anstrengend. Aber das ist die einzige Chance, sich zu retten. Das kann unds wird einem niemand abnehmen.
Ich wünsche Dir viel Kraft,
liebe Grüße,
Wibke
Seila
Beiträge: 149
Registriert: 21. Mär 2003, 17:57

Re: Erfahrungen, Fragen, Verzweiflung

Beitrag von Seila »

Hallo und danke für die Antwort.
Es ging nu 2 Wochen gut und langsam merke ich wie es wieder abwärts geht, morgen ist endlich mein Therapeut wieder im Haus, war über einen Monat nun nicht mehr.
Diese lustlosigkeit udn die ständige bleiernde Müdigkeit...schrecklich. Und dann noch aufrappeln? Wie?
...
Kia koe koa
Sadness
Beiträge: 812
Registriert: 5. Apr 2003, 19:56

Re: Erfahrungen, Fragen, Verzweiflung

Beitrag von Sadness »

Hallo Robert,

als ich Deine Leidensgeschichte las, musste ich an ein Buch denken, das ich kürzlich gelesen haben: "Das heimatlose Ich" von Holger Reiners. Er hat einen ähnlichen, auch ewig langen Leidensweg hinter sich und hat über diese Zeit ein Buch geschrieben, darüber, was ihm geholfen hat und was nicht. Ich fand es nicht schlecht. Vielleicht kannst Du da was mitnehmen. Nur so ein Tipp. Ich finde es immer hilfreich, wenn man irgendwo hört oder liest, dass es anderen genauso geht und dass es vielleicht Dinge gibt, die helfen könnten, die man aber noch nicht ausprobiert hat. Vielleicht liest Du es mal.

Alles Gute,
Sadness
pberg
Beiträge: 2
Registriert: 15. Dez 2004, 20:24

Re: Erfahrungen, Fragen, Verzweiflung

Beitrag von pberg »

nur ganz kurz:

ich habe bereits sehr viel gelesen, aber dies war der erste Beitrag, mit dem ich mich beinahe vollständig, bis ins Detail identifizieren könnte. Es wäre sehr interessant mit dir und allen, die sich hier wiedererkennen, Kontakt aufzunehmen.

Ich habe anscheinend die gleiche atypische therapieresistente Depression.
pberg
Beiträge: 2
Registriert: 15. Dez 2004, 20:24

Re: Erfahrungen, Fragen, Verzweiflung

Beitrag von pberg »

Hallo, liebe Leidensgenossen!

Insgesamt finde ich das sehr verblüffend, was der Robert da so schreibt. Kann ich das doch alles sehr gut nachvollziehen und kommen mir doch die Art und Weise der Gedankengänge recht bekannt vor. Es ist so, als sei ich meinem Zwillingsbruder begegnet.

Auch ich bin schon etwa seit 15 Jahren mehr oder weniger therapieresistent und mein Alter ist 31. Mein erster Medikament war auch Imap und hatte zunächst positive Wirkung. Auch ich habe Erfahrungen mit sämtlichen AD, darüber hinaus auch mit einer Anzahl an NL.

Für Robert wäre vielleicht noch eine pharmakologische Option, ein NL auszuprobieren. Es könnte nämlich durchaus mehr vorliegen, als das, was man gemeinhin als Depression bezeichnen würde. Probleme damit, Gedanken zu fassen und Entscheidungen, Antriebsstörungen etc. können auch einer Problematik zuzuordnen sein, die eher der Schizophrenie ähnelt. Aber egal wie man das nun bezeichnet, NL können auch bei Depressionen hilfreich sein.

Depressionen und Schizophrenien sind heterogene Erkrankungen und Schizophrenien können sehr versteckt sein und selbst für geschulte Fachärzte manchmal schwer zu erkennen sein. Nicht immer muss Wahn und Halluzination auftreten. Subtile Befindlichkeitsstörungen und Denkschwierigkeiten, sind da schwer einzuordnen.

Meine herausragende Erfahrung war die mit Solian. Ein NL, das sich auch in meinem Umfeld immer mehr etabliert hat. Die Theorie ist, dass es die Plastizität des Gehirns erhält und auch eine antriebssteigernde und stimmungsaufhellende Komponente hat. Das war auch meine Erfahrung.

Darüberhinaus ist auch die Gabe eines irreversiblem MAO-Hemmers, wie Tranylcypromin (Jatrosom) eine Option. Es wird empfohlen, es bei Therapieresistenz auf jeden Fall noch zu versuchen. Auch dieses Medikament ist sehr antriebssteigernd.

Insgesamt habe ich sehr viele Erfahrungen gemacht und weiß auch so einiges über Medikamente. Wenn ihr es wünscht, kann ich auch noch mehr schreiben und mehr ins Detail gehen.

Es wünscht euch alles Gute

Pitt
maggy
Beiträge: 1150
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Re: Erfahrungen, Fragen, Verzweiflung

Beitrag von maggy »

Hallo Robert,

ich war eine Zeit lang krank und habe deswegen Deinen Bericht erst jetzt gelesen.

Du schreibst:
"Am ehesten kann ich noch Dinge erledigen, wenn ich alleine bin. Jede Ablenkung empfinde ich als extrem stressig (...) Wenn z.B. drei Bekannte von mir da sind und reden, im Hintergund läuft vielleicht noch (wenn auch leise) Fernseher, einer fragt mich dann was, und dann klingelt auch noch das Telefon, dann wäre das für die meisten Leute wohl eine ganz gewöhnliche Alltagssituation."

Es mag Menschen geben für die das eine ganz gewöhnliche Alltagssituation ist, ich gehöre nicht dazu. Irgendetwas "nebenbei" machen ist mir nicht möglich und wenn ich es tue dann auf Kosten meines Wohlbefindens. Ich lebe seit 24 Jahren mit diesen "Zuständen", habe lange Zeit dagegen gekämpft und es wurde eher noch schlimmer. Seitdem ich mich damit arrangiert habe geht es mir gut. Ich kenne mich und weiß, dass ich die bin, die ich aus mir mache und deshalb tue ich mir möglichst nur gut . Und wenn nicht möglich dann weiß ich wenigstens warum es mir schlecht geht.

Warst Du schon mal auf der Homepage von Georg Parlow? Es ist eine Seite für "HSP" (Hochsensible Personen). Vielleicht findest Du da ja ein paar Anregungen für Deinen Alltag.

Alles Liebe
von
Maggy

http://www.zartbesaitet.net
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Depression ist die Fähigkeit mit tiefster Gefühlsbereitschaft auf Konflikte zu reagieren
Ele
Beiträge: 481
Registriert: 19. Mär 2003, 22:17
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Re: Erfahrungen, Fragen, Verzweiflung

Beitrag von Ele »

Bin leider spät dran, musste aber unbedingt antworten, weil ich meinen Zustand, mit dem ich nun schon seit fast 17 Jahren lebe nicht besser hätte beschreiben können. Trotzdem gab es in all den Jahren Höhen und Tiefen, Jahre, Tage, Stunden in denen es mir besser ging und ich ganz viel Kraft sammeln konnte.
Ich nehme jetzt nachdem ich 10 Jahre keine Medis genommen hatte, seit ca. 2 Jahren AD die mir nicht sonderlich geholfen haben. Mit Benommenheit und schneller Überreizbarkeit habe ich immer noch zu kämpfen. Aktivitäten, und davon habe ich genug als Alleinerziehende mit 2 Kindern, erschöpfen mich manchmal so sehr, dass ich heulen könnte, weil ich vollständig an meine Grenzen komme. Dass ich es trotzdem schaffe gibt mir (ein ganz klein) wenig Selbstvertrauen. Was ich damit sagen will:
Wenn mir schlecht ist habe ich auch keine Lust auf wild tanzen. Trotzdem ist es besser sich abzulenken als schon vor der Closchüsel zu knien und zu warten, ob ...
Wenn ich vormittags arbeite und nachmittags den Einen zum Sport und den Anderen zur Musikschule begleite, bin ich zwar am Ende, aber ich merke ich schaffe noch was. Was mir zudem noch viel besser hilft als Medis ist Meditation, mit Menschen zusammen sein, zu denen ich offen sein kann (komischerweise gehts mir da immer besser), wo ich keine "Rolle" spielen muss.
Und auch Sport, selbst zu spüren: Hoppla, ich hab ja doch Energie tut unheimlich gut. Momentan brauche ich zwar auch wieder einen, der mich anschubst, aber ich habe schon so oft angefangen und werde es auch diesmal wieder schaffen, wenn auch mit ettlichen kg Übergewicht, dank AD.
Ich hab mir meinen Beitrag übrigens gerade nochmal durchgelesen und finde, dass alles unheimlich optimistisch klingt. Das täuscht! Auch ich bin zutiefst deprimiert, dass ich mich nie wohlfühle, denke mir oft: Mein ganzes Leben kämpfe ich schon, jetzt will und kann ich nicht mehr. Aber irgendwo ist da noch das Fünkchen Ehrgeiz, das es mir verbietet aufzugeben.
>> Du mußt Chaos in dir tragen um einen tanzenden Stern zu gebären...>>

Friedrich Nietzsche

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