Begiff "psychisch kranke Menschen"

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wegsucherin
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Begiff "psychisch kranke Menschen"

Beitrag von wegsucherin »

Hallo,

ich frage mal aus der anderen Perspektive:
Wie findet ihr die Formulierung "psychisch kranke Menschen"?
Würdet ihr euch mit der Diagnose Depression selbst dazu zählen?
Gibt es aus eurer Sicht eine passendere Formulierung, die trotzdem andere Erkrankungen mit einschließt?

Viele Grüße
Viele Grüße
Die Wegsucherin
Katerle
Beiträge: 11383
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Re: Begiff "psychisch kranke Menschen"

Beitrag von Katerle »

Hallo wegsucherin,

man kann auch sagen "seelisch kranke Menschen" und ja die Diagnose Depression zählt auch dazu.
Was ich nicht so gut finde, dass wenn es heißt, "psychisch krank", das man heute noch immer abgestempelt wird von manchen, als nicht ganz dicht. Es mag vielleicht nicht mehr ganz so schlimm sein, wie vor einigen Jahren, aber ich erlebe das heute immer noch so, wo ich mir aber auch sage, dass es aus Unwissenheit passiert. Von daher wünsche ich mir auch mehr Aufklärung für die Zukunft, damit Vorurteile weiter abgebaut werden können.

Liebe Grüße
jolanda
Beiträge: 1147
Registriert: 16. Okt 2003, 10:29

Re: Begiff "psychisch kranke Menschen"

Beitrag von jolanda »

Hallo

Depression ist eine psychische Erkrankung.
Also: Ja, Menschen mit Depression gehören zu der Gruppe der psychisch Kranken Menschen.

Man kann sich jetzt fragen, bin ich das immer? oder nur während einer depr. Episode? Das muss jeder für sich entscheiden. Wenn ich ne Grippe habe, bin ich krank, wenn ich keine habe bin ich nicht grippekrank. Wenn ich alle zwei Monate eine Grippe habe bin ich aber vielleicht doch dauerhaft krank, es könnte sein, dass etwas mit meinem Immunsystem nicht stimmt.

Bei mir stimmt halt was mit meinem "psychischen Immunsystem" nicht - im übertragenen Sinn.

mal so als Gedankenanregung.

Warum willst du eine andere Bezeichnung?
Warum die Dinge nicht als das benennen, was sie sind?

Diese Tendenz, beschönigende Worte zu finden gibt es ja in anderen Bereichen des Lebens auch.

Ich frage mal - etwas provokativ: wenn Du dich mit der Bezeichnung psychisch krank nicht wohl fühlst - hast du eventuell die selben Stigmata im Kopf, die wir oft bei "Gesunden/Unwissenden" bemängeln?

LG, jolanda


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riverflow
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Registriert: 4. Apr 2014, 11:30

Re: Begiff "psychisch kranke Menschen"

Beitrag von riverflow »

Ich bin für den Begriff der Störung, wie auch in der ICD-10 vermerkt.

Krankheiten haben es an sich, dass man sie vermessen kann, was bei einer Depression nicht der Fall ist. Es gibt keine typische Läsion im Gehirn, was eine Depression zu einer neurologischen Erkrankung machen würde.
Die Neurotransmitter-Theorie ist weitgehend widerlegt.

Ich selbst empfinde mich nicht als krank. Ich habe im Leben Erfahrungen gemacht, die mich so haben werden lassen wie ich bin. Ich habe Muster ausgebildet, die irgendwann einmal für die Situation sinnvoll waren, die aber zum Teil noch heute auftauchen, obwohl sie inzwischen keine adäquate Reaktion mehr darstellen. Das kann ich mir bewusst machen und daran arbeiten.

Es gab unter anderem auch 2 Traumata in meinem Leben und gerade für ein Trauma ist eine falsche Abspeicherung typisch, so dass es ein langer Weg der Aufarbeitung ist, bis das Ganze wirklich als vergangen abgespeichert werden kann. Aber ich würde mich nicht als krank bezeichnen, weil mir jemand mal Leid zugefügt hat. Ich habe ungünstige Denk- und Verhaltensmuster ausgebildet, die sich teilweise belastend auf mein Leben auswirken, aber krank? Nö!
wegsucherin
Beiträge: 23
Registriert: 16. Jan 2015, 01:28

Re: Begiff "psychisch kranke Menschen"

Beitrag von wegsucherin »

Hallo,

warum ich frage? Ich betreibe quasi "Aufklärung" und stelle eben oft fest, dass diese Vorurteile doch noch recht präsent sind. Um den Zugang zu dem Thema zu erleichtern suche ich eine passende Beschreibung.
Es gibt ja nicht "den Kranken" und "den Gesunden", jeder Mensch hat gesunde und kranke Anteile. Eine Depression kommt ja auch meist nicht mit Tag X, an dem der Mensch von gesund zu krank wechselt und bei einer Heilung sofort wieder von krank zu gesund...

"Störung" mag medizinisch richtig sein, hat aber für Außenstehende etwas von "gestört" - oder findet ihr nicht?
Viele Grüße
Die Wegsucherin
T Ally
Beiträge: 595
Registriert: 30. Jul 2014, 14:34

Re: Begiff "psychisch kranke Menschen"

Beitrag von T Ally »

Hallo Wegsucherin,

auch ich tue mich mit den Begriffen "psychisch krank" und "gestört" schwer. Aber letztendlich muss ich wohl einfach lernen, meine psychische Einschränkung und Krankheit selbst zu akzeptieren. Und das fällt mir selbst sehr schwer. Zwar gehe ich in meinem Umfeld relativ offen damit um, was aber auch daran liegt, dass die Kollegen bei einer mehrmonatigen Abwesenheit einfach wissen, was dahinter steckt.
Meine Eltern geben offen zu, dass sie damit nichts anfangen können.
Und dennoch wird dieses Thema immer und überall nur umschrieben, um "psychisch krank" nicht benennen zu müssen.

Mir wurden auch Persönlichkeitsstörungen attestiert, die ich für mich noch weniger annehmen kann. Ich bin doch nicht gestört!
Ja, die Erklärungen zu den Diagnosen kann ich akzeptieren, aber gestört bin ich nicht. Vielleicht bin ich anders, individuell. Aber es ist einfach nur ein Fachbegriff, den ich für mich so nicht annehme, die dahinterstehende Aussage aber lernen muss zu akzeptieren.

Somit bin ich auch für alternative Benennungen offen, um mir und dem Umfeld den Umgang zu erleichtern.
Wobei mein Chef ganz selbstverständlich den Begriff "psychisch krank" in den Mund nahm und es mir in dem Moment nicht unangenehm war, weil wertschätzend mit mir und der aktuellen Situation umgegangen wurde. Vielleicht ein guter Anfang für mich.
wegsucherin
Beiträge: 23
Registriert: 16. Jan 2015, 01:28

Re: Begiff "psychisch kranke Menschen"

Beitrag von wegsucherin »

Hmm, ich habe jetzt mehrere Versionen:
1. psychisch kranke Menschen
2. Menschen mit psychischen Erkrankungen
3. Menschen mit psychischen Störungen
4. psychisch beeinträchtigte Menschen

Im Grunde meinen die alle das gleiche, aber was klingt aus eurer Sicht am Besten?
Oder vielleicht hat jemand weitere Ideen?
Viele Grüße
Die Wegsucherin
Morbus
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Registriert: 2. Feb 2015, 22:19

Re: Begiff "psychisch kranke Menschen"

Beitrag von Morbus »

Ich finde Menschen mit psychischen Erkrankungen, also Nummer 2 klingt am besten. Es spiegelt die Situation klar wieder und ist keine merkwürdige Umschreibung. Störung, auch wenn fachgerecht klingt halt wie gestört, beeinträchtigt klingt sehr verharmlosend und passt nicht auf jeden und psychisch krank ist einfach der direkte Begriff, den man mögen kann oder eben auch nicht.

Ich selbst kann mit meinen Diagnosen umgehen, obwohl es mir schon unangenehm ist wenn ich die Fachbegriffe jemanden erzählen muss der nicht so recht Ahnung hat, was es nun damit auf sich hat.

Aus ärztlicher Sicht bin ich sehr schwer krank und das muss ich auch für mich selbst akzeptieren, Begrifflichkeiten an denen man sich stört finde ich daher für den eigenen Weg eher hinderlich. Ich nehme die Fachbegriffe und sogar ICD-Zeichen wenn ich über meine Krankheit rede, das erspart erstmal unheimlich viel Zeit und beide Seiten wissen gleich woran sie sind. Unnötige Fragen müssen dann nicht mehr gestellt werden. Natürlich in Gesprächen mit Ärzten oder Leuten vom Fach.

Mit anderen rede ich aber wenig über meine Krankheitssituation, das zu beschreiben und umschreiben ohne Missverständnisse zu erzeugen ist einfach nicht möglich. Hängt aber bestimmt auch mit der Diagnose, bzw. der Anzahl an Diagnosen und dem Gesprächspartner ab. Wenn die Person sich selber schon reingelesen hat und die Grundlagen vorhanden sind ist ein Gespäch bei weitem einfacher.

Naja, man sollte sich meiner Meinung nach nicht an solchen Begriffen stören sondern es einfach hinnehmen, Akzeptanz für die eigene Krankheit hilft einem ein ganzes Stück weiter.

Liebe Grüße, Finn
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big1804
Beiträge: 23
Registriert: 2. Mai 2015, 21:44

Re: Begiff "psychisch kranke Menschen"

Beitrag von big1804 »

Ich für meinen Teil komme mit "meine Seele ist krank geworden" am besten zurecht.

Am Anfang habe ich mir selber mit anderen Begriffen Dinge verharmlost und schön geredet. Aber erst als (hier im Forum) jemand zu mir schrieb : "Du bist krank!" habe ich endlich begriffen, dass es so ist. Mir hat das unglaublich weh getan aber trotzdem sehr geholfen. Es ist eine Krankheit - nicht mehr und nicht weniger! Das müssen wir annehmen, akzeptieren und dann damit umgehen.

Das sagt zumindest mein Kopf und ich will es auch so tun!!

Mein Gefühl zieht mich grad wieder total runter und ich muss heulen ohne Ende.....aber ich kann es mir immer nur selber sagen, ich bin krank geworden, ich kann nix dafür aber ich kann wie bei jeder anderen Krankheit nur alles geben, um damit umgehen zu können und vielleicht weider gesund zu werden.

Hab keine Ahnung, ob das richtig ist, was ich grad geschrieben habe, hab selbst erst seit vier Wochen die Diagnose und suche halt meinen neuen Weg.....

Liebe Grüße

big
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Sieglinde1964
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Registriert: 30. Dez 2006, 19:31

Re: Begiff "psychisch kranke Menschen"

Beitrag von Sieglinde1964 »

Ich habe mich nie als psychisch krank bezeichnet und werde das auch nicht tun, wenn ich es auch vielleicht bin. Weiß nicht so recht. Auch mir ist eine Persönlichkeitsstörung attestiert worden. Ich heme mich so, wie ich eben bin, mit meiner nun mehr als acht Jahre dauernden Depression.
swrimuss
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Registriert: 8. Mai 2015, 21:23

Re: Begiff "psychisch kranke Menschen"

Beitrag von swrimuss »

Vielleicht ist das benennen einer Situation für viele Menschen hilfreich. Ich empfinde es als sehr befreiend das ich mich mit meinem eigenen Schicksal nicht anhand von Diagnosen identifiziere sondern versuche mich mit Zuständen abzufinden, die entweder gerade schlimmer oder nicht so schlimm sind. Man diagnostizierte bei mir viele verschiedene Krankheiten sowohl psychisch als auch physisch hängt das alles zusammen. Ich denke wichtig ist nur, dass wir kämpfen und die Hoffnung nicht aufgeben.Egal welche Diagnose und ganz ehrlich, ist es wichtig ob man sich als psychisch kranker Mensch oder Mensch mit psychischer Störung bezeichnet?
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