Der lange Weg zur Selbsthilfe

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Willow
Beiträge: 13
Registriert: 26. Okt 2003, 22:04

Der lange Weg zur Selbsthilfe

Beitrag von Willow »

Hi,

ich lese noch nicht allzu lange im Forum, habe aber Lust bekommen, auch selbst einen Beitrag zu beginnen.
Ich bin zu der Erkenntnis gelangt, dass ich mir im Grunde genommen nur selbst helfen kann.
Zu meiner Geschichte: An Depressionen erkrankt bin ich im Alter von 16 Jahren, danach folgte eine zehnjährige Leidenszeit. Ich habe mehrere Therapien gemacht bzw. Hilfsangebote in Anspruch genommen.
Die erste Therapie war grauenhaft, kam überhaupt mit dem Therapeuten nicht klar. Die Gespräche waren erniedrigend und aus heutiger Sicht sehr fragwürdig. Leider bin ich viel zu lange bei ihm geblieben (etwa ein Jahr), bis ich es nicht mehr aushielt und einfach abgebrochen habe. Später habe ich auch erfahren, dass der Therapeut seine Praxis wegen sexuellen Missbrauchs hatte schließen müssen. Naja.

Danach folgten andere Versuche.
Es lief schon viel besser, das Gefühl, verstanden zu werden, stellte sich zum Teil ein.
Gänzlich rausgekommen aus dem Sumpf bin ich leider dennoch nicht.
Zurzeit mache ich nach über zwei Jahren Pause wieder eine Therapie. Irgendwann bekam ich den Eindruck, dass die Therapiezeit viel zu kurz ist und die 50 Minuten pro Woche mein Leben, mein eigentliches Leben so wenig beeinflussen, dass ich letzten Endes auf mich allein gestellt bin.

So habe ich, anfangs enttäuscht, gedacht, dass ich mir wirklich selbst helfen muss.
Kurz darauf hatte ich die Idee, mir zu notieren, welche meiner Gedanken mir schaden. Meine Depression (oder die Aufrechterhaltung dieser Depression) ist bei mir dadurch bedingt, dass ich mir viel zu viele Gedanken mache und über Schwachsinn grüble, der mich runterzieht oder wütend macht. Seit einigen Wochen versuche ich nun, die Gedanken, von denen ich weiß, dass sie mir nicht guttun, zu meiden.

Es funktioniert ganz gut, hatte dadurch auch schon eine Woche ohne einen einzigen wirklich schlechten Tag. Ich will dranbleiben und hoffe auch, dass ich nach den seelischen Problemen vielleicht auch die "weltlichen" in Griff bekomme (Arbeitslosigkeit, Partnerschaft).

So viel erst einmal dazu. Wenn jemand von Euch mag, kann er/sie gerne seine Meinung zu dem Thema schreiben, interessieren würde sie mich schon

Schöne Grüße an alle Forumsteilnehmer!
tsirgeis1980

Re: Der lange Weg zur Selbsthilfe

Beitrag von tsirgeis1980 »

Hallo Willow,

das mit den Gedanken geht mir genauso. Mache mir auch Sorgen um Sachen die es gar nicht gibt. Aber meines Erachtens kann man gegen negative Gedanken nichts anderes machen als sie zu verdrängen. Aber ganz einfach ist das nicht. Ich selbst bin manisch depressiv und wenn ich eine "Tiefphase" habe, kann ich an nichts anderes mehr denken, als mich selbst fertig zu machen.
Habe zwar noch nie eine Therapie oder Klinikbesuch hinter mir gehabt. Aber ich denke, dass man negative Gedanken nur selbst abstellen kann. Und dann ist es noch schwer genug den Problemen die man hat ins Auge zu sehen.
Das mit den Gesprächstherapien, halte ich persönlich sowieso nicht für optimal. Weil man dann die negativen Zeiten nochmals durchleben muss. Und das kann für die Seele wohl kaum gut sein, oder???

Egal wie, aber wir schaffen das!!!!!!!!!!!!!!

LG Sven
Yogibär
Beiträge: 149
Registriert: 28. Mai 2003, 20:55

Re: Der lange Weg zur Selbsthilfe

Beitrag von Yogibär »

Hi,

ja, genau, volle Zustimmung, mir gehts genauso! Wir sind genau gleich! Wollt ihr mich heiraten???

Nein, sorry, Scherz beiseite. Ich kann das sehr gut nachvollziehen. Allerdings: wäre es nicht auch eine wichtige Frage, woher diese negtiven Gedanken überhaupt kommen? Wieso sie da sind? Natürlich ist es schon mal ein guter Schritt, wenn man das Gefühl hat, man kann sich etwas in den Griff bekommen, indem diese Gedanken nicht zugelassen werden. Aber ist es langfristig nicht dann doch auch unbefriedigend, nicht zu wissen, was da eigentlich unterdrückt wird? Bzw. stellt euch vor, diese Gedanken sind nicht nur Ursache von schlechtem Gemütszustand, sondern selbst wiederum Symptome von etwas anderem. Wäre es dann nicht auch schlecht, diese Symptome zu verdrängen, ohne das eigentliche Problem anzugehen?

Tja, ich laß das jetzt einfach mal so im Raum stehen.

Viele Grüße
Yoghurt
(jetzt mit 15% mehr Inhalt)
tsirgeis1980

Re: Der lange Weg zur Selbsthilfe

Beitrag von tsirgeis1980 »

Hallo Yoghurt,

du hast bestimmt auf eine gewisse Art und Weise Recht mit dem was du sagst. Allerdings weiß ich bis heute nicht warum ich depressiv bin. Bin unter normalen Umständen aufgewachsen. Meine Eltern stehen immer hinter mir und eigentlich bräuchte ich auch keine Existenzängste haben. Aber die kleinste Kleinigkeit reicht aus um mich wieder ins "Loch" zu stürzen! Das macht mich fertig! Vorallem leidet meine Arbeit darunter!
Vorallem ist es ganz und gar nicht leicht seine Gedanken zu beeinflussen! Das Unterbewußtsein auszutricksen ist meiner Meinung nach unmöglich!

Wie seht ihr/du das ???

LG, Smile
sewi
Beiträge: 1606
Registriert: 15. Feb 2013, 23:02

Re: Der lange Weg zur Selbsthilfe

Beitrag von sewi »

tsirgeis1980

Re: Der lange Weg zur Selbsthilfe

Beitrag von tsirgeis1980 »

Hi sewi,

klingt sehr interessant! Werde ich mal ausprobieren müssen! Muss sowieso sagen, dass einiges was ich von dir gelesen habe sehr sehr interessant ist! Na dann weiter so!!!

Liebe Grüße Smile
maggy
Beiträge: 1150
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Re: Der lange Weg zur Selbsthilfe

Beitrag von maggy »

Hallo Ihr Lieben,

anstatt meine negativen Gedanken zu verdrängen, untersuche ich sie lieber. Ist sehr wirkungsvoll und macht Spaß.
Byron Katie hat diese Methode entwickelt und THE WORK genannt.
Moritz Boerner hat Ihre Bücher ins Deutsche übersetzt und "workt" hier in Deutschland.
Zu finden unter:
http://www.moritzboerner.de/


Alles Liebe
von
Maggy
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Depression ist die Fähigkeit mit tiefster Gefühlsbereitschaft auf Konflikte zu reagieren
C.
Beiträge: 412
Registriert: 4. Jun 2003, 22:28

Re: Der lange Weg zur Selbsthilfe

Beitrag von C. »

Hi Yogi,

ja, ich denk schon dass es eine wichtige frage ist, woher diese negtiven Gedanken überhaupt kommen, und wieso sie da sind.
nur geht das nicht immer. und wenn es zu überwältigend ist, geht die frage nach dem woher sie kommen oft gar nicht. dann ist verdrängen manchmal sogar überlebenswichtig.

die frage ist auch nicht immer in jedem fall sinnvoll, denke ich, bei manchen dingen hilft es mir nicht weiter, zu wissen woher das ursprünglich vielleicht mal kam (und daran kann ich vielleicht nichts ändern).
Anders sehe ich das mit "wieso sie da sind", das hat in meinem Verständnis mehr mit meinem hier und jetzt zu tun, und mehr bezug zu der frage, die ich vor allem wichtig finde: wie komme ich da wieder raus. denn das leben findet nicht in der vergangenheit statt.

"...diese Gedanken sind nicht nur Ursache von schlechtem Gemütszustand, sondern selbst wiederum Symptome von etwas anderem. Wäre es dann nicht auch schlecht, diese Symptome zu verdrängen, ohne das eigentliche Problem anzugehen?"

manchmal muss man vielleicht auch diese symptome verdrängen, oder wenigstens zeitweilig irgendwie ausser kraft setzen, um überhaupt das eigentliche problem bearbeiten zu können.
...an einem beinbruch zu operieren ist ja vielleicht auch etwas schwierig ohne die muskeln "auszuschalten" - wenn dann das bein vor schmerzen so rumzuckt dass man nicht mehr richtig sehen kann wo man rumschneidet?

mein nächtlicher senf zum thema...

liebe grüsse,
Clara
Willow
Beiträge: 13
Registriert: 26. Okt 2003, 22:04

Re: Der lange Weg zur Selbsthilfe

Beitrag von Willow »

Hi Leute,

erst einmal danke für Eure Gedanken in den Beiträgen.
Alles in allem, schien mir, ging es Euch vor allem um die Frage verdrängen oder nicht verdrängen.
Ist "sich nicht mehr um Gedanken kümmern" gleichzusetzen mit "verdrängen"? Ich weiß nicht. In den letzten Jahren jedenfalls habe ich das genaue Gegenteil von "Verdrängen" gemacht, und es hat mir gar nichts genützt. Die Gedanken haben sich als ewigtiefer Abgrund entpuppt, als ein bodenloses Fass. Bringt es etwas, immer wieder Wasser nachzuschütten, obwohl alles immer hinausquillt? Kaum. Ich habe keine Lust mehr auf blöde Gedanken, ich mag einfach nicht mehr. Ich will nur noch weg davon und es scheint mir, so zumindest die Erfahrung der letzten Tage, machbar zu sein.

@Sven: Klaro, wir krigen das schon gebacken!

@Yoghurt: Eine Heirat, hm lass mich überlegen Also, ich glaube, da muss schon mehr als 15% extra mit drin sein ... unter 30% geht da nix ...
Seila
Beiträge: 149
Registriert: 21. Mär 2003, 17:57

Re: Der lange Weg zur Selbsthilfe

Beitrag von Seila »

Hi.
Brachte uns das Verdrängen nicht in die Depri?
Ich seh das so. Und so gehe ich durch das Grübeln, so wie durch den Schmerz, nicht aussenrum, kommt man eh nur da wieder an wo man los ging.
Irgendwann nervt es mich dann selber. Scheiss Gedanken, blöde Krankheit, ich lass das nu alles weg - ich bin gesund.
Man muss ja auch erst mal die Kraft haben, sich selbst zu helfen, das geht im tiefsten Loch eben nicht mehr, schön wenn man es trotzdem versuchen kann!
Ich versuche schon auch mir selber zu helfen, nur dasitzen und warten bis es mir besser geht is nicht so meins. Mein Vater ist ein gutes Beispiel, er wurde ins kalte Wasser geschmissen und musste selber rauskommen und *Gott lob* er hats geschafft.
Was muss erst bei mir kommen, bis ich das kann...

Bye
Kia koe koa
Willow
Beiträge: 13
Registriert: 26. Okt 2003, 22:04

Re: Der lange Weg zur Selbsthilfe

Beitrag von Willow »

Also mich brachte NICHT das Verdrängen in die Depri! Bei mir war es das Grübeln, das ich irgendwann einmal angefangen habe, das mich letztendlich in ein tiefes Loch gestoßen hat. Irgendwann kam ich nicht mehr davon los, habe ständig und immer nachgedacht.

Irgendjemand in diesem Forum (aber ich weiß jetzt nicht mehr wer) hat diesen super-super-tollen Spruch als Signatur "Man kann Probleme nie mit der gleichen Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind" (liebe Grüße übrigens )
Ich bin mir ziemlich sicher, dass es genau so ist bei mir. Wie sollte ich durch neues Grübeln das Grübeln beenden? Gar nicht. Darum bin ich, so denke ich weiterhin, auf dem richtigen Weg, wenn ich es unterlasse, meine alten Gedankenkreise fortzuführen.
ben1
Beiträge: 1379
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Re: Der lange Weg zur Selbsthilfe

Beitrag von ben1 »

Hallo

Der Umgang mit negativen Gefühlen - ich denke, es gibt (wie immer im Leben) 3 Möglichkeiten

a) sich mit den Gefühlen identifizieren und in den Grübelzwang zu verfallen (Ich BIN meine Gefühle)

b) die Gefühle verdrängen (Ich BIN andere (erwünschte) Gefühle)

c) die Gefühle ohne Identifikation beobachten, sich ansehen, was sie zu sagen haben und sie wieder gehen zu lassen.

Ich denke, Hauptgrund der Depressoin ist, das wir nicht so leben, wie wir leben sollten. Und dazu gehört, ein Idealbild von uns (und unserem Gemütszustand) zu haben, der so einfach "unmenschlich" ist. Jeder Mensch empfindet auch Gefühle der Trauer, der Sinnlosigkeit - und es ist doch spannender, sich mal anzugucken, was uns auch diese Gefühle sagen wollen, als sie einfach zu verdräüngen. Wenn wir diesen Gefühlen erlauben, da zu sein, ohne sie gleich zu bekämpfen, wenn wir diese Gefühle beachten und beobachten, können wir sicherlich viel über unsere verdrängten Persönlichkeitsanteile lernen - und darum gehts doch - wieder "echt" zu werden, und nicht einem Ideal hinterher zu rennen.

Klingt einfach, ist aber schwer, eine gänzlich neue Umgangsweise mit den Gefühlen, aber auch die negativen Gefühle gehören zu uns und haben was zu sagen, oder?

Ben
Yogibär
Beiträge: 149
Registriert: 28. Mai 2003, 20:55

Re: Der lange Weg zur Selbsthilfe

Beitrag von Yogibär »

Hi Willow,

sagen wir 20% mehr, in Ordnung?

na, zurück zum Thema. Ich denke, am effektivsten und erstrebenswertesten müßte es doch sein, zu erkennen, wann "falsche" Gedanken auftauchen und warum. Denn das Problem ist doch, festzustellen, welche Gedanken man nicht zulassen sollte. Wenn ich z.B. denke, schon wieder versagt zu haben, dann muss ich mir überlegen, ob ich tatsächlich "schon wieder" vesagt habe oder "mal" versagt habe oder aber, ob ich überhaupt versagt habe, und wenn ja, dann auch noch, ob ich nicht nur deshalb versagt habe, weil ich es so erwartet habe und deshalb nur sehr halbherzig an meine Aufgabe gegangen bin.

Aber das Gefühl, versagt zu haben einfach nicht zuzulassen, ist doch zu undifferenziert und damit der falsche Weg, oder? Andererseits kann ich auch verstehen, dass einem/einer vielleicht die Energie fehlt, sich mit all dem ständig so detailliert auseinandersetzen zu müssen.

Bei mir jedenfalls drehen sich oft die Gedanken darüber im Kreis, ob ich jetzt wirklich einen Grund habe, schlecht drauf zu sein oder aber ob ich einfach zu negativ in meiner Wahrnehmung bin und halt alles zu negativ interpretiere. Aber wie soll ich das feststellen???

Naja...

Gruß
Yohurt
(mit Extraportion, Menge noch nicht genau festgelegt)

P.S.: hey sewi, wie war dein prozess? gibt es ein ergebnis?
maggy
Beiträge: 1150
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Re: Der lange Weg zur Selbsthilfe

Beitrag von maggy »

Hallo Ben,

danke für diesen Beitrag.
Ja, was Du beschreibst erlebe ich während meiner körperorientierten Selbsterfahrung. Nur wenn ich mir meine "Schattenseiten" bewußt mache, nachspüre welchen Ursprung die damit verbundenen Gefühle (ich will sie nicht mal negativ nennen, es sind einfach Gefühle, die lange verdrängt wurden)haben, und diese Schattenseiten "umarme"; denn sie gehören ja zu mir, kann ich meine Depression (bei mir verbunden mit Ängsten und Panikattacken) gehen lassen.
Es ist nicht schwer; es ist nur nicht leicht .

Alles Liebe
von
Maggy
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Depression ist die Fähigkeit mit tiefster Gefühlsbereitschaft auf Konflikte zu reagieren
ben1
Beiträge: 1379
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Re: Der lange Weg zur Selbsthilfe

Beitrag von ben1 »

Hallo Maggy,

ja, das Leben ist kein Wunschkonzert, wo ich mir meine Persönlichkeitsanteile aussuchen kann - auch wenns manchmal so scheint. Ich denke auch, das erst mal wichtig ist zu sehen, wer da alles in meinem Haus wohnt, ehe ich die Hausordnung ausarbeite. Da ist eine Mieterversammlung mal ganz angesagt. Und erst gilt es, jeden Mieter zu verstehen und ihm seinen Platz zuzubilligen, und dann erst kann ich weitersehen.

Ben
sewi
Beiträge: 1606
Registriert: 15. Feb 2013, 23:02

Re: Der lange Weg zur Selbsthilfe

Beitrag von sewi »

Yogibär
Beiträge: 149
Registriert: 28. Mai 2003, 20:55

Re: Der lange Weg zur Selbsthilfe

Beitrag von Yogibär »

Hi sewi,

hab den Thread gerade erst wiedergefunden. Hm, liest Du jetzt bestimmt auch nich mehr....

Naja...

gruß
yoghurt
C.
Beiträge: 412
Registriert: 4. Jun 2003, 22:28

Re: Der lange Weg zur Selbsthilfe

Beitrag von C. »

Liebe Sewi,

vielleicht liest du ja doch noch hier, von daher - will ich hier einfach mal ganz liebe grüsse an dich rüberschicken!

Clara

auch an Yogibär nen gruss
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