Vorstellung meinerseits

[kersTine]

Hallo...
...puh, ich weiß gar nicht so richtig wie und wo ich anfangen soll.
Vielleich Eckdaten? Ich bin 28, mein Mann 30 Jahre alt. Wir sind seit Juni 2013 verheiratet und haben seit Juli 2014 eine Tochter.
Gefühlt seit Anfang 2014 geht es bergab...bewusst gespürt habe ich dies im Mai 2014, da waren wir im Urlaub und es hat immer wieder sinnlose Streitigkeiten gegeben. Jedes Mal habe ich mir dafür die Schuld gegeben, weil ich dachte, es läge einzig und allein an meiner Streitsucht.
Dann kamen unsere Geburtstage (ich habe einen Tag vor ihm und er mit unserer Tochter an einem Tag) und irgendwie war die Stimmung komisch - lag aber auch daran, dass es sehr heiß war und unsere Tochter fieberte...inzwischen weiß ich, dass mehr war.
Im September begann dann seine Elternzeit (in dieser befindet er sich noch immer geplant bis September 2015) und er hatte Angst davor nichts zu tun zu haben. Zum 30sten Geb. hatte er eine Dauerkarte für seinen Lieblingsfußballverein bekommen und ich dachte, das wird "sein Jahr"...
leider ist genau das Gegenteil eingetreten. Über das Geschenk konnte er sich kaum freuen und vor seiner freien Zeit hatte er Angst. Er hat sich viel mit sich selbst beschäftigt und ich fühlte mich zurückgewiesen und missachtet. Im Dezember 2014 habe ich ihn betrogen. Ich bin nicht stolz darauf, aber in dem Moment fühlte es sich einfach gut an, nicht ständig für alles mögliche verantwortlich sein zu müssen. Ich habe es ihm einen Tag später gesagt und nach einigen sehr emotionalen Szenarien, haben wir wieder zueinander gefunden.
In den letzten Wochen geht es ihm immer schlechter...auf mein Anraten hat er mit seinen besten Freunden darüber gesprochen was los ist und ich versuche es möglichst transparent zu machen, ertappe mich aber immer wieder dabei, dass ich mich und andere belüge "uns gehts gut". Ich habe aus dem Grund eben 6 Postkarten an wichtige Menschen geschrieben und werde diese morgen früh versenden, so dass sie Bescheid wissen.
Mein Mann weiß in der Theorie furchtbar viel über Depressionen - er arbeitet als Altenpfleger in einem Heim für psychisch Erkrankte. Zum Teil kann er sich sogar in mich und meine Ohnmacht hineinversetzen. Leider kann ich mich überhaupt nicht in ihn hineinversetzen. Eine Kollegin von mir schenkte uns vor kurzen 2 Bücher ("Mein schwarzer Hund" und "Mit dem schwarzen Hund leben"). Ich finde die Bücher gut und sehr anschaulich und doch werde ich es wohl nie ganz nachvollziehen können.
Ich ertappe mich dabei, dass ich wütend werde und ihm in den Hintern treten will. Manchmal sagt er, er braucht das. Manchmal ist es ihm zu viel. Ich habe das Gefühl über jeden Schritt, über jedes Wort nachdenken zu müssen. Manchmal bin ich überglücklich, wenn ich zur Arbeit fahren und die Situation erst einmal hinter mir lassen kann.
Morgen hat er einen Termin in einer Tagesklinik - zur Diagnostik - und in 2 Wochen geht seine Therapie los. Ich hoffe so sehr, dass ich meinen Mann irgendwann wieder erkenne. Vor allem wünsche ich mir, dass unsere Tochter ihren "echten Papa" kennenlernt.
Oh man, ich könnte nur noch heulen...ganz im Ernst: gibt es so etwas wie Co-Depressivität? Denn manchmal habe ich das Gefühl, dass das ansteckend ist.
Wie auch immer...über ein paar Worte würde ich mich freuen. Danke erstmal fürs Lesen!
Tine

[mirabella]

Hallo Tine,
Willkommen im Club der hoffnungslosen Angehörigen.

Es tut mir sehr leid und wir können alle mit dir fühlen, denn wir machen alles das Gleiche durch.
Viellricht liest du hier ein paar Geschichten, du wirst parallele finden.
Positiv ist das dein Mann in Kürze mit seiner Therapie beginnt.
Du musst einfach abwarten und die Nerven behalten. Dich irgendwie ablenken. Das fällt mir auch sehr schwer, meine Gedanken kreisen auch nur noch darin und ich habe auch Angst das ich in einer Co-Depression verfalle, ja sowas gibt es.

Ich wünsche Dir viel Kraft und Geduld

LG

[kersTine]

Liebe Mirabella,
danke für deine schnelle Antwort und die Worte!
Eigentlich bin/war(?) ich der Meinung sehr viel für mich zu tun...Unternehmungen mit anderen, Sport, ich mache mehr oder weniger regelmäßig Yoga...und dennoch reicht es irgendwie nicht aus. Wenn ich noch mehr täte, hätte ich bald ein schlechtes Gewissen meinem Kind gegenüber - viele Unternehmungen lassen sich zwar in Zeiten legen, in denen sie schläft oder in der KiTa ist, aber eben nicht alle...
Gut zu wissen, das mit der Co-Depression. Da werde ich mich morgen mal schlau machen. Jetzt werde ich erst einmal ins Bettchen gehen.
Liebste Grüße Tine

[kersTine]

Hallo...
mein Mann war gestern zur Diagnostik in der Tagesklinik und steht dort nun auf der Warteliste. In spätestens 6 Wochen ist ein Platz frei und dann wird er dort voraussichtlich für 4-6Wochen hingehen. Nach seinem Termin haben wir unsere Tochter von der KiTa abgeholt und sind eine Stunde Fahrrad gefahren und haben darüber gesprochen...das tat mir sehr gut und ich denke ihm auch.
Hinterher waren wir auf einem Spielplatz und dort hat er unserer Nachbarin erzählt was bei uns/bei ihm los ist. Das hat mich sehr gefreut. Inzwischen weiß der größte Teil unseres Umfeldes Bescheid und ich denke das ist ein guter Schritt. Ich habe Angst davor, dass ich mich von Sonnenschein und guter Aussicht blenden lasse...und gleichzeitig habe ich Angst davor schöne Situationen und positive Gefühle nicht mehr zulassen zu können - aus Angst etwas zu übersehen.
Gestern Abend war ich beim Yoga. Dort ging es in der Übungsreihe darum Ängste loszulassen - mir ist das Yoga selten so schwer gefallen wie gestern (je mehr einen ein Thema betrifft, umso schwerer fällt einem die Übung). Aber es ist schön zu wissen, dass ich daran arbeiten kann.
Ich wünsche euch allen ein schönes Wochenende!
Tine

[qwertzuiop]

@kersTine

ohne die vorgeschichte zu kennen: anpassungstörung
heirat, kind und 30.geburstag sind für viele lebenseinschnitte und das in relative kurzer zeit.
das ist ein klassiker. die psychotherapie sollte da gut helfen.

mit dem "schwarzen hund" kann ich nichts anfangen ich finde giger-bütler viel besser.

[Gerbera]

Hallo KersTine,

als Depressive erschüttert es mich immer wieder, wie sehr Angehörige mitleiden (müssen). Du hast mein ganzes Mitgefühl.

Dein Mann hat als Altenpfleger täglich sehr viel Leid(en) und vermutlich auch Sterben gesehen. Sich da gut abzugrenzen ist nicht immer leicht, und man wird mit Fragen konfrontiert, die in unserer Gesellschaft mit einem Tabu belegt sind: Tod und Sterben. Eine frühere Klassenkameradin von mir musste ihren Beruf noch während der Ausbildung aufgeben, weil sie genau damit nicht zurecht kam. Vielleicht hat es Deinen Mann auch stärker belastet als ihm bewusst ist. Zudem ist das ein Beruf, der in der Gesellschaft nicht genügend Anerkennung findet, weder in Worten noch was die Bezahlung betrifft. Anerkennung ist aber etwas, was jeder Mensch braucht. Fehlt sie, fehlt ein wesentlicher Bestandteil in seinem Leben.

Zur Depression als solcher: Giger-Bütler wird hier viel zitiert. Ich habe ihn nicht gelesen. Dafür aber das Buch "Die Seele heilen" von Sabine Wehner-Zott, die von ihrer Depression und dem Weg da heraus berichtet. Das hat mir bisher am besten gefallen, weil vieles erklärt und viel Hoffnung geweckt wird, und Hoffnung ist etwas, was man irgendwann verliert, wenn man depressiv ist.

Ich wünsche Dir und Deinem Mann alles Gute, dass Ihr die Krise gemeinsam durchsteht und er die Krankheit schnell überwindet. Sechs Wochen sind zwar eine lange Zeit, aber immerhin ein Hoffnungsschimmer am Horizont. Vielleicht klappt es ja auch schneller mit der Aufnahme in die Klinik. Ich drücke Euch ganz fest die Daumen!

Viele Grüße,
Gerbera

[kersTine]

Hallo,
vielen lieben Dank für eure Worte, werde mich mal wegen der Lektüre schlau machen.
Wir hatten ein schönes Wochenende und konnten das schöne Wetter heute sehr genießen!
Ich bin gespannt wie es weitergeht und werde euch auf dem Laufenden halten.
Liebste Grüße Tine