Das Leben ist nur noch eine Farce

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christine
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Das Leben ist nur noch eine Farce

Beitrag von christine »

Hallo! Ich bin heute mit dem Vorsatz aufgestanden, etwas aktiv gegen meinen starken Rückzug zu tun. Innerlich habe ich eigentlich gar keine Lust mehr auf Kontakte und bin auch schon mehrere Jahre ohne feste Partnerschaft. Schon lange habe ich mit Depressionen zu tun, hatte auch schon einige Klinikaufenthalte. Im Augenblick bin ich in einer sehr schlimmen Phase. Ich frage mich, wie oft und wie lange noch... Diese Gefühllosigkeit und das andauernde Schlechtgehen ist kaum auszuhalten. Eigentlich weiß ich, dass auch immer wieder hellere Tage kommen. Aber die depressiven Phasen kommen sehr oft und ich kann nie sagen, es geht mir über einen längeren Zeitraum gut. Auch jetzt fühle ich mich wie versteinert und wundere mich, vor dem PC zu sitzen und zu schreiben.Eigentlich könnte ich genauso die Wand anstarren. Vielleicht finde ich hier Menschen für einen so mir möglichen regelmäßigen Gedankenaustausch. Vielen Dank fürs Zuhören. Christine
leo
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Das Leben ist nur noch eine Farce

Beitrag von leo »

Hallo Christine! Dass es in so einer Situation keinen Trost gibt, weiß ich aus eigener Erfahrung. Niemand, der das nicht selbst erlebt, kann sich vorstellen, wie furchtbar das ist. Ich hab einen kleinen gerahmten Spruch an der Wand hängen, den mein lange verstorbener Vater in seiner wunderschönen Schrift mit kleinen Zeichnungen versehen, geschrieben hat: Immer wenn du meinst, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her, dass du es noch einmal wieder zwingst und von Sonnenschein und Freude singst, leichter trägst des Alltags schwere Last und wieder Kraft und Mut und tiefen Glauben hast. Vielleicht hilft dir, liebe Christine, dieses Lichtlein über diesen Tag hinweg. Liebe Grüße Leo
christine
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Das Leben ist nur noch eine Farce

Beitrag von christine »

Hallo Leo! Vielen Dank für Deine lieben Worte. Du sagst, Du kennst diesen Zustand aus eigener Erfahrung. Vielleicht hast Du Lust, mir mehr darüber zu schreiben. Mir würde es vielleicht helfen, zu erfahren, wie Du damit konkret umgegangen bist. Mir geht es jedenfalls so, dass ich mich dann wirklich unfähig fühle, irgendetwas " Sinnvolles " zu tun, als abzuwarten, dass der Tag rumgeht. So wie heute! Obwohl mir schon wieder vor morgen graut. Ich hatte heute ziemliche Suizidgedanken,was kaum zu ertragen war. Im Gegensatz zu vielen anderen gab es bei mir keinen Schicksalsschlag sprich Trennung, Tod oder etwas ähnliches. Und trotzdem bin ich fast ohne große Pausen seit mehr als 15 Jahren depressiv. Geht es mir gut, bin ich ein lustiger Mensch, der sein Leben so gut es geht im Griff hat. Aber in Zeiten wie jetzt keine Spur davon. Ich möchte nicht sterben, aber ich habe das Gefühl, auch so nicht länger leben zu können. Vor einigen Monaten hatte ich mich entschlossen, endlich nach Jahren mal ohne Tabletten und Therapie zu leben, sozusagen auf eigenen Füßen zu stehen. Und jetzt hänge ich schon wieder drin. Ich frage mich, ob es solch extrem chronischen Depressionen gibt oder ob etwas ganz anderes dahinter stecken könnte ?????????????????? Gruß Christine
Thomas

Das Leben ist nur noch eine Farce

Beitrag von Thomas »

Hallo Christine, ich kenne das auch und finde, dass dieser Zustand eines der schlimmsten Symptome der Depr. ist, einfach nicht zu ertragen! Ich denke, wenn sich depr. Menschen tatsächlich einmal das Leben nehmen, ist es oft deshalb, weil sie ihr Leid einfach nicht mehr aushalten können, so wie andere Kranke ihre Schmerzen nicht mehr aushalten. Und es ist so, wie es Christine schon sagte- niemand kann das verstehen, der es nicht selbst erlebt hat. Und du musst das wirklich schon seid 15 Jahren ertragen? Da kann ich ja noch sehr zufrieden sein mit 2x15 Monate Depression. Wie gesagt, ich erinnere mich noch sehr gut an diese Zustände, ich kam mir an schlimmen Tagen vor wie ein lebender Toter, nichts konnte in mir ein Echo auslösen und Erlösung gab es immer erst ein bißchen, wenn Tränen kamen. Das einzige, was manchmal half, war verschlafen. Ich konnte phasenweise bis zu 14 Std. am Tag schlafen aber das kann auch problematisch sein, eigentlich ist zu viel Schlaf nicht gut. Eine andere Möglichkeit ist Unterbrechnung von Schlaf bzw. abruptes Ändern der Schlafgewohnheiten, wie es ja auch beim klinischen Schlafentzug gemacht wird. Gerade dieses Versteinertsein kann sich dann wenigstens für eine Weile lösen und du erhältst wenigstens eine Verschnaufpause. In diesem Zusammenhang habe ich auch ein merkwürdiges Phänomen erlebt: Ich habe immer gesagt, ich könne nichts erleben und sei wie versteinert. Wenn ich mich aber nach Abklingen der Depr. an eine solche Situation erinnerte, waren bei der Erinnerung auch Empfindungen dabei, obwohl ich die ja damals nicht hatte. Kennst du das? Hast du eine Fantasie, was noch hinter deiner Depr.stecken könnte, an was denkst du bei den vielen ?????????????????????????? Und nimmst du Medikamente, hast du Therapie gemacht? Hattest du eine gute Kindheit? Ich hoffe, du bist noch einigermaßen über den Tag gekommen, wird es abends allgemein besser? (Ich hoffe, ich frage nicht zu viel und zu indiskret) Mit einem lieben Gruß Thomas
christine
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Das Leben ist nur noch eine Farce

Beitrag von christine »

Hallo Thomas! Vielen Dank für Deine vielen Gedanken und Anregungen. Keine Angst, Deine Fragen sind völlig ok. Im Gegenteil, es ist schön, dass außer Therapeuten oder Ärzten überhaupt mal jemand Fragen stellt.Obwohl, ich habe schon Probleme, jemandem wirklich von meinem Inneren zu erzählen, zumal es eben im Moment recht schwarz aussieht. Der Abend war im Gegensatz zum restlichen Tagesverlauf erträglich, auch wenn ich effektiv nichts getan habe. Ich wollte heute lernen,habe aber kaum in der Hinsicht etwas getan. Ich habe starke Konzentrationsprobleme und kann mir Dinge einfach ganz schlecht merken.Seit einem Jahr mache ich eine Umschulung und da habe ich so sehr zu kämpfen,dass ich alles am liebsten hinschmeissen würde. Hinzu kommt, dass ich sehr starke Probleme habe, mit anderen Menschen " normal " umzugehen. Alles und alle sind mir zuviel. Ein Wunder, dass ich hier sitze und schreibe. Aber hier muss ich ja auch keine Leistung bringen. Ich versuch mal ein wenig, über mich zu erzählen, in der Hoffnung,Dich nicht zu sehr zu strapazieren. Du fragst mich nach meiner Kindheit. Eine einzige Katastrophe. Ich hatte einen herrischen, gewalttätigen Vater, der auch depressive Anteile hat. Aber durch eine gesunde Entfernung sehe ich ihn heute nur sehr selten. Aber wenn ich ihn sehe, spüre ich immer noch eine Beklemmung und ich fühle mich schlecht. Vielleicht ist das auch ein Grund, warum ich eigentlich, bis auf einige wenige Ausnahmen, ohne Beziehung war und bin. Die Ehe meiner Eltern war sehr schlecht und ich habe in meiner Kindheit nur den Sinn gesehen, meine Mutter vor den Aggressionen und Wutausbrüchen meines Vaters zu beschützen. Ganz schön übel,oder? Na ja, seitdem ist mein Leben eigentlich nur ein chaotischer Mix aus Schuldgefühlen,Überdruss, Depression, Lustlosigkeit, und Aushalten. Und natürlich die typische Gefühllosigkeit.Wie gerne möchte ich mal wieder Lebensfreude und Feuer spüren, aber da ist einfach nichts. Thomas, kennst Du das? Du hast eigenlich keine " normalen" Gefühle mehr und spürst aber trotzdem aggressive Regungen, mit denen Du nicht weißt wohin? Das macht mich langsam selbst zu einem richtigen Kotzbrocken. Leider starahle ich das so glaube ich, auch aus. Ich kann das einfach nicht ertragen. Jeden könnte ich nur noch dumm anpfeifen,dabei will ich das eigentlich gar nicht. Vielleicht hängt das auch damit zusammen, die Konsequenzen nicht abschätzen zu können, falls ich wirklich mal nicht mehr nur die Nette bin. Und meine strenge katholische Erziehung trägt evtl. unbewußt immer noch ihren Teil dazu bei, obwohl ich mich gedanklich schon lange distanziert habe. Die Tatsache,dass ich mich nicht freuen kann,dass die Depression mich nicht mehr aus meinem Leben machen lässt, macht mich noch verzweifelter. O je,ich merke grad,dass ich Dich ganz schön zutexte. Ich mach hier mal einen dicken Punkt.Hoffentlich kann ich heute schlafen, nachdem ich das heute tagsüber zur Genüge getan habe. Lieber Thomas, ich wünsche Dir einen guten Wochenanfang und nochmals vielen Dank für Deine lieben Worte. Ich freue mich, wieder von Dir zu hören. Einen lieben Gruß Schickt Dir Christine
christine
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Beitrag von christine »

Hallo Thomas! Vielen Dank für Deine Gedanken und Fragen. Ich habe gerade zurückgeschrieben ,aber ich glaube,es hat nicht geklappt. Anfängerpech! Jetzt krieg ich leider meine Gedanken nicht mehr so zusammen wie vorhin. Sorry. Ich versuchs morgen noch mal Wünsche Dir einen guten Wochenstart Liebe Grüße Christine
Thomas

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Beitrag von Thomas »

Liebe Christine, doch, alles ist angekommen und es gibt vieles , was ich dazu sagen möchte. Aber jetzt bin ich schon zu müde und verschiebe es auf morgen. Gute Nacht, Thomas
Thomas

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Beitrag von Thomas »

Liebe Christine, jetzt ging mirs doch glatt so ähnlich wie dir gestern- nach 20min Schreiben verabschiedet sich der PC, alles wieder weg. Fang ich halt noch mal an, nur nicht unterkriegen lassen. Deine miese Kindheit, die beschäftigt mich am meisten, ich hatte auch so einen schlechten Start ins Leben, wuchs ohne Vater auf, dafür mit einem sadistischen Stiefvater und einer Mutter, die mich von Anfang an nicht wollte. Kannst du den Zusammenhang sehen zwischen deiner Depr.und der Kindheit, oder besser spüren und war das jemals Thema einer Therapie? Bei mir war es so, dass ich alles verdrängt hatte, es musste in 300 Std. Analyse herausgekramt werden und es war gut, dass es herausgekramt wurde. Das Wissen um die Zusammenhänge an sich heilt nicht wirklich aber es ist die Basis für einen Heilungsprozess und vieles, was du an dir nicht verstehst, wird langsam verständlich und dann kannst du dich einfach besser annehmen, wie du bist und musst dich nicht als Kotzbrocken sehen, nur weil dir langsam die Geduld ausgeht. Dazu hast du doch bei deinem Leidensweg nun weiß Gott auch das Recht, aber ich weiß, die anderen verstehen es nicht, wie sollten sie auch. Du fragst, ob ich das kenne, ich kenne dieses: Mir war über lange Zeit hinweg der normale Umgang mit Menschen fast nicht möglich, weil ich jeden Kontakt nur als Belastung empfand. Allein angesprochen zu werden war eine ungeheure Anstrengung- ich musste ja dann denken und sprechen und das war so quälend. Ständig verhaspelte ich mich, schämte mich wegen meiner Unfähigkeit und wurde immer abweisender. In meinen schlimmsten Stunden hatte ich größte Mühe mich zu erinnern, wozu alltägliche Gegenstände wie ein Bleistift da sind und wie man sie benutzt, wie hätte ich da eine Beziehung eingehen können? Aber in der Depr. hat man ja auch ständig Befürchtungen, die übertrieben sind und ich vermute mal, du wirst längst nicht als so unerträglich empfunden, wie du denkst. Aber ich verstehe das Problem total gut, man kann sich niemandem zumuten. Bei mir führte das schließlich zu der Entscheidung, in die Klinik zu gehen, weil ich es nicht mehr ertragen konnte, mit meiner Familie konfrontiert zu sein und täglich erleben zu müssen, dass ich nicht einmal mehr mit meinen Kindern spielen konnte und dass alle immer so betroffen aussahen wegen mir. Du kannst dich den anderen nicht zumuten und hast z.B. Angst, mich zu-zutexten. Aber Christine, was hat man dir alles zugemutet? Wo ist deine Wut über dieses himmelschreiende Unrecht? Du machst dir, wie wir alle, viele Gedanken darüber, wie du auf andere wirkst, hast Angst, ein Kotzbrocken zu sein, nicht nett genug und für die anderen eine Last und indirekt kümmerst du dich so immer um die anderen und nicht um dich selbst. Und für mich steht fest, dass es genau darauf ankommt, sich um sich selbst zu kümmern. Oh Thomas, denke ich jetzt gerade, jetzt machst du wieder viele kluge Worte, obwohl du doch weißt, dass man in der Dunkelheit mit sowas nichts anfangen kann. Aber ich kann dir nur Worte geben und hoffe, sie erreichen dich. Sie wollen dir auch sagen, dass du die Hoffnung nicht aufgeben solltest auch wenn das viel verlangt ist, nach so langer Zeit mit dieser Krankheit, das weiß ich sehr gut. Ich wünsche dir eine gute Nacht mit viel erholsamen Schlaf und sende dir einen lieben Gruß! Thomas
Thomas

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Beitrag von Thomas »

Liebe Christine, wie gehts dir? Ich schaue immer, ob du dich gemeldet hast. Lieber Gruß Thomas
heike
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Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

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Beitrag von heike »

Hallo Christine, ich habe deine Beiträge gelesen. Ich bin selber seit über 10 Jahren dauerhaft erkrankt und nehme seit 10 Jahren Medikamente ein. Ich schaffe es so, ein weitgehend normales Leben zu führen. Ohne Medikamente würde bei mir nichts mehr gehen. Ich habe vor 3 Monaten mit einer Einzeltherapie angefangen, sie hilft mir falsche Verhaltensweisen zu erkennen und vielleicht mit der Zeit zu ändern. Die Verbesserung deines Zustandes am Abend ist, nach meiner eigenen Erfahrung, ein typisches Zeichen einer endogenen Depression. Ich neige zu der Ansicht, dass endogene Depressionen zum größten Teil Stoffwechselstörungen im Gehirn sind, die ohne Medikamente sich nur schwer bessern. Vielleicht solltest Du eine erneute Medikamenteneinnahme in Betracht ziehen. Hast Du damals gute Erfahrung mit Medi´s gemacht? Ich selber habe in einer schwer depressiven Phase eine Psychotherapie begonnen, es war ein Horrortrip. Der allgemeine Zustand muss einigermaßen stabil sein, dann lohnt sich eine Therapie erst, sonst sieht man alles nur durch die absolute Negativbrille, Selbstzweifel, Antriebslosigkeit, Hilflosigkeit usw. Ich möchte dir hiermit ein bißchen Mut machen, dass es wieder besser werden kann. Noch etwas, ich habe jahreszeitliche Schwankungen, schlechter sind Nov./Dez. also jetzt und öfter auch Mai-Aug. ( aber nicht so wie im Herbst). Ich weiß wie elend man sich fühlen kann. Du bist damit nicht allein Deshalb einen ganz lieben Gruß von Heike
inka janssen

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Beitrag von inka janssen »

hallo, ich kann mich bei euch einreihen. mir geht es genauso. und das macht mir solche angst. angst, dass es immer so bleibt. niemals wieder besser wird. aber das sind wahrscheinlich auch die depressiven gedanken. ich kann mir eine besserung einfach nicht vorstellen. seit 14 tagen nehme ich remergil und warte nun auf die stimmungsaufhellung ..hhmmm...aber die spüre ich noch nicht. seit einiger zeit versuche ich es mit sport. yoga, tai chi, gymnastik ..und gestern tischtennis. ihr könnt euch wohl vorstellen, wie schwierig es ist sich dorthin zu schleppen...manchmal gehe ich weinend hin und komme weinend zurück, machmal gehts mir hinterher ein bißchen besser. aber das macht es dann eigentlich noch schlimmer, weil ich dann wieder ahne wie es ist, wenn man gesund ist...ich bin nicht mehr ich selbst. ich hab solche angst. inka
Thomas

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Beitrag von Thomas »

Hallo Inka, 14 Tage ist nicht lange, frühestens nach dieser Zeit beginnt ein Medik. überhaupt zu wirken und du hast ganz Recht: Es ist ein Symptom der Depr., alles hoffnungslos zu sehen und an eine Besserung nicht zu glauben, ich habs am eigenen Leib auch so erfahren. Du wirst Geduld brauchen, es kann eine Weile dauern mit Auf und Ab, bis es dir wieder gut geht. Zu deinen Sportaktivitäten wollte ich sagen, dass du nur so viel machen solltest, wie es dir auch wirklich gut tut und Zweikampfsport würde ich ganz meiden. Wenn du dich weinend hin- und wieder zurückschleppen musst, zwingst du dich offensichtlich zu sehr, das verstärkt die Depr. evtl. eher, du kannst sie nicht niederkämpfen! Aber wenn dir nach Bewegung ist, machs ruhig, ich selber habe zu Beginn meiner Depr. mit Joggen angefangen, weil mir danach war. Ich weiß, wie es dir jetzt geht und wie furchtbar man sich fühlt, es ist echt die Hölle! Du hast an anderer Stelle hier geschrieben, du würdest Wut empfinden- das ist völlig normal und wahrscheinlich eine Folge der Antriebssteigerung deines Medik.. Hast du auch mit innerer Unruhe zu kämpfen? Deiner Familie fehlt es offensichtlich an Informationen, was Depressive durchmachen müssen, sie können nicht damit umgehen. Bitte deinen Arzt um eine Info für Angehörige, das ist wichtig! Mach dir keine Sorgen, du wirst wieder du selbst, das alles hat irgendwann ein Ende und du wirst wieder gesund! Schreib mal wieder, herzliche Grüße Thomas
inka
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Beitrag von inka »

lieber thomas, hab vielen dank! das tut so gut, wenn jemand einem mut macht. ich habe meiner familie schon ganz viele informationen gegeben..sie sagen auch, sie verstehen es, und sie sagen auch sie tun alles...aber eigentlich ignorieren sie meinen zustand nur. ich darf nicht weinen. es ist sehr schwer auszuhalten. hab nochmals dank für dein posting. das hat mir sehr geholfen. inka
Thomas

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Beitrag von Thomas »

Liebe Inka, keine Ursache, ich habs selber mal mitgemacht und habe auch Hilfe erhalten. Du sagst sehr oft, dass du große Angst hast, das kann von der Antriebssteigerung kommen, hast du das Med. schon früher erhalten oder zum ersten Mal? Wenn ja, geh gleich Montag zu deinem Arzt, er wird dir was angstlösendes geben, das ist kein Problem, so war es bei mir auch, als ich mit Fluctin begann. Leider lässt sich eben die individuelle Wirkung der Medis nicht vorhersagen und zu Beginn der Behandlung kommt es nicht selten zu diesen Problemen. Angst und Panik sind extrem quälend, das weiß ich und man muss gegensteuern, sonst quälst du dich unnötig. Ich bin da, mindestens bis 1.00 Uhr. Bis später! Thomas
christine
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Beitrag von christine »

Hallo Thomas! Hallo Heike! Ich melde mich heute wieder mal und wollte mich erst mal herzlich für Eure lieben Worte bedanken. Die letzten Tage waren sehr schlimm und ich konnte mich nicht mal aufraffen, auf diese Seite zu gehen. Aber Ihr könnt Euch ja denken, wie schwierig die einfachsten Dinge werden, wenn man sich schlecht fühlt. Ich habe langsam das Gefühl, diese Krankheit frisst mich auf und macht mich kaputt. Im Moment mache ich eine Umschulung und ich weiß nicht, wie ich das packen soll, wenn nicht bald etwas passiert. Ich krieg nichts mehr in meinen Kopf und wenn, dann nur oberflächlich,oder ich vergesse das meiste.Es kostet mich so eine Kraft, am Ball zu bleiben und jetzt vor Weihnachten schreiben wir auch noch wichtige Klausuren. Ich habe wirklich Angst, dass ich die Ausbildung abbrechen muss. Das Schlimme ist auch, dass ich befürchte, dass mein Zustand nicht mehr zu verbergen ist. Diese Woche war ich auch einen Tag nicht in der Schule. Klar, ich bin froh, dass ich mich zur Schule aufraffen kann,aber es ist für mich eine solche Strapaze, so zu tun, als wär nichts. Dazu zu stehen, ist sehr sehr schwer und es weiß eigentlich in meiner Klasse nur eine, dass es mir schlecht geht. Heute hab ichs wengistens mal geschafft, einen Spaziergang zu machen. Ich konnte einen kurzen Moment fühlen, dass es schön ist, durch den Wald zu laufen. Aber das wars dann auch. Na ja, ich hab übernächste Woche einen Termin bei einer Psychiaterin und einer Hömöopathin.Ohne Hilfe gehts einfach nicht mehr. An die bevorstehenden Ferien darf ich erst gar nicht denken. Da lieg ich wahrscheinlich ununterbrochen im Bett.Habe mir zwar vorgenommen, mal was anderes zu lesen außer Schulunterlagen,habe es heute schon versucht,aber nach einem halben Satz lege ich das Buch wieder weg, weil mir selbst dazu die Kraft fehlt.Ich habe wirklich schlimme Befürchtungen wegen meiner Zukunft. Euch und allen anderen wünsche ich auf jeden Fall, so guts geht, ein schönes 2. Adventswochenende. Auf bald Liebe Grüße Christine
Nicola
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Registriert: 31. Dez 2005, 19:29

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Beitrag von Nicola »

Hallo Thomas,Inka und alle die Erfahrungen mit dem oft so unaussprechlichen Leid haben. Ich bin vor ein paar Tagen durch Zufall auf das Kompetenznetz gestoßen. Seither verfolge ich fast täglich eure Beiträge. Und es tut einfach nur gut das Gefühl nicht mehr so allein im Dunkel zu sein. Mir geht es im Moment auch schlecht. Habe nun das zweite mal eine Depression. Nach dem ersten mal war ich relativ schnell wieder im auf den Beinen ( 5 Wochen krankgeschrieben und Gladem als Medikament) dann glaubte ich es geschafft zu haben. Denn ich habe wieder funktioniert ( "mehr denn je gearbeitet"). Heute nach knapp 2 Jahren sitze ich wieder in der Sch...und es scheint so als ob ich aus der ersten Episode überhaupt nichts gelernt habe. Bin also wieder abgestürtzt und diesesmal richtig heftig, konnte einfach nicht mehr und dachte ich bin am Ende angelangt und ich muß jetzt Schluß machen. Bin aber dann doch zu meinem Arzt und der meinte ganz locker mit Gladem und Stangyl bekommen wir das schon wieder hin. Doch so einfach geht es diesesmal nicht mehr. ( Bin seit Ende September mit zweiwöchiger Unterbrechung nun schon Krank) und immer noch fehlt mir zu allem der Antrieb. Könnte einfach nur dasitzen und vor mich hinstarren und traue mich schon fast gar nicht mehr vor die Tür. Habe wie Inka versucht mit Sport (Joggen) gegen diese Krankheit (Ausweglosigkeit) anzukämfen doch rebellierten sehr schnell meine Knochen (Kniegelenke). Im Moment läuft bei mir einfach nichts mehr zusammen!! Mache für`s erste mal schluß und würde mich über eine Antwort freuen!! Gruß Nicola
titanic
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Beitrag von titanic »

Hallo Christine, das Thema "Homöopathie" lässt mich besonders aufhorchen. Ich bin selbst wegen meiner Probleme in homöopathischer Behandlung und mich würde ein weiterer Austausch mit dir sehr interessieren. Nur soviel vorab: Es besteht Anlass zur Vermutung, dass ein hom. Mittel (nach etlichen Versuchen) mir jetzt wirklich geholfen hat. Ich glaube, es gibt hier in diesem Forum nicht allzu viele, die ihre Depression homöopathisch behandeln lassen. (Meine Frage diesbezüglich verhallte bis jetzt immer ungehört). Viele Grüße an alle Titanic
christine
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Beitrag von christine »

Hallo Titanic! Ja das Thema HP gibt mir doch ein klein wenig Hoffnung, sofern ich die in meiner jetzigen Lage noch mobilisieren kann. Ich habe durch Selbstmedikation schon versucht, mir mit Hömöopatischen Mitteln zu helfen,was aber nicht geklappt hat.irgendwie warens wohl doch die falschen Medikamente. Deshalb jetzt mein Termin bei einer Fachfrau. Ich denke, sie wird mir ganz andere Fragen stellen, als ich mir selbst. Mir selbst gegenüber bin ich vielleicht doch schon betriebsblind oder möchte vor mir gewisse Dinge doch nicht anschauen oder zugeben. Auf jeden Fall lechze ich diesem Termin entgegen, weil ich nicht mehr kann. Heute ist bei uns eine Familienfeier und mir graut davor. Die Fragen meiner lieben Verwandten, wie es mir geht und ob ich einen Freund habe, und so weiter.Du kennst das vielleicht. Deshalb habe ich mich heute schon aus dem Bett gequält. Aber vielleicht ist das gar nicht schlecht, einen Termin zu haben, sonst würde ich mich nur wieder in meiner Wohnung verkriechen, wie immer halt. Aber ich fühle mich von Tag zu Tag schlechter. Mir fällt es schwer, meinen Zustand zu beschreiben, ich habe für vieles überhaupt keine Worte. Ich merke,dass es mir gut tut, hier in diesem Forum Ansprechpartner zu haben,auch wenn ich oft nicht die Kraft habe, täglich reinzuschauen.Aber es tröstet,zu wissen, dass ich nicht allein bin. Ich grüße nun alle und wünsche Euch viel Kraft zum Weitermachen. Christine
titanic
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Beitrag von titanic »

Hallo Christine, hoffentlich hast du deinen Besuchstag gestern gut über die Bühne gekriegt. Ich kenne das. Im August war ich auf einer Hochzeitsfeier und dort habe ich mich größtenteils in die Küche verkrochen, weil ich mich so elend und mickrig gefühlt habe. Das "Aschenbrödel" zu spielen, obwohl es keiner von mir verlangt hat, hat viel eher zu meinem Gemütszustand gepasst als ein gut gelaunter Hochzeitsgast zu sein.... Ich wollte noch den Vorschlag machen, dass wir unsere Unterhaltung über die HP in einem anderen Thread weiterführen (Alternative Heilmethoden o.ä.) Ich drücke dir die Daumen für deinen Termin und sende euch allen viele Grüße Titanic
heike
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Beitrag von heike »

Hallo Christine und alle anderen, die geistige Lähmung erinnere ich auch noch sehr genau. Ich war bei der Arbeit und wollte zwei Zahlen im Kopf zusammenzählen, es hat ewig gedauert. Ein anderer, damals für mich sehr quälender, Zustand war das Gefühl, die Zeit geht nicht vorbei. Besonders auf der Arbeit, wenn ich mich nur noch in die Geborgenheit meiner Wohnung sehnte. Was mich auch immer wieder bei neuen Verschlechterungen überrascht, wenn ich in einer schlechteren Phase drinstecke, kann ich mir nicht mehr vorstellen, wie es ist, wenn es mir gut geht. In den guten Phasen ist es dann so, ich kann mir nicht vorstellen, wie es wirklich ist, wenn es mir schlecht geht. Schlecht gehen heisst für, an nichts mehr Interesse haben, nicht daran glauben zu können, dass Menschen mich mögen, mich leer fühlen, keinen Appetit haben, kleine Tätigkeiten überfordern mich, z.B. telefonieren. Ich habe dann das Gefühl, wenn der andere am Telefon etwas einwendet, könnte ich nicht mehr reagieren. Ich fühle mich in vielen Situationen dann hilflos. Durch die Medikamenteneinnahme sind bei mir die Schwankungen geringer, aber immer noch spürbar. Ich hoffe dem/der einen oder anderen vielleicht ein bißchen geholfen zu haben. Keiner der Depressionen hat, steht mit seiner Problematik alleine da. Viele erleben es ähnlich, da ich seit langer Zeit in einer Selbsthilfegruppe bin, sehe ich es immer wieder. Euch allen liebe Grüsse Heike
Gerhard
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Beitrag von Gerhard »

Hallo Leute, bin heute mehr zufällig auf diese Site gestoßen und sofort hängengeblieben. Alles was ich hier lese, Wort für Wort & Zeile für Zeile kommt mir vor, als käme es aus mir selbst. Und soll ich Euch was sagen: es tut mir unheimlich gut, hier auf Leute zu treffen, von denen ich denke, sie wissen worum es geht. Denn es ist doch oft so, daß man mit seiner Antriebs- und Teilnahmslosigkeit meist auf Unverständnis stößt, daß diese "Schulterklopf-und-wird-schon-wieder"Tipps kommen, die sicher gut gemeint sind - auch ein Zeichen von Hilflosigkeit vielleicht - und die doch so verheerend alles ins Gegenteil verkehren. Es wird eben nur noch schlimmer, wenn man merkt, daß alle anderen prima mit ihrem Leben klar kommen, gelgentliche Hänger locker ausbügeln und alles in allem aktiv im Hier und Jetzt stehen. Wie wird man wieder lebenstüchtig? Und dann gleich die Frage: wozu überhaupt? Wo liegt der Sinn? Warum fällt mir jetzt gerade Janis Joplin ein: "When the night has been too lonely and the day has been to long, and you feel that love is only for the lucky and the strong just remember in the winter far beneath the bitter snows lies the seed that with the sun´s thaw in the spring becomes the rose." - ein schöner Trost. Ein Gefühl, daß anhalten sollte....... Ich lese Eure Texte und es geht mir besser - pervers? Es ist so ein Gefühl, von Verständnis umfangen zu sein. Nach dem Abendessen, wenn der Hunger gestillt, der Tisch abgeräumt und das Geschirr versorgt ist, entsteht meist ein Tätigkeitsvakuum, das in seiner Dauer proportional dem Grad der körperlichen Sättigung zu sein scheint. Meist schafft man es dann noch bis zur Couch, läßt sich schwer hineinfallen, gerade so, als wäre man von einer tagelangen Expedition zur Karawanserei hinter der Oase zurückgekehrt und warte nun auf den Boy, der einem die sandigen Stiefel auszieht. An einem solchen Abend geschieht es mitunter unmerklich und sachte, daß die Kontrolle über die eigenen Gedanken verloren geht und diese unaufhaltsam zu wuchern beginnen. Wachsen und wachsen ohne jegliches Maß und Ziel, ohne bestimmte Richtung und gehaltvollen Inhalt. Man rutscht einfach ab und findet sich zwischen Tag und Traum - tagträumend - auf einer Frühlingswiese, deren taubenetzte Gräser das Licht in seine Spektren zerlegen, es wieder aufsaugen und in pulsierendes Leben umformen. Und alles ist friedlich und still. Nein, ich bilde es mir nicht ein, es regt sich kein Lüftchen. Mein Blick schweift durch den Raum, ich überblicke einen winzigen Bruchteil der Welt und bin doch eine komplette Galaxie im Universum. Warum bin ich hier festgewachsen, warum bin ich nicht frei? Freedom´s just another word...- ich weiß. Das Band in meinem Kopf rotiert. Die Kontakte schmoren. Die Umwelt klinkt sich aus. Ich möchte fort von hier, um wieder heimkehren zu können. Ich möchte Menschen treffen, die ich mag. Menschen, die mich mit Hilfe ihrer opto-telepathischen Tentakeln manipulieren können. Ich habe lauter unsichtbare Rezeptoren auf der Außenseite meiner Haut und gewisse Leute haben die richtigen Brillen aufgesetzt bekommen, können sie erkennen und mich steuern. Am meisten reagiere ich auf freundliche Blicke. Schon immer waren lachende Augen meine Achillesferse. Freundlichen Gesichtern kann ich nichts abschlagen. Dasselbe gilt für kleine Hände. Ich gäbe wer weiß was dafür, immer eine kleine Hand halten zu dürfen. Was soll ich tun? Ich kann mich meiner Umgebung nicht verschließen, ich muß Wechselwirkungen zulassen. Kann ich dennoch ich selber bleiben, aufrichtig sein gegenüber anderen, gegenüber mir selbst? Ich möchte es allen recht machen und niemandem wehtun. Ich möchte kompromißlos handeln. Wie paßt das zusammen? Warum lasse ich mich von skrupellosen Erfolgsmenschen beeindrucken? Vielleicht weil sie es sich leisten - können? - geradlinig zu sein. Erfolg ist Unabhängigkeit, impliziert die Möglichkeit, selbstbestimmt zu handeln. Oder ist es etwa umgekehrt? Ich betrachte den Erfolg und sehe nur Fassade. Es kann nicht genügen, auf irgendeinem Nebenschauplatz den großen Mann zu spielen. Doch was genügt mir dann? Erfolg ist das Barometer gesellschaftlichen Stellenwertes, die hohle Maske eines vorgegaukelten Lebenszwecks. Aber wer bin ich, derartige Wertungen vorzunehmen? Soll doch jeder nach seinen Maßstäben leben. Am Ende gelangen wir alle ans gleiche Ziel: in unser Grab. Kann Erfolg Zeit erkaufen? Vielleicht - doch ist erkaufte Zeit niemals dieselbe wie verdiente. Minuten, die man sich vom Munde abspart, Zeit, die man sich stiehlt. Ich nehme mir Zeit - wie wunderbar formuliert! Zerspringendes Glas in Zeitlupe, lautlos, perfekt beleuchtet, alle Zeit der Welt. Das Leben steht auf dem Kopf und ich verliere mich in dem Versuch, die Erwartungen anderer zu erfüllen. "Woran denkst du gerade?" Ein Blitz zerreißt die Stille. Was soll ich auf so eine Frage antworten? Was aus all dem Chaos läßt sich auf die Schnelle greifen, hübsch verpacken und hinüberreichen? Mein Mund öffnet sich, meine Zunge bewegt sich, der Sprechapparat formuliert präzise und in beiläufigem Tonfall höre ich mich sagen: "An nichts Besonderes. Ich sitze hier einfach so." Die vollständige Lähmung hält an. Die Zeit verinnt. Und läßt mich zurück. Die Zeit verinnt. Wir messen hunderttausendstel Sekunden und während wir messen verinnt das Leben. Ich stehle mich fort und betrachte mich selbst. Ich steige empor und öffne die Dächer der Häuser. Ich schaue auf das ziellose Hin und Her der Menschen und verstehe es nicht. Der Termitenhügel wird größer und größer, umspannt die Welt und türmt sich auf zwischen den Planeten und - ist dennoch so völlig unbedeutend in seiner ganzen penetranten, wichtigtuerischen Art. Ein Königreich für einen Spiegel und den Narren, der ihn uns vorhält. Einer meiner Energiespender ist rechteckig und schwarz. Bei korrekter Bedienung erfüllt er den Äther um mich herum mit leichter, schwebender Energie, aufsaug- und adaptierbar wie körperfremdes Eiweiß. Nothing´s gonna change my world. Vor dem Fenster ist es längst dunkel geworden. Ich öffne einen Flügel und beuge mich hinaus. Die Luft ist kalt und feucht, schmeckt nach Erde und zieht in schweren Schwaden durch die Straßen. Woher ist sie gekommen, wie lange schon ist sie unterwegs und welche Zufälle waren nötig, um uns beide hier und jetzt zusammenzuführen? Die erdige Luft und mich? Sie und mich? Vorsehung, Bestimmung, Schi
cksal, Gotteswerk ... Gotteswerk? - Ja, warum nicht? Die Chiffre Gott steht für den Mechanismus meiner Umwelt. Das Räderwerk, das mich umgibt und dem ich nicht entkommen kann. Niemals. Die Welt um mich herum dreht sich in schwindelnder Fahrt. Auch gestern abend, am Fenster über der schlafenden Stadt. Die Zeit verinnt, sie läßt mich zurück. Der Winter rückt an und seine weißen Leintücher werden über uns gelegt, um den Tritt zu dämpfen und den Dreck zu bedecken, wie eine aufmerksame Mutter ihre Kinder zudeckt. Sorgfältig und bestimmt. Das Land ringsum wird blütenweiß sein. So weiß wie das Land jenseits der Welt. Millionen Brücken überspannen es, genauso weiß und aus einfachem Papier gebaut. Manche sind vollständig intakt und unversehrt, die meisten jedoch stehen in Flammen. Das Feuer arbeitet sich stets von einer Seite auf die andere vor. Teils langsam und gleichmäßig, teils rasend schnell und sprunghaft. Eine dieser Brücken gehört mir. Ich gehe auf ihr entlang seit dem Augenblick meiner Geburt und genau seit diesem Zeitpunkt brennt die Flamme einen Schritt hinter mir die gegangene Wegstrecke ab. Die Brücke ist mein Leben, die Flamme ist mein Tod. Sie wird mich erreichen. Die Brücken aus Papier liegen in unterschiedlichen Höhen kreuz und quer über- und untereinander. Manchmal fallen brennende Bruchstücke höhergelegener Brücken auf solche die darunter liegen und setzen sie in Brand, schaffen so neues Leben oder schneiden den Weg ab. Die Wechselwirkungen im Brückenland sind vielschichtig. Der schwarze Katafalk am anderen Ende ist so dunkel wie die Nacht, die ich jetzt sehe. Selbst das Sternenlicht, das auf ihn niederfällt, ist bei seiner Ankunft bereits erloschen. Jeder Weg mündet in die endlose Ruhe. Wie sicher ist dieses Schicksal! Wie klar und unausweichlich! Die Zeit verinnt. Das Leben verinnt. Doch wozu klagen und zaudern? Eben dieser Fluß macht ja Leben erst aus! Nebenan knarrt der Dielenboden. Woher stammen diese Bretter? Wer hat den Stamm zersägt, wer den Baum gepflanzt? Stille. Wie gerne würde ich mich meiner Umwelt verständlich machen, wie schwer fällt es mir, mich mit Menschen zu verständigen, die ich ins Herz geschlossen habe. Und doch, meine Stimmung hebt sich. Mein Herz schlägt rhythmisch im Takt, mein Blut pocht gegen die Schläfen, die Zeit zwängt sich wieder zurück in das Gehäuse meiner Armbanduhr. Es ist alles in Ordnung. Es ist alles wunderbar. Ich bin am Leben. Jedenfalls vorläufig. Ich weiß nicht, warum ich das alles hier schreibe, es tut einfach gut. Und dafür ist mir - mittlerweile - jedes Mittel recht. Paßt auf Euch auf, Ihr alle - die Welt braucht Euch, auch wenn es dafür keine Erklärung gibt.
Thomas

Das Leben ist nur noch eine Farce

Beitrag von Thomas »

Hallo Gerhard, woher stammt der Text, von dir? Er ist gut, richtig gut sogar. Depressive sind creativ, gell? Ein Gruß Thomas
Gerhard
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Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Das Leben ist nur noch eine Farce

Beitrag von Gerhard »

Ja Thomas, das sind sie, kreativ. Manchmal denke ich, es ist eine Voraussetzung dafür, depressiv zu werden. Wo sonst soll diese Monsterkraft herkommen, die sich plötzlich gegen einen selbst richtet und unkontrollierbar wird, wenn nicht aus der eigenen Phantasie. Die Kraftrichtung zu drehen, das Zerstörerische ins Schöpferische zu wandeln, ist die Kunst und gleichzeitig vermutlich die Therapie. Der Text ist von mir. Besser gesagt von irgendwoher direkt durch die Finger in die Tastatur geflossen, unter Umgehung der lähmenden Schranken - passiert nicht oft aber ist jedesmal ein Erlebnis. Freut mich, wenn er Dir gefällt. Schreiben hilft mir, genauso wie joggen oder Musik. Der Energieaufwand ist nur so immens groß. So wie Christine richtig schreibt, daß man isch regelrecht zwingen muß, etwas zu tun. Schönes Wochenende Gerhard
heike
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Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Das Leben ist nur noch eine Farce

Beitrag von heike »

Hallo Gerhard, dein Text hat mir sehr gut gefallen. Unsere Sensibilität ist gleichzeitig unsere besondere Eigenschaft aber auch unsere große Belastung. Mit Sport habe ich den Eindruck meinen Zustand zumindest zu stabilisieren, vielleicht sogar zu verbessern. Lieben Gruß und schönes Wochenende Heike
Thomas

Das Leben ist nur noch eine Farce

Beitrag von Thomas »

Hallo Gerhard, bei mir war es sogar so, dass ich erst durch meine erste schwere Depr. an meine Kreativität herangekommen bin. Stimmt so nicht genau, besser müsste ich sagen, ich erkannte die Kreativität in den Dingen die ich schon immer tat und fand so einen neuen Bezug dazu (und entwickelte neue Tätigkeiten, weil ich mich jetzt traute). Ich sehe die Beziehung zwischen Kreativität und Depr. in der besonderen Seelennähe, Depr. ist Seelenerkrankung, eine Erschütterung des persönlichen Mittelpunkts, das macht sie so schwer zu ertragen. Wenn du magst, wie gehts dir, was ist deine Depression, wie äußert sie sich? Das Wochenende wird kalt, das ist besser als Regen Herzlicher Gruß Thomas
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