der langsame Abschied ist nun endgültig

Sonnenblume14
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Re: der langsame Abschied

Beitrag von Sonnenblume14 »

Liebe Selea,

nun meine Gedanken, wo ich gerade diesen Ablösungsprozess mit meiner Tochter durchlaufen habe. Er warf mich in die Depression, ein Jahr lang - ich habe gekämpft, sie loslassen zu können. Es ist ein schwerer Prozess für beide, umso schwerer, je mehr beide etwas füreinander empfinden. Man möchte etwas anderes als die Gefühle sagen, man möchte, dass das Kind mit allen guten Wünschen ins Leben geht, ihm nie Unheil widerfahren möge. Und die Gefühle sagen "bleib bei mir", weil man immer noch das Kind sieht, nicht den inzwischen Erwachsenen.

So eine emotionale Phase ist schwer für beide. In gewisser Weise gebe ich der Begleiterin Recht. Deine Mutter hat Schlagen, körperliche Gewalt als Mittel verinnerlicht, Konflikte zu lösen. Das soll ihr Verhalten keinesfalls entschuldigen. In diesem Prozess war sie die Erwachsene, sie hätte ihn führen müssen - doch auch sie hat ihre Grenzen.

Ich sage mir in solchen Fällen, unsere Mütter sind mit einem anderen Wissen groß geworden, sie haben ganz andere Ansichten von Erziehung, von Ertragen und von Grenzen. Gewalt hatte vermutlich in ihrer Jugend sogar noch eine gewisse Akzeptanz, war normal. Ebenso wie Psychologen tabu waren. Da prallen unterschiedliche Einstellungen aufeinander. Es spricht für eure Beziehung - trotz allem - dass du in dieser Form und mit diesem Einsatz für sie da bist. Ich finde das nicht selbstverständlich, es ist etwas, wofür deine Mutter dankbar sein sollte. Ist sie vielleicht auch - aber vermutlich wird sie es nicht aussprechen. Vielleicht ist ihre Wut nicht nur ein Ausdruck ihres Alters sondern auch einer hilflosen Dankbarkeit.
Im Grunde ihres Herzens wird sie wissen, dass das Verhalten nicht okay war - versetz dich mal in ihre Lage. Nun bist du wie selbstverständlich für sie da. Was kann das für ein Gefühlschaos erzeugen?!

Ich denke, du solltest die Worte anders wählen. Auch mir käme "Vergebung" aus deiner Richtung schwer bis gar nicht über die Lippen. Ist mir zu pathetisch, zu falsch, zu hoch gegriffen. Spontan kommt mir irgendwas wie "Mama, du warst immer für mich da - es ist nicht alles so gelaufen, wie ich es mir gewünscht hätte, aber es ist eben so. Jetzt bin ich für dich da - für mich ist es gut so - und für dich hoffentlich auch" Sofern das in dieser Form deinen Gefühlen entspricht.

So, das waren meine Gedanken, ich hätte noch Seiten füllen können. Das berührt mich alles sehr.

LG Sonnenblume
"Depressionen sind kein Zeichen von Schwäche, sondern dafür, dass jemand zu lange zu stark sein musste" (Johnny Depp)

"Verstehen kann man das Leben nur rückwärts. Leben muss man es vorwärts." Sören Kierkegaard
Selea

Re: der langsame Abschied

Beitrag von Selea »

:hello: Liebe Sonnenblume.



Danke, dass du mir vom Ablösekampf mit deiner Tochter erzählt hast.
Ich glaube schon auch, dass Familienbindungen_beziehungen sehr verwickelt und daher schwierig sein können.

Danke, dass du so gut erkannt hast, dass ich mich mit einigen Sätzen, die die Begleiterin vorgeschlagen hat, überhaupt nicht wohl fühle.
Sogar regelrecht bedrängt fühle.

Und damit hast du mich auf die Idee gebracht, meine eigenen Sätze zu formulieren.

Es könnte so aussehen.

Mutti, Etliches (Vieles) ist zwischen uns nicht so gut gelaufen.
Das hat mich mein Leben lang sehr traurig gemacht.
Nun ist es eben so.
(Aber) jetzt bin ich für dich da, und für mich ist es in Ordnung so.
Ich hoffe, für dich ist es auch in Ordnung.

Hmmmh, das fühlt sich schon um Klassen besser an für mich.

Meine Mutter zeigt eigentlich fast nie positive Gefühle.
Nein, sie sagt nie, wie dankbar sie mir ist.
Es würde mich sooo freuen, mal von ihr zu hören, wie stolz sie auf mein Organisationstalent ist, wie ich schon was geschafft, gemacht hab in meinem Leben.

Allerdings, meistens , jetzt im Pflegeheim freut sie sich unglaublich, wenn sie mich sieht, und ich sie besuchen komme.
Daran merke ich ja schon, dass sich Vieles verändert hat.

Aber auch das kippt meist dann schnell, wenn sie anfängt mich zu kritisieren, meine Haare, mein Gewicht, was ich anhabe. Irgendwas ist immer. Macht sie mit meinem Bruder und anderen Leuten auch so.
Steckt in ihr drin, die Kritiksucht.

Ich gebe schon meinen Teil, damit alles leidlich funktionieren kann.
Ihr Teil ist äußerst spärlich.


Boah, wühlt mich das alles auf.

Danke für den Gedankenaustausch, Sonnenblume.


Selea, die sich die eigenen Sätze gleich kopieren wird.
FönX
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Re: der langsame Abschied

Beitrag von FönX »

Liebe Selea,

da tut sich ja eine Menge in dir. Sehr gut. Ich glaube, du wirst sehr davon zehren. Ich glaube, du arbeitest viel sehr konstruktiv auf.

Über eine Aussage, die ich in gewissem Maße auch so erlebte, stolperte ich:
Selea hat geschrieben:Meine Mutter zeigt eigentlich fast nie positive Gefühle.
Nein, sie sagt nie, wie dankbar sie mir ist.
Es würde mich sooo freuen, mal von ihr zu hören, wie stolz sie auf mein Organisationstalent ist, wie ich schon was geschafft, gemacht hab in meinem Leben.
Und glaub mir, wenn sie das zum Ausdruck brächte, du könntest gar nichts damit anfangen. Das würde dich total befremden, und du wüsstest nicht, wie sie dass wohl meinte. Also warte nicht drauf. Ich glaube, das tust du auch nicht.

Lieben Gruß
FönX

Bei riesigen Nebenwirkungen essen Sie die Packungsbeilage oder schlagen Sie Ihren Arzt oder Apotheker.
krimi56
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Re: der langsame Abschied

Beitrag von krimi56 »

Guten Morgen, Selea,

sich Sätze überlegen die du sagen kannst, möchtest, um mit deiner Mutter "ins Reine" zu kommen, ist eine Sache. Ob du sie wirklich gebrauchst eine andere. Und ob du wirklich mit deiner Mutter darüber reden willst.

Ich schrieb dir einmal, dass ich mit meinen Eltern vor ihrem Tod mit ihnen keine versöhnenden Gespräche führte. Jedenfalls keine, die alles bereinigten. Und mein Gefühl heute sagt mir, dass ich mir deshalb keine weiteren Gedanken darüber machen muss.

Auf deine Sätze
Meine Mutter zeigt eigentlich fast nie positive Gefühle.
Nein, sie sagt nie, wie dankbar sie mir ist.
Es würde mich sooo freuen, mal von ihr zu hören, wie stolz sie auf mein Organisationstalent ist, wie ich schon was geschafft, gemacht hab in meinem Leben.
- schreibt FönX
Und glaub mir, wenn sie das zum Ausdruck brächte, du könntest gar nichts damit anfangen. Das würde dich total befremden, und du wüsstest nicht, wie sie dass wohl meinte. Also warte nicht drauf. Ich glaube, das tust du auch nicht.
Ich denke, FönX hat damit Recht.
Bei einer Situation im Krankenhaus sagte meine Mutter einmal zu meinem Vater "Wie gut, dass wir krimi haben". Ich konnte damit nicht richtig umgehen. Es klang nicht wirklich Liebe darin.
Das war ein Satz in meinem ganzen Leben der von ihr kam und etwas Positives sein sollte. Ich fragte mich anschließend: "Für wen ist das jetzt gut? Dass es mich gibt?"

Für mich war und ist wichtig, dass ich bis zum Tod meiner Eltern für sie da war. Ich kann heute ein gutes Gewissen haben. Mit welchen Gefühlen sie gestorben sind ist nicht meine Sache. (Klingt das hart? Ist aber so.)

Und auch du machst jetzt so vieles für deine Mutter, womit sie vielleicht nicht wirklich gerechnet hat. Erwartet ja, aber, dass du wirklich so lieb zu ihr bist - nicht.

Selea, du wirst auch weiter den Weg so gehen wie es für dich gut und machbar ist.
Du hast dir eine Begleiterin gesucht und das ist gut so. Sie möchte dich und deine Mutter begleiten und auch zwischen euch vermitteln. Sieh sie als neutrale Person an und nimm das von ihr an, mit dem du gut umgehen kannst.

Ich wünsche dir einen guten Tag.
krimi
"Denk nicht daran, wie viel zu tun ist, welche Schwierigkeiten zu bewältigen sind oder welches Ziel erreicht werden soll, ...sondern widme dich gewissenhaft der kleinen Aufgabe, die gerade ansteht."
- Elisabeth Tova Bailey -
Selea

Re: der langsame Abschied

Beitrag von Selea »

:hello: FönX, danke für deinen Beitrag

krimi :)
Vielen Dank, dass du mir noch einmal von deinen Eltern erzählt hast, und dass auch ___wenn du dich nicht versöhnt hast_____in Worten mit ihnen vor ihrem Tod____ du ganz einfach ein gutes Gefühl hast, weil du sie nicht alleine gelassen hast am Ende.

So ein wenig bin ich durch die Begleiterin in Druck geraten, was ich tun oder sagen solle, müsse.
_____Es sind Vorschläge. Mehr nicht._____und ich muss nichts, ich darf, ich darf Ideen sammeln, aber vielleicht kommt ja wirklich alles noch ganz ganz anders. Wer weiß.

Das einzige Muss____ist, dass ich den Kontakt zwischen meiner Mutter und der Begleiterin herstellen sollte, relativ bald. Dann können die Zwei damit machen, was sie wollen.
Aber dafür muss ich stabil sein. Und das braucht erfahrungsgemäß nach so aufgewühlten Heultagen eine WEILE bei mir.

Danke, krimi, :) dass du mir sagst, dass ich das schon irgendwie hinkriegen werde, meinen Weg finden werde, so wie immer.

Meine Wege habe ich tatsächlich immer gefunden. Und es waren nicht die schlechtesten.
Aber es muss sich gut und stimmig anfühlen für mich.

Dass ich soviel für meine Mutter mache in den letzten 10 Jahren und mehr, das ist stimmig für mich.
WEIL ich eine Frau der guten Abschiede bin.

Weil ich gelungene Abschiede für wichtig halte. Ich weiß eigentlich immer, wann es stimmt.
Mit meinem Vater, das war ein sehr sehr gelungener Abschied. Aber mit der Begleiterin darüber zu sprechen, das hat mich sehr sehr traurig gemacht.Und aufgewühlt, obwohl er jetzt schon 25 Jahre verstorben ist.

Auch meine Männerbeziehungen haben alle einen guten und fairen Abschluss gefunden, so dass sich irgendwann alle wieder gemeldet haben,man freundschaftlich reden konnte, etc. etc.

Mit einer Freundin ist das in jüngster Vergangenheit nicht gelungen. Hab ja ausführlich berichtet.
Nicht alles gelingt mir gut. Nein.

Aber, so gut ich kann, tue ich meinen Teil dazu. So gut ich kann.

Loslassen ist schwer. Nicht nur von Menschen, auch von nicht gelungenen Situationen etc. etc., von der Jugend, etc. von Gesundheit, von Vorstellungen über sich selber.
Schlimme innere Kämpfe habe ich mit dem Loslassen, mit dem mich Verabschieden, mit dem mich Trennen........

Das gehört zu mir, wie die Farbe meiner Augen.

Aber, ich bleibe ja innerlich dadurch in Bewegung.
Auch Trauer und Kummer ist innerliche Bewegung.

Vielen Dank, auch heute Vormittag, dass ihr mich an euren Gedanken und Einstellungen zu diesem Thema teilhaben lasst.

Herzlich
Selea
Katerle
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Re: der langsame Abschied

Beitrag von Katerle »

Liebe Selea,

meine Eltern hatte ich mal sehr geliebt und ich fühlte mich auch von ihnen geliebt. Nur dann kam eine Zeit, wo alles schwieriger wurde und sie auch Fehler begangen, von da ab fühlte ich mich auch nicht mehr so gut.

Ich hatte all die Jahre den Kontakt zu meiner Mutter aufrechterhalten. Hatte Angst, sie zu verlieren. Zu meinem Vater hatte ich mal ne gewisse Zeit keinen Kontakt mehr, kam aber später wieder zustande, was mich auch freute.

Bevor meine Mutter starb, war ich gerne für sie da. Es hätte mir das Herz zerrissen, wenn ich nicht für sie dagewesen wäre. Von daher bin ich ganz froh darüber, es so gemacht zu haben, auch wenn es mir danach sehr schlecht ging, weil sie dann so schnell von uns ging...

Auch bei meinem Vater bin ich erleichtert darüber, mich mit ihm wieder versöhnt zu haben und das noch zu Lebzeiten, auch wenn nicht immer alles einfach war. Er war trocken, später aber leider wieder rückfällig...

Liebe Grüße
Katerle
anna54
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Re: der langsame Abschied

Beitrag von anna54 »

Gute Morgen Selea
ich hab jetzt nur deinen ersten Beitrag von heute gelesen
du kannst nicht alle alten Fässer aufmachen,oder jemanden die aufmachen lassen.
Das kann nicht das Ziel einer Begleitung am Lebensende sein.

Kannst du einen Satz finden,den du dir vorstellen kannst
der gnädig das ausdrückt,was du sagen möchtest-----------oder gesagt haben möchtest,wenn deine Mutter gegangen ist.
Die Pause,die du jetzt erbeten hast ist wichtig
aber die Begleiterin darf dich nicht zu sehr bedrängen----es darf doch keine Abrechnung am Krankenbett geben.

Ich sehe die Begleiterin da kritisch,hat sie sich vorgestellt,dein schwieriges Leben mit den Eltern----mal eben so richten zu können?
Das ist nicht ihre Aufgabe----------es ist wichtig,dass du damit leben kannst,wie du deine Mutter verabschiedest.

Ich habe in der Ausbildung zur Trauerbegleitung vor über zwanzig Jahren,die Begleitung meiner sterbenden Schwiegermutter mir noch mal angesehen.
Es ging um Gnade----sie gnädig zu begleiten.
Ich hatte schwere Zeiten mit ihr,ganz schwere Zeiten,trotzdem hab ich sie um diese Begleitung gebeten,weil sonst niemand es hätte machen können.

Erst sehr viel später,Jahre später konnte ich darüber reden,wie ich eine Aussöhnung ohne Worte erlebt habe.
Der Groll war verschwunden,ich hatte erlebt,dass ich ihre Seite unserer Geschichte anders sehen konnte.
Das war gnädig--------------für uns beide.

Das alles kann ich nur für mich sagen,weil ich es so erlebt habe.

Ich habe eine Kurzgeschichte von Elke Heidenreich gefunden.
Sie hat sie immer wieder in ihren verschiedenen Büchern erzählt.
Es geht um die ungeheuer gewälttige Geschichte mit ihrer Mutter.

Dann ist ihre Mutter alt,sie will mit auf die Italienreise----------------
auf der Autobahn
schreit die Tochter die Mutter an
erzähl mir endlich,warum hast du mich so geschlagen----damals
die Mutter will nicht
die Tochter will die Mutter zwingen,droht ihr,sonst fahr ich vor den nächsten Pfeiler.

Dramatische Momente-----------
sie bekommt eine Antwort
in der nur die Angst der Mutter damals ein wenig erklärt wird.

Elke Heidenreich ist von der Mutter "abgegeben" worden,als schwer erziehbar,wie man das damals einfach nannte.
Ich war über alle Maßen erstaunt,das immer wieder zu lesen und auch zu hören,als sie mit bester Freundin Senta Berger einmal in einer Sendung sagte:
wenn deiner Mutter stibt------------dann bist du niemandems Kind mehr.

Ob wir uns aussöhnen können,das ist ein weites Feld
irgendwann in unserem Leben?
Aber das ist nicht in der Sterbebegleitung zu "erzwingen",mein Satz wäre-------wir hatten es immer schwer miteinander----aber jetzt bin ich da.

Selea pass auf dich auf,lass dich nicht überfallen mit Aktionen,die nicht aus deinem Herzen kommen,oder kommen können.
Es kann nicht den einen richtigen Satz geben.
Liebe Grüße
anna54
Selea

Re: der langsame Abschied

Beitrag von Selea »

:hello: Liebes Katerle.

Dein Beitrag berührt mich jetzt sehr.

Immerhin hast du eine Zeit gehabt, in der du dich sehr geliebt gefühlt hast von deinen Eltern, und die auch sehr geliebt hast.
Da mag die Aussöhnung viel leichter gehen.

Meine Liebe zu meiner Mutter auf jeden Fall ist ins "Leere" gefallen. Eine ganz lange Geschichte.
Die Begleiterin hat es auch noch einmal so auf den Punkt gebracht, dass meine Liebe eben nicht erwidert worden war.
Das ist nicht eben mal so ein neurotisches Gefühl eines zickigen Kindes damals.

Meine letztlebende Tante___jetzt in Griechenland____und ihr Ehemann, haben mir vor knapp 5 Jahren endlich mal die Wahrheit erzählt.........ich konnte es aushalten, habe ich es doch immer so gefühlt, genau so und nicht anders.

Meine Mutter tat immer so, als würde sie mich lieben. Aber nie habe ich es gefühlt.
Als ganz junge Frau war ich auch nur noch am Zweifeln an meinen Wahrnehmungen.
Das hat sich Gott sei Dank gelegt.
Auf meine Empfindungen und meine Wahrnehmungen kann und darf ich mich verlassen.


Nun____es ist so wie es ist. Es war so, wie es ist.

Trotzdem war jetzt bei diesen Heultagen das Gefühl da, wie schön es hätte sein können in meinem Leben mit so voller Elternliebe.......wie einfach mein Leben geworden wäre___vielleicht.
Vielleicht wäre ich vierfache Mutter geworden, und in dem Ort im Schwarzwald geblieben.

So ist eine ganz andere Person aus mir geworden, mit sovielen Neuanfängen und Versuchen etc. etc.
Allerdings kann ich auch meine ganzen Stärken sehen.
Es war in den zig Jahren meines Berufslebens, dass ich junge Pubertierende begleitet habe, die auch niemanden hatten.
Auch in den Tod begleitet. Meine kleine M. , das ist mir die Tage wieder eingefallen.
Meine kleine M.
Als ich nicht mehr ihre Klassenlehrerin war, schenkte sie mir einmal ein Bild von sich.
Damit ich sie nie vergesse.
Da wusste sie noch nicht, dass sie tödlich an Leukämie erkranken würde. Unheilbar.
Zusammen mit der neuen Klassenlehrerin haben wir ihr dann Hausunterricht gegeben.

Neben meinem vollen Lehrauftrag an einer Ganztagesschule. Das ist soooo lange her und berührt mich immer noch.

Meine kleine M. Ich weiß sogar immer noch, wie sie ausgesehen hat. Ich hab sie nie vergessen.

Meiner Begleiterin habe ich erzählt, mit meiner Mutter_____ dass es meinen ethischen Werten zutiefst widersprechen würde, eine alte Frau, die jetzt dement und psychotisch ist, verrotten zu lassen, nur weil sie keine gute Mutter war.

Seit sich meine Mutter nicht mehr selber helfen kann, vielleicht seit 12 oder mehr Jahren, bin ich für sie da.
Sie war eine grausame und schlechte Mutter. Jawoll.

Trotzdem, ein Produkt ihrer Zeit, in der Psychisch Kranke in den KZs vergast wurden oder zu Menschenversuchen missbraucht wurden. Weiß ich leider alles, da ich viele Jahre auch das Fach Geschichte nicht studiert) unterrichtet habe.

Es war für sie undenkbar, sich psychologische Hilfe zu holen. Ich denke, zu tief sitzen solche Sozialisierungen.
Sie hätte es soooo bitter nötig gehabt mit all ihren Kriegstraumata.

Mittlerweile habe ich doch recht viel Mitgefühl auch für das Leben meiner Mutter.
Neben meiner eigenen Traurigkeit.


Vielleicht darf das alles dann in einem gelungenen Abschied zusammenkommen. :?:

Vorhin habe ich einer Freundin gemailt. Dass ich mir immer noch die Option eines Klinikaufenthaltes offenhalte, sollte ich mit allem nicht klarkommen. Ableben, Trauer etc. etc.

Aber momentan halte ich alles noch für recht normale Emotionen auf dem Weg der Loslösung und Einordnung etc. etc.
Solche seltsamen Übergangszeiten, in denen sich soviel innerlich tut, sind keine angenehmen Zeiten.
Aber auch das wird vorüber gehen.


Selea
Selea

Re: der langsame Abschied

Beitrag von Selea »

:hello: Guten Tag liebe anna.


Du schreibst
...du kannst nicht alle alten Fässer aufmachen oder jemanden die aufmachen lassen. Das kann niht das Ziel einer Begleitung am Lebensende sein.
Öhmmm, mit Verlaub. Du hast völlig recht. Irgendwie ist das mit dieser Begleiterin aber passiert. Dass da alte Fässer aufgemacht wurden.
Mit dem dementsprechenden Resultat, dass es mir sooo schlecht ging.
Sehr schlecht.
..es ist wichtig, dass du damit leben kannst, wie du deine Mutter verabschiedest.
[/quote]

Ja, die Trauerbegleiterin hat mich etwas zu sehr bedrängt, was ich sagen soll, machen soll.
Immer wieder betonte sie, dass meine Liebe zu meinen Eltern ins Leere gefallen ist....

Das weiß ich ja alles........und das ist schmerzhaft.

Ich weiß nicht, was in der Trauerbegleiterin vor sich gegangen ist.
Auf jeden Fall hat sie alles sehr sehr berührt, was ich erzählt habe. Sie hatte Tränen in den Augen.
Auch war sie entsetzt bei einer Situation mit meiner Mutter.....


Gut anna54 :) dass du mir noch einmal den guten Rat gibst, wirklich auf mich selber aufzupassen.
Und das nur zu sagen zu meiner Mutter, was auch stimmig ist für mich.

Weder große Abrechnung oder große Versöhnung steht an.

Eher so ein Innehalten und sagen. So war es, so ist es, aber ich lasse dich jetzt nicht greis, dement und alterspsychotisch im Stich.

Und Respekt, liebe anna, :) wie du mir trotz etlicher gemeinsamer Konflikte hier mit diesem Thema zur Seite stehst.
Tiefer Respekt.



Selea
anna54
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Re: der langsame Abschied

Beitrag von anna54 »

Hallo Selea
das wir uns austauschen,das haben wir fast immer gut hingekriegt.
Ich habe Zeiten,wo es mir so schlecht geht,dass ich dann besser nicht im Forum schreibe,weil ich dann nur Angriffe auslöse und beginne und dann bin ich verloren.
Aber diesen Hinweis kann ich dir nur geben,was du wann schreibst,das ist nicht meins.

Ich erinnere mich bei deinen Worten an die vielen ----in Ausbildung befindlichen Begleitern----------die immer über das Ziel heraussprangen.
Auch ich hab in den Jahren sehr viel lernen müssen---aber auch dürfen.

Oft war ich damals noch der Meinung,das muss man doch klären,das muss angesprochen werden------------nein,und Punkt.
Beeindruckend war die Sprache der Bilder--------

Jetzt nach den vielen Jahren, bin ich wieder in der Patientenbegleitung,stoße an Grenzen und beginne doch wieder. Im März beginnt eine neue Fortbildung,wieder ein Kreis aus Erfahrenen,da lobe ich mir die alten,weisen Frauen.

Ich wünsche dir die Kraft----und das gute Gefühl----wenn du deiner Mutter zur Seite stehst.
Es gibt diese Momente,wenn man ahnt------------ich bin verstanden worden---------Worte sind da viel zu schwierig.
anna54
Katerle
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Re: der langsame Abschied

Beitrag von Katerle »

@ Selea

Ja, da hast du wohl recht mit deinem zweiten Satz an mich im vorhergehenden Beitrag. Das muss schlimm sein, sich garnicht geliebt gefühlt und solch ein negatives Bild von der Mutter zu haben.

Das berührt mich auch mit der kleinen M. und das du soviel Mitgefühl für deine Mutter hast, nebem deiner ganzen Traurigleit.

Und das mit der Option eines Klinikaufenthaltes finde ich auch nicht verkehrt, dir das offenzuhalten.

Weiterhin alles Gute bei deinem Weg.
krimi56
Beiträge: 1920
Registriert: 25. Dez 2011, 11:45

Re: der langsame Abschied

Beitrag von krimi56 »

Liebe selea,

du schreibst ein wichtiges Wort – „loslassen“.

Auch wenn die Beziehung zu Kind und Eltern/Mutter nicht so gut war (vorsichtig ausgedrückt), so hattet ihr doch eine lange, lange gemeinsame Zeit – sechs Jahrzehnte. Und trotz allem was vorgefallen war, kann man nicht so einfach loslassen.

Meine Mutter war im Koma bevor sie starb. Da war kein in Worte gefasstes Aussprechen möglich, auch vorher nicht. Ich wollte es auch nicht.
Meine Großmutter hatte immer dafür gesorgt, dass in mir kein Groll fest wurde. So brauchte ich die Aussprache nicht. Und bei den anderen Dingen habe ich halt funktioniert und immer Frieden gehalten ohne, dass es mir schwer fiel.

Im Grunde kann ich meinen Eltern auf eine Art sogar dankbar sein, dass ich bei meinen Großeltern aufwachsen musste. Ich habe so einen Lebensweg kennengelernt, den ich vielleicht nicht erfahren hätte wenn ich bei ihnen geblieben wäre. Einen Lebensweg der mir viel bedeutet.

Dein Leben und der Umgang mit deiner Mutter war schwer. Er hat dich aber zu der selea werden lassen die du jetzt bist und die ihr Leben immer gemeistert hat.

Ich weiß nicht ob ich an deiner Stelle noch viele Worte zu einer „Aussöhnung“ mit der Mutter machen würde. Sehr wahrscheinlich bleibt dann wieder etwas anderes offen, ungesagt, ungefragt das dich dann nach dem Tod deiner Mutter aufs Neue belasten kann.

Genießt die Zeit die ihr jetzt habt, sie scheint ganz gut zu sein.

Das sind meine Empfindungen dazu. Vor allem aber nicht von jemand Außenstehenden zu etwas überreden lassen, was du nicht wirklich magst.

Liebe Grüße
krimi
"Denk nicht daran, wie viel zu tun ist, welche Schwierigkeiten zu bewältigen sind oder welches Ziel erreicht werden soll, ...sondern widme dich gewissenhaft der kleinen Aufgabe, die gerade ansteht."
- Elisabeth Tova Bailey -
bibel
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Registriert: 20. Okt 2011, 14:45

Re: der langsame Abschied

Beitrag von bibel »

hallo liebe Selea,

mir kommen gerade auch immer wieder alte Bilder hoch, von der Vergangenheit, schöne Bilder, aber auch traurige Bilder. Manches hat unser Innerstes so arg belastet, das sie uns immer wieder in unser Gedächtnis kommen. Auf der anderen Seite komme ich aber dadurch zu neuen Erkenntnissen, anderen Einsichten, auch was heilsam und gut ist. Das ich über manches anders denken kann, es mich nicht mehr so belastet. Ich habe mir dieses Bilder auch schon auf Zetteln aufgeschrieben, und die dann zerrissen.
Wenn ich nachtragend bin, dann habe ich schwer zu tragen, mein Leben wird schwer.

Loslassen, den Menschen frei lassen, gehen lassen, mich nicht abhängig machen.Es gibt Menschen, die lassen sich auch noch nach dem Tod eines Elternteiles bestimmen. Was würde meine Mutter jetzt dazu sagen?, oder mein Vater? Was kann ich tun, damit meine Eltern stolz auf mich sind, wie kann ich es ihnen am besten recht machen, damit sie mit mir zufrieden sind.

Wenn ich lerne loszulassen bin ich freier in meinem Leben, eine Eltern-Kind Beziehung gibt es nur auf unserer Erde, zeitlich begrenzt. Meine Kinder muss oder darf ich als Vater auch gehen lassen.

Also weil ich hundeverrückt bin, habe ich auch schon einige Hunde durch den Tod verloren. Aber es überrascht mich immer wieder, wie friedlich diese Tiere gehen, ganz natürlich.

Unsere medizinische Versorgung ist gut, aber oft bekommt man es gar nicht mehr so mit, wenn man stirbt, weil man oft so "abgefüllt" ist.
Aber mache dir bitte nicht zu viele Sorgen liebe Selea, versuche los zu lassen, so gut du es kannst.


viele liebe Grüße,

thomas.

https://www.youtube.com/watch?v=xMyE_vfWSpQ" onclick="window.open(this.href);return false;
Selea

Re: der langsame Abschied

Beitrag von Selea »

:hello:



Thomas :) :) ,
anna :) , krimi :) sonnenblume :) katerle :) FönX :)

Ihr berührt mich sooo sehr, mit dem was ihr schreibt. :!:

Jetzt geht nichts mehr in mein Hirn rein.
Ich möchte es sacken lassen. Ich antworte euch morgen.
Einverstanden :?:


Herzlich
Selea
Sonnenblume14
Beiträge: 1038
Registriert: 16. Sep 2014, 18:36

Re: der langsame Abschied

Beitrag von Sonnenblume14 »

Liebe Selea, hier sind ja viele Gedanken zusammengetragen worden. Einen möchte ich unbedingt dazufügen, weil er mich nicht losliess.

Du schriebst "ich war immer so traurig" - ich kenne deine Situation nicht, aber "immer" ist ein sehr hartes Wort. Gab es keine positiven Momente? Augenblicke des gemeinsamen Lachens, der Fröhlichkeit und der Ausgelassenheit? Oder einfach nur ein Zusammensitzen und reden, dieses Gefühl der Zusammengehörigkeit? Das Gefühl, die Mutter ist der einzige Mensch, der mich seit Geburt kennt, der mich besser kennt als jeder andere und mit dem ich daher über (fast) alle Dinge / Ereignisse reden kann?

Ich kann mir vorstellen, was die Begleiterin möchte: Euch einen guten Abschied ermöglichen. Doch dies ist schwierig, wenn man beide Parteien so gar nicht kennt. Manchmal ist es auch des Guten zuviel.

"Dein Handeln hat mich oft sehr verletzt, ebenso wie ich dich sicher manchmal enttäuscht oder verletzt habe. Ich weiss aber, dass das oft aus der SItuation heraus geschah und dass wir alle aufgrund unserer Erfahrungen und Erziehung handeln." In diesem Sinne würde ich das sehen.

LG Sonnenblume
"Depressionen sind kein Zeichen von Schwäche, sondern dafür, dass jemand zu lange zu stark sein musste" (Johnny Depp)

"Verstehen kann man das Leben nur rückwärts. Leben muss man es vorwärts." Sören Kierkegaard
toni07

Re: der langsame Abschied

Beitrag von toni07 »

Liebe Sonnenblume,
Dein Abschluss, weiss nicht wie das heisst:
Depressionen sind kein Zeichen von Schwäche, sondern dafür, dass jemand zu lange zu stark sein musste" (Johnny Depp)

Ich habe meinen Vater und meine Mutter in den Tod begleitet, und ja, ich musste stark sein, ueber meine Kraefte.
Und bei mir sieht der langsame Abschied so aus, dass wenn es mir wie letzten Tage nicht gut geht, an die Worte meiner Mutter auf dem Sterbebett denke:
Die Krankenschwester sagte mit Blick auf mich, auf ihren Sohn koennen sie stolz sein, meine Mutter, und das waren ihre letzten Worte fuer mich, auf den da, und sie war bei vollem Bewusstsein.
Auch das ist ein sehr langer Abschied, und ist es auch nach 20 Jahren immer noch
Ludger
Katerle
Beiträge: 11258
Registriert: 25. Sep 2014, 10:30

Re: der langsame Abschied

Beitrag von Katerle »

@ Selea

Es ist in Ordnung, wenn du morgen drauf antwortest...
Selea

Re: der langsame Abschied

Beitrag von Selea »

:hello: Guten Morgen.


:) Ludger :) katerle und :) sonnenblume


Habt Dank für eure Beiträge.


Eigentlich habe ich meinen Umgang mit meiner Mutter gefunden. Und ich mag auch gar nichts mehr mit ihr besprechen, was 20, 30, 40 oder 50 Jahre her ist.
Und noch länger. Zumal sie ja dement ist.

Ich lasse sie nicht im Stich, so gut ich kann.
Und wenn sie anruft, ich fühl mich so verlassen, Selea, dann versichere ich ihr, dass ich doch ganz bald wieder komme.
Gleichwohl entscheide ich, was mir wann gut tut. Und da kann auch mal ne Zeitspanne von 10 Tagen sein.


So eine Pseudo_Aussöhnung, wie sie eigentlich die Begleiterin vorschlägt. Das bringt gar nichts, das tut mir auch nicht gut.
Ich finde, die Dinge dürfen ruhen, auch für meine Mutter. Da noch aufwühlen ,wo sie kaum mehr was hört, dauernd alles vergisst. Nein.

Nein, eine Begleitung habe ich mir auch ein wenig anders vorgestellt. Nicht, eine Begleitung, die die Dinge wieder hochholt, hochzerrt. Weder bei meiner Mutter und bei mir.

Wir haben einen gewissen friedvolleren Umgang gefunden. Mehr nicht.
Und das soll so bleiben.
Alles andere kann ich, wenn ich es möchte, noch einmal in einer Psychotherapie besprechen.
Und_____die Option einer Klinik halte ich mir genau deswegen auch immer offen.


Aber nur ich alleine spüre diesen richtigen Weg für mich.



Sonnenblume :) , ja ich glaube schon, es ist sehr schwer zu verstehen für andere Menschen, dass man wirklich so grausame Eltern /Elternteil gehabt hat.
Viele Menschen fegen sowas im Gespräch schnell wieder weg, und meinen dann doch auch noch manchmal, es müsse doch an einem selber gelegen haben.

Mutterliebe/Vaterliebe ist so ein Bild, so ein idealistisches.
Es ist nur ein Bild, mehr nicht.

Tatsächlich hat mich mein Leben lang ein tiefer Schmerz, eine große Traurigkeit begleitet bezüglich der schlechten Beziehung zu meiner Eltern.
Diese Traurigkeit war nicht ununterbrochen fühlbar. Oft sehr im Hintergrund, und ich habe auch so oft mich schon glücklich und zufrieden gefühlt in meinem Leben.
Das gibts tatsächlich auch. Mal zwischendrin.


Nein, die Mehrheit meiner Zeit als Kind in der Familie war sehr belastet und grauenvoll.
Nein, es gab kaum fröhliche und leichte Momente miteinander in dieser Familie.

Jetzt, wo meine Mutter bald nicht mehr lebt, spüre ich schon noch einmal den Schmerz, dass ich es mir anders und schöner gewünscht habe, eine Familie mit Zusammenhalt, nicht eine, in der jeder gegen Jeden ist, in der sehr viel Destruktion ist.

Es wäre ein leichteres Leben geworden für mich. Vielleicht sogar als Familienmama.

Und so hab ich aber trotzdem mir meinen Weg gesucht, den auch gefunden.
Ich bin ja nie untergegangen, Trotz Depressionen und Angstgefühlen......
Und meine Aufgabe wurde dann im Schuldienst mit den schwierigen Schülern, denen auch einen Rückhalt geben zu dürfen_____eine sekundäre Sozialisation kann und darf auch greifen.
Das hab ich gut hingekriegt.


krimi :) Ja, du sagst es richtig, vielleicht bin ich ganz genau und deswegen dieser Mensch geworden, der ich bin.
Ein Mensch mit einem weichen Herz, mit einem sehr klugen Verstand, ein Mensch, der vorallem auch hinter die Kulissen sehen kann.

Ein Mensch, der so oft um Rat gefragt wird im Leben.


Aber auch ein sehr leicht verletzbarer Mensch. Auch ein Mensch, der ab und an mal einen Streit anzettelt. Weil ich dies oder Jenes für richtig oder wichtig halte.


Den Weg mit meiner Mutter, den find ich auch noch bis zu ihrem letzten Atemzug.


Ludger :) dein Beitrag hat mich traurig gemacht. Eine Mutter, die dir sozusagen noch in der Todesstunde deine "angebliche" Minderwertigkeit ins Gesicht sagt.
Obwohl andere Menschen, so wie die Krankenschwester, deinen Wert erkennen. Sehen, wie wichtig du bist, warst.

Ich kämpfe auch andauernd mit dem Phänomen, dass mich viele Menschen im Umfeld meiner Mutter sehr schätzen, geschätzt habe, sie selber aber durch ihre eigene verzerrte innere Brille das aber nicht kann.

Ich hoffe, ich trete dir, Ludger, jetzt nicht zu nahe, wenn ich denke_---vielleicht war es sehr schwer für deine Mutter, mit deiner sexuellen Orientierung klar zu kommen.
Das ist ja in vorangegangenen Generationen gerne so.


Ich glaube, es gibt hier sehr viele Menschen in diesem Forum , die auch diese Ablehnung durch Eltern, Elternteile erfahren haben, auch Missbrauch über Körpergewalt, und sogar sexuellen Missbrauch.
Es war eine andere Zeit, in der unsere Eltern aufgewachsen waren, welche Werte sie hatten.......und vorallem halt auch, welche eigenen Begrenzungen in ihrem Charakter.

Ich glaube nach wie vor, dass Depressionen, immer wieder mal, bei keinem Menschen ausbleiben, der eine sehr sehr grausame Kindheit hatte.

Therapie kann viel leisten. Ich bin ein Beispiel dafür. Man geht nicht unter, die Kindheit ist vielleicht ein Drittel im Leben, das einen aber auch immer wieder mal quält.
Auch ein Drittel ist der eigene Charakter, und ein weiteres Drittel ist dann schon die Gesellschaft, die Umgebung, die Beziehungen aktuell.


Derzeit, durch Todesnähe meiner Mutter bin ich halt im Drittel Kindheit. Etwas mehr.
Ich weiß, ich finde auch den Weg, der danach zu gehen ist.
Jaaa, traurig bin ich, da ich partnerlos bin. Wäre es eine Hilfe, würde es mir Geborgenheit geben?
Jaaaa, warum habe ich keine eigenen Kinder, würden die jetzt hilfreich an meiner Seite stehen?

Oder würden möglicherweise Kinder und Partner meine eigenen Probleme noch verstärken?


Zum Abschluss noch_____es gab ja jetzt etliche Streitereien hier in Forum.
Trotzdem schreiben wir wieder, alle miteinander.
Immer wieder fruchtbar.

Sollte das Forum doch ein Lernfeld sein ;) :) für alle, :?:
Für die Anklagenden, für die Sich Verteidigenden, für die Angreifer und Angegriffenen?

Scheint so.


In diesem Sinne von Herzen einen guten Tag
Selea

edit_ aufs Katerle wartet schon seit 8.2. eine PN in meinem Postausgang ;)
krimi56
Beiträge: 1920
Registriert: 25. Dez 2011, 11:45

Re: der langsame Abschied

Beitrag von krimi56 »

Liebe selea,

du hast ein gutes Resümee gezogen, aus den Antworten der einzelnen SchreiberInnen an dich.

Ich möchte zu zwei Punkten gern etwas sagen.

Eine Begleitung zu dieser Zeit zu haben ist gut. Wenn diese Begleiterin nicht zu dir passt, dann kannst du ihr sagen, dass du in dieser letzten Phase des Lebens deiner Mutter nicht mehr in alten Zeiten graben möchtest und du ihr sagst, dass du dir eine Begleitung durch sie anders vorstellst.
Oder du bittest um eine andere Begleitung.

Das Zweite – Du schreibst „Mutterliebe/Vaterliebe ist so ein Bild, so ein idealistisches.
Es ist nur ein Bild, mehr nicht.“
– Das ist nicht nur ein Bild, das gibt es. Nur leider auch viel zu oft nicht. Oder halt nicht in der Qualität wie es sein sollte. Bzw. wie Eltern sich diese Liebe vorstellen.

Da fällt mir doch noch etwas ein. „…dass ich es mir anders und schöner gewünscht habe, eine Familie mit Zusammenhalt, nicht eine, in der jeder gegen Jeden ist, in der sehr viel Destruktion ist.“
In vielen vorherigen Beiträgen hast du geschildert, dass du mit deinem Bruder ein ..., dass ihr doch ein „gutes Verhältnis zueinander gefunden habt“, trotz eurer schweren Familienverhältnisse und Kindheit.
Ich finde das sehr schön. Dieses nun bessere Verhältnis ist eine gute Grundlage für die Zeit wenn eure Mutter nicht mehr da ist. Dann seid ihr beide der Rest eurer Familie.

Ich wünsche dir auf deinem Weg alles Gute und, dass du deinen Frieden behältst.

LG krimi
"Denk nicht daran, wie viel zu tun ist, welche Schwierigkeiten zu bewältigen sind oder welches Ziel erreicht werden soll, ...sondern widme dich gewissenhaft der kleinen Aufgabe, die gerade ansteht."
- Elisabeth Tova Bailey -
Selea

Re: der langsame Abschied

Beitrag von Selea »

:hello: Hallo Ihr.

Danke, liebe krimi :) für deinen Beitrag.

Mir ist vorhin richtig der Groschen gefallen:

Meine Mutter rief an, das kriegt sie noch gut hin.
Das Übliche wieder, sie frug mich nach Geld, sie hätte keins mehr, iss aber in ihrem Geldbeutel drin______dann hatte sie während des Gespräches mehrfach vergessen, dass mein Bruder auf dem Weg zu ihr ist, und sie besuchen kommt, nach dem Mittagessen.

Dann frug sie mich, ob xx aus G. wo sie großgeworden ist eigentlich noch leben, etc, etc,

Dann erzählte sie von Stechen in der Brust, und dass es mal ganz schnell gehen kann bei ihr.


Und____________________Keinen einzigen vollständigen Satz von mir hat sie richtig verstanden. Sie hört sooo schlecht, trotz Gerät.
Und dann versteht sie ganz oft nicht mehr, was man zu ihr sagt.
Sie fragt fünfmal nach, erzählt was Anderes, als das, was ich ihr gesagt habe.
Also. Sie hört zu, versucht zu verstehen, und es kommt im Gehirn nicht an.

Selbst wenn ich das dann 5mal wiederhole. Auch noch in anderen Worten.

Immer freut sie sich, wenn ich sage, ich komme dann bald.


So________der Groschen ist bei mir gefallen.
Keinen Piep werd ich noch mit meiner fast 94jährigen Mutter besprechen zu irgendwas mit mir und mit ihr etc. etc. aus der Vergangenheit etc.

Das macht doch gar keinen Sinn, weil gar keine Kommunikation mehr möglich ist aufgrund der Demenz etc. etc.

Was hat sich denn die Begleiterin gedacht, was da alles noch möglich sei mit meiner Mutter?
Ja, wenn jemand gehen muss, der 60, 70 ist, und klar im Kopf. Vielleicht____aber auch nur vielleicht______kann so eine Vorgehensweise dann möglich sein.

Neeee_____eine Begleitung hab ich mir anders vorgestellt.

Ich bleib dabei. Nix Altes wird mehr aufgerollt.
Gar nix.
Den richtigen Abschied werd ich schon finden.

Und sollte ich wirklich nicht drüber wegkommen, dann wenn sie gestorben ist, auch mit möglichem alten Gruscht,
gibt es gute Kliniken, die einen da in Trauer etc. begleiten können.
Und schon Familientherapie machen können, damit ich zu einem Abschluss finde.

Aber nix jetzt hoppla hopp, am Telefon, und was ich sagen müsste, sollte zu meiner Mutter etc . etc.


Nein, der Groschen ist jetzt gefallen.


Hoffentlich komm ich jetzt nicht zu hart rüber.


Danke Ihr Alle :) :D :hello:

Selea
bibel
Beiträge: 494
Registriert: 20. Okt 2011, 14:45

Re: der langsame Abschied

Beitrag von bibel »

hallo liebe Selea,

es ist jetzt nur eine Vermutung, aber vielleicht bist du ja wie ich auch eher hochsensibel.Du kriegst sehr viel mit, auch wenn ein Mensch nichts sagst, du hörst mehr..............................
du denkst mehr nach.......das kann helfen, aber manchmal auch ganz schön stressen.

Seit ich am Montag am Grab meiner Mutter war, habe ich jetzt Zeiten, wo ich schon durchgeknallt bin, obwohl der Graben zwischen mir und meiner Mutter wieder begehbar wurde.
Und trotz allem was nicht gut war zwischen mir und meiner Mutter, die konnte richtig bösartig sein, geizig ohne Ende, vermisse ich jetzt meine Mutter.

Trauerbewältigung fängt schon vorher an, bevor ein naher Mensch stirbt. Was du jetzt schon bewältigen kannst, das musst du nach dem Tod deiner Mutter nicht mehr bewältigen. Das was du jetzt denkst, trauerst, das lebst du hinterher, so trauerst du dann auch.

Und das möchte ich dir wünschen, das du zu dir stehen kannst, zu deiner Art der Trauer. Rat-
Schläge.........können helfen, aber letztendlich musst du deine Trauer so leben, wie es gut für dich ist, nach deiner Lebensgeschichte.......


liebe Grüße,

thomas
Selea

Re: der langsame Abschied

Beitrag von Selea »

Lieber Thomas.

Danke für deinen schönen Beitrag an mich. :)

Ja, ja :roll: ich bin schon sehr sehr sensibel, haben meine Behandler (Psychotherapeuten) auch schon so gesagt. Ich krieg viel mit, auch ohne Worte.
Das macht mir manchmal mein Leben schwer. Kann aber in brisanten Situationen auch sehr hilfreich sein.

Alles hat 2 Seiten.

Dass ich schon mitten in der Trauer stecke, also so einer Art vorgezogenen Trauer (wusste gar nicht, dass es sowas gibt), hat mir jedenfalls die Begleiterin bestätigt.
Sicherlich kann ich schon einiges abtrauern und verarbeiten jetzt im Vorfeld. Vieles dann noch, wenn meine Mutter wirklich nicht mehr lebt.

Ich hab Erfahrung mit Trauern/Trennungen/Verlusten.

Da kann ich wirklich nur meinen eigenen Weg gehen. Zur Not professionelle Hilfe suchen.
Aber da ja Abschiednehmen, Trauer etc. keine Krankheit ist, bin ich schon geneigt, auch ohne Psychotherapie hier Einiges durchzukriegen.

Lieber Thomas, du hast erzählt, dass du diese Tage am Grab deiner Mutter warst.
Du hast in einem andren Posting geschrieben, dass Haushaltsauflösung, Wohnungs-oder Hausübergabe angestanden habe, und du es wider Erwarten ganz gut gemanagt hast.
Gratulation hierfür. Sowas sind so schwere Schritte.

Manche Schlaule hier im Forum ;) tröten so laut rum, was denn ne Wohnungsauflösung etc. mit Depressionen zu tun habe, was das hier im Forum für Depressionen zu suchen habe.
Da kann ich nur milde lächeln.

Es hat damit zu tun, wie ein Mensch, der ab und an von Depressionen geplagt ist, mit solchen Einschnitten umgeht. Welcher Handlungsspielraum da ist, was funktioniert, was noch nicht so gut .

Nun ja, ein Jeder, eine Jede von uns kommt an diesen Punkt, Abschied nehmen zu müssen von Eltern, von schwierigen Eltern_Beziehungen. Das kriegt noch mal ne andere Qualität dann, wenn der Abschied durch Tod ansteht.

Thomas, ich finde es ganz normal und verständlich, wenn du die Tage am Grab deiner Mutter standest, und auch dann auch ein Gefühl aufgekommen ist, dass sie dir auch irgendwo fehlt.
So ist das im Leben mit den Beziehungen. Egal wie gut oder wie schlecht sie waren.

Ein Mensch war Teil unseres Lebens. Und das fehlt jetzt. Positiv wie negativ.

Man lässt einen Menschen ganz los, in den guten und in den schlechten Seiten, mit allem Erfahrenem und Erlittenem. Positiv wie negativ.
Da kommt das Gefühl von Verlust auf. Aber wie.

Ja, manchen Zeitgenossen gelingt es vielleicht, etwas mehr und besser zu verdrängen und wegzuschieben, als mir (oder vielleicht auch dir).

Was ist nun besser oder schlechter?

Ich weiß es nicht. Ich bin ich, und du bist du, und der Andere ist der Andere.
Und jeder hat so seine Art, mit Verlusten umzugehen und zu trauern, sich zu verabschieden oder auch nicht.

Für mich ist es ein schweres Thema. Aber______einzige Gewissheit____ich bin jedesmal drüber weggekommen. *lach*


Viele Grüße
Selea
bibel
Beiträge: 494
Registriert: 20. Okt 2011, 14:45

Re: der langsame Abschied

Beitrag von bibel »

Liebe Selea,

vielen herzlichen Dank für deine ehrlichen Worte. Ja unser eher sensibel sein hat wie alles auf dieser Erde zwei Seiten. Es ist deine gute Gabe, dann auch wieder Last. "Meine Güte , bist du empfindlich, ein absolutes Weichei, du heulst bei jeder Kleinigkeit, du nimmst aber alles so tierisch ernst. Unsere innere und äussere Wahrnehmung ist verstärkt.................................

Du und wir leben in einer Welt der Macher, der Powerfrauen, der Supermänner, da scheint es , das eher sensible Menschen sich nicht so gut durchsetzen können. Und ob sie den Tod eines nahen Angehörigen, eine Beerdigung überstehen...........liebe Selea, ich habe es gepackt, und du wirst es auch packen, auf deine ganz persönliche Art und Weise.

Ja, ,man ist schon mal überstimuliert, übererregt, überempfindlich, aber trotzdem, und gerade deshalb.

Deine Eindrücke, deine Empfindungen , deine Wahrnehmungen ist bei dir stärker geprägt.

Du hast ein feines Gespür, deine Worte gehen tiefer liebe Selea. Aber die Verletzlichkeit will sich auch mal gerne zurückziehen

DU bist DU liebe Selea, und wie du es machst, so ist es gut, so wird es gut.


viele liebe Grüße,

thomas
Selea

Re: der langsame Abschied

Beitrag von Selea »

:hello: Guten Tag.


Da möchte ich euch informieren über den neuesten Stand der Dinge.

Ich habe heute der Begleiterin des Hospizes einen Brief geschrieben, dass ich die Begleitung derzeit komplett ruhen lassen möchte.

Zum Einen habe ich ja in Erfahrung bringen können, dass im Pflegeheim PDS und StPDS speziell eine Ausbildung in Palliativmedizin haben, also sehr versiert mit dem Thema umgehen.
Dazu hatte ich ja das Gespräch mit der PDS am Rosenmontag.

Meine Mutter scheint dort bezüglich ihres Ablebens in besseren Händen zu sein, als von mir vermutet.

Bereichsleiterin und Pflegepersonal halten meine Mutter für noch nicht im Sterbeprozess oder gar davor.



Bei meinem letzten Besuch am Freitag bei meiner Mutter konnte ich mich erneut vergewissern, wie derart dement sie ist, wie ihre Wahnideen sie plagen.
Alles vergisst sie von jetzt auf nachher.
Trotz Hörgerät versteht sie keinen einzigen Satz , den man zu ihr sagt, richtig.

Und in diesem Zustand soll sie Kontakt mit einer Sterbebegleiterin eines Hospizes aufnehmen?
Bringt nur Unruhe für sie selber, weil sie ja das Meiste gar nicht mehr kapiert.

Auch hat mich sehr geärgert, dass die Begleiterin mich am Telefon (als ich so geheult habe), mich so derart bedrängt hat, was ich meiner Mutter noch sagen solle, sagen müsse..... etc. und als ich mich dagegen stellte.....sie hilflos meinte, aber sie wollen doch auch, Frau Selea, dass alles zu einem guten Abschluss kommt.

Die Begleiterin verkennt vollkommen den Zustand meiner fast 94jährigen Mutter.

Ich werde mit meiner Mutter nichts mehr bereden, was 60,50, 40 Jahre her ist.
Und vorallem nicht meine Mutter um Vergebung bitten, sollte sie wütend werden auf mich.

In einem gewissen Frieden bin ich mit meiner Mutter, sonst könnte ich mich die letzten Jahre gar nicht so um sie gekümmert haben.

Es ist zwar ganz schön, vielleicht ein Helferssystem zu haben. Aber wenn die Helfer gar nichts über einen wissen, geschweige denn meine anstrengende und hochkomplizierte Mutter kennen, dann besteht eine große Gefahr, dass mir irgendetwas übergestülpt wird, was gar nicht passt.

Nun , diese Begleiterin habe eine 6jährige Erfahrung. Aber______wahrscheinlich hat sie immer nur mit Menschen zu tun, die so eine einigermaßen gute Beziehung zueinander hatten.............und_____bei der fang ich nicht mehr bei Adam und Eva an, was meine Mutter_Beziehung abelangt.

Irgendwie ist meine Quintessenz, dass es auch ziemlich gefährlich werden kann, sich auf für einen falsche HelferInnen einzulassen.
Dinge werden hochgezerrt, ohne dass ich mich danach stalisiert fühle. So geht es nicht für mich.
Mein eigener innerer Kompass stimmt immer noch.

Gott sei Dank.


In diesem Sinne. Danke für die vielen hilfreichen Beiträge.
Ich werd euch weiter informieren.


Herzlich
Selea
FönX
Beiträge: 3371
Registriert: 2. Jul 2008, 11:37

Re: der langsame Abschied

Beitrag von FönX »

Liebe Selea,

ich würde es auch so machen. Wenn eine Pflegekraft aus der nichtfamiliären Distanz dir nahelegt, noch gewisse Dinge mit deiner Mutter zu besprechen, ist das ganz normal und auch ihre Pflicht, um dich vor dem unangenehmen Hätte-ich-doch-bloß-Gefühl zu bewahren. Du hast dich wahrscheinlich artig bedankt, und gut ist.

Lieben Gruß
FönX

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