Depression oder „nur faul“

Sonnenblume14
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Re: Depression oder „nur faul“

Beitrag von Sonnenblume14 »

Hallo Sam,

ich führe Tagebuch. Sowohl als Positivtagebuch als auch ein "Befindlichkeitstagebuch", in das ich täglich meine Stimmungen und Gedanken notiere. Vor dem Therapietermin schaue ich dann, ob etwas dabei ist, was man vertiefen müsste oder worauf ich eine Antwort brauche.

Funktioniert ganz gut. Manchmal ist da nichts, manchmal habe ich aber auch einen "faden erwischt", den man weiterspinnen muss.

LG Sonnenblume

P.S. Bei meinem "grau" gab es nichts Auslösendes. Allerdings viel Aufgeschobenes, vermutlich eine schwere OP, von der ich zu schnell in den Alltag zurückkehrte.
"Depressionen sind kein Zeichen von Schwäche, sondern dafür, dass jemand zu lange zu stark sein musste" (Johnny Depp)

"Verstehen kann man das Leben nur rückwärts. Leben muss man es vorwärts." Sören Kierkegaard
Galaxis
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Re: Depression oder „nur faul“

Beitrag von Galaxis »

Es ist schon komisch, will man Teilzeitarbeiten, bekommt man nicht die Gelegenheit, sucht man eine Vollzeitstelle, dann bekommt man nur Teilzeit. Warum bieten so wenig Firmen Teilzeit an? Warum wollen die immer einen der in Vollzeit arbeitet? Von Montag bis Donnerstag und Freitag frei ist doch noch vertretbar. Du bist 4 volle Tage da. Bist Du nur alleine dort? Wie viele Kollegen arbeiten denn bei Dir im Betrieb?

Ich weiß nicht, warum manche Chefs so überhaupt nicht mit sich reden lassen.
sam1960
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Re: Depression oder „nur faul“

Beitrag von sam1960 »

Galaxis hat geschrieben: Du bist 4 volle Tage da. Bist Du nur alleine dort? Wie viele Kollegen arbeiten denn bei Dir im Betrieb?
Wir sind insgesamt etwa 20 Leute in der Abteilung. Allesamt Elektriker, Sanitär, Schreiner etc.
Unsere Abteilung nennt sich zwar Technik, aber wir sind die Deppen im Betrieb.

Kurz gesagt, wir dürfen alles das machen, wofür die anderen Abteilungen keinen Bock haben, sich zu schade sind.
Wir dürfen bei Veranstaltungen Stühle schleppen, Akten Fahren, und neuerdings auch die gelieferten Waren auf Station verteilen.

Wir kommen uns vor wie Aschenbrödel. Das hab ich meinem Chef auch so gesagt. Ich hatte sogar eine Karikatur angefertigt, worüber er nicht begeistert war, aber ich hab ihm ins Gesicht gesagt, dass es nicht nur meine Meinung sondern auch die Meinung der Kollegen ist. Wir sind die jenigen im Haus, die immer mehr „aufgebrummt“ kriegen und nicht mehr wissen, wie wir das schaffen sollen. Wirklich technische Aufgaben sind mittlerweile nur noch „Randaufgaben“ Aber wenn dann was technisches anliegt, dann sollen wir natürlich das Know-How haben, das Problem zu lösen.

Als unser Chef die Abteilung übernommen hatte, da gab es ein paar Änderungen in Dienstzeit, Arbeitsaufteilung etc.
Da wurde mir gleich klar dass es überwiegend zu unserem Nachteil ist.
Als ich um ein Zwischenzeugnis gebeten hatte, da hatte ich die Büchse der Pandora geöffnet.
Er hatte mich regelrecht angebrüllt, „ Wie kannst Du jetzt den Betrieb im Stich lassen, wir haben so viele Probleme hier und du willst uns verlassen …“
Ich hab’s dann mit dem Zwischenzeugnis sein gelassen.

Das war damals die Zeit, wo ich mal wieder ein paar Bewerbungsversuche gestartet hatte, leider erfolglos (ich schrieb darüber bereits)

mein Job ist, ich sag´s mal mit einem Vergleich:
Ich wollte:
eine Frau, die groß, schlank langbeinig, blond ist, sich schick kleidet, und gut kochen kann.
Was bekam ich:
Eine kleine dicke, rothaarige, mit kurzen Dackelbeinen, die sich klassisch kleidet und den Pizzadienst anruft. (etwaige Ähnlichkeiten mit irgendjemand hier sollen nicht beleidigend sein)
Kurz gesagt ich habe das absolute Gegenteil von meinem Traumjob.

Ich wollte mich immer spezialisieren, mit neuster Technik zu tun haben, ständig auf dem Laufenden sein mit Fortbildung etc., und einen möglichst kurzen Weg zur Arbeit.
Dass ich all dies hier nicht habe brauche ich nicht gesondert zu erwähnen.

Das in einem Job nicht alles passt, das ist mir natürlich klar, aber wenn alles „daneben liegt“ dann sollte man nachdenken, was man hier noch will. Die Frage ist, mit wie vielen Abstrichen kann ich leben, und wo ist mein Limit überschritten?

Bei meiner Einstellung und Probezeit hatte mir noch Honig ums Maul geschmiert, (aber, ich wiederhole mich)
Entscheidungen sind schwer, sie können Dich in den Himmel heben oder in die Hölle stürzen lassen.
Galaxis
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Registriert: 20. Nov 2014, 22:49

Re: Depression oder „nur faul“

Beitrag von Galaxis »

Guten Abend Sam,

ich weiß, was Du meinst. Ich bin gelernte Rechtsanwalts- und Notargehilfin. Ich habe in diesem Beruf 24 Jahre gearbeitet. Ich wollte schon mal in jungen Jahren eine Umschulung machen, da ich gemerkt habe, dass mir in diesem Beruf viele Sachen nicht liegen. Sehr trockene Materie. In dem Betrieb, wo ich 19 Jahre beschäftigt war, gab es auch nie Fortbildung. Ich habe schon in meiner Ausbildung die Ausbildungsstelle gewechselt, da es dort einfach fürchterlich war. Richtige Stutenbeißerei haben da stattgefunden. Ist halt ein Frauenberuf. Die Chefs, die ich in meiner Berufslaufbahn erlebt hatte, waren auch nicht sehr prickelnd.

Damals in jungen Jahren, wo ich mal kurz arbeitslos war, wollte ich auch eine Umschulung. Jedoch hat das Arbeitsamt mir gesagt, dass mein Beruf ein guter sei, dass sie das nicht machen würden.

Abstriche? Ich denke, die muss man heute überall machen. Wichtig ist vor allen Dingen die Gesundheit und die geht nun ein mal dahin, wenn man sich nicht wohlfühlt. Natürlich gibt es nicht immer nur Spaß und Freude bei der Arbeit. Wenn man jung ist, dann weiß man das doch noch nicht alles. Man denkt, dass ein Bürojob ein einfach Job ist. Dass man da aber auch mit Rückenproblemen zu tun hat, sieht man natürlich nicht. Für Fortbildung war auch für uns Angestellte nie Geld da. Das brauchen wir nicht. Jetzt merke ich, was ich davon habe; ich fühle mich fachlich nicht qualifiziert genug und habe dadurch weniger Chancen, wie in mein Beruf reinzukommen, was ich auch nicht wirklich mehr möchte. Denn die Branche ist auch nicht einfach. Ich sage immer, dass es nicht die Güter in weiß, sondern in schwarz sind.

Das sage auch nicht nur ich, auch von anderen Kolleginnen habe ich das schon sehr oft gehört. Man muss wirklich heute Glück haben. Einen Job zu haben ist schon nicht einfach, einen zu finden, wo man sich wohlfühlt und wertgeschätzt wird und auch fachlich gefördert wird, das ist heute schon wirklich wie ein sechser im Lotto.
schwarzegraefin
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Registriert: 16. Mai 2013, 06:13

Re: Depression oder „nur faul“

Beitrag von schwarzegraefin »

Genau die Frage stelle ich mir jeden Tag neu.
Ich bin zwar seit fast 3 Jahren Rentnerin auf Zeit, war aber immer eine "Powerfrau". Meine Therapeutin meinte, die Energie und die Kraft, die ich hatte, haben andere im ganzen Leben nicht.
Und nun bin ich ein Häufchen Elend, dem es teilweise schon schwer fällt sich aufzuraffen und überhaupt etwas zu tun. Es gibt Tage, da klappt dann schon mal was, aber andere da bin ich schon überfordert mit aufstehen und anziehen, etc. So langsam verzweifele ich daran, ich hätte gern wieder Kraft und Energie. In meinen Gedanken kann ich vieles leisten, ich habe ja Zeit. Nur in Wirklichkeit klappt nichts davon. Wenn ich mich aufraffe, also zwinge, bin ich nach spätestens 2 Stunden dermaßen geschafft, dass ich an Ort und Stelle einschlafen könnte. Ich bin dann total gereizt, und merkere auch nur rum. Das ist ganz schön blöd. Aber ich scheine ja nicht allein damit zu sein. Das beruhigt etwas.
Galaxis
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Re: Depression oder „nur faul“

Beitrag von Galaxis »

Hallo Schwarzegraefin,

ich würde mich auch als Powerfrau bezeichnen. Aber vielleicht ist es ja wenn man jahrelang immer funktioniert hat und nie sich Pausen gegönnt hat, dass man irgendwann ausbrennt. Das hat noch mal nur mit dem Beruf zu tun. Ich denke, dass viele natürlich auch im privaten Bereiche immer Vollgas geben und irgendwann fühlt man sich ausgebrannt. Man funktioniert nur noch, gönnt sich aber für sich keine Auszeiten.

Das habe ich mittlerweile gelernt, dass ich dann auch für mich Sachen suche, die mir einfach gut tun. Sei es ein Wellnesstag in der Sauna oder Wohnungsputz. Heute lasse ich auch mal Sachen liegen, wenn ich nicht die Kraft dazu habe, es zu erledigen. Des Weiteren habe ich gelernt mich auch abzugrenzen von Leuten, die mir nicht gut tun. Man muss ab und zu auch nein sagen können, wenn man einfach dazu keine Lust hat.

Ich denke, dass das viel auch mit dem eigenen Anspruch zu tun hat. Man möchte es allen Leuten recht machen und irgendwann bleibt man einfach auf der Strecke.

Es ist immer der gleiche Kreislauf oder die Katze, die sich in den Schwanz beißt. Man will etwas verändern und hat halt Angst, dass man den Anforderungen der Gesellschaft nicht gewachsen ist. Das führt dann zu den Panikattacken, weil man einfach angst hat wieder zu versagen.

Wichtig denke ich, dass man lernt Grenzen zu setzen. Sehe es doch mal als Erfolg, wenn Du Dich aufgerafft hast und 2 Stunden etwas gemacht hast. Auch wenn Du danach geschafft bist! Wir müssen einfach lernen auch kleine Erfolge zu sehen, die man geschafft hat.

Liebe Grüße Galaxis
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