Die tiefe Angst vor Kontrollverlust

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kiwilana
Beiträge: 1622
Registriert: 14. Nov 2010, 14:10

Die tiefe Angst vor Kontrollverlust

Beitrag von kiwilana »

Hallo,

ich bin auf der suche nach austausch, um diese tiefgehende angst besser verstehen und damit arbeiten zu können. ob ich zu dem thema mal ein trauma hatte, weiß ich nicht - ich spüre nur, dass es etwas extrem bedrohliches ist. aktuell gibt es einen sehr starken auslöser:

am dienstag habe ich ein OP-vorgespräch für eine OP am auge. ich hatte in meinem leben noch nie eine vollnarkose und spüre, wie mich tiefste ängste, panik und stress beherrschen. warum?

- weil es etwas fremdes ist
- weil man mir mein bewusstsein nimmt, die kontrolle
- man schläfert mich ein und niemand dem ich vertraue kann aufpassen auf mich (nur fremde)
- enthält nicht allein schon die vollnarkose das risiko zu sterben?! erst recht mit psycho-medis?

- weil man ggf. etwas falsch macht, ich nur ein objekt bin. ggf. ein übungsobjekt, wenn ein assistenzarzt zum 1. mal selbst anlegen soll. ein skalpell am auge. und ich bin nur ein fall. niemandem dort liegt persönlich etwas an mir. verpfuscht man es, bin ich statistik. und: blind.
- die schmerzen. oft wirkt bei mir nichtmal novamin sulfon, ein starkes schmerzmittel. wird es dort hilfe geben oder werde ich todesqualen leiden.

man könnte sagen, es ist todesangst. als würde man mich zur schlachtbank bringen. kennt das jemand vielleicht oder kann allgemein etwas zum thema kontrollverlust oder OPs zu sagen? es ist ein konretes beispiel, aber eigentlich auch das urthema kontrolle und vertrauen zu anderen.

liebe grüße, kiwi
saneu1955
Beiträge: 2433
Registriert: 6. Jul 2014, 19:18

Re: Die tiefe Angst vor Kontrollverlust

Beitrag von saneu1955 »

Liebe Kiwi, dein Thema spricht mich sehr an. Dir jetzt sagen zu wollen, du brauchst keine Angst zu haben, wäre völliger Quatsch, ich glaube, jeder hat irgendwie Angst vor einer Vollnarkose.

Das was bei uns Depressiven, Angst erkrankten und...... der Fall ist, ist wirklich die Angst vor dem Kontrollverlust. Mehr oder weniger musste ja jeder mit seinen Ängsten, depressiven Zuständen und so irgendwann mal klar kommen. Immer gab es Auslöser, die auch auf einen Kontrollverlust hindeuten.

Wie möchte ich dir jetzt die Angst ein wenig nehmen, ich erzähle dir einfach mal von mir.

Ich habe vor 28 Jahren meinen Sohn mit einem Notkaiserschnitt auf die Welt gebracht, es war keine Zeit mehr für eine gründliche Vorbereitung. Damals gab es auch noch nicht die Narkosemittel, die heute verwendet werden. Schlußendlich bin ich mehrfach aus der Narkose aufgewacht und keiner hat es so richtig bemerkt. Dieses Trauma hat mich viele Jahre hindurch verfolgt, jede OP war der Horror.
Teilweise habe ich notwendige Operationen nicht machen lassen.

Bis ja dann bis ich wieder quasi von heute auf morgen operiert werden musste. Meine Hüfte war zusammen gebrochen, ich war einfach zu spät gegangen. Viele Jahre unerträgliche Schmerzen gehabt, nur aus Angst.

Und dann ist etwas passiert, was dieses Trauma beendet hat. Ich habe mich auf die Ärzte eingelassen, habe im Vorgespräch meine Ängste und so beschrieben und das war gut so.
Ich bekam schon vorher Beruhigungsmittel, die Antidepressiva wurden auch vorher nicht abgesetzt oder so, auf dem Weg zum OP wurde ich immer ruhiger und gelassener. Ich bin ganz ruhig eingeschlafen und als ich aufwachte, hatte ich keine Schmerzen mehr und fühlte mich einfach nur gut.

Was ich dir damit sagen möchte ist, dass du Angst haben darfst, aber äußere diese Angst auch, dann wird darauf eingegangen.
Die Narkosemittel heutzutage sind so gut, dass sie individuell auf jeden Menschen abgestimmt werden können.

Du erleidest dadurch auch keinen Kontrollverlust, du gibst dich in professionelle Hände.
Die werden ihr möglichstes tun, um dir zu helfen.
Schiebst du es aus Angst immer weiter hinaus, wirst du damit nicht glücklicher im Gegenteil, der Horror mit der Angst hört nicht auf.

Ich hoffe, ich konnte dir ein wenig die Angst nehmen.

LG Saneu1955
Brummi59
Beiträge: 975
Registriert: 15. Aug 2014, 23:13

Re: Die tiefe Angst vor Kontrollverlust

Beitrag von Brummi59 »

Hallo liebe Kiwi,

ich bin ja auch so ein kleiner "Schisser" was den Kontrollverlust angeht.
Vor zwei Jahren hatte ich eine sehr schwere OP. Seltsamerweise bin ich ohne Angst angetreten. Ich hatte ein sehr ausführliches Vorgespräch und mich im Internet schlau gemacht.
Das mich dann die Wundversorgung getriggert hat, konnte Keiner wissen. Nichtmal ich, da ich mein Traumata völlig vergraben hatte.
Sicher ist jedenfalls das selbst ein Assistenzarzt zig Versuche am künstlichen Objekt hatte und jeder kleinste Schritt vom Chef überwacht wird. Ich kann Dir das bestätigen, da meine Schwester als OP-Schwester im KH arbeitet.
Bis auf MAO-Hemmer haben ADs keine Auswirkungen auf eine Narkose. Da bin ich wegen meiner bevorstehenden Hüft-OP genau informiert bin.
Also mach das Kopfkino aus und versuche Dich auf das bessere Sehen zu freuen.
Liebe Grüße
Dieter

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Du könntest dich den ganzen Tag ärgern - du bist aber nicht dazu verpflichtet!
*Arthur Lassen*
Amy1680
Beiträge: 75
Registriert: 1. Jan 2009, 02:08

Re: Die tiefe Angst vor Kontrollverlust

Beitrag von Amy1680 »

***
Zuletzt geändert von Amy1680 am 30. Mär 2016, 17:10, insgesamt 1-mal geändert.
krimi56
Beiträge: 1919
Registriert: 25. Dez 2011, 11:45

Re: Die tiefe Angst vor Kontrollverlust

Beitrag von krimi56 »

Hallo kiwilana,

deine Bedenken verstehe ich.

Ich will jetzt nicht meine ganzen Erfahrungen erzählen.
Nur eins, das ich bei allen größeren OPs gemacht habe:

Bau ein Vertrauensverhältnis zu dem Arzt auf der dich operieren wird und mit der Anästhesie.
Lass dir die Vorgehensweise erklären und erzähle von deinen Ängsten und deinen Medikamenten.

Und denke daran, du gehst in den OP damit dir geholfen wird. Dieser Gedanke war immer mein Begleiter und gab mir Ruhe.

Alles Gute
krimi
"Denk nicht daran, wie viel zu tun ist, welche Schwierigkeiten zu bewältigen sind oder welches Ziel erreicht werden soll, ...sondern widme dich gewissenhaft der kleinen Aufgabe, die gerade ansteht."
- Elisabeth Tova Bailey -
katyfel
Beiträge: 1181
Registriert: 21. Aug 2011, 18:08

Re: Die tiefe Angst vor Kontrollverlust

Beitrag von katyfel »

Hallo Kiwilana,

ich bin grade auch total an dem Thema dran, weil mir meine extreme Panik vor Kontrollverlust grade in ganz verschiedenen Situationen stark aufgefallen und zum Großteil auch zur Last geworden (eigentlich; geblieben) ist.
Ehrlich gesagt weiß ich noch nicht mal, ob ich da grade konkret was zu sagen könnte... vielleicht versuche ich das wann anders.

Zur OP auch noch ein paar Worte von mir;
Ich hab eine AugenOP bisher nur passiv mitbekommen, vor Jahren bei meinem Vater, und da hatte ich (obwohl ich gar nicht betroffen war) auch schon ziemlich Angst. Allerdings hatte er nicht nur total kompetent wirkende Operateure, sondern auch richtig gute Anästhesisten... und so krass ich die Idee von "Rumschnippeln" am Auge finde, so gut sind häufig die Leute, die es machen; schließlich ist dazu auch eine Menge Qualifikation nötig...
Jetzt bekomme ich es bei einer anderen OP auch wieder mit; das Vorgespräch mit dem Anästhesisten war grade (hattest du das schon?) und er soll (allerdings auch wegen einer Vorgeschichte mit Herzrhythmusstörungen) das AD (Citalopram) absetzen.
Und auch die Narkose wurde genau besprochen und beschrieben;
Sie wird über EEG kontrolliert und deshalb kann genau bestimmt werden, dass man weder zu tief weg ist, noch bewegungsunfähig aber wach, sondern eben in genau dem richtigen Zustand.

Trotzdem fänd auch ich es wichtig, auch die Angst anzusprechen, denn auch die spielt sicherlich für die Vorbereitung und Durchführung eine Rolle, schließlich wirst du da auch nervlich erregter sein als andere...

Ich weiß ehrlich gesagt nicht, ob ich das könnte... aber ich glaube, dass es sich lohnt, das "Risiko" einzugehen, um zum einen körperlich etwas zu verbessern, aber zum anderen vielleicht auch über diese Angst hinweg zu kommen...

Liebe Grüße erstmal von mir,
Sinfonia
JanetWeiss
Beiträge: 232
Registriert: 12. Okt 2014, 11:17

Re: Die tiefe Angst vor Kontrollverlust

Beitrag von JanetWeiss »

Liebe Kiwi,

auch ich hatte schon mehrere Operationen, fast alle am Unterleib.
Auch ich bin schon während der OP wach geworden, weil die nicht ernst genommen hatten, wie sehr mein Körper an Schmerzmittel gewöhnt war.
Deshalb möchte ich auch noch einmal unterstreichen, was Saneu geschrieben hat:
saneu1955 hat geschrieben:Und dann ist etwas passiert, was dieses Trauma beendet hat. Ich habe mich auf die Ärzte eingelassen, habe im Vorgespräch meine Ängste und so beschrieben und das war gut so.
Ich bekam schon vorher Beruhigungsmittel, die Antidepressiva wurden auch vorher nicht abgesetzt oder so, auf dem Weg zum OP wurde ich immer ruhiger und gelassener. Ich bin ganz ruhig eingeschlafen und als ich aufwachte, hatte ich keine Schmerzen mehr und fühlte mich einfach nur gut.

Was ich dir damit sagen möchte ist, dass du Angst haben darfst, aber äußere diese Angst auch, dann wird darauf eingegangen.
Die Narkosemittel heutzutage sind so gut, dass sie individuell auf jeden Menschen abgestimmt werden können.
Und denk nicht, du belästigst die Pfleger im Aufwachraum, wenn du noch mehr Schmerzmittel möchtest!!!
Alles Gute wünscht
J a n e t

Ever tried...Ever failed...No matter...Try again...Fail again...Fail better. Samuel Beckett
Katerle
Beiträge: 11383
Registriert: 25. Sep 2014, 10:30

Re: Die tiefe Angst vor Kontrollverlust

Beitrag von Katerle »

Liebe kiwilana,

schließe mich den Worten meiner Vorgänger gerne an. Auch ich habe schon einiges an Operationen hinter mir und anfangs hatte ich noch nicht so sehr Angst, hatte das weggesteckt. Nur in letzter Zeit übekam mich dann doch mehr die Angst vor Narkose und dem Eingriff. Bei meiner letzten OP redete ich mit der Narkoseärztin über meine Angst und es wurde darauf eingegangen. Und als ich dann aufgewacht war, war ich erleichtert. War alles gutgegangen.

Wünsche dir alles Gute, weniger Angst und viel Kraft.
ichbingut
Beiträge: 1015
Registriert: 6. Aug 2014, 00:45

Re: Die tiefe Angst vor Kontrollverlust

Beitrag von ichbingut »

Liebe kiwi,

es ist ja schon alles zu OPs gesagt worden. Ich habe auch schon mehrere OPs hinter mir.

Ich habe immer daran gedacht, dass mein Freund an mich denkt und das ich ja im Grunde nicht alleine bin. In meinen Gedanken ist er bei mir.

Letztens hat mir jemand schlaues gesagt, dass ich zu einem schwierigen Termin ein kuscheltier mitnehmen soll. Tat ich auch, er saß zwar nur in meiner Tasche und ich hab ihm direkt vor dem Termin den Kopf gestreichelt und das hat mir Kraft gegeben. Mach das auch!!!!!!!

Du bekommst übrigens immer vor einer op eine scheiss-egal-Tablette! Da bist du voll entspannt ;)
LG ibg
Der Weg ist das Ziel!
anna54
Beiträge: 3713
Registriert: 14. Sep 2010, 15:08

Re: Die tiefe Angst vor Kontrollverlust

Beitrag von anna54 »

Liebe kiwi
mein Sohn hatte viele Augenoperationen,immer Vollnarkose.

Zuletzt hatten wir einen Narkosearzt,der ein solch gutes Verhältnis zu meinem Sohn aufgebaut hatte,dass ich als Mutter draußen bleiben konnte.
Es ist möglich für dich,deine Ängste und größten Bedenken mitzuteilen,sprich es an,alles was dir im Kopf rumspuckt.
Du willst eine Verbesserung,der Weg ist die Operation,mach dich erst mal auf den Weg,das Vorgespräch ist manchmal nur kurz,daher mach sofort klar,dass du eine Angstpatientin bist,dass du eine besondere Begleitung brauchst.

Alles wenn und aber ist zwar wichtig,aber wenn du kein Vertrauen aufbauen kannst,dann wird es schwer.

Warte ab,wie es dir am Dienstag geht,wer kann dich begleiten?!!!
Ganz liebe Grüße
anna54
kiwilana
Beiträge: 1622
Registriert: 14. Nov 2010, 14:10

Re: Die tiefe Angst vor Kontrollverlust

Beitrag von kiwilana »

ich danke euch von ganzem herzen für eure tollen antworten!

ich werde mein bestmögliches tun, den termin gut zu schaffen.
auch wenn mein freund nicht mit kann, weil er mit grippe im bett liegt.
ich versuche nicht daran zu denken, dass er mir fehlt und ich alleine sein werde.

ich war schon mal in mainz, ich kann das schaffen. ich hoffe so, es wird nicht allzu anstrengend.

erstmal soweit, ich melde mich wieder nach dem termin und hoffe, er schürt keine neue angst...

liebe grüße, kiwi
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