Hallo an alle
möchte ein wenig über Sinn und Sinnsuche schreiben - alles autobiographisch und ohne Anspruch auf (allgemein)gültigkeit und sehr lang und theoretisch - würd mich freuen, wenns den einen oder die andere ein wenig anspricht.
Sinn kann meiner Meinung nach nur sehr individuell BEGRÜNDET werden, indem man sich selbst in Zusammenhänge stellt, die vorher nicht da (oder zumindest nicht sichtbar) waren. Triviales Beispiel ist der Fußballfan, der sich mit seinem Verein identifiziert und alle Spiele frenetisch mitverfolgt - dieser Sinn ist nicht automatisch da, der wurde (vielleicht bewußt. vielleicht unbewußt) von diesem Menschen begründet und bring damit "Sinn" in dessen Leben (ich spreche nicht über die Qualität des Sinns, sondern nur über das Prinzip - Sinn ist nicht etwas, das nur gefunden werden kann - Sinn ist etwas, das aktiv begründet wird! Diesen Mechanismus sollte man verstehen und die große Chance, die darin liegt, erkennen!)
Häufig treten Depressionen ja deswegen auf, weil die bisherigen Sinnzusammenhänge (die man durch Eltern, Erziehung, Gesellschaft usw) mitbekommen hat, plötzlich keinen Wert mehr haben bzw. keine Orientierung (mehr) geben können. Man steht plötzlich "wie nackt im Wind" da und weiß überhaupt nicht mehr, wo oben und unten ist, geschweige denn, wo man eigentlich hin will.
Im Gegensatz zur Generation unserer Eltern (oder besser Großeltern) bieten nun weder die gesellschaftlichen Strukturen, noch Hilfskonstrukte wie z.B. Religionen oder allgemeingültige Normen/Werte etc. Orientierung. Wir haben uns durch die Aufklärung und durch eine enorme Anstrengung Stück für Stück von all den "verbrieften" Normen frei gemacht (und das mit gutem Grund - ich möchte nicht zurück in eine Zeit, in dem das individuelle Leben mit der Geburt vorbestimmt war) und haben aber leider übersehen, das die Befreiung von all diesen Sinnzusammenhängen (wie eben Religionen, Normen, Werten) nur die Hälfte der Arbeit ist. Was nämlich jetzt auf jeden von uns zukommt ist, für uns selbst zu entscheiden, wie ich denn mein Leben "sinnvoll" leben möchte (eine Frage, die (auch) unsere Großeltern kollosal überfordert hätte - aber die hatten ja dieses Problem nicht, da der Sinn des Lebens über größte Strecken unhinterfragbar vorgeben war).
Und da stehen wir nun, mit der vollkommenen Freiheit und gleichzeitig der Aufgabe, den Sinn unseres Lebens selbst zu bestimmen!
Nun gibt es auch heute noch ettliche Institutionen, die uns diese Aufgabe abnehmen können - wir können Salafisten oder Neonazis werden, und uns die (lebenswichtigen!) Sinnzusammenhänge in komplett gefertigten, in sich (scheinbar) schlüssigen Konzepten holen. Oder wir können die (weiteraus mühevollere!) Arbeit machen, diese Zusammenhänge für uns (und nur für uns - daher denke ich auch, das Sinn nur sehr individuell gefunden bzw. begründet werden kann) zu bestimmen.
Dabei werden wir sehr viele Sachen ausprobieren müssen, und uns sehr häufig irren, in die falsche Richtung laufen usw. usf. Auch ist Sinn sehr häufig vom Lebensabschnitt, in dem wir uns befinden, beeinflusst. War es mit 6 der Sinn, die neue Autorennbahn zu bekommen, mit 18 eine gute Berufswahl zu treffen, mit 30 zu heiraten oder, oder, oder
Wir sollten mit uns selber nicht zu hart ins Gericht gehen, wenn wir die Sinnsuche starten. Es reicht völlig aus, erst mal Momente des sinnvollen zu finden. Das können sinnliche Momente sein (ein schöner Spaziergang, ein gutes Essen ...), gute Gespräche mit Freunden, das bewußte genießen eines schönen Musikstückes oder, oder, oder
Sinnsuche (oder besser - Sinnbegründung) ist ein lebenslanger Prozess, indem die Begriffe "richtig" und "falsch" fehl am Platz sind. Es geht viel mehr um "wie fühlt sich das (jetzt gerade!) an" Und mit der Zeit erarbeiten wir uns selbst eine "Sinn-Speisekarte", in der wir (je nach Lust und Laune) auswählen können, was heute gerade Sinn in unser Leben bringen kann.
Würde mich interessieren, wie sinnvoll ihr diesen Beitrag findet
Ben