Der Mut alleine zu stehen..

Shehari

Der Mut alleine zu stehen..

Beitrag von Shehari »

Hallo Forianer,

Ja...der Titel wirkt ein wenig “überambitioniert“. Irgendwie will ich mich wahrscheinlich wichtig machen,in einem Forum wird einem das vielleicht verziehen.

Ich bin nicht neu. War eine Weile abwesend hier im Forum.

Ich wollte Jahrelang selbstgenügsam sein. Was natürlich daher rührt, dass ich Verletzungen v. aussen möglichst vermeiden möchte. Ereignisse, Tragödien möglichst “alleine“ aushalten. Je mehr ich dieses Ideal nacheifere desto aussichtsloser erscheint sie mir. Weil das Gefühl d. Hoffnungslosigkeit enorm schwächt.

Alleine bestehen und bewältigen können ist für mich wichtig. Ich will möglichst Abhängigkeiten vermeiden. Aber Beziehungen bedeuten nicht zwangsläufig Abhängigkeit.

Autonomie bewahren und ein Selbstbewusstsein haben ohne das Gefühl des Ausgeliefert sein.

Was sind da Euere Ansichten?

Freu mich auf Antworten!

Schöne Grüße
Shehari
Cyranoo
Beiträge: 436
Registriert: 25. Aug 2013, 14:40

Re: Der Mut alleine zu stehen..

Beitrag von Cyranoo »

Liebe Shehari,

alleine zu stehen erfordert viel Kraft. Nur wenige stehen gerne allein, meist wird man dazu gezwungen.

Ich habe auch das Gefühl, alleine zu stehen, schon seit ganz vielen Jahren. Bei mir war es sicher kein Mut. Es war eine Notwendigkeit, niemand mochte mich, so schien mir.

Es war die Realität und dann hab ich es irgendwann zur Stärke erklärt.

Ich brauche niemanden, habe ich mir gesagt. Denn ich hatte ja niemanden. Ich brauche keinen Trost, keinen Zuspruch, keinen Austausch.

Was für ein gewaltiger Irrtum. Denn jeder braucht Trost und Zuspruch. Sonst kann man belastende Dinge auf die Dauer nicht verarbeiten, sondern muss sie - wie du schreibst - aushalten. Und irgendwann ist das Maß dann voll.

Du willst dich ganz sicher nicht wichtig machen. Bei dir ist das Maß jetzt einfach auch voll. Du hast zu lange alleine gestanden. Aus welchen Gründen auch immer.

Wie man da raus kommt, kann ich dir auch nicht wirklich sagen, mir ist es auch noch nicht gelungen. Aber ich denke, der Wunsch, nicht mehr alles alleine ausstehen zu müssen, ist ein wichtiger erster Schritt. Und der zweite könnte der Glaube daran sein, dass das auch nicht so sein muss. Dass eine Änderung möglich ist.

Um sich nicht abhängig zu machen ist es wahrscheinlich notwendig, sich langsam mehrere stabile Kontakte aufzubauen, damit nicht alles zusammenbricht, wenn ein Kontakt wegfällt. Und vor Enttäuschungen und Verletzungen kann man sich vermutlich nie ganz schützen.

Ich finde es immer sehr bewegend, wenn du von deiner Situation schreibst. Ich wünsche dir von ganzem Herzen, dass du einen Ansatz findest, deine Situation zu verbessern.

Liebe Grüße, Cyranoo
Shehari

Re: Der Mut alleine zu stehen..

Beitrag von Shehari »

Mehrfach habe ich versucht zu antworten, klappt bloss nicht. Mei....

Ich bin bald da.
Cyranoo
Beiträge: 436
Registriert: 25. Aug 2013, 14:40

Re: Der Mut alleine zu stehen..

Beitrag von Cyranoo »

Liebe Shehari,

mach dir bitte keinen Stress.

Ich glaube, hier hatten einige schon Schwierigkeiten, nachdem sie sich erneut angemeldet hatten. Da scheint es manchmal ein Problem zu geben.

Vielleicht hat jemand einen Rat?

Dir nochmal viele Grüße, irgendwann klappt es, bis bald.
Sonnenblume14
Beiträge: 1038
Registriert: 16. Sep 2014, 18:36

Re: Der Mut alleine zu stehen..

Beitrag von Sonnenblume14 »

Hallo , ich halte es auch für trügerisch zu glauben, niemanden zu brauchen. Als Mensch ist man ein soziales Wesen, das die entsprechenden Kontakte braucht, um alle Bedürfnisse zu befriedigen und im seelischen Ausgleich leben zu können.

Denn nur über diese Kontakte erhält man Bestätigung, Anerkennung und Liebe. Fehlt das, gerät man in s Ungleichgewicht. Nun kann man das natürlich nicht erzwingen, dennoch lassen sich Kontakte auf unterschiedliche Weise herstellen, d.h. auch jemand, der zB zu schüchtern ist und nicht auf andere zugehen mag, könnte zB über das Schreiben dazu kommen, diese Bedürfnisse zu erfüllen.

Wenn ich dich richtig verstehe, meidest du den Kontakt aus Angst, enttäuscht oder verletzt zu werden. natürlich besteht diese Gefahr - aber Meideverhalten ist nicht die Lösung. Es ging eher darum, mit den unvermeidlichen Enttäuschungen (die nun mal dazugehören - und zwar wechselseitig, denn Enttäuschung ist nicht zwangsläufig beabsichtig) richtig umzugehen. D.h. sie als natürlichen Bestandteil des lebens zu akzeptieren. Das ist nicht immer leicht, gerade wenn man von Menschen enttäuscht wird, denen man sehr vertraut hat. DAs hinterlässt Spuren der Verunsicherung und des mißtrauens. Trotzdem sollte man sich immer wieder den Menschen zuwenden - es gibt genügend, die es wert sind, beachtet und geliebt zu werden.

LG Sonnenblume
"Depressionen sind kein Zeichen von Schwäche, sondern dafür, dass jemand zu lange zu stark sein musste" (Johnny Depp)

"Verstehen kann man das Leben nur rückwärts. Leben muss man es vorwärts." Sören Kierkegaard
Shehari

Re: Der Mut alleine zu stehen..

Beitrag von Shehari »

Hallo Cyranoo,

jetzt hat es lange gedauert bis ich eine Antwort verfassen konnte. Jedes Mal war meine Nachricht nicht gespeichert worden! Nun gut, schau mal mal ob es jetzt funktioniert.

Ich habe Dich hier lange nicht gesehen! Danke fürs Schreiben.

Du hast recht, wir brauchen Trost und Zuspruch! Der Mensch (Es gibt sicherlich Ausnahmen)Ist für die Einsamkeit nicht geschaffen worden. Alleinsein bedeutet zwar nicht immer Einsamkeit aber wenn wir in entscheiden Phasen unseres Lebens keine Solidarität erfahren, keinerlei emotionale Unterstützung von außen erhalten, könnte ich mir vorstellen, dass eine stabilisierende Grundlage fehlt.

Das man so in ordnung ist, wie man ist kannte ich als Kind nicht. Ich war meist mangelhaft, lästig und störend. Dieses Bild v. “nicht gut genug“ sein,manifestierte sich in sehr jungen Jahren in meinem Bewusstsein.

Wenn die eigene Verletzlichkeit spürbar wird, was auch zum Mensch sein gehört, ist das für mich, durch die Erfahrung die ich gemacht habe sehr schmerzhaft. Ich möchte dieses Gefühl sehr schnell überwinden.

Es ist wichtig auf neue Beziehnungen einzulassen auch auf die Gefahr hin verletzt und enttäuscht zu werden. Das man nicht daran zerbrechen muss.

Danke, ich wünsche Dir alles Gute!

Shehari
Shehari

Re: Der Mut alleine zu stehen..

Beitrag von Shehari »

Hallo Sonnenblume,

ich gebe Dir Recht, dass man, die Verletzlichkeit akzeptieren muss, weil es ein elementares Bestandteil v. Menschsein bedeutet.

Das Wissen darum ist zwar gegeben aber das Gefühl ist trotzdem sehr mächtig.

Andere Erfahrungen machen und davon zu lernen, da sie alle unterschiedlich sind.


Danke für Deine Worte.

Grüße
Shehari
payasa
Beiträge: 421
Registriert: 3. Sep 2014, 22:15

Re: Der Mut alleine zu stehen..

Beitrag von payasa »

Hallo,

Mut alleine zu stehen? Hm... ich finde, da gehört nicht sehr viel Mut dazu, ich war die meiste Zeit meines Lebens alleine, 14 Jahre erzog ich meine Kinder alleine - Mut? Nein - da muss ich durch oder eben nicht.

Ich fände es viel mutiger, sich auf andere einzulassen - dieser Mut geht mir im Moment völlig ab. Ich weiß, keiner ist eine Insel, ich fühle mich im Moment danach. Im Moment tue ich alles, um nach draußen zu gehen unter Menschen und oftmals ist es auch wirklich schön - aber dann brauch ich wieder Zeit für mich in meiner "Schutz"Wohnung.

Aber das sieht ja jeder anders mit dem Mut - oder ich habs vielleicht auch völlig falsch verstanden ;)
Liebe Grüße


Einsamkeit und das Gefühl unerwünscht zu sein, ist die schlimmste Armut.

Mutter Teresa
Brummi59
Beiträge: 979
Registriert: 15. Aug 2014, 23:13

Re: Der Mut alleine zu stehen..

Beitrag von Brummi59 »

Keiner ist eine Insel - das muß ich erstmal sacken lassen.
Vielleicht fällt mir dazu noch was ein. Aber diese Worte haben mich gerade mächtig getroffen.
Liebe Grüße
Dieter

---------------------------------------------------------------------------------
Du könntest dich den ganzen Tag ärgern - du bist aber nicht dazu verpflichtet!
*Arthur Lassen*
Shehari

Re: Der Mut alleine zu stehen..

Beitrag von Shehari »

Hallo Payasa,

ja es ist mutiger sich auf andere einzulassen. Das stimmt. Mit alleine stehen meine ich auch die Tatsache, dass man eine bestimmte Meinung hat oder besser gesagt Überzeugungen die man vertreten kann auch wenn viele dagegen sind. Die Fähigkeit zu sich selber zu stehen.

Ich habe auch das Denken, dass man alleine sein können muss, da ich Angst habe sonst zu zerbrechen. Auch wenn dies bedeutet erst recht in die Einsamkeit abzurutschen.

Nicht immer einfach....

Shehari
knurr
Beiträge: 63
Registriert: 12. Mai 2014, 00:13

Re: Der Mut alleine zu stehen..

Beitrag von knurr »

hi, wollte mich auch dazu melden. ist nämlich mein thema.

ich glaube, es gibt 2 arten von mut. der eine mut für die außenwelt, für die situationen um einen herum. und der andere mut für innen, für beziehungen, für das eigene innenleben.

ich bin z.b. in ländern alleine herumgetrampt, wo jeder die hände zusammen schlug. und ich fand meine reisen ganz normal. ich stelle ich mich gegen eine allgemeine meinung, trete aber gleichzeitig in den schatten - so nach dem motto "hug, ich habe gesprochen und bin jetzt still."

aber ich bin andererseits nicht in der lage mich zu binden. letztlich "kosten" sie mich mehr als sie mir bringen. und mich auf was neues einzulassen, dazu fehlt mir der mut. da bleibe ich lieber auf der sicheren seite und bleibe alleine. auch wenn das depri-fördernd ist.

habe mir eine einzige ausnahme erlaubt: mein hund. da weiß ich: ihn darf ich ohne hemmungen lieben, denn er tut es auch. außerdem telefoniere ich viel, treffe mich kurz mit anderen, habe liebe freunde, die weit weg wohnen. also alles beziehungen, die mich nie beständig und lang anhaltend einschränken, bedränge könnten.

wenn ich zu lange zeit mit anderen zusammen bin, dann brauche ich das allein sein zum kraft schöpfen. und wenn ich zu lange alleine bin, dann brauche ich die menschen um nicht in der depri zu versinken.

ich glaube, jeder muß seinen goldenen weg finden. und mut braucht es für jeden (auch nur kleinen) schritt von seinem bisher sicheren weg ab -- und seine eigene, andersartige meinung zu vertreten und TROTZDEM bei der gruppe zu bleiben

danke für diesen thread! und liebe grüße - knurr
Cyranoo
Beiträge: 436
Registriert: 25. Aug 2013, 14:40

Re: Der Mut alleine zu stehen..

Beitrag von Cyranoo »

Hallo Shehari,

ja, ich hab' auch immer wieder Phasen, in denen mir das Schreiben ganz schwer fällt. Dann scheint es so, als sei ich weg und das bin ich dann auch irgendwie ... weg in meiner eigenen Traumwelt.

Ich war viele Jahre allein, aber einsam habe ich mich wegen der Depression die meiste Zeit nicht gefühlt. Ich fand es normal, allein zu sein.

Du schreibst, dass du schon als Kind das Gefühl hattest, nicht in Ordnung zu sein. Das tut mir sehr leid, denn ich kenne dieses Gefühl. Und ich weiß, wie tief es sitzt, wenn es einem eben schon in ganz jungen Jahren "eingeimpft" wurde. Da muss man oft ein Leben lang gegen ankämpfen und auch spätere Bestätigungen oder Komplimente oder Zuwendungen kommen nur schwer an.

Ich bin sicher, dass du nicht mangelhaft warst, aber dir wurde der Eindruck vermittelt. Das ist eigentlich das Schlimmste, was man einem Kind antun kann, denn wie soll ein kleines Kind wissen, dass die anderen selbst ein Problem haben?

Wie bereits erwähnt, ich weiß da auch keinen leichten Weg raus. Denn in Begegnungen mit Menschen können Enttäuschungen/Verletzungen immer wieder passieren und die Tatsache, dass man genug davon hatte, schützt einen nicht davor. Ich habe jetzt eine neue ambulante Therapie begonnen. Würde für dich nicht auch die Möglichkeit bestehen und hast du einen guten Arzt? Ich denke, ohne Unterstützung haben es sensible und verletzliche Menschen wie wir sehr schwer.

Viele liebe Grüße
Joerg Peter
Beiträge: 228
Registriert: 13. Nov 2014, 20:20

Re: Der Mut alleine zu stehen..

Beitrag von Joerg Peter »

Hallo,
ich gehöre auch zu den Menschen welche Allein leben. Ob das nun wirklich mutig ist, weiß ich nicht. Jedenfalls habe ich nicht die richtige Partnerin gefunden, mit der ich zusammen leben kann. Und so finde ich es Allein besser. Als wenn man mit jemanden zusammenlebt, wo es nicht wirklich zusammen passt.

Aber vielleicht fehlt mir jetzt ehr der Mut, mit jemanden zusammen leben zu wollen. Oder eine engere Beziehung einzugehen. Vielleicht sollte man (ich) das mal von dieser Seite aus betrachten.
Herzliche Grüße von Joerg Peter
Shehari

Re: Der Mut alleine zu stehen..

Beitrag von Shehari »

Hallo Joerg Peter
Shehari

Re: Der Mut alleine zu stehen..

Beitrag von Shehari »

Ich sehe gerade, dass ich eigentlich nur "Joerg Peter" garnicht alleine posten wollte, häh? Was ist denn da passiert?

Nun gut... Ja..Du hast recht, es ist besser alleine zu sein als eine Partnerschaft einzugehen nur damit man nicht alleine sein muss. Die meisten Menschen, haben Angst vor der Einsamkeit, obwohl ich nicht glaube, dass alleine sein gleichbedeutend ist wie Einsamkeit.

Was ich mit alleine stehen meine, ist dass man nicht in eine existientielle Krise fällt sobald uns Dinge widerfahren. Das heisst nicht, dass man "schwach" wäre wenn dies passiert. Was ich möchte ist eine Art "unverletzbarkeit" erreichen. Aber diese Art von Illusion ist entstanden, weil ich verzweifelt war.

Ja, es gehört auch Mut dazu eine Beziehung einzugehen.

Schöne Grüße
malu60
Beiträge: 4141
Registriert: 28. Dez 2014, 11:31

Re: Der Mut alleine zu stehen..

Beitrag von malu60 »

Hallo Shehari<Da hab ich ja ein Thema bei Dir gefunden,dass mich auch sehr beschäftigt.Meine Karriere des Alleinseins und Stehens ist ganz alt.war als Kind schon allein unter Vielen.Daher wurde aus Einsamkeit wohl das ALLEIN MIT SICH KLARKOMMEN MÜSSEN GEÜBT:Ich hab mich immer unter Freunden wohlgefühlt,aber lieber Hilfe gegeben als genommen.Dieses auch jetzt in der Depression allein sein zu können und keine Hilfe an zunehmen,selbstständig zu bleiben auch im Elend,ist kein Mut.
Es wäre mutig,wenn ich endlich vertraue und zulasse,das ich es Wert bin Hilfe anzunehmen!! Danke ,dass ich das jetzt hier erkennen durfte.Ein gutes 2015 allein unter Menschen die Dich lieben wünscht malu
Leben ist mehr
Botus
Beiträge: 2096
Registriert: 29. Mär 2014, 06:36

Re: Der Mut alleine zu stehen..

Beitrag von Botus »

Aus meiner Sicht steht es im Widerspruch zur Lebenswirklichkeit, davon auszugehen, dass Annahme, Würdigung, Zuspruch (oder das Gegenteil dieser Dinge) Größen sind, die uns von Dritten immer auf der Grundlage ihrer ehrlichen positiven oder negativen Eindrücke, Erfahrungen, Schwingungen, Emotionen etc. entgegen kommen.

Davon mehrheitlich auszugehen ist schon richtig. Aber in vielen Fällen sind die Hintergründe auch ganz anderer Art.

Wenn ich in dieser Hinsicht von jemandem sehr viel Positives erfahren habe, geschah dies vielfach unter dem stillschweigenden Vorbehalt, dass ich im Gegenzug ein gewünschtes Handeln zeige. Zeigte ich das gewünschte Handeln nicht, habe ich von der selben Person, die eben noch von mir hellauf begeistert war, die wirklich übelsten Sachen hinterher geworfen bekommen.

Der eine oder andere hier kennt das vielleicht.

Ich finde, dass sehr viele Menschen nicht emotional, sondern strategisch fühlen. Wer mit solchen Strategen häufig (zu häufig...) konfrontiert wird, muss zwangsläufig zum Einzelgänger werden. Der Schock über das emotionale Vakuum in vielen Mitmenschen ist einfach zu groß.

Es gibt nichts Schlimmeres als mehrfach die Erfahrung zu machen, dass hinter riesengroßen Emotionen anderer (große Liebe / großer Hass) nichts weiter steckte, als eine Belohnung (für artig sein), bzw. eine Bestrafung (für unartig sein).

Ich musste diese Erfahrung mehrfach machen. Deshalb meide ich heute die Art von Menschen, die nicht frei und offen plaudert, sondern jedes Wort strategisch wählt und sich schlau mit seiner Umgebung auspendelt. Ich erwarte von solchen Menschen nur Schlechtes. Ich fühle mich zu Menschen hingezogen, die ihre Ziele aus eigener Kraft erreichen können, somit "frei" und in der Position sind, ihre Mitmenschen nüchtern / neutral genau so sehen und so einstufen zu können, wie sie tatsächlich sind. Leider sind solche Menschen selten.

Liebe Grüße vom Dobi
mime
Beiträge: 1281
Registriert: 6. Sep 2013, 13:28

Re: Der Mut alleine zu stehen..

Beitrag von mime »

Hallo Shehari,

hm, ich weiß zwar nicht so recht, was ich schreiben soll, weil es schon viele Antworten gab, dennoch: Ich denke, dass wir in einem Spannungsverhältnis stehen, was das Alleine / Für sich Stehen und das Gemeinsame / die soziale Komponente betrifft.

Aus eigener Erfahrung kenne ich die Einstellung, sich bloß niemandem anzuvertrauen, weil man ja sowieso nur enttäuscht wird (bzw. werden kann); andererseits habe ich in den vergangenen Jahren auch gute Erfahrungen machen dürfen, dass ich Menschen begegnet bin, die mich azeptieren, wie ich bin, und sogar (manchen jedenfalls), die mich wertschätzen.

Vielleicht fehlt dir diese Erfahrung, dass dir Wertschätzung entgegengebracht wird, von außen, von anderen - das wünsche ich dir sehr. Wir selbst sind oft die besten Kritiker in uns, da kann es gut tun, auch mal Gegenteiliges von außen gesagt / signalisiert zu bekommen.

Den Wunsch nach Unabhängigkeit von der Meinung anderer kann ich sehr gut nachvollziehen - doch wir müssen uns ja nicht gleich abhängig machen von anderen, wenn wir im Miteinander agieren. Der Mut, alleine (für sich einzu-) stehen, ist an sich erst einmal nichts Negatives - es kann ja auch von Selbstbewusstsein zeugen - man muss nur aufpassen, dass man sich dadurch nicht vollkommen isoliert.

Ich kann meine Meinung durchaus alleine vor anderen vertreten, sie müssen mich auch nicht in allen Punkten verstehen, doch in allen Bereichen GANZ alleine auf sich gestellt zu sein, sich absolut alleine zu fühlen, kann auch Verbitterung hervorrufen (das Gefühl kenne ich auch). Also, wird einem wohl - wie immer - nichts anderes übrig bleiben, als den berühmten "goldenen Mittelweg" für sich zu finden zwischen alleine für sich Stehen und sich als soziales Wesen zu fühlen, das durchaus andere zum Leben braucht.

Alles Gute für dich und
viele Grüße
Mime

(Edit: Tippfehlerkorrektur)
Zuletzt geändert von mime am 6. Jan 2015, 22:00, insgesamt 1-mal geändert.
Wir müssen lernen,
die Menschen weniger auf das, was sie tun und unterlassen,
als auf das, was sie erleiden, anzusehen.

(Dietrich Bonhoeffer)
SLSL
Beiträge: 323
Registriert: 7. Apr 2013, 19:41

Re: Der Mut alleine zu stehen..

Beitrag von SLSL »

@dobi, hallo,

das emotionale Vakuum ist der Teil meiner Depression, der mich am meisten belastet!

blauregen
Asha
Beiträge: 21
Registriert: 30. Dez 2014, 22:42

Re: Der Mut alleine zu stehen..

Beitrag von Asha »

Liebe Shehari,

ich glaube, ich bin nicht die Einzige, die sich in deinen Worten wieder erkennt.

Auch ich stand viele schwer belastende Situationen alleine durch, nicht weil ich es wollte, sondern weil ich es musste. Irgendwann hat sich daraus eine Trotzreaktion entwickelt nach dem Motto: Bitteschön, wenn ich das alleine durchstehen muss, dann brauch ich auch keine Hilfe, dann will ich keine. Ich bin alleine stark und alleine groß.

Bei mir ging dieser Schuss leider gewaltig nach Hinten los und die Quittung kam erst ein paar Jahre später.

Im Nachhinein kann man das Geschehene nicht ändern, aber ich glaube, hätte ich damals einen Menschen gehabt, der auch mal für mich hätte da sein können, wäre ich heute nicht da, wo ich nunmal bin.
________________________________________________

Liebe Grüße

Yvonne
JanetWeiss
Beiträge: 232
Registriert: 12. Okt 2014, 11:17

Re: Der Mut alleine zu stehen..

Beitrag von JanetWeiss »

Dobermann hat geschrieben:
Ich finde, dass sehr viele Menschen nicht emotional, sondern strategisch fühlen. Wer mit solchen Strategen häufig (zu häufig...) konfrontiert wird, muss zwangsläufig zum Einzelgänger werden. Der Schock über das emotionale Vakuum in vielen Mitmenschen ist einfach zu groß.
"Strategisch fühlen" - vielen Dank, Dobi! (mal wieder)
Mehr kann ich grad nicht beitragen...
J a n e t

Ever tried...Ever failed...No matter...Try again...Fail again...Fail better. Samuel Beckett
Gerbera
Beiträge: 619
Registriert: 31. Mär 2013, 00:24

Re: Der Mut alleine zu stehen..

Beitrag von Gerbera »

Hallo Shehari,

was meine Vorschreiber/innen zum Thema Mut geschrieben haben, sehe ich auch so. Es erfordert sehr viel mehr Mut, auf andere Menschen zuzugehen, sich ihnen zumindest teilweise zu öffnen, denn es macht verletzlich. Alleine stehen ist nicht Mut sondern Angst zuzuschreiben, der Angst vor eben genau diesen Verletzungen.

Keiner von uns ist davor gefeit, sich in anderen Menschen zu täuschen, mehr in eine Freundschaft hineinzuinterpretieren als darin ist, enttäuscht zu werden. Sonnenblume hat das schon richtig gesehen: man muss lernen, mit Enttäuschungen umzugehen. Und das ist gar nicht so einfach, wie ich aus eigener Erfahrung weiß.

Ich gebe sehr viel und erwarte unbewusst wohl auch sehr viel. Das musste ich in der Therapie erst einmal erkennen, und jetzt versuche ich, meine Erwartungen herunterzuschrauben. Auch das ist nicht so einfach. Aber Menschen sind nun mal, wie sie sind. Nicht jeder ist bereit, für seine Freunde das letzte Hemd zu geben.

Dein Thread erinnert mich intensiv an einen Song von Simon & Garfunkel: I am a rock, I am an island... Dort kommt u.a. vor "... for a rock feels no pain and an island never cries...". Dieses Lied hat mich immer intensiv berührt, denn auch ich habe mich oft so gefühlt. Aber bei genauer Betrachtung war das "nur" ein Gefühl. In Wahrheit war ich nie wirklich allein. Es gab immer Menschen, denen ich wichtig war. Ich habe es nur nicht erkannt. Vielleicht ist das bei Dir genauso.

Allerdings habe ich ein Leben lang nach einem Seelenpartner gesucht, einem Menschen, der mich blind versteht, mich durch und durch kennt und trotzdem akzeptiert und liebt. Insofern ist schon ein Stückchen Einsamkeit vorhanden, trotz Familie und Freunden. Ich glaube, das geht vielen Menschen so, auch Dir. Vielleicht muss man das einfach als Teil seines Lebens akzeptieren und sich geistig eine Liste machen mit Menschen, die für einen da sind, wenn man sie braucht. Die gibt es, nur kann man sie manchmal nicht erkennen, gerade in der Depression, wo man ohnehin alles sehr viel schwärzer sieht, als es ist.

@ Dobermann: es kann schon sein, dass es Menschen gibt, die ganz bewusst aus strategischen Überlegungen heraus Zuwendung geben. Dass das die Mehrheit ist, wage ich zu bezweifeln. Aber ich denke, dass Beziehungen ein Geben und Nehmen sind. Mit anderen Worten erwarte ich von Freunden schon, dass sie mir zur Seite stehen, wenn ich Hilfe brauche. Dafür bin ich umgekehrt auch für sie da. Gibt es da kein Gleichgewicht, kippt über kurz oder lang die Beziehung.

Ich erwarte auch von meinen Kollegen, dass sie mir genauso entgegenkommen wie ich ihnen entgegenkomme. Oder mit anderen Worten: so wie man in den Wald hineinruft, kommt es wieder heraus. Von daher verstehe ich Dich nicht ganz. Könntest Du mal ein Beispiel nennen für Fälle, in denen Du Dich anders benommen hast, als die Leute, die Dir Zuspruch und Anerkennung gegeben haben, erwartet haben? Haben sie zuviel erwartet oder das Falsche? Wie machst Du es denn, wenn Du jemanden Zuwendung gibst? Erwartest Du nicht, dass da etwas zurückkommt, in welcher Form auch immer?

Ich wünsche Euch allen gute Beziehungen zu Euren Mitmenschen, Beziehungen, die auf Gegenseitigkeit beruhen.

Viele Grüße,
Gerbera
Botus
Beiträge: 2096
Registriert: 29. Mär 2014, 06:36

Re: Der Mut alleine zu stehen..

Beitrag von Botus »

Hallo Gerbera,

ich betrachte Bereiche wie z.B. Wärme, Emotionen, Liebe, Leidenschaft, Freundschaft, Partnerschaft, Beziehung, Familie (und so weiter) als "Schatz". Diese Kostbarkeiten befinden sich bei mir in einem gesonderten Gebäude.

Die "geschäftlichen" Bereiche, in denen man Dinge wie z.B. das gegenseitige "Geben & Nehmen" und die "gegenseitige Leistungen" und sonstige Geschäfte vereinbart, befinden sich bei mir woanders (... in einem anderen Gebäude.)

Ein ganz wesentlicher Teil meines Strebens im Leben bestand (und besteht) darin, dass diese beiden Gebäude voneinander getrennt sind und sich niemals miteinander vermischen.

Du hast nach Beispielen gefragt...

Wenn mich eine Person X sehr liebt oder sehr hasst, erwarte ich von dieser Person, dass dieses Gefühl auf dessen Gefühl basiert. (Ich möchte nicht sehr geliebt oder sehr gehasst werden, weil ich jemandem anders große Vorteile oder große Nachteile bringe.)

Wenn eine Person X seine Liebe oder seinen Hass danach verteilt, ob ihm andere Vorteile oder Nachteile bringen, erwarte ich, dass diese Person X mich nicht mit seinen verlogenen Liebes- oder Hass- Bekundungen belästigt.

Ich mag alle Menschen, die "echte" Gefühle haben, "echte" Gefühle mögen und bevorzugen. Ich meide alle Menschen, die wie ein Geschäftsmann auf gute Verträge, gute Geschäfte aus sind. (Wenn ich mit solchen Menschen zu tun haben möchte, fahre ich in die Firma).

Wenn ich jemanden mag oder liebe, dann ist das so und fertig. Ich liebe nicht unter dem Vorbehalt, eine entsprechende (oder anders geartete) Gegenleistung dafür zurück zu erhalten. Ich möchte von Menschen geliebt werden, die das genauso handhaben. Auf die "Liebe" und die "Sympathien" von geschäftsmäßig gesteuerten Menschen kann ich verzichten.

Gefühle, die keine sind (weil sie instrumentellen Hintergrund haben), will ich nicht in meinem Leben drin haben. Ich sage das solchen Leuten auch ganz klar. Wer auf Gegenleistungen aus ist, soll woanders hingehen. Es gibt schließlich genug Leute, die genauso drauf sind.

Ich behaupte nicht, dass das so richtig ist. Es ist lediglich meine Einstellung. Jeder muss selbst wissen, wie er seine Sachen handhabt.

Emotionen sind die kostbarste Währung der Welt. Wer in diesem Bereich selbst manipuliert (oder andere manipulieren lässt) entwertet sein eigenes Vermögen. Wenn jemand traurig ist, dann würde ich ihm sagen, das das nicht nur Schlechtes an sich hat, denn schließlich ist er reich an Vermögen. Echte Emotionen sind immer etwas Wertvolles, auch wenn sie zu Unerwünschtem, wie z.B. tiefer Traurigkeit führen können. Aus diesem Grund mag ich auch Menschen, die depressiv sind. Sie haben Gefühle und erscheinen mir deshalb nicht arm, sondern reich. Die Beiträge hier in diesem Forum bestätigen das auch. Man findet hier keine groben Holzklötze, sondern emotionale und somit wertvolle Menschen.

Liebe Grüße vom Dobi
Gerbera
Beiträge: 619
Registriert: 31. Mär 2013, 00:24

Re: Der Mut alleine zu stehen..

Beitrag von Gerbera »

Hallo Dobi,

so sehr weit sind wir gar nicht voneinander entfernt, wenn ich Dich richtig interpretiere. Klar will auch ich dafür geliebt werden, dass ich bin, wer ich bin, ohne den Hintergedanken von Nützlichkeit oder so, und ich mag Menschen nicht deswegen, weil ich mir von ihnen Vorteile erwarte. Dasselbe gilt für die negative Seite, Stichwort Hass, wobei ich niemanden wirklich hasse oder jemandem etwas Böses wünsche.

Genau wie Du sehe ich echte Freundschaften etc. als etwas sehr Kostbares an, ebenso tiefe Emotionen. Das ändert aber nichts daran, dass ich von Freunden Unterstützung erwarte, z.B. in der Depression, als es mir so richtig schlecht ging, ein paar nette Worte, die ernst gemeinte Nachfrage, wie es mir geht, wirkliches Interesse an mir, nicht nur die oberflächliche Frage, die am besten mit "gut" beantwortet wird.

Warum erwarte ich das? Weil es das ist, was ich selbst gebe, freiwillig und ohne eine direkte Gegenleistung zu erwarten. Aber ich gebe zu, es hat mich sehr verletzt, wie manche Menschen meinen Zustand ignoriert bzw. darauf reagiert haben, Menschen, die ich für wirkliche Freunde gehalten und auf die ich gezählt habe.

Wie das in Dein Konzept passt, weiß ich nicht so genau, aber ich finde die Diskussion mit Dir sehr interessant. Danke dafür!

Liebe Grüße,
Gerbera
Botus
Beiträge: 2096
Registriert: 29. Mär 2014, 06:36

Re: Der Mut alleine zu stehen..

Beitrag von Botus »

Hallo Gerbera,

Es gibt nicht nur die Konstellation, dass es einem selbst schlecht geht, worauf Vertraute dann wahlweise mit Positivem (einem Pluspol) oder mit Desinteresse (keinem Anschluß) reagieren. Es gibt auch die Konstellation, dass es einem gut geht, worauf andere dann reagieren, indem sie Negatives sehen und melden.

Ich bin jemand, der seine Ziele nie hoch steckte, sondern Erreichbares anstrebte. Für diese (erreichbaren, nicht so hohen) Ziele war ich bereit, dreifachen Einsatz zu zeigen. Wenn man das so handhabt, erreicht man seine Ziele. Das geht quasi automatisch.

Viele meiner Altergenossen machten es genau anders herum. Sie hatten ursprünglich mal sehr hohe Ziele, höchste Ansprüche und Erwartungen. Analog dazu mangelte es an Einsatz. Diese Kombination führte dazu, dass manches nicht erreicht oder verfehlt wurde, einige fühlen sich sogar wie gescheitert. Im Beruf ist es anders gelaufen, in einer Ehe ist es anders gelaufen, in der Familie ist es anders gelaufen, bei den Finanzen..., und so weiter.

Das führt dazu, dass ein Öffnen gegenüber eigentlich Vertrauten vielfach nicht möglich ist, weil ihr Wunsch, sich zu unterhalten, im Grunde nichts weiter darstellt, als den Versuch, sich selbst zu jemandem mit hohem Potenzial zu erklären und bei mir überall irgendwelche Mängel zu sehen und zu melden. Mir werden dann Probleme unterstellt, die ich glücklicherweise überhaupt nicht habe und die in Bereichen liegen, die bei mir nicht problematisch sind. Man projeziert seine eigenen Sachen auf mich. Ich werde überhaupt nicht gesehen und meine Sorgen schon gar nicht.

Natürlich wünscht man sich jemandem zu Reden. Aber die Auswahl ist aus den oben geschilderten Gründen gering. Viele sind nicht wirklich offen für einen ehrlichen Austausch. Viele sehen nur sich selbst und ihre Probleme. Sie wünschen sich (insgeheim), dass es anderen genauso schlecht oder schlechter geht als ihnen selbst, um sich mit dem eigenen Schicksal besser zu fühlen. Das ist heute ein gesellschaftliches Massenphänomen.

Liebe Grüße vom Dobi
Antworten