Geben und Nehmen

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Sonnenblume14
Beiträge: 1038
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Geben und Nehmen

Beitrag von Sonnenblume14 »

Hallo, mich beschäftigt seit der letzten Therapiestunde etwas, das ich einfach einmal zur Diskussion stellen möchte, da es zum Beispiel auch in den Freundinnenthread eingreift.

Es ging um alltägliche Dinge des Familienlebens - Enttäuschungen, weil man selber das Gefühl hat, ALLES zu erledigen und die Gegenleistung in selbstverständlicher Annahme des Gegebenen besteht. Punkt. Ich hätte gern mehr Wertschätzung. Für die tägliche Hausarbeit, für das Bügeln und Waschen, für die kleinen Aufmerksamkeiten, die cih zwischendurch mal mitbringe. Ich habe das in meinem Elternhaus anders erlebt - da war es ein Geben und Nehmen.

Daraufhin meinte meine Therapeutin, es sei keine gute Idee, für das, was man gibt, eine Gegenleistung zu erwarten, das ende oft in Enttäuschung, die sich mit der Zeit in massiven Frust und Ärger entlädt. Stimmt. Es frustet. Ich habe erkannt, dass ich die Situation nicht ändern kann, da ich mein Umfeld nicht ändern kann. Also muss ich meine Einstellung ändern. Akzeptieren, dass keine Gegenleistung kommt? Mein eigenes Geben einstellen/reduzieren? Mit letzterem ändere ich MICH, aber will ich das?
Ich ziehe sehr viel Bestätigung und Freude daraus, anderen eine Freude zu machen. Ist irgendwie ein Kreis ... der mir theoretisch klar ist, aber momentan weiß ich noch nicht, was ich mit dieser Erkenntnis anfangen soll.

Geht übrigens hauptsächlich um die Reaktionen der fast erwachsenen Kinder, nicht um die des Partners (da sieht es völlig anders aus).

Liebe Nikolausgruesse
Sonnenblume
"Depressionen sind kein Zeichen von Schwäche, sondern dafür, dass jemand zu lange zu stark sein musste" (Johnny Depp)

"Verstehen kann man das Leben nur rückwärts. Leben muss man es vorwärts." Sören Kierkegaard
saneu1955
Beiträge: 2433
Registriert: 6. Jul 2014, 19:18

Re: Geben und Nehmen

Beitrag von saneu1955 »

Liebe Sonnenblume, geben und nehmen ist an für sich eine schöne Sache, nur sieht dies sicherlich jeder anders.
Du gibst, um vielleicht Aufmerksamkeit und Dankbarkeit zu erwarten. Das sehen die anderen vielleicht anders.
Mir ist dies nur allzu sehr bekannt. Ich habe auch immer getan, verschenkt, bin für andere da gewesen und habe mir gedacht, wenn ich dies bräuchte, wären die anderen auch für mich da.
Oftmals war es nicht so. Heute weis ich warum. Die anderen konnten meine Erwartungen einfach nicht erfüllen. Denn bei all diesem war es nur ein Wunsch, der in mir war, geliebt zu werden wie ein Kind von seiner Mutter geliebt werden sollte. Und das kann mir keiner geben. Der Zug ist lange abgefahren.

Du sprichst auch von deinen fast erwachsenen Kindern. Du denkst, sie müssten dir doch endlich mal etwas von dem zurück geben, was du für sie getan hast. Ich glaube, auch das funktioniert nicht. Ich z. B. wollte alles anders machen bei meinen Kindern, als ich es erlebt habe. Und dabei habe ich nicht bemerkt, dass ich ihnen eigentlich alles vor die Füße gelegt habe. Für sie ist das einfach nur normal. Und doch sind sie dankbar, auf ihre Weise, nur das merkt man oft nicht.

Geben und nehmen kann doch auch einfach nur eine einfache Geste sein, ein einfaches gesprochenes Wort oder so.
Heute z. B., ich habe ja schon darüber geschrieben, dass für mich heute ein schwerer Tag ist, der Geburtstag meines verstorbenen Sohnes. Meine anderen beiden Kinder haben heute spontan zur gleichen Zeit bei mir angerufen und mich gefragt, wie es mir geht. Das fand ich sehr schön, früher hätte ich mir gewünscht, dass sie vorbei gekommen wären, heute freue ich mich über den Anruf.
Ich habe lange gebraucht, bis ich dies begriffen habe.

Saneu1955
qwertzuiop

Re: Geben und Nehmen

Beitrag von qwertzuiop »

@Sonnenblume14

alle beziehungen funktionieren nur über ein geben und nehmen.
die krux ist, dass nicht 1:1 funktioniert. weder zeitlich noch quantitative/qualitative.
wichtig ist, dass es mittelfristig die erwartungen zusammen passen.

wer gibt darf aber auch ein bekommen erwarten.
bei kindern läuft das allerdings etwas anders. die bekommen nur und geben es dann an ihre kinder weiter
Gerbera
Beiträge: 619
Registriert: 31. Mär 2013, 00:24

Re: Geben und Nehmen

Beitrag von Gerbera »

Hallo Sonnenblume,

es überrascht mich immer wieder, wie sich die Themen gleichen. Geben und Nehmen, damit verknüpfte Erwartungen - kommt mir sehr bekannt vor. Wenn es Dir Freude macht, Anderen eine Freude zu machen, gibt es keine realistischen Grund dafür, daran etwas zu ändern.

Vielleicht hilft es Dir, wenn Du Dir bewusst machst, dass Du freiwillig gibst, ohne Aufforderung, einfach so. Keiner bittet Dich darum, keiner fordert es von Dir. Du tust es, weil es Dir Freude macht, wenn sich die Leute freuen, denen Du gibst, Zeit, Zuwendung, kleine Geschenke, was auch immer. Du tust also nicht nur ihnen etwas Gutes, sondern auch Dir selbst.

Ich habe schon immer viel gegeben, allen, auch Freunden und Kollegen. Meine Thera hat das mal hinterfragt, wollte wissen, warum ich das tue. Gute Frage! Ich bin mir noch immer nicht sicher, ob ich einfach so bin, altruistisch, oder ob ich mir damit sozusagen Zuneigung "kaufen" will.

Ich denke, Du lebst Deinen Kindern etwas vor, was vielleicht erst später Wirkung zeigt. Ich weiß nicht, wie alt sie sind, aber ich kann Dir aus eigener Erfahrung sagen, dass mein Sohn erst jetzt, mit 28/29 Jahren zu schätzen weiß, was ich ihm gegeben habe in all der Zeit. Heute höre ich ein "Danke" von ihm, wenn ich ihn und seine Frau bekoche, ausnahmsweise ihre Wäsche wasche oder die Katzen hüte. Er bietet auch mal von sich aus Hilfe an, sagt gelegentlich, dass er es toll fand, dass er immer auf mich zählen konnte und kann.

Meine Tochter ist da anders. Von ihr kam schon immer sehr viel mehr zurück, in Worten und in Taten. Menschen sind eben verschieden. Sie hat mir schon früh kleine Bildchen gemalt, zum Muttertag Karten gebastelt, sich überlegt, worüber die Mama sich freuen würde.

Herzliche Grüße,
Gerbera
payasa
Beiträge: 421
Registriert: 3. Sep 2014, 22:15

Re: Geben und Nehmen

Beitrag von payasa »

Guten Morgen,

Gerbera, da fällt mir direkt ein, wie Mädchen sich auch bemühen, "lieb" zu sein, Jungs machen das eher weniger.... irgendwie beunruhigt mich das. Ich wollte immer, dass meine Tochter wild und frech ist, sich die Wurst nicht vom Brot ziehen lässt, zur Folge, dass sie manchmal ganz schön zickig ist, aber sie sagt, was sie denkt - manchmal vielleicht ein bisschen schnell - aber die Bauchschmerzen, die ich habe, weil ich so viel schlucke, die hat sie nicht. Aber das ist ein anderes Thema.

Ich glaube, man sollte nicht zählen, ich hab jetzt zwei Mal etwas getan, jetzt ist der andere dran und ich glaube auch nicht, dass du das tust, liebe Sonnenblume. Aber ich glaube auch, so edel ist kein Mensch, dass er NUR um des Gebens Willen gibt. Irgendwann sollte man auch nehmen dürfen und notfalls dieses Nehmen auch einfordern!

Mein Ex-Bayer war 6 Jahre lang gerührt, weil ich zum Geburtstag, zum Nikolaus, zum Valentin seinen Frühstücksplatz schön schmückte (wie ich das bei den Kindern immer gemacht hatte), Blümchen standen da, Kerzen... "ach, jetzt hab ich gar nichts für dich" - das hat er 6 Jahre lang gesagt!!!! Im 7. Jahr hab ich damit aufgehört. Man kann natürlich sagen, huch, auf einmal war Nikolaus, oder, er hatte das vielleicht in Kindheitstagen so nicht erlebt, oder, er war einfach vergesslich, aber nur nehmen und nichts zurückgeben geht für mich gar nicht.

Und für die Kinder seh ich das genauso. Natürlich nehmen Kinder mehr, als sie geben - sie müssen ja ihr Säckchen füllen, das sie für ihre Kinder wieder leeren, nichts desto Trotz sollte man Kindern nicht vorleben, ach die Mama gibt (gerne...) und braucht nichts dafür zurück. Doch! Braucht sie! Ich hab gesehen, was du machst, Mama - danke! Das ist nicht zu viel verlangt finde ich.
Liebe Grüße


Einsamkeit und das Gefühl unerwünscht zu sein, ist die schlimmste Armut.

Mutter Teresa
Sonnenblume14
Beiträge: 1038
Registriert: 16. Sep 2014, 18:36

Re: Geben und Nehmen

Beitrag von Sonnenblume14 »

Hallo Ihr,

ich freue mich wirklcih über die schönen und unterschiedlichen Reaktionen, die meine Gedanken tatsächlich auch in eine andere Richtung gelenkt haben. Es ist schön, andere Sichtweisen zu lesen und auf sich wirken zu lassen.

Es ist wirklcih so, dass ich es auch so empfunden habe, dass mein eigenes Verhältnis zum Elternhaus und meine Dankbarkeit sich (in anderer Form als Blumenkaufen) erst später entwickelt hat. Mit der Geburt und dem Heranwachsen der eigenen Kinder kommen die "Deja-vu" Erlebnisse auf Mutterseite. Plötzlich wird klar, wo man verletzt hat - unbewusst. Ändert aber nichts daran, dass man sich selber in der Mutterrolle dann verletzt fühlt.

@Saneu ... ja, du sprichst da was an. Sie sind sicher dankbar. Auf ihre Weise. Und natürlich bemüht man sich, die "Fehler" der Eltern zu vermeiden. mein Elternhaus war sehr streng, vielleicht war ich zu locker, zu wenig konsequent. Nichts ist perfekt. Ich habe unter dem Leistungsdruck und den Erwartungen gelitten - und meine Kinder nicht in dieser Weise gedrillt. Es ist sogar schwer zu definieren, WAS ich eigentlich erwarte? Dass sie sich glücklicher fühlen als ich - und ich stelle fest, dass sie auch ihre Probleme haben und manchmal heulend im Zimmer sitzen?!
Für mcih ist momentan vieles mit Ablösung und Trennung verbunden,d as macht alle Empfindungen besonders schmerzhaft.

Gleichzeitig, und das spricht @payasas Beitrag an, lief die Erziehung in die Richtung "sag deine Meinung", bilde dir ein eigenes Bild und vertrete deinen Standpunkt. Das richtet sich zwangsläufig auch gegen die Eltern und sorgt für Konflikte. Plötzlich steht man selber am Pranger, weil die Vorbildfunktion infrage gestellt wird.

Und nein, es läuft nicht 1:1, schon gar nicht im Mutter-Kind-Verhältnis. Das wäre illusorisch. Vielleicht, in einigen Fällen,a uf das gesamte Leben bezogen. Irgendwann kommt der Punkt, wo man den Eltern etwas zurückgeben kann. Und auch hier muss man aufpassen, dass diese Einsicht nicht darin mündet, zuviel von sich zu geben, um als Kind quasi eine Schuld abtragen zu wollen. Zwei Themen, an denen ich massiv rumbeisse. Fast pflegebedürftige Eltern und Kinder mit Auszugsplänen können das Leben heftigst durcheinanderwirbeln.

Einen schönen Adventssonntag,
Eure Sonnenblume
"Depressionen sind kein Zeichen von Schwäche, sondern dafür, dass jemand zu lange zu stark sein musste" (Johnny Depp)

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MaritaT
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Re: Geben und Nehmen

Beitrag von MaritaT »

Also muss ich meine Einstellung ändern. Akzeptieren, dass keine Gegenleistung kommt? Mein eigenes Geben einstellen/reduzieren? Mit letzterem ändere ich MICH, aber will ich das?
Schwere Frage, aber ich denke Du willst vielleicht doch, nur mit anderem Denkansatz.

Meine Kinder haben mir ständig irgendendetwas gegeben, meistens Freude, Lachen, aber auch Nachdenkliches. Sie haben mir ihre kindliche Denkweise geschenkt, etwas was ich als Erwachsene fast schon vergessen hatte. Jetzt sind sie erwachsen und geben mir auch etwas zurück, die Frage wie geht es Dir, wir haben im Augenblick gerade einen Todesfall in der Familie, das tut gut. Es sind oft ganz ganz kleine Dinge, die sie geben, nichts was man gegeneinander aufrechnen kann. Die Schwierigkeit liegt vielleicht darin, das auch sehen zu können und nicht im Alltag untergehen zu lassen.

Ich würde es mir eigentlich nie einfallen lassen, meiner Freundin, die sich gerade in unverbindlichen Smalltalk übt, sauer zu sein. Im Gegenteil, das würde mich eher freuen. Wenn es ihr gutgeht, geht es mir auch gut, so einfach ist das.

Sich an der Freude zu erfreuen, ich glaube, das verlernen wir immer mehr. Ich weiß nicht, ob das nur Depressive tun, oder ob es dem schnelllebigen Zeitgeist geschuldet ist.

Ich für mich selbst werde aber in dieser Hinsicht sehr achtsam sein. Das Leben ist schwer genug, ich muss es mir nicht noch schwerer machen.

Vielleicht wäre das ja eine Denkweise, die Dir auch gefallen würde.

Liebe Grüße Marita
Die beste Zeit einen Baum zu pflanzen war vor 20 Jahren. Die nächstbeste Zeit ist: Jetzt.
afrikanische Weisheit
saneu1955
Beiträge: 2433
Registriert: 6. Jul 2014, 19:18

Re: Geben und Nehmen

Beitrag von saneu1955 »

Liebe Sonnenblume, du schreibst:

"Fast pflegebedürftige Eltern und Kinder mit Auszugsplänen können das Leben heftigst durcheinanderwirbeln."

Genauso ist es es. Erst waren wir immer für unsere Kinder da, sie werden nun flügge und gehen ihre eigenen Wege. Man denkt, oh schön, jetzt bist du mal dran. Dann aber werden unsere Eltern alt, sie benötigen Hilfe und wieder sind wir in der Pflicht zu geben. Das ist schon nicht einfach.
Wir sind es ja gewöhnt und es hat sich in uns verinnerlicht, immer und überall zu helfen.
Und trotzdem denken wir halt auch immer, warum gibt uns nicht mal jemand was.
Doch es gibt etwas. Als mein Vater damals so dement wurde, dass er in eine Pflegeheim musste, habe ich ihn betreut, meine Mutter hat das mal wieder galant an mich abgegeben. Mein Vater war nicht immer nett mit mir, im Gegenteil, ich war ihm nicht gut genug. Irgendwann einmal in einem lichten Moment sagt er zu mir: "Warum kümmerst du dich denn um mich, wo ich immer so schlecht zu dir war?". Ich war sprachlos, all die Jahre hatte ich auf so eine Aussage gewartet und jetzt, wo er immer mehr in seiner Welt versank, dachte er doch daran. Damit gab er mir soviel, das werde ich auch nie vergessen. Und nun das Gegenteil, auch meine Mutter wurde dann verwirrt, das gleiche Spiel und eine völlig andere Aussage: "Du willst doch nur an mein Geld, du Miststück", sie wollte immer noch nehmen, von Dankbarkeit keine Spur.

Unsere Kinder werden das auch machen, es gibt eine Zeit, wo sie es wahrscheinlich nicht können, weil sie sich noch in der Entwicklung befinden. Aber sobald sie selbst Eltern sind, ändert sich das. Und dann ist es doch gut so, dass wir ihnen das mit gegeben haben.

LG Saneu1955
Galaxis
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Registriert: 20. Nov 2014, 22:49

Re: Geben und Nehmen

Beitrag von Galaxis »

Meistens bekommt man von Menschen, von denen man nichts erwartet mehr, als von Leuten, von denen man ausgeht etwas zu bekommen. Ich war schon oft für Leute da, wenn Not am Mann war; aber wenn ich dann mal Hilfe brauchte, dann kam diese meistens nicht von denen Personen zurück, von denen ich das erwartet hätte. Aufwiegen kann man die ganze Sache sowieso nicht, da wie schon gesagt, die Enttäuschung dann groß sind.

Diesen Spruch habe ich auch oft von meiner Mutter gehört. Erwarte nichts, dann kannst Du auch nicht enttäuscht werden! Aber haben wir nicht alle Erwartungen???
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