Depressionen bei Männern (Reaktionsweise der Öffentlichkeit)

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Boogie_Nights
Beiträge: 19
Registriert: 4. Nov 2003, 15:21

Depressionen bei Männern (Reaktionsweise der Öffentlichkeit)

Beitrag von Boogie_Nights »

Hi,

ich habe folgende Frage an euch. Meint ihr es gibt einen Unterschied bei Depressionen zwischen Männern und Frauen. Ich meine damit gehen sie anders damit um, oder kann man das nicht so geschlechterspezifisch einteilen.
Bzw. reagiert die Öffentlichkeit bei Männern und Frauen anders darauf?

Ich bin männlich und 24 Jahre alt.

Ich habe z. B. schon öfters erlebt z. B. in der Arbeit wenn ich Depressionen hatte und einen traurigen Gesichtsausdruck den ganzen Tag über hatte. Dass da schon öfters blöde Sprüche von anderen Männern gekommen sind. Und die das ganze veräppelt haben.

Ich meine mit diesem Beispiel soweit man mir noch folgen kann. Dass ich glaube dass man das noch mehr verstehen kann wenn eine Frau traurig drauf ist oder in der Arbeit weint.
Ist nur so eine Theorie würde gerne wissen was ihr dazu meint.

Liebe Grüße,


Boogie_Nights
Steffchen
Beiträge: 45
Registriert: 4. Nov 2003, 08:07

Re: Depressionen bei Männern (Reaktionsweise der Öffentlichkeit)

Beitrag von Steffchen »

Hallo,

ich denke, daß gerade bei handwerklichen oder bzw. bei typischen Männerberufen (auch wenn da eigentlich mittlerweile kein Unterschied mehr sein sollte) die Arbeitskollegen das nicht so tolerieren oder verstehen, wenns einem nicht gut geht. Daß das nicht richtig ist, ist klar. Aber leider gibt es sehr viele engstirnige Leute, die eben keine Ahnung von der Krankheit haben. Zu mir hat man auch schon geesagt: "Du Mimöschen, Du redest Dir das nur ein"!!!!!!. Und außerdem ist es doch eh schon völlig daneben, wenn einer einen blöden Spruch bringt, wo er doch sieht, daß dem anderen nicht gut geht.
Ich glaube Frauen sind da verständnisvoller. Aber am besten verstehen können das nur die Leute, die entweder selbst depressiv sind, oder jemanden kennen der depressiv ist, und sich auch mit der Krankheit auseinandergesetzt haben.

Traurig, daß es solche Leute gibt.
Hab mir auch schon oft gewünscht, daß solche Leute sich auch mal so fühlen, wie ich, wenns mir schlecht geht. Nur daß Sie erfahren, wie das ist.
Wünsche keinem diese Krankheit! Nicht, daß das einer falsch versteht!!

Viele Grüße

Steffchen
ff
Beiträge: 80
Registriert: 25. Aug 2003, 22:44

Re: Depressionen bei Männern (Reaktionsweise der Öffentlichkeit)

Beitrag von ff »

Hallo Geschlechtsgenosse,

ich glaube, dass generell in der Öffentlichkeit das Wissen über die Krankheit Depression sehr dürftig ist.
Eine Freundin von mir wird auf der Arbeitsstelle von ihren Kolleginnen (!)deswegen gemobbt.Man sieht eben nichts, keine Gehhilfen, keine Verbände, eben keine äußeren Verletzungen.
Bin seit vier Monaten aufgrund meiner Depression arbeitsunfähig geschrieben und keiner auf meiner Arbeitsstelle hat eine Ahnung. Gebe irgendwelche schlimme körperliche Krankheiten auf nachhaltige Fragen als Begründung an, um das lange Fehlen zu erklären.
Ich habe eine These, dass bei Männern die Depression sich verkleidet und sich entweder zum Herzinfarkt entwickelt oder in den Alkoholismus endet. Die meisten Männer reflektieren und analysieren ihr Selbst zu wenig oder gar nicht und übersehen die Symptome, die typisch für eine Depression sind. Ratlos flüchen sie in den Alkohol,oder andere Drogen bzw. Suchtvarianten.Oder sie fressen alles in sich hinein, ignorieren die Symptome, der Körper kriegt Stress, Herzinfarkt.
Aber im Privaten stehen Frauen meiner Erfahrung nach empfänglicher und verständnisvoller dem "Seelenkrebs" gegenüber.
Männer scheinen bei diesem Thema überfordert zu sein (außer mein Psychiater und Therapeut).
Aber Depression ist leider in der westlichen Welt zu einer Volkskrankheit geworden, über die man nicht spricht, aber trotzdem ein Thema in den Medien ist.
Es ist so, als hätte man nichts gegen Homosexualität, aber bloß nicht in der eigenen Familie oder Farbige sind tolle Menschen, aber nicht als Chef oder Schwiegersohn.
Wir sehen doch, dass wir alle gerade in diesem Forum ein Ventil suchen und haben, um uns über diese Krankheit weiter zu informieren und uns auszutauschen.
Ein langer Weg steht noch vor uns, aber gemeinsam schaffen wir's.
ein
tomroerich
Beiträge: 3102
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52
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Re: Depressionen bei Männern (Reaktionsweise der Öffentlichkeit)

Beitrag von tomroerich »

In vielen Symptomen ist die Depr. bei Männern das Gegenteil von dem, was einen Mann angeblich zum Mann macht:

Traurigkeit statt Sich-Zusammenreißen
Antriebslosigkeit statt Tatkraft
Verzagtheit statt Mut
Angst statt Entschlossenheit
Kraftlosigkeit statt Power
Perspektivlosigkeit statt Planung
Tränen statt ???
Versagen statt Funktionieren
Untergehen statt Durchsetzung
Nichtswissen statt Alleswissen
Lustlosigkeit statt Potenz
u.s.w.


Männer, die eine solche Definition vom Mannsein erfüllen wollen, geraten gerade deshalb in die Krankheit und werden von ihrer männlichen Umwelt dann in der Krankheitsphase weiter entwertet und in der Depr. festgehalten. Als ich vor fast 11 Jahren krank wurde, redete mir ein Mitinhaber meiner Firma in der Weise nach, er habe ja schon immer gewusst, dass ich ein Schwächling und Weichei sei. Dabei habe ich als Geschäftsführer der Firma, an der er nur still beteiligt ist, über viele Jahre gute Gewinne erwirtschaftet, die auch ihm gutes Geld beschert haben. Bloß: Ich kann zwar Leistung bringen aber ich entspreche trotzdem nicht diesem Männerbild. Das sah er, die Leistung nicht. Ironischerweise erkrankte er selbst etwa 4 Jahre später. Sein Lebensplan war: Ich ackere wie blöd bis ich 50 bin und gehe dann nach Australien (Farm hat er schon dort). Er zeigte alle Anzeichen einer schweren Depression, verfiel regelrecht, konnte kaum noch sprechen. Aber für ihn war klar: ER HAT KEINE DEPRESSION, ER NICHT!! Es musste Parkinson sein, eine seltene Abart vielleicht, denn er sprach nicht an auf Medis für Parkinson. Aber er versucht bis heute, sein Parkinson zu kurieren obwohl kein Arzt je diese Diagnose stellen wollte. Extrem vielleicht, aber trotzdem sehr typisch für "richtige" Kerle. Männlichkeit bis zum völligen Realitätsverlust. Sowas passiert Frauen einfach nicht so leicht.

Grüße

Thomas
Betroffene für Betroffene

http://www.depressionsliga.de
Boogie_Nights
Beiträge: 19
Registriert: 4. Nov 2003, 15:21

Re: Depressionen bei Männern (Reaktionsweise der Öffentlichkeit)

Beitrag von Boogie_Nights »

Danke für die guten Kommentare, tut gut wenn man weiss dass es einem nicht nur selbst so geht.

Zu dem Thema gibt es ja auch einen guten Song von Herbert Grönemaier "Wann ist ein Mann ein Mann".

Ich sehe mitlerweile das auch so mit der Depression bei Männern. Wenn man aus der Depression heraus ist, dass man auch ihr positives Potenzial durchaus erkennen kann.
Da man vielleicht dadurch besser mit Gefühlen umgehen kann und andere dadurch auch besser verstehen kann.
Bei mir sehe ich wenn es mir gut geht dass ich mitlerweile viel bessere Chancen bei Frauen haben, da ich mit meinen Gefühlen jetzt besser verbunden bin oder besser auf sie eingehen kann.

Natürlich erschwert die Depression auch die Partnersuche und alles was dazu gehört aber es gibt auch positives was einem erst später vielleicht bewusst wird.

lg

Boogie_Nights
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