Depression nach Missbrauch

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Frau Waas
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Depression nach Missbrauch

Beitrag von Frau Waas »

Hallo,

ich bin neu hier.

Ich bin 48 Jahre alt und Asperger-Autistin.
Depressionen begleiten mich schon mein Leben lang. Ebenso eine Angststörung.
Nun habe ich etwas erlebt, das mich völlig aus der Bahn geworfen hat und die schlimmste Depressionsphase meines bisherigen Lebens ausgelöst hat.

Mein Tochter (14) ist ebenfalls Asperger-Autistin und hat vor einem Jahr eine autismusspezifische Therapie begonnen. Ihr Therapeut ist Psychologe und war der Leiter der Praxis. Er war von Anfang an unheimlich nett zu uns beiden und hat sich ganz toll gekümmert. Wir haben uns sehr gut verstanden, und meiner Tochter hat die Therapie sehr gut getan.
Der Therapeut sagte uns, wir seien etwas ganz Besonderes und seine Freunde. Ich durfte mit ihm auch über meine Probleme sprechen, er hat mir seine Hilfe angeboten.

Ich habe mich verliebt und konnte mein Glück kaum fassen, als er mir sagte, dass es ihm ebenso geht. Wir begannen eine wundervolle Beziehung. Ich habe ihm absolut vertraut und war unglaublich glücklich. Ich fühlte mich so geborgen. Er sagte, er wolle mit mir und meiner Tochter zusammenleben. Ich habe mich von meinem Mann getrennt. Er schaffte es aber nicht, sich von seiner Frau zu trennen. Als unsere heimliche Liebe aufflog, hat er sehr viel Ärger mit seinem Chef und seiner Frau bekommen. Er hat dann behauptet, alles sei von mir ausgegangen, und ich hätte eine gemeinsame Zukunft geplant, was für ihn aber nicht in Frage gekommen sei.

Meine Tochter und mich ließ er von einem Tag auf den anderen im Stich. Ich wäre an dem Schmerz beinahe zugrunde gegangen. Wenn meine Tochter nicht gewesen wäre, hätte ich meinem Leben ein Ende gesetzt. Ich konnte nicht mehr essen, nicht mehr schlafen, kaum atmen, habe meine Arme geritzt. Auf meine Hilferufe reagierte der Therapeut nicht, blockierte alle Kontakte. Von seinem Kollegen, an den ich mich gewendet habe, bekam ich nur Verachtung.

Ich habe Hilfe bei Beratungsstellen und Ärzten gefunden und warte nun auf meine Psychotherapie. Alle haben gesagt, dass es Missbrauch war. Der Therapeut wusste von meiner Behinderung und von meinen Depressionen und Ängsten. Erst habe ich ihn zu schützen versucht, aber dann bin ich zusammengeklappt und habe meinem Mann die Mails gegeben, die beweisen, dass der Therapeut mir wirklich all das versprochen hat und von großer Liebe und gemeinsamer Zukunft gesprochen hat. Ich habe nun sehr viele Schuldgefühle. Mein Mann hat den Therapeuten angezeigt. Wegen meiner Tochter habe ich beim Jugendamt erzählt, was passiert ist. Nun hat der Therapeut seinen Job verloren. Ich habe schlimme Schuldgefühle, auch wenn alle sagen, dass es richtig war, es zu verraten. Er hat sich auch meiner Tochter gegenüber nicht richtig verhalten, hat Fotos von ihr gemacht und Bilder von ihr gemalt.

Als Diagnose habe ich eine gravierende Anpassungsstörung bzw. eine PTBS mit schwerer Depression bekommen.

Ich komme aus diesem Loch nicht heraus. Mein schönster Traum hat sich in einen Alptraum verwandelt. Ich dachte, ich wäre nach all den Jahren am "richtigen" Platz angekommen, und jetzt war es alles nur Illusion. Meine Ehe, die zwar nicht gut war, aber mir sehr viel Stabilität gegeben hat, ist zerstört.

Ich nehme Cipralex und ein Neuroleptikum, aber die Trauer und Hoffnungslosigkeit überwältigen mich einfach. Ich sehe gar keinen Sinn und kein Ziel mehr in meinem Leben. Ich weiß nicht mehr weiter. Ich habe ihn so geliebt, und nun ist er für immer weg und hasst mich, weil ich sein Leben versaut habe. Ich weiß, dass er all das nicht aus bösem Willen getan hat, eher aus Schwäche. Das macht die Sache noch schlimmer. Weil ich es nicht schaffe, mich als "Opfer" zu sehen.

Hat einer von Euch ähnliche Erfahrungen gemacht?
sam1960
Beiträge: 142
Registriert: 10. Okt 2014, 11:48

Re: Depression nach Missbrauch

Beitrag von sam1960 »

Es ist immer schwierig, wenn Personen, die in einem Abhängigkeitsverhältnis stehen, wie etwa Chef-Angestellter, Arzt-Patient oder Lehrer-Schüler, sich ineinander verlieben.

Auch hier ist die Gefahr einer einseitigen oder nur bedingt erwiderten Liebe sehr groß.

Unter den von dir beschriebenen Umständen ist der Kontaktabbruch die einzig sinnvolle Maßnahme.

Es wäre zu klären, ob er seine Lage als Therapeut, und sein Wissen über dich missbraucht hat um Dich als seine Geliebte zu gewinnen.
Vielleicht hatte er auch ursprünglich ernst Absichten und zieht jetzt, wo es ihm „an den Kragen“ geht, den Schwanz ein. Wenn dem so ist, dann war seine Liebe zu Dir nicht stark genug, um das ganze auch offiziell hätte machen können.

Ob die Sache als Missbrauch oder als Missverständlich deklariert wird ist eine rechtliche Sache, aber keine Emotionale bzw Moralische. Wichtig ist, dass Du nun das für Dich richtige machst. Willst Du eine mögliche Strafverfolgung des Therapeuten, wegen Missbrauch? Wie stehen die Chancen auf Erfolg, wie ist die Beweislage, steht Aussage gegen Aussage? Bedenke den Schmerz und die Qual, die du durchmachen müsstest, wenn du das ganze wieder aufrollst.

Sprich darüber mit einem neutralen Therapeuten, dem Du die Sachlage schilderst. Vielleicht wär für dich eine weibliche Therapeutin besser. Erst wenn Du dich gefestigt genug sieht, kannst Du auch rechtliche Maßnahmen ergreifen.

Wirf Dein Leben nicht weg. Sag Dir, dass dieser Typ es nicht wert ist. Niemand, der dich verletzt, ist es wert, dass du auch nur die kleinste Kleinigkeit für ihn opferst und schon gar nicht Dein Leben.

Wie siehst Du die Chance, dass Dein Mann Dir verzeiht und Du zu ihm zurückkehrst? Wenn Du dass Willst, dann solltest Du es zumindest versuchen. Viele Beziehungen machen eine Krise durch mit Fremdgehen usw. und viele finden auch nachher wieder zusammen. Dann könnte die Liebe zu deinem Mann vielleicht noch Größer werden, als zuvor.

Ich würde Dir gerne mehr Hilfe dazu geben, aber auch ich bin nur Laie.

Aber ich habe ein offenes Ohr für Dich.
Entscheidungen sind schwer, sie können Dich in den Himmel heben oder in die Hölle stürzen lassen.
saneu1955
Beiträge: 2433
Registriert: 6. Jul 2014, 19:18

Re: Depression nach Missbrauch

Beitrag von saneu1955 »

Hallo Frau Waas, erst einmal ein herzliches Willkommen.
Ich finde es sehr bemerkenswert, dass du hier über dich und das, was du erlebt hast, schreibst.
Es ist immer schlimm, wenn jemand andere benutzt, noch dazu in solch einer Position.
Abgesehen davon, dass er, wenn er es ernst gemeint hätte, sofort deine Therapie abbrechen hätte müssen. Auf der anderen Seite steht in jedem Therapievertrag, dass es zu keinen privaten Kontakten während einer Therapie kommen darf, das ist gesetzwidrig.
Es ist dir nun aber mal passiert und das finde ich schlimm.
Ich würde auch versuchen, eine Therapeutin zu finden denn ich kann mir vorstellen, dass das Vertrauen erst einmal völlig dahin ist.
Vielleicht verzeiht dir ja dein Mann und ihr könnt noch einmal einen Neuanfang starten.
Ich möchte dir viel Kraft wünschen, es wird sicher nicht einfach, das erlebte zu verarbeiten.

Viele Grüße Saneu1955
Frau Waas
Beiträge: 3
Registriert: 25. Nov 2014, 18:44

Re: Depression nach Missbrauch

Beitrag von Frau Waas »

Liebe/r sam1960,

vielen Dank für Deine lieben und verständnisvollen Worte!

Die Sache liegt einige Monate zurück. Ich selbst wäre gar nicht darauf gekommen, dass es sich um "Missbrauch" handeln könnte, das habe ich erst später erfahren. Ich habe, weil es mir so schlecht ging, Rat eingeholt. Inzwischen haben mir fünf unterschiedliche Fachleute, darunter zwei Expertinnen für Missbrauch, bestätigt, dass der Therapeut sich absolut falsch verhalten hat. Er wusste von meiner Behinderung und meinen psychischen Problemen und auch meiner Ehekrise. Er hätte, als er bemerkte, dass er sich in mich verliebt hat, die Therapie meiner Tochter sofort beenden müssen. Und er hätte wissen müssen, was er bei mir anrichten kann. Auch wenn nicht ich, sondern meine Tochter seine Klientin war, hatte er eine Verantwortung mir gegenüber, zumal er sich ja als Berater auch für meine Probleme angeboten hat.

Er selbst hat mir noch gesagt, dass er geglaubt habe, seine Gefühle zu mir seien echt. Und als er seine wachsenden Zweifel bemerkte, hätte er die Sache nicht beenden wollen, weil er es genossen habe, so sehr von mir geliebt zu werden. Menschlich vielleicht verständlich, aber als Psychologe offensichtlich unverantwortlich. Und es ist wohl nicht das erste Mal, dass er sich Klienten gegenüber so verhalten hat. Und dass sein Chef ihn entlassen hat, zeigt wohl auch, dass er falsch gehandelt hat. Durch die Strafanzeige meines Mannes ist mir die Entscheidung abgenommen worden, ob ich rechtliche Schritte unternehmen möchte - ich hätte es selbst wohl niemals getan. Falls es zu einer Anklage kommt, werde ich gezwungen sein, auszusagen. In diesem Fall werde ich aber psychologischen Beistand haben.

Aber es ist im Grunde egal, wie man es nennt und ob es wirklich verboten war, was er getan hat. Ich bin auch nicht wirklich wütend auf ihn - obwohl das wahrscheinlich leichter wäre. Es ist die unfassbare Traurigkeit, dass das alles nicht "echt" war. Dass ich geglaubt habe, einen Menschen gefunden zu haben, der mich aufrichtig liebt, so wie ich bin. Und dass es nicht stimmte.

Es zieht mir völlig den Boden unter den Füßen weg. Ich habe immer von so etwas geträumt, und als Traum ist das wohl okay. Aber den Traum erfüllt zu bekommen und dann zu erfahren, dass man doch wieder nicht gut genug war, ist das Schlimmste, was mir je passiert ist. Jetzt habe ich jede Hoffnung verloren. Aus diesem schwarzen Loch komme ich nicht heraus, obwohl ich wirklich kämpfe.

Danke für Euren Beistand.
payasa
Beiträge: 421
Registriert: 3. Sep 2014, 22:15

Re: Depression nach Missbrauch

Beitrag von payasa »

Hallo Frau Waas,

ich weiß nicht genau, ob man das Missbrauch nennt? Hm... Missbrauch seiner Position vielleicht? Das könnte sein, auf alle Fälle hat er sich einer psychisch Abhängigen völlig unkorrekt verhalten. Aber, ich sehe dich nicht nur als Opfer, entschuldige. OK, du bist psychisch krank, es hat dir gefallen, dass dich jemand so verstanden hat, du hast dich angenommen, wirklich geliebt gefühlt - ich kann all das nachempfinden. Trotzdem setzt ja der Verstand deshalb nicht aus - oder sollte er nicht. Was die Sache so schwer macht ist halt, dass so schrecklich viel verletzte Gefühle darin stecken.

Ich war verheiratet und nach 7 Jahren ist mein Mann mit meiner damals besten Freundin weg gegangen, schon schlimm genug, dass das die Freundin war, weil ich diese Frau so sehr mochte. Dann irgendwann rief mich eine Frau an, stimmt das - schreit sie ins Telefon - dass Sie und Ihr Mann getrennt sind??? Ich sage ja und wer sind Sie denn?? Ich bin die Freundin von .... sagt sie (von meinem Mann!!). Die Freundin? frag ich?? Seit wann denn? Um es kurz zu machen, sie war die Geliebte meines Mannes von Anfang unserer Beziehung an - sie hat meine Geschenke ausgesucht - mit ihr hat er sich verlustifiziert in der Mittagspause und abends kam er dann zu mir nach Hause - ich dachte, meine Welt stürzt zusammen. Hat der mich denn eine einzige Sekunde jemals geliebt??? Mein Ex-Mann ist Arzt - die Frau war eine Putzfrau im Krankenhaus. Hat er mich nur gebraucht, um nach außen jemanden zu haben, mit dem er auftreten kann??? Ich hatte nur noch schwarze und wirre Gedanken und bin sehr sehr tief abgestürzt. Aber da waren meine Kinder - und da ist deine Tochter!! Meine Kinder brauchten mich - deine Tochter braucht dich immer noch!

Ich kann diese Gefühle, die du gerade durchlebst sehr sehr gut verstehen und mit absoluter Sicherheit war das völlig unrecht, was euer Therapeut da gemacht hat, aber er hat nicht alleine gemacht. Zu wissen, dass du eine Rolle gespielt hast in diesem Drama macht es dir vielleicht ein bisschen einfacher, dich nicht völlig als Opfer zu sehen, sondern als handelnder Mensch, der entschieden hat, ich trenne mich von meinem Mann und ich will diesen neuen Mann. Du darfst in deiner - völlig verständlichen - Verzweiflung nicht deinen Anteil vergessen, liebe Frau Waas. Mir macht so was leichter, wenn ich weiß, etwas rollt nicht einfach so über mich rüber, sondern ich hatte ein Wörtchen mit zu sprechen, habe mich entschieden - ok, im Nachhinein falsch, aber das wusste ich vorher nicht.

Kann dir das ein bisschen Trost geben??
Liebe Grüße


Einsamkeit und das Gefühl unerwünscht zu sein, ist die schlimmste Armut.

Mutter Teresa
Frau Waas
Beiträge: 3
Registriert: 25. Nov 2014, 18:44

Re: Depression nach Missbrauch

Beitrag von Frau Waas »

Liebe payasa,

vielen Dank!
Du hast ja wirklich Schlimmes durchgemacht. Hut ab, dass Du es da wieder heraus geschafft hast!!!
Natürlich hast Du völlig recht, dass ich meinen Anteil an der ganzen Sache habe. Es war meine Entscheidung, meinen Mann zu verlassen. Und dazu stehe ich auch weiterhin. Er hätte unsere Ehe fortgesetzt, aber ich möchte das nicht, weil ich denke, dass all das nicht passiert wäre, wenn ich ihn wirklich lieben würde.
Mein Problem ist aber eher, dass ich mich schuldig fühle. Ich habe ja geschrieben, dass es für mich sehr schlimm ist, dass der Therapeut seinen Job verloren hat. Und ich fühle mich völlig wertlos, weil er mich eben nicht wirklich geliebt hat. Dass es Missbrauch ist, ist die Auskunft der Psychologen, bei denen ich war. Und es fällt mir ja gerade schwer, mich als "Opfer " zu sehen. Ich sehe mich eher in der Rolle der Schuldigen.
Übrigens bin ich nicht psychisch krank. Asperger-Autismus ist eine seelische Behinderung, die Depressionen und die Angst sind Komorbiditäten.
Ich danke Dir für Deine Antwort und Deinen Trost.
katyfel
Beiträge: 1181
Registriert: 21. Aug 2011, 18:08

Re: Depression nach Missbrauch

Beitrag von katyfel »

Hallo Frau Waas,

wie man das was dir passiert ist jetzt bezeichnet, ist glaube ich, zweitrangig.
Dass du dich schuldig fühlst ist glaube ich "normal", bei vielen Betroffenen einer Traumatisierung gibt es diese Empfindungen (ich kenne sie selbst auch sehr gut). Diese Schuldgefühle zumindest kleiner werden zu lassen ist sicherlich eine Frage der ZEit, der Arbeit daran und der Therapie.
Was ich aber eigentlich gut finde, ist, dass du dich eben NICHT mit der Opferrolle identifizierst. Das kann total gefährlich werden, grade darin stecken zu bleiben ist das, was häufig die Therapie erschwert.

So wie du schreibst, hast du echt viel durchmachen müssen, aber auch schon sehr viel Kraft und Mut bewiesen.
Ich hoffe, dass sowohl du als auch deine Tochter die Unterstützung bekommen, die ihr braucht und gesunde Schritte nach vorne machen könnt.

Liebe Grüße,
Sinfonia
Salvatore
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Registriert: 10. Feb 2010, 18:35
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Re: Depression nach Missbrauch

Beitrag von Salvatore »

Hallo Frau Waas,

auch von mir willkommen im Forum!

Ich möchte nicht beurteilen, ob der Begriff "Missbrauch" in deinem Fall angemessen ist oder nicht; aber der Therapeut hat eine ganz klare Grenzverletzung begangen. Er unterliegt sehr strengen Richtlinien, deren Einhaltung von einer speziellen Ethikkommission überwacht wird, und zwar vollkommen zu Recht.

Das liegt daran, dass die Beziehung zwischen Psychotherapeut und Patient eine sehr spezielle ist. Und ich sehe es nicht so, dass du besonderen Schwerpunkt auf deinen Anteil legen solltest; sicherlich, du bist erwachsen und in der Lage, eigenen Entscheidungen zu treffen, deren Konsequenzen du natürlich auch selbst zu tragen hast.
ABER in diesem Fall ist es für mich trotzdem etwas anderes. Dass sich Patienten in ihren Therapeuten verlieben, ist ja sozusagen ein Klassiker und das hat seine Gründe. Es wurde ja schon angesprochen, dass man sich vielleicht zum allerersten Mal wirklich gehört und verstanden fühlt - das ist ein wichtiger Aspekt. Ein anderer ist, man sich als Patient öffnet und sehr intime Dinge preisgibt, was auf den Therapeuten aber nicht zutrifft - er nimmt sich zurück, man erfährt wenig Privates. Also trifft man sich nicht auf Augenhöhe, nicht auf einer Party und es handelt sich auch nicht um den Bäcker um die Ecke.

Deshalb glaube ich, dass es sich sicher lohnen würde, mal genau hinzusehen ob es WIRKLICH Liebe oder Verliebtheit war oder vielleicht eher Gefühle, die leicht damit verwechselt werden können. Ich denke da an etwas Kindliches, der Therapeut nimmt ja in gewisser Hinsicht eine Elternrolle an und Kinder lieben ihre Eltern dafür; also ist es vielleicht gar nicht so überraschend, wenn man solche Gefühle auch dem Therapeuten gegenüber entwickelt, obwohl man eben kein Kind mehr ist. Diese kindliche Liebe ist eine gänzlich andere als die erwachsene und daher hat der Therapeut auch eine andere Verantwortung seiner Patientin gegenüber als "irgendein Typ", der eine Frau datet. Der Schaden, den er an diesem kindlichen Teil der Seele anrichten kann, ist möglicherweise immens und es klingt in deinem Posting an, dass auch bei dir viel kaputtgemacht wurde (und zwar mehr, als es bei "irgendeinem Typen" der Fall gewesen wäre).

Er hat in seiner Ausbildung gelernt, dass er keinesfalls auf solche Liebesbezeugungen einsteigen darf, dass sich die Liebe nicht auf ihn als Person bezieht, sondern auf die Funktion, die er erfüllt. Auf gar keinen Fall darf er die Liebe - wenn auch nur verbal - erwidern. Wenn er so fühlt, muss er die Therapie umgehend abbrechen und dich an einen Kollegen verweisen. Wenn er eine Beziehung eingehen möchte und die Frau auch, weil es wirklich Liebe ist und nicht nur Ausdruck dessen, was in der Therapie stattfindet, muss eine gewisse Zeitspanne zwischen dem Therapieende und den privaten Kontakten mit seiner (ehemaligen) Patientin liegen, um und bei einem Jahr.
Er weiß, wie er richtig zu handeln hat und er hat dennoch alles falsch gemacht.

Ich denke, dass dein schlechtes Gewissen darüber, dass er seinen Job verloren hat, zwar sehr verständlich ist, aber dennoch unangebracht. Er hat seinen Job nicht DEINETWEGEN verloren, sondern weil er einen riesigen Bock geschossen hat. Und es ist absolut richtig, dass das herausgekommen ist, denn die Gefahr ist halt groß, dass es sich bei ihm dabei um ein Muster handelt und er nicht nur bei dir, sondern auch bei seinen anderen Patientinnen großen Schaden anrichtet.

Ich möchte nicht falsch verstanden werden, ich sehe dich auch nicht in einer Opferrolle - aber eben auch keinesfalls als Täter. Er brauchte deine Hilfe nicht, um sein Leben zu versauen, das hat er ganz allein geschafft. Es war bloß Pech, dass er das auf deine Kosten tun musste.

Alles Gute für dich,
Salvatore
Blog: http://www.oddyssee.de
Instagram: Oddysee@meine_oddyssee
payasa
Beiträge: 421
Registriert: 3. Sep 2014, 22:15

Re: Depression nach Missbrauch

Beitrag von payasa »

Hallo nochmal Frau Waas,

da habe ich wohl einiges falsch verstanden!! Und ich schließe mich Salvi ohne wenn und aber an. ER hat seine Position missbraucht, egal, ob er anfangs tatsächlich in dich verliebt war oder nicht, was er getan hat hätte er auf keinen Fall dürfen! Fertig! Und dafür muss er zur Verantwortung gezogen werden. Ich hoffe, dass unsere Worte dir helfen, dich nicht mehr schuldig zu fühlen, denn das bist du überhaupt gar nicht!!
Liebe Grüße


Einsamkeit und das Gefühl unerwünscht zu sein, ist die schlimmste Armut.

Mutter Teresa
Zarra
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Registriert: 12. Mär 2010, 15:16

Re: Depression nach Missbrauch

Beitrag von Zarra »

Hallo Frau Waas,
Salvatore hat geschrieben:Und es ist absolut richtig, dass das herausgekommen ist, denn die Gefahr ist halt groß, dass es sich bei ihm dabei um ein Muster handelt und er nicht nur bei dir, sondern auch bei seinen anderen Patientinnen großen Schaden anrichtet.
GENAU DAS!! ... siehe auch das Angedeutete mit den Bildern von Deiner Tochter ... und daß es NICHT ERSTMALIG Auffälliges gab. ... ich finde das schrecklich! - Wenn er sich nicht distanzieren und seinen Beruf professionell ausüben kann, dann ist er da an der absolut falschen Stelle!
Therapeuten und Therapeutinnen sind auch nur Menschen und in irgendwelchen besonderen Fällen mag das ja schon mal geschehen, daß da gegenseitig ernsthafte Gefühle entstehen, aber dann müssen sie reagieren, ANDERS REAGIEREN als er. Und dafür scheint er ja gar keine Notwendigkeit gesehen zu haben, - was ich schlimm finde.
Und ansonsten ist es nicht umsonst so, daß Dein Bäcker oder ein Versicherungsvertreter Dich "ungestraft" verführen kann, solange er nicht zudringlich wird, es an Dir liegt, ob Du Versprechungen glaubst; ein Therapeut aber eine besondere Verantwortung hat.
Frau Waas hat geschrieben: Ich habe ja geschrieben, dass es für mich sehr schlimm ist, dass der Therapeut seinen Job verloren hat.
Meines Achtens hat er ihn zu Recht verloren! Siehe oben. Denn das ist ein Spiel mit Menschen.
Frau Waas hat geschrieben:Und ich fühle mich völlig wertlos, weil er mich eben nicht wirklich geliebt hat.
Das ist vermutlich ein allgemeines Problem für die Therapie, das schon vorher - mindestens latent - bestand.
Frau Waas hat geschrieben:Übrigens bin ich nicht psychisch krank. Asperger-Autismus ist eine seelische Behinderung, die Depressionen und die Angst sind Komorbiditäten.
Hää??

LG, Zarra
Botus
Beiträge: 2096
Registriert: 29. Mär 2014, 06:36

Re: Depression nach Missbrauch

Beitrag von Botus »

Wenn ein Mann überdurchschnittlich schnell überdurchschnittlich intensive positive Eindrücke und Gefühle bei einer Frau auslöst, kann die Frau davon ausgehen, dass das nicht nur bei ihr allein so ist. Das selbe gilt natürlich auch umgekehrt, wenn ein Mann eine Frau trifft, die in Rekordzeit die intensivsten Gefühle bei ihm auslöst.

Menschen, die bei anderen spontan Sympathie, große Nähe und intensive Gefühle hervor rufen können, hat man nie für sich allein und man sollte auch nicht damit rechnen, im Herzen eines solchen Menschen eine Sonderposition zu haben.

Die (nicht angeborene, sondern zumeist erlernte) Fähigkeit, andere blitzschnell für sich begeistern zu können, sollte zur Vorsicht mahnen, aber die von solchen Menschen ausgelösten positiven Gefühle sind so schön, dass die meisten nicht die Frage nach dem "Warum" stellen möchten.

Ich finde, dass man so jemanden bereits bei der ersten Begegnung erkennen kann, weil es schlichtweg nicht normal ist, wenn ein Mensch statt eines authentischen Auftritts einen Auftritt hinlegt, der jeweils exakt auf die Wünsche und Erwartungen seines jeweiligen Gegenübers zugeschnitten ist.

Wenn ich so einer Person gegenüber stand, stand ich mit meiner Einschätzung meist allein. Die Fans der jeweiligen Person stritten es ab. Erst viel später, nachdem sie ihre Erfahrungen gemacht hatten, stimmten sie zu, allerdings nur auf ihren Fall begrenzt. Die betreffende Person vollumfänglich schlecht zu sehen, war ihnen unmöglich. Schließlich habe die betreffende Person ja auch Gutes... Da war ich oft fassungslos.

Dass Männer irgendeine Form von "Zweitfrau" haben, kommt häufiger vor als man denkt. Das gibt es in allen möglichen Varianten und Graustufen, bis zum Extremfall. Mein Onkel hatte 20 Jahre tatsächlich eine zweite Familie und keiner hat`s gewusst. Nachdem es raus kam, war das ein ziemlicher Knall. Nachdem der Rauch verzogen war, mochten ihn trotzdem alle weiterhin. Er ist halt einfach so nett, so sympathisch, so ein lieber Mann, so aufmerksam anderen gegenüber. Stimmt ja auch... aber warum wohl ? --> Darüber sollte man nachdenken.

Ich finde es ziemlich schade, dass in unserer Welt jegliches Nachdenken über das "Warum" entfällt, wenn sich ein Mitmensch uns gegenüber exakt so verhält, wie gewünscht, erhofft, ersehnt. Wenn so ein Verhalten Jubelgesänge auslöst, müssen wir uns nicht wundern, wenn schauspielerisch talentierte Menschen diese Chance beim Schopfe ergreifen.

Mir tun die beiden Geschichten leid, die hier beschrieben wurden und ich wünsche beiden, dass sie es schaffen, sich auch emotional von den Betreffenden zu verabschieden, denn sie sind es aus meiner Sicht nicht wert, dass sich überhaupt jemand gedanklich mit ihnen beschäftigt. Gefühle sind die kostbarste Währung der Welt. Die, die sie inflationär entwerten, haben keine Subventionen verdient.
payasa
Beiträge: 421
Registriert: 3. Sep 2014, 22:15

Re: Depression nach Missbrauch

Beitrag von payasa »

Hallo Dobi,

was du da schreibst würde ich sofort unterschreiben - rational.... nur sind wir eben nicht nur rationale Menschen, und manchmal macht sich das Gefühl so breit, dass Ratio überhaupt keinen Platz mehr hat. Ich kann nur für mich sprechen, aber ich bin mir so sicher, dass es vielen so geht - ich habe so wenig Liebe erfahren in meiner Kindheit/Jugend, dass ich schier wild danach lechzte, geliebt zu werden. Da kam so einer daher, ein Arzt, der von Berufs wegen eh die Leute verstehen "muss", der zuhören kann, nicht zu allem sagt, du spinnst ja. Nee, der hat mich ernst genommen (hö hö .. dachte ich!!) Wenn ich den Leuten später erzählte, mit wem ich zusammen bin, haben die weiblichen Menschen fast glitzernde Augen bekommen.. mit DEEEM?? Ach Gott, der ist so lieb! Hast du ein Glück! Ja - ha ha..

Ach so - ich wollte nicht meine Geschichte erzählen *g - ich wollte nur sagen, wenn einer soooo ausgehungert ist und dann kommt wer und füttert dich mit Häppchen... heieiei... nix mehr mit Nachdenken, WARUM? Scheißegal! Der ist lieb, der mag dich - was zählt da noch?

OK, heute würde mir das nicht mehr passieren, wobei ich sagen muss, wenn einer so rumschleimt muss ich echt aufpassen, weil ich einfach immer noch anfällig bin, Angst habe, dass ich ungeliebt einmal die Augen zumachen muss (ok, meine Kinder lieben mich - aber das meine ich nicht, ich bin die Mama!). Ja, das fiel mir jetzt grad zu deinem Beitrag ein....
Liebe Grüße


Einsamkeit und das Gefühl unerwünscht zu sein, ist die schlimmste Armut.

Mutter Teresa
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