"Doppelrolle" Partnerin vs. Psychotherapeutin

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Sarah_
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"Doppelrolle" Partnerin vs. Psychotherapeutin

Beitrag von Sarah_ »

Hallo, ich bin neu hier und wäre dankbar um einen Rat, der nicht von meinen Kollegen stammt.

Ich bin 29 Jahre alt, Psychotherapeutin für Verhaltenstherapie und verliebt in einen depressiven Mann.

Offen gemacht hat er dies wenige Wochen nach unserem Kennenlernen, als er nach einem Motorradunfall einen depressiven Schub bekam. Hintergrund seiner Erkrankung sind sehr wahrscheinlich erhöhter Kontrollverlust sowie Verlustangst, durch körperliche Erkrankungen aber auch wegen geistiger Unterforderung in seinem Beruf trotz vielseitiger Freizeit.
Seitdem werden die Phasen der hellen und dunklen Tage immer länger und intensiver. Was wahrscheinlich damit zu tun hat, dass wir uns, wenn er nicht niedergeschlagen war, emotional immer näher gekommen sind und sobald das Tief kommt, diese noch stärker zurückschlagen. So ist es nun gekommen...Er hat mir nicht einmal persönlich gesagt, dass er nie wieder mit mir reden (aus Angst weich zu werden) und ganz allein sein wolle. Er müsse den Fokus 100% auf sich richten, denn bleibe ich weiterhin in seinem Leben, würde er sich nur auf mich konzentrieren.

Wenn es ihm schlecht geht, taaucht wieder der Gedanke bzw. seine Überzeugung auf, er könne bei anderen Menschen Emotionen wie Zuneigung hervorrufen, diese aber selbst auf Dauer nicht aufrechterhalten. Somit sieht er sich selbst als beziehungsgestört. Die Realität hingegen ist, dass seine "hellen Tage" 70% ausmachen und er mich auf Händen trägt, sich kümmert und strahlt. Dann, zwei Wochen später, herrschen wieder seine irrationalen Überzeugungen vor...und ich gehe davon aus, ich bin ihm in diesen Momenten zu nah oder auch gefährlich. Mittlerweile ist er so weit, dass er mir sagt, ich sei austauschbar. Wenn es ihm gut geht, sagt er mir selbstverständlich genau das Gegenteil. Somit gehe ich davon aus, dass er dies als Strategie nutzt, um mich loszuwerden.


Als Therapeutin, die ja selbst auch depressive KlientInnen behandelt, fällt es mir auf der einen Seite sicher leichter, die Hintergründe und Auslöser zu verstehen. Auf der anderen Seite war ich noch nie privat in einer Liebesbeziehung betroffen. Ich habe seine Entscheidungen und auch Kränkungen nie persönlich genommen und bisher waren wir immer in der Lage in Ruhe und persönlich darüber zu sprechen. Mir war immer wichtig, ihm den Druck zu nehmen, aber trotzdem ganz bei mir zu bleiben, damit er sich nicht überredet fühlt, bei mir zu bleiben.

Meine Probleme in dieser Situation sind: a) man wirft mir als Therapeutin vor, ich würde gerne "privat rumdoktorn", was ich ganz furchtbar und beleidigend finde, da ich diesen Mann kennenlernt und wertgeschätzt habe, bevor wir in diese Situation gerieten; b) haben viele Menschen überhaupt kein Verständnis dafür, warum "man sich sowas antut" oder c) einem der Ratschlag gegeben wird, sich darüber Gedanken zu machen, ob man das denn tatsächlich will bzw. so eine Beziehung zu einem depressiven Menschen sowieso keine Chance hat.

Natürlich ist mir klar, dass das schwierig ist und man sich selbst einfach sehr gut abgrenzen muss, aber ich würde weder Familie noch Freunde im Stich lassen, wenn sie psychische Probleme haben. Das ist keine Option.

Ich habe gestern, nachdem er mir am Donnerstag mitteilte, es wäre besser, wir würden gar nicht mehr miteinander sprechen, ihm per Nachricht geschrieben, dass ich ihm nicht böse sei und trotzdem für ihn erreichbar bleibe. Daraufhin hat er mich blockiert. Und ich bin doch an dem Punkt, wo mich das einfach sehr wütend und traurig macht und ich wirklich Angst habe, ihn zu verlieren bzw. nicht wiederzusehen. Normalerweise haben wir nach so einer Phase, in der er mir auch immer mitteilte, er müsse mich vor ihm beschützen und ich solle jemand anderes kennenlernen, immer ein langes und sehr wohlwollendes Gespräch geführt, was ihn dann dazu verleitet hatte, seine Überzeugung in Frage zu stellen. Aber diesmal habe ich keine Chance und seine depressives Verhalten ist vielleicht tatsächlich immer stärker geworden, weil wir nach diesen drei "Krisengesprächen" uns emotional noch näher gekommen sind.

Möglicherweise habe ich jetzt sehr unstrukturiert geschrieben, aber das ist dann wohl so, wenn man emtional verstrickt ist und allmählich den Überblick verliert.

Habt ihr vielleicht ähnliche Erfahrungen gemacht oder Ideen, was zu tun ist?!

Bestes.
Sarah
Brummi59
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Re: "Doppelrolle" Partnerin vs. Psychotherapeutin

Beitrag von Brummi59 »

Hallo Sarah und herzlich Willkommen im Forum,

da hast Du eine wirklich verzwickte Sache am Hals.
Spontan würde ich sagen, das Du aufhören solltest ihn zu therapieren. Es geht m.E. entweder Partnerschaft oder Therapeutin. Kannst Du Deine therapeutische Ader in den Hintergrund stellen, wenn ihr zusammen seid??? Für uns Depressive ist es sehr schwer Nähe zuzulassen. Wie soll es erst sein, wenn Du ihm (überspitzt geschrieben) therapeutische Weisheiten ins Ohr flüsterst?
Du hast durch den Beruf die Möglichkeit ihn an Kollegen zu vermitteln. Wenn er dann Fragen hat, spricht nichts dagegen ihm mit Deiner Erfahrung zu helfen. Aber von Dir aus sollte Funkstille herschen. Wenn er allein sein will, dann nimmt er keine Rücksicht auf Dich. Wenn er Dich braucht, erwartet er das Du für ihn da bist. So läuft es jedenfalls bei mir. Meiner Exlebensgefährtin wollte ich das nicht mehr zumuten und habe die Beziehung beendet. Sicher sind noch andere Gründe vorhanden, die diese Beziehung zum Scheitern gebracht haben. Aber der Hauptgrund ist meine Depression.
Auch ich habe mich still und heimlich in meine Therapeutin während meiner Traumatherapie verliebt. Sie weiß es nicht 100%ig aber beim letzten Termin (Nachbesprechung), machte sie einen Schritt auf mich zu, der ganz klar zeigte, das ich ihr wohl auch nicht ganz Gleichgültig bin.
Ständig bin ich hin- und hergerissen ob ich sie aufsuchen sollte aber im Moment muß ich mich auf meine Depression und deren Heilung konzentrieren. Sehr schade, da sie mir sehr viel bedeutet. Zumindest bist Du nicht allein ;)
Liebe Grüße
Dieter

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*Arthur Lassen*
Sarah_
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Re: "Doppelrolle" Partnerin vs. Psychotherapeutin

Beitrag von Sarah_ »

Danke für deine Antwort!

Wichtig ist, das habe ich vergessen zu erwähnen: ich habe ihm immer deutlich gemacht, dass ich absolut keinen Helferauftrag habe, ihn nur unterstützen könne. Er hat auch bereits Therapieerfahrung und kümmert sich auch um einen neuen Platz. Natürlich ist es schwer meinen Beruf zu unterdrücken, aber das ist auch eigentlich kein Thema, was zwischen uns steht. Es ist nicht meine Aufgabe, ihn zu therapieren.
SucheAustausch
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Re: "Doppelrolle" Partnerin vs. Psychotherapeutin

Beitrag von SucheAustausch »

Hallo Sarah,

es ist bereits schwer, den Partner nicht zu therapieren, wenn man keinen psychologischen Hintergrund hat.
Es hat sicher etwas mit der eigenen Einstellung zu tun. Kontrollzwänge haben mich in meiner Partnerschaft doch schon sehr begleitet. Ich weiß nicht, wie Du da gestrickt bist. Mir fiel es extrem schwer, loszulassen und auch in Phasen, in denen keine Partnerschaft möglich war, bei mir und dennoch irgendwie bei ihm zu bleiben.

Ich habe es nicht geschafft. Meine Ehe ist am Ende. Nach 11 Jahren und etlichen Jahren der Depression meines Mannes.

Wenn Du es schaffst, therapeutische Meinungen etc. raus zu lassen (was ich bezweifle, denn von außen sieht man Dinge, die der Mensch selber ja nicht sieht) ist das aber nur eine Seite.

Auf der anderen Seite ist ja auch noch der Partner, der auch seine Eindrücke, Ängste, Gedanken und Gefühle hat. Wenn er meint, Du würdest ihn therapieren, kannst Du noch so überzeugt davon sein, dass Du es nicht tust. Es wird nichts an seiner Einstellung und seinen Ängsten ändern.

Verstehst Du, was ich meine?

Ich kann nur sagen, dass es extrem schwierig ist, mit einem depressiven Partner eine Beziehung aufzubauen und zu halten.

Aber wie gesagt, ich bin auch gerade am Punkt des "Scheiterns" angelangt.

Ich wünsche Dir, dass Dir das Leid einer jahrelangen Beziehung mit einem depressiven Partner erspart bleibt! (wie auch immer: ob durch Trennung oder Genesung...)

Alles Liebe

Austausch
Sarah_
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Re: "Doppelrolle" Partnerin vs. Psychotherapeutin

Beitrag von Sarah_ »

Ja, danke, ich verstehe, was du meinst und sicherlich ist es schwierig, seine äußere Meinung zu unterdrücken. Er hat mir nie gesagt, dass er das Gefühl hat, dass ich ihn therapiere. Viel mehr hat er mir, wenn wir darüber gesprochen haben gesagt, dass er das Gefühl hat, er könne seine Blockaden bei mir fallen lassen.
Wie gesagt, ist das eigentlich kein Thema, was zwischen uns steht. Wenn wir Zeit verbringen, ist er immer recht ausgeglichen und lässt Nähe zu. Schwierig wird es immer, wenn er in seiner Wohnung ist. Nun schlug das Gefühl von Verliebtheit zu "wir reden gar nicht mehr miteinander" innerhalb von 20 Stunden um. Ich lasse ihn dann auch, wenn es ihm nicht gut geht. Aber so ein völliger Kontaktabbruch schockt mich einfach und ja, da fällt es mir auch sehr schwer, es nicht persönlich zu nehmen.
Brummi59
Beiträge: 979
Registriert: 15. Aug 2014, 23:13

Re: "Doppelrolle" Partnerin vs. Psychotherapeutin

Beitrag von Brummi59 »

Diese Stimmungsschwankungen sind ja das Fiese an dieser Krankheit.
Seit Monaten sitze ich auf der gleichen Stelle auf meiner Couch und warte das ich ein paar cm hinter mir, mich hinlegen und schlafen kann. Manchmal habe ich plötzlich das Bedürfnis zu reden aber meist herscht tagelange Funkstille. Erst als ich auf dieses Forum gestoßen bin, komme ich etwas aus mir raus. Allerdings nur hier. Hier habe ich Anonymität und Betroffene, denen ich ohne Erklärung schreiben kann, wie es mir geht.
Hätte ich jetzt eine Therapeutin als Partnerin (ich versuche gerade mich reinzuversetzen), würde ich bei entsprechendem Vertrauen plaudern wie ein Wasserfall, in der Hoffnung auf Hilfe oder aber ich würde schweigen und gar nix sagen, aus Angst sie würde mich therapieren wollen. Sie würde jedes Wort auf die Waagschale werfen um mir helfen zu können. Das sie es so nicht meint oder beabsichtigt, ist dann egal. Das Kopfkino läuft dann ohne Unterbrechung.
Leicht wird es für Euch auf keinen Fall. So wie Du es schreibst, ist es wohl der goldene Mittelweg (für Dich). Was er denkt und fühlt wirst Du in der Depression kaum aus ihm raus bekommen. Er zieht sich einfach zurück wenn es zuviel wird. So wie ich.
Liebe Grüße
Dieter

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Gerbera
Beiträge: 619
Registriert: 31. Mär 2013, 00:24

Re: "Doppelrolle" Partnerin vs. Psychotherapeutin

Beitrag von Gerbera »

Hallo Sarah,

erster Gedanke: wow, Idealfall: Partnerin = Therapeutin, aber bei genauer Überlegung: nein, das würde ich nicht wollen. Wie Brummi59 bin ich Betroffene, nicht Angehörige, und wie er konnte ich oft nicht reden über das, was in mir vorging in der Akutphase der Depression. Und der Mensch, mit dem ich am wenigsten reden konnte, war mein Mann, vielleicht, weil ich ihn schonen wollte oder geglaubt habe, er würde mich sowieso nicht verstehen. Ich habe mich ja selbst nicht mehr verstanden.

Ich war viel zu verunsichert, zu verwirrt, um irgendetwas in klare Worte zu fassen. Am besten haben Gespräche mit Menschen funktioniert, die selbst einmal depressiv waren. Von ihnen habe ich mich akzeptiert und verstanden gefühlt.

Meine Therapeutin hat viel Verständnis gezeigt, mich ernst genommen in meiner Krankheit. Das hat mir gut getan, aber es war nicht dasselbe.

Wie Dein Freund hatte ich Phasen, in denen ich mich komplett zurückgezogen habe, insbesondere auch in der Familie, weil mir alles zu viel wurde, auch die Kontakte zu anderen Menschen. Ich wollte Dinge durchdenken, für die ich Ruhe gebraucht habe, wollte die Gedankenkarusselle zum Stillstand bringen, herausfinden, welche Ursache das alles hatte. Da waren andere Menschen, auch mein Mann und die (ziemlich erwachsenen) Kinder eher hinderlich. Sie hatten (berechtigte) Ansprüche an mich, die mich abgelenkt, mich Zeit und Energie gekostet haben; Zeit und Energie, die ich für mich selbst gebraucht habe.

Auch Dein Freund braucht Zeit für sich, Zeit zum Nachdenken, will und soll sich voll auf sich konzentrieren. Das ist aber nur möglich, wenn er sich keine Gedanken darüber machen muss, wie er es hinkriegt, auch Dir und Deinen Wünschen gerecht zu werden. Mag sein, dass Du aus Deiner Sicht keine großartigen Wünsche an ihn hast, aber er sieht das möglicherweise anders. Depressive haben bekanntlich eigene Interpretationen des Geschehens um sie herum und eine eigene Logik.

Für Dich mag es sehr schockierend sein, dass er plötzlich Funkstille haben will, für ihn ist es vielleicht eine Befreiung, zumindest im Augenblick.

Es ist sicher richtig, wenn Du ganz bei Dir bleibst. Genau dasselbe versucht Dein Freund auf seine Weise auch. Allerdings ist sein Urteilsvermögen aufgrund der Krankheit getrübt, seine Handlungsmöglichkeiten sind eingeschränkt. Ob er sich der Folgen seines Handels bewusst ist, steht in den Sternen, denn durch die Krankheit leidet auch das logische Denkvermögen und die Fähigkeit, Verknüpfungen herzustellen. Auch wenn es Dir schwerfällt: versuche abzuwarten, wie sich das alles weiterentwickelt und wohin sein Weg ihn führt. Wie Du selbst gesagt hast: Du hast keinen Therapieauftrag, bist "nur" Privatperson.

Alles Gute für Euch Beide.

Viele Grüße,
Gerbera
katyfel
Beiträge: 1181
Registriert: 21. Aug 2011, 18:08

Re: "Doppelrolle" Partnerin vs. Psychotherapeutin

Beitrag von katyfel »

Hallo Sarah,

auch ich (als Betroffene) habe vor allem deine Beiträge hier grade gelesen und das, was bei mir am deutlichsten rüberkam:
Ich finde das, was ich von deiner Einstellung hier mitbekommen habe, klingt sehr "gesund", reflektiert und möchte dich darin ermutigen, dich hier auszutauschen natürlich aber auch deinen Empfindungen zu vertrauen, weil ich das Gefühl habe, dass vieles von dem was du tust oder zumindest weißt, richtig und total passend ist.

Das nur als kurze Rückmeldung...
Liebe Grüße,
Sinfonia
Lappi
Beiträge: 98
Registriert: 21. Dez 2012, 18:25

Re: "Doppelrolle" Partnerin vs. Psychotherapeutin

Beitrag von Lappi »

Hallo Sarah.
Bin Betroffene, aber war auch lange im sozialen Bereich tätig.
Hast du dich schon mal gefragt, warum du den Beruf der Therapeutin gewählt hast?

Bei mir war es eine grundsätzliche Lebenseinstellung. Ein Interesse an den Menschen, ihrem Erleben, Denken, Empfinden. Und da kann ich in mir nicht unterscheiden, wann ich professionell oder privat WIRKE. Auch, wenn ich in mir professionelles und privates klar differenzieren kann.
Oft fühle ich mich im privaten Bereich heute noch als quasi "Co-Therapeutin" genutzt. Ohne es zu wollen. Doch sind meine grundsätzlichen Lebenseinstellungen - auch aufgrund eigener Krankheitserfahrungen und meinem Umgang damit - für andere immer noch scheinbar interessant, hilfreich aus einer anderen Perspektive heraus.
oft würde ich mir wünschen, auch meine Probleme so offen ansprechen zu können und spüre dann aber eine innere Zurückhaltung. Kann ich meinem Gegenüber das zumuten?

wie geht es dir da? Mit deinem therapeutischen Background? Deinen eigene Themen oder Problemen. Empfindest du die Beziehung in dieser Hinsicht als gleichwertig?
Kannst du dir vorstellen, wie du auf dem Hindtgrund deines Jobs auf deinen Freund wirkst? Denkst du, dass er sich dir gegenüber gleichwertig fühlt?

Alles hier einfach nur als Fragestellung formuliert. Nur meine Gedanken dazu.
Lappilady
Lappi
Beiträge: 98
Registriert: 21. Dez 2012, 18:25

Re: "Doppelrolle" Partnerin vs. Psychotherapeutin

Beitrag von Lappi »

Hallo noch mal.
Irgendwie habe ich gestern Abend ein wenig zusammenhanglos geschrieben (war vom Tablet). Von daher noch eine kurze Erläuterung meiner Gedanken. Die habe ich in erster Linie auf deinen Freund und eine mögliche Rückzugsreaktionserklärung bezogen. Mich also gefragt, wo seine Motivation bzgl. des Kontaktabbruchs liegen könnte. Und er dich da vielleicht zu sehr als Therapeutin/Helferin/Unterstützerin sehen könnte und sich lieber zurück zieht, als dich mit seinen Problemen zu belasten.
Lappilady
Sarah_
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Registriert: 24. Nov 2014, 10:47

Re: "Doppelrolle" Partnerin vs. Psychotherapeutin

Beitrag von Sarah_ »

Also erst mal danke an Alle, die sich gestern und heute Mühe und Gedanken zu meinem Anliegen gemacht haben.

Ich antworte einfach mal grundsätzlich Allen, da sich die Themen sowieso vermischen:

Natürlich habe ich mir Gedanken darüber gemacht, warum ich Therapeutin geworden bin. Meine Persönlichkeit, meine Geschichte, aber auch meine Grenzen sind ja wesentlicher Teil der Ausbildung. Und ich bin vielleicht noch jung, aber ich arbeite nun auch gute 15 Jahre in dem Bereich. Und somit bin auch ich natürlich schon mal an meine Grenzen gestoßen und bin auch nicht ganz unbetroffen, was zumindest Ängste und damit verbundene depressive Episoden angeht. Ich habe auch Therapieerfahrung wie viele meiner KollegInnen. Aber das macht auch für mich die Arbeit aus...wie soll ich sonst jemanden mit Ängsten und Sorgen verstehen können, wenn ich nicht selbst schon in einem großen Unwetter gestanden habe.
Für mich ist das hinsichtlich dieser Beziehung in privater Hinsicht leicht, weil nicht nur er sich verstanden fühlt, sondern ich mich auch gut aufgehoben fühle, wenn jemand sich gut reflektiert und um seine eigenen Grenzen und Bedürfnisse weiß.
Mein Beruf ist vielleicht zu 10% Thema, wenn er mich fragt, wie meine Arbeit war. Dann sind es vielleicht noch mal 10%, wo ich in ernsthaften Gespräche Denkanstöße gebe, die ich aber nicht aus einem Therapiemanual ziehe, sondern aus meiner Erfahrung als Privatperson mit ihren eigenen Themen. Natürlich bin ich, was meine Themen angeht, ziemlich reflektiert. Aber das ist mein Wesen und meine Persönlichkeit und das muss ich sein, damit ich meinen Job gut mache und gut mit mir selbst zurecht komme.
Ich weigere mich jedoch, privat pseudokompetente Ratschläge zu geben, da ich 1. selbst nichts damit anfangen kann und 2. ich auch einfach mal ICH sein möchte und auch mal Feierabend habe.
Ich kann zu der Motivation des Kontaktabbruchs nicht viel sagen. Nur, dass er von vorneherein spekuliert hat, dass er die Beziehung nicht halten kann, weil er es vorher auch so erlebt hat (- was vielleicht auch mit Frauen zu tun hatte, die eine wesentlich niedrigere Frustrationstoleranz hatten oder sein Abwenden persönlich genommen haben). Eine selbsterfüllte Prophezeiung ohne sie an der Realität zu überprüfen.

Es ist nicht so, als hätte ich ihn mir als mein privates Studienobjekt auserkoren. Wir hatten eine leichte und unbeschwerte Zeit und dann kam der Unfall...es ging ihm nicht nur körperlich schlecht, was sehr verständlich ist bei so einem Kontrollverlust. Da hat er seine Themen offen gemacht und sich anvertraut und ich war ihm dankbar dafür.

Vielleicht noch mal, warum ich mir hier Hilfe erhofft habe: Ich habe PatientInnen, die depressiv sind, zu denen ich eine gute, aber distanzierte Beziehung habe; ich habe Freunde, die Depressionen haben, die sich vielleicht auch zurückziehen, sich aber nicht von mir abwenden. In der Liebe gelten andere Regeln und man wird sich schnell gefährlich, insbesondere wenn es einem nicht gut geht, man möchte gefallen, dem anderen keine Belastung sein oder Ähnliches. Mein Gefühl hat mir gesagt, ich sollte mich nicht ganz zurückziehen, wenn es ihm nicht gut geht, damit er weiß, dass ich auf jeden Fall erreichbar bin, wenn er mich braucht oder es ihm wieder gut geht. Dieser Kontaktabbruch 20 Stunden nachdem wir wie verliebte Teenager die nächsten Tage geplant hatten, hat mich einfach in der Hinsicht an das Ende meiner Frustrationstoleranz gebracht, weil ich einfach machtlos war (bin) und große Angst habe, ihn nicht wiedersehen zu können.
Mir war wichtig zu erfahren, was der bestmöglichste Umgang in solchen Situationen ist. Denn ich denke, wir haben es beide verdient, korrigierende Erfahrungen zu machen, was zwischenmenschliche Beziehungen angeht. Ich möchte aber weder zu kühl wirken, noch ihn in eine Bedrängnis bringen.
Aber ja, ich versuche abzuwarten...

Ich möchte euch trotzdem noch mal danken für eure ehrlichen und aufrichtigen Beiträge. Vieles hat mich sehr gerührt und auch zum Nachdenken angeregt. Und ich kann auch verstehen, wenn man erst mal Vorbehalte hat, was meinen Beruf angeht. Ich habe diesen nur eingebracht, um verständlich zu machen, dass ich vielleicht kein Hintergrundwissen brauche, sondern mich gerade in eine Rolle einfüge, in der ich auch mal mehr handlungsunfähig bin.

Liebe Grüße
S
Brummi59
Beiträge: 979
Registriert: 15. Aug 2014, 23:13

Re: "Doppelrolle" Partnerin vs. Psychotherapeutin

Beitrag von Brummi59 »

Liebe Sarah,

ich bin heute völlig von der Rolle (habe mich übernommen). Deswegen nur eine kurze Antwort.
Ich habe mich gerade erst von meiner Lebensgefährtin getrennt. Rückblickend auf die letzten Beziehungen, stelle ich mir die Frage ob ich überhaupt Beziehungsfähig bin. Vielleicht fragt Dein Freund sich das auch gerade. Wenn ich hier aufmerksam lese, scheint dies ein Thema in der Depression zu sein.
Ich drücke Dir die Daumen das es bei ihm so nicht ist.
Liebe Grüße
Dieter

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*Arthur Lassen*
Sarah_
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Registriert: 24. Nov 2014, 10:47

Re: "Doppelrolle" Partnerin vs. Psychotherapeutin

Beitrag von Sarah_ »

Guten Abend Brummi59,

doch das ist durchaus Thema, aber seine Vergangenheit hat gezeigt, dass er das sehr wohl ist und ich sehe es ja auch im direkten Umgang. Es sind eben die Gedanken und das Gefühl, was dadurch entsteht, was die Zweifel immer antreibt. Aber wie soll er auch davon ausgehen, wenn niemand zuvor die Stimmungen ausgehalten hat? dann würde ich mich auch unerträglich fühlen...
Lass es dir gut gehen!
lucky8
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Re: "Doppelrolle" Partnerin vs. Psychotherapeutin

Beitrag von lucky8 »

wie kann man eigentlich jemanden und seine gefühle beurteilen, der unter depressionen leidet? oder in seinen kopf hineinsehen? diese krankheit ändert doch alles? ich konnte das nicht.
lg lucky8
Sarah_
Beiträge: 6
Registriert: 24. Nov 2014, 10:47

Re: "Doppelrolle" Partnerin vs. Psychotherapeutin

Beitrag von Sarah_ »

@lucky8
Ich gehe davon aus mit "man" meinst du mich?! Gedanken lesen kann ich nicht. Aber wir haben sehr intensiv darüber gesprochen. Somit weiß ich über viele Sorgen, Ängste und zusammenhängende Gefühle. Ich habe die Gefühle auch nicht beurteilt, sondern sie wurden mir erklärt. Und ja diese Krankheit ändert vieles, aber unter Umständen nicht alles und wichtig ist immer zu gucken, um welche Art der Depression es sich handelt und hier weiß ich, dass es sich nicht um eine biochemische Veränderung oder um eine Erbanlage handelt. Sondern, dass die Depression Folge von massivem Stress und Kontrollverlust nach einem Sportunfall ist.
Ich maße mir auch nicht an, alles verstehen oder den Leuten in den Kopf gucken zu können. Aber ich schreibe mir schon ein hohes Einfühlungsvermögen und die Kompetenz, bestimmte Zusammenhänge und Ursachen irgendwann verstanden zu haben, zu.
Brummi59
Beiträge: 979
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Re: "Doppelrolle" Partnerin vs. Psychotherapeutin

Beitrag von Brummi59 »

Sarah_ hat geschrieben:Mein Gefühl hat mir gesagt, ich sollte mich nicht ganz zurückziehen, wenn es ihm nicht gut geht, damit er weiß, dass ich auf jeden Fall erreichbar bin, wenn er mich braucht oder es ihm wieder gut geht. Dieser Kontaktabbruch 20 Stunden nachdem wir wie verliebte Teenager die nächsten Tage geplant hatten, hat mich einfach in der Hinsicht an das Ende meiner Frustrationstoleranz gebracht, weil ich einfach machtlos war (bin) und große Angst habe, ihn nicht wiedersehen zu können.
Lieb Sarah,

ich bin heute zwar wieder mal ganz weit unten aber Du bist mir irgendwo so sympathisch, das ich mich zussammenreiße und nochmals antworte.

Dein Gefühl ist nicht ganz falsch aber Du darfst Dich keinesfalls darauf versteifen.
Nö, ich fange anders an. Neben meiner sehr schweren Depression leide ich auch noch unter PTBS (12 Wochen Therapie dieses Jahr). Mein Indextrauma habe ich behandeln können und habe es ganz gut im Griff. Die anderen "untergeordneten" Traumata sind aber seit dieser Zeit massiv und quälen mich jeden Tag und besonders Nachts. Das Schlimmste unbehandelte Trauma: In Spanien ist bei einem Unfall ein Kind in meinen Armen gestorben (ich war Ersthelfer und Zeuge). Ich habe noch nie (!!!!!) darüber gesprochen oder geschrieben.
Und jetzt kommen wir wieder auf Deinen Freund zurück. Ein Mann hat sich mit solchen Problemen gefälligst abzufinden. Er ist der Ernährer und Fürsorger. Er hat nicht schlapp zu machen.
Beispiel gefällig? Ich bin zur Traumatherapie mit diagnostizierten schweren Depressionen gegangen. Da ich mich aber schon zu sehr aufs Trauma eingelassen habe, wollte ich unbedingt die Therapie durchziehen (Mann eben). Okay, ich habe die Therapie geschafft und meine Bezugstherapeutin (Frau Dr.) wollte mich mit leichten Depris entlassen. Völlig falsch, da die Depression schlimmer war als zuvor. Sie konnte es gar nicht merken wie beschissen (sry) es mir ging. Ich bin bis zum Perfektionismus fassadär.
Deine Aufgabe wäre es (um Deinen Freund zu verstehen), sowohl die Frauen- als auch die Therapeutenrolle abzulegen. Du müsstest denken wie ein Mann. Verdammt schwer, gelle.
Er kann Dich jetzt für Stunden in den Arm nehmen. Und nur Minuten später kommentarlos verschwinden, weil er auf keinen Fall seine "Schwäche" zeigen darf.
Weiterhin alles Gute für Euch zwei Beiden.
Liebe Grüße
Dieter

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*Arthur Lassen*
lucky8
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Re: "Doppelrolle" Partnerin vs. Psychotherapeutin

Beitrag von lucky8 »

Liebe Sarah,
das war jetzt nicht auf dich gemünzt, sondern allgemein zur Diskussion hingeworfen.
Ich habe auch mit meinem Lebensgefährten gesprochen, wir haben beide versucht, einen Weg zu finden. Aber er hat mir nicht immer die Wahrheit so sagen können, wie sie war. Und je nach dem, wie er sich fühlt, kommt mal mehr, mal weniger, zum Vorschein, wie es in ihm aussieht.
Ich möchte sagen, dass es nicht immer so ist, wie die Betroffenen es erzählen. Manchmal habe ich das Gefühl gehabt, er gibt mir Recht oder erzählt mir etwas, nur damit er seine Ruhe hat. Ich habe gelernt, dass ich nicht alles glauben darf.
Ich wünsche dir auf jeden Fall viel Durchhaltevermögen und Kraft.
Und nichts für Ungut
lucky8
Pia again
Beiträge: 106
Registriert: 14. Aug 2014, 07:39

Re: "Doppelrolle" Partnerin vs. Psychotherapeutin

Beitrag von Pia again »

Hallo Sarah,

seinen Beruf /ggf. Berufung legt man ja nunmal auch im Privatleben nicht ab.

Das zeichnet sich oft wieder, wenn man z.B. Kinder bestimmter Berufgruppen betrachtet:

Kinder von Lehrern, Kinder von Juristen,
Kinder von Ärzten und nicht zuletzt Kinder von Psychatern und Therapeuten.......

Natürlich gibt es auch immer Ausnahmen.

Ich denke, im partnerschaftlichen Bereich ist das nicht viel anders und wir nehmen immer ein Stück unseres Berufes mit in die Partnerschaft; das ist untrennbar und man selber merkt das oft gar nicht.

Ich bin z.B. so durch und durch Juristin, dass mir oft gar nicht auffällt, dass meine Denkweise, die ja im Studium schon "anerzogen wurde" im Privatleben halt auch greift; sicher ergreift man einen Beruf auch schon danach, wie man chrakterlich gestellt ist, zumindest dann, wenn man den Beruf seiner Wahl ergriffen hat.

Was ich mich frage ist:

warum Du als Profi Dich so sehr die Reaktion Deines Partners mit der Erkrankung in Verbindung setzt.

Ja, mit betroffenen Partnern zusammenzuleben bzw. in Beziehung zu treten ist definitiv anders, als in gesunden Beziehungen, aber der Konsenz ist doch immer dergleichen, Krankheitsunabhängig.

Kann ich damit noch umgehen?

Was würdest Du denn tun, wenn ein nicht erkrankter Partner so mit Dir umgehen würde?

Speziell Therapeuten lehren doch, im Hier und Jetzt zu leben und auf sich zu schauen, bei sich zu bleiben.

Warum tust Du das nicht?
Nicht wahrhaben wollen, dass Du so keine Partnerschaft führen willst?

Extrem bedinglich finde ich Dein folgendes Statement:

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Aber ich schreibe mir schon ein hohes Einfühlungsvermögen und die Kompetenz, bestimmte Zusammenhänge und Ursachen irgendwann verstanden zu haben, zu.

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Na fein.

Trotzdem kannst Du, wie Du selber ausführst keine Gedanken lesen und was ich in den letzten Jahren immer wieder erfahren habe ist, dass Kompetenz, Zusammenhänge, Ursachen und Empathie schön und gut ist, aber mit der Realität dessen, was der Partner denkt und fühlt (genauso umgekehrt) nichts oder wenig zu tun hat.

Ich bin Angehörige; mein Mann ist auch so ein "Gedankenleser".
Grauenhaft.

Es ist besser geworden, aber oft - Muster seinen Kindheit, wo er "Gedanken lesen musste", um zu überleben - glaubt er meine Intensionen zu kennen, zu wissen und handelt danach, ohne Rückfrage und ich ahne nicht mal, was er für absolut nicht zutreffende Ideen hat.

Ne Sarah, ich finde nicht, dass Du da auf einem guten Weg bist.

Ich kann für meinen Mann nur sagen, dass sehr viele, manchmal unerträglich viele Situationen nicht klärbar sind und mir allein der Weg bleibt zu überlegen, ob ich so leben möchte und wie ich damit umgehe.

Ich persönlich habe den Weg gewählt, diesbezüglich nur noch auf mich zu schauen und wenn Dein Freund sich als unzumutbar erachtet, aufgrund seiner Stimmungsschwankungen dann bleibt Dir in meinen doch nur eins:

ihm zu sagen, er soll diese Entscheidung Dir überlassen, da Du schon erwachsen bist und für Dich selber entscheiden kannst und, wie Du ja gemacht hast, Du für ihn trotzdem weiter da sein willst und das es seine Aufgabe ist zu lernen, damit umgehen zu lernen und zu ertragen, dass man einen Menschen so annimmt, wie er ist und gemeinsam ggf. nach Lösungen schaut, wenn es dann wieder geht.

Allerdings finde ich es falsch, seinen ausgesprochenen erwünschten Rückzug nicht zu respektieren bzw. in Frage zu stellen.

Ist nicht auch er erwachsen und kann selber entscheiden, ob er Dich als Partnerin will oder nicht?

Ich habe hier schon ganz oft gelesen, dass Beziehungen beendet wurden, "weil man nicht zumutbar ist".
Klingt ja sehr beschützend..... aber geht es darum wirklich? Oder heisst es nicht viel mehr: ich (der betroffene Partner) kann jetzt nicht in Beziehung treten?

Erfahrungsgemäß wird sich das an der Stelle nicht klären und da ich bekanntermaßen Gedankenlesen ablehne, würde ich dann an der Stelle loslassen und zwar deshalb, weil Loslassen in meinen Augen auch Lieben heissen kann...........

Ich persönlich kann nur sagen, wenn ich mir Rückzug aussprechen würde und mein Partner es dann besser wüsste, dass ich dies gar nicht so meine...... fänd ich wirklich sehr übergriffig.

Ein erkrankter Mensch soll lernen können, dass man zu ihm steht, ok, aber ihm das aufzwingen (tust Du nicht, weiss ich) würde ich persönlich nicht und wenn er Ernst macht und Du ihn wirklich nie wieder siehst, ist das sicher schmerzlich, aber seine zu respektierende Entscheidung, oder?

VG
Pia
FrauRossi
Beiträge: 3166
Registriert: 2. Jul 2011, 11:23

Re: "Doppelrolle" Partnerin vs. Psychotherapeutin

Beitrag von FrauRossi »

Hallo,

@Pia, Klasse Beitrag.

Sarah,

Für mich ist es unerheblich ob du Therapeutin oder Bäcker bist. Es ist auch unerheblich (in der aktuellen Problematik) ob du besonders einfühlsam oder ein Stein bist. Es ist unerheblich ob du besonders reflektiert bist oder Pipi Langstrumpf.

Ich sage dir das gleiche wie allen. Wenn dein Partner sich trennt und keinen Kontakt mehr will, ist das seine Entscheidung. Depressive sind krank aber nicht blöd.

Die depressive Gedankenwelt mag verzerrt sein und irgendwann später mag das deinem Exfreund auch aufgehen, nur ist das in der momentanen Situation ohne Belang. Sein Erleben und denken ist momentan so dass er nicht mit dir in Kontakt sein will.

Natürlich kann man lang über die innere Zerrissenheit Depressiver debattieren und spekulieren, dass im nächsten Hoch er seine Meinung wieder ändert, das alles nur ein stummer Schrei ist und und und. Selbst wenn ihm das selbst klar ist. Kann er scheinbar gerade nicht anders
und sieht den Kontaktabbruch als seinen Weg.

Das solltest du schlicht akzeptieren.

Du hast ihm angeboten für ihn da zu sein. Das ist alles was du tun kannst. Meinst du das wirklich bedingungslos und ohne Erwartungshaltung ehrlich? Dann halte dein Angebot aufrecht.
Steck eine Erwartungshaltung dahinter wie, er sollte sich wenigstens mal melden oder oder oder. Dann zieh dein Angebot zurück und kommuniziere offen dass dich die Situation zu stark belastet und du es nicht kannst, weil es deine Gefühle verletzt und du es nicht schaffst die Situation wertfrei zu betrachten.

Ich war selbst an schweren Depressionen erkrankt was eine Trennung mit sich brachte. Egal was nichts hätte meine Meinung geändert, denn für mich ging es gefühlt um Leben und Tod. Tod durch Nähe, salopp gesagt. Denn ich drohte sprichwörtlich unter den Hilfsangeboten zu ersticken. Ich hatte nie Gedanken wie: ich falle jemandem zu Last durch mein depressives Verhalten. Ich war eher wie ein waidwundes Tier gefangen in einer Höhle dass nicht weis dass die Hände die nach einem greifen nur Helfen wollen; und diese mit aller Macht biss. Ich wollte Ruhe, Dunkelheit, Sicherheit, meine Wunden lecken.

LG FrauRossi
Cicely
Beiträge: 1
Registriert: 1. Dez 2014, 00:48

Re: "Doppelrolle" Partnerin vs. Psychotherapeutin

Beitrag von Cicely »

Hallo Sarah ...

... ich lese seit fast drei Jahren in diesem Forum mit, ich habe mich nie angemeldet und etwas geschrieben.

Jetzt habe ich das Bedürfnis, mich hier zu beteiligen. Vielleicht deswegen, weil hier in deinem Thema zwei Beiträge von Menschen nacheinander stehen, die mir (ohne es zu ahnen) in schweren Zeiten sehr beigestanden haben. Denn ohne die Beiträge von solchen Menschen wie Pia, FrauRossi, Blümli, Julcas und vielen anderen, deren Namen mir leider gerade nicht einfallen, wäre ich als Angehörige eines Depressiven überhaupt ganz und gar nicht klargekommen.

Natürlich bin ich oft, sehr oft, nicht klargekommen. Aber eben "nicht ganz und gar nicht", sonst wären wir wohl nicht mehr zusammen. Dass wir immer noch zusammen sind, ist zu großen Teilen diesem Forum und den Menschen, die hier schreiben, zu verdanken.

Besonders auch den Betroffenen möchte ich danken dafür, dass sie hier bei den Angehörigen von sich erzählen, über sich schreiben und so dazu beitragen haben, dass ich manches verstehen konnte. Wobei "verstehen" vielleicht schon zu viel gesagt ist.

Ich konnte sehen, dass ich vieles nicht persönlich nehmen musste / sollte.

Aber da geht es schon los: Wie soll das eigentlich gehen, etwas nicht persönlich zu nehmen, was einen doch so sehr persönlich betrifft?

Auch wenn ich verstehe, dass mein Partner sich zum Beispiel nicht deswegen abweisend verhält, weil er mit MIR nichts zu tun haben möchte - ändert es nichts daran, dass am Ende des Tages ich es bin, die allein auf dem Sofa sitzt. Und ich bin die, die traurig ist über die kurzfristige Absage. Und sich trotz allem abgewiesen, zurückgewiesen FÜHLT - auch wenn die Absage nichts mit mir persönlich zu tun hatte.

Deshalb ist das, was Pia schrieb, so wichtig:

"Was würdest Du denn tun, wenn ein nicht erkrankter Partner so mit Dir umgehen würde?"

Es ist eine Gratwanderung. Denn bedeutet Liebe nicht auch, Verständnis zu haben? Da zu sein für den anderen, obwohl beziehungsweise gerade weil es ihm nicht gut geht?

Dazu passt dann das, was FrauRossi geschrieben hat:

"Du hast ihm angeboten für ihn da zu sein. Das ist alles was du tun kannst. Meinst du das wirklich bedingungslos und ohne Erwartungshaltung ehrlich? Dann halte dein Angebot aufrecht."

So etwas Ähnliches hast du, Frau Rossi, vor langer Zeit schon mal geschrieben, noch im alten Forum. Ich hatte es mir kopiert und hab es immer wieder gelesen, und ich weiß nicht, ob es mir gelungen ist, ohne Erwartungen zu lieben. Ich glaube nicht. Und es hat so oft entsetzlich wehgetan, es irgendwie hinzukriegen.

Sarah, kannst du jemanden lieben ohne Erwartungen? Kannst du bei dir bleiben mit deinem Gefühl, das sich nach einem Gegenüber sehnt? Das eigene Leben leben ... und warten darauf, dass es wieder besser, dass es anders wird ... und auch das ist doch eine Erwartung! Vielleicht nicht direkt an den Partner gerichtet, man hofft ja vor allem für ihn, es möge ihm besser gehen.

Aber mindestens indirekt hofft man doch auch für sich selbst, man hofft doch, dass das "besser gehen" auch bedeutet, dass der Partner sich (wieder) einem selbst zuwendet. Ich hab versucht, das anders zu sehen, aber ich glaube nicht, dass es mir gelungen ist.

Die Gefahr, in die Falle zu tappen, eigentlich unangemessenes Verhalten mit der Krankheit zu entschuldigen, ist groß.

Gefahr nenne ich das deshalb, weil es so schnell gehen kann, dass man sich dabei selbst verliert. Weil es natürlich auch einiges zu entschuldigen gibt - Menschen, die an Depressionen erkrankt sind, sind krank und können deshalb manches nicht. (Der Vergleich mit körperlichen Krankheiten wird immer wieder gezogen, um das zu verdeutlichen: Von jemandem, der mit 40 Grad Fieber im Bett liegt, erwartet auch keiner, dass er aufsteht und mitkommt ins Kino.)

Aber leider hat diese Krankheit Auswirkungen auf den Umgang miteinander. Irgendjemand hat mal geschrieben, dass es auch Arschlöcher (sorry) mit Depressionen gibt. Und eben auch Depressive, deren Verhalten "arschlochig" zu sein scheint - oder ist?

Da ist sie wieder, die Falle. Ich hab oft geglaubt - und es war auch so, in Gesprächen, die viel später stattfanden, hat mein Partner mir das bestätigt -, dass das vermeintlich "arschlochige" Verhalten keins war, dass es sozusagen die Depression war, die ihn so hat sein lassen.

Aber mir ging es damit trotzdem total mies. Ich fühlte mich entwertet, ich fühlte mich klein, ich musste mich von Freunden fragen lassen, warum ich mir das antue, warum ich bleibe.

Aus Liebe ...

Zuallererst sollten wir aber uns selbst lieben! Denn das, was FrauRossi auch noch geschrieben hat, ist ebenso wahr und ratsam:

"... Dann zieh dein Angebot zurück und kommuniziere offen, dass dich die Situation zu stark belastet und du es nicht kannst, weil es deine Gefühle verletzt und du es nicht schaffst, die Situation wertfrei zu betrachten."

Mit herzlichen Grüßen an alle
Cicely
Pia again
Beiträge: 106
Registriert: 14. Aug 2014, 07:39

Re: "Doppelrolle" Partnerin vs. Psychotherapeutin

Beitrag von Pia again »

Hallo Cicely,

toller Beitrag und danke für die netten Worte!

Weisst Du was mir persönlich in den letzten Jahren am allermeisten weh getan hat?

Meine ureigenste Erkenntnis, meinen Mann nicht bedingungslos lieben zu können........

ich habe mich geschämt, war böse auf mich.... ist er doch so krank, kann für nichts was und ich stelle Bedingungen, wobei man doch immer und immer wieder zu hören (von Therapeuten und Ärzten) oder zu lesen bekommt (hier im Forum).... mann muss den Erkrankten bedingunglos lieben.

Böse Pia, schlechte Pia, pfui.

Irgendwann habe ich für mich persönlich entschieden:

ich kann es nicht.

Ich kann meine Tochter absolut bedingungslos lieben (was nicht heisst, dass selbige keine Grenzen aufgezeigt bekommt) ; ich habe mitentschieden, dass sie geboren wird, sie war lange von mir abhängig, meinen Entscheidungen, meiner Wertigkeit, meinem Leben: ja, ich liebe sie bedingungslos.

Meinen Mann nicht.

Er ist mein Mann, ich liebe ihn, aber wir sind in Beziehung getreten, um Partnerschaft zu leben.
Er kann es nicht....... das war viele Jahre so...... und ich fordere, fordere, fordere..... böse Pia.

Irgendwann musste ich für mich einsehen, so fürchterlich weh, wie es getan hat und so sehr ich mich über mich selber erschreckt habe (völliger Schwachsinn, war aber damals so) : ja, ich kann eine Zeit mit nur körperlich anwesendem Partner leben. Ja..... ein, zwei, drei Jahre, aber leider nicht bis das der Tod uns scheidet (im Ernstfall, wenn ´s gut läuft noch so 40 Jahre !!!!! ) .

Ich kann es nicht.

Ich musste für mich einsehen: als Freund, ja, kann ich mittragen: als Ehemann, als Partner: nein, ich schaffe es nicht, so Leid es mir tut.

Was für eine Ironie des Schicksals: zwei Menschen lieben sich, wollen das Leben miteinander verbringen als Paar, es geht aber nicht.

Wie grausam ist das?
Das ist grausam, aber so manches Mal in der Beziehung zum Betroffenen Realität, da dieser eben nicht in Beziehung treten kann - ggf. sehr lange - und der Andere zu Recht (normal in einer Beziehung; diese ist zweiseitig) Beziehung leben will: es funktioniert nicht, niemand ist Schuld und niemand fordert etwas, was nicht richtig wäre.....

Pervers....... aber Realität.

Als ich dies kommuniziert habe mit meinem Mann und meine Konsequenz daraus gezogen habe (authentisch, fest entschlossen) hat mein Mann sich bewegt und seitdem (es gibt immer wieder Phasen, wo nix geht) gehen wir wieder in Richtung Beziehung in Richtung Partnerschaft.

Darüber bin ich sehr froh, natürlich: am im Grunde habe ich in der Zeit sehr, sehr viel über mich selber gelernt, wie die letzten Jahre überhaupt... hatte ja genug Zeit ;)

Das Zusammenleben mit dem Betroffenen ist ein riesengroßes Lernfeld..... wenn man sich drauf einlässt und ehrlich zu sich selber ist...... manchmal ganz schön hart.

@ Cicely: Du hast wunderbar das Bild "von der Couch" gezeichnet: Einsamkeit pur und nicht an einem Abend, einem Wochenende, einem halben Jahr, sondern im Ernstfall mit Aussicht auf lebenslänglich...... was ist man dann noch für den anderen? Alles, aber kein Partner .......

Da kannst Du mit Freundinnen ausgehen, Hobby leben, was auch immer; Fakt bleibt: mein ausgewählter Partner fehlt! Er fehlt mir! Unendlich!
Und er ist auch nicht durch Freundinnen, Hobbies oder was auch immer ersetzbar!

Und jeder Betroffene und jeder Therapeut, der malwieder äußert: der Angehörige ist selber für sein Glück und die Erfüllung seiner Bedürfnisse zuständig.... ganz ehrlich: plakativer geht es nicht mehr!!!!!

Natürlich ist das der Angehörige;
aber der Angehörige sehnt sich nichts mehr, als mit dem Betroffenen in Beziehung zu treten, was dieser eben dann nicht kann und auf die vielen Jahre gesehen: ist und bleibt es einfach so, dass ggf. eine Beziehung / Partnerschaft mit dem Betroffenen nicht möglich ist und das ist so schwer zu ertragen und so schwer zu sehen....... was ist dabei hilfreich (für den Angehörigen) oder sogar real, dem Betroffenen zu erzählen: an ihnen liegt es nicht..... der Angehörige ist selber schuld, statt: beide Seiten können momentan sich das Geben und Nehmen nicht realisieren........


LG
:hello:
Pia
lucky8
Beiträge: 477
Registriert: 20. Jun 2014, 23:41

Re: "Doppelrolle" Partnerin vs. Psychotherapeutin

Beitrag von lucky8 »

Liebe Pia,
du sprichst mir aus der Seele....
Liebe Grüße
lucky8
FrauRossi
Beiträge: 3166
Registriert: 2. Jul 2011, 11:23

Re: "Doppelrolle" Partnerin vs. Psychotherapeutin

Beitrag von FrauRossi »

Hallo Cicely,

Vielen Dank auch von mir für die lieben Worte.

Ich möchte etwas nocheinmal aufgreifen, das Thema mit der Erwartungshaltung.

Das ist eine schwierige und komplexe Sache. Ich möchte nicht dass der Eindruck entsteht ich würde meinen dass man an Depressive garkeine Erwartungen herantragen darf. So sehe ich es ganz und garnicht,

Jeder von und geht mit Erwartungen in eine Partnerschaft, ob die sich dann erfüllen zeigt die Zeit. Wo es nicht passt gehen wir Kompromisse ein, überprüfen im innerlichen Wertesystem wo das geht und wo nicht. An manchen Stellen findet man keine Einigung. Das führ zu Reibereien und vielleicht zu Streit dann und wann. Bei Paaren mit Streitkultur und wenn das große ganze passt, ist das nicht schlimm. Der andere ist eben anders hat Marotten die wir vielleicht nicht mögen, die und vielleicht nerven. Welche ihn aber auch irgendwie einzigartig, besonders und liebenswert machen.

Wertfrei in Situstionen zu gehen oder auf Menschen zu, sollte ja nicht nur im Umgang mit Depressiven gelten, sondern generell. In Partnerschaften, in Freundschschaften, in Verwandtschaften, in Arbeitsverhältnissen.

Aber ist und das wirklich möglich? Ich weis es nicht, es gibt Menschen die behaupten: ja. Mir persönlich ist es nicht möglich. Ich werte und zwar innerhalb von Bruchteilen einer Sekunde, ganz ohne bewusstes Zutun. Das geschieht auf Grund der Erfahrungen die ich gemacht habe. Und da Erfahrungen bei allen unterschiedlich sind, werten auch alle unterschiedlich.

Was ich versuchen kann ist, nicht impulsiv zu sein, die eigene Wertung zu nehmen und diese anzuschauen, woher kommt sie? Warum sehe/ fühle ich das jetzt so? Dann erst in "Ich-Botschaften" kommunizieren. Die Wertung bleibt natürlich erhalten, aber überdacht und ruhig in einer "Ich-Botschaft" kommuniziert, kommt sie beim Gegebüber besser an. Weniger verletzend vielleicht, weniger abwertend vielleicht, weniger wie eine Forderung. Egal ob depressiv oder nicht.

Ich bin ein sehr impulsiver Mensch, "ein Spring ins Feld" wenn man so will und für mich ist es sehr anstrengend so zu kommunizieren. Aber ich muss feststellen dass es für mich und mein Gegenüber besser ist und wirklich besser läuft. Sogar wenn das Gegenüber das Prinzip nicht beherzigt. Tut er es doch, um so besser.

Und so sollte mein Rat vielleicht nicht lauten: kannst du absolut wertfrei deine Hilfe anbieten? Sondern: versuche deine Hilfe wertfrei an zu bieten, überprüfe für dich wie starr deine eigenen Erwartungen sind und wie weit du sie beugen kannst um nicht selbst zu zerbrechen?

Dies gilt auch für jede Art von Beziehung zu anderen, aber bei einem Depressiven muss man sich klar sein dass unter Umständen sehr weit gebeugt werden muss, so weit bis man es knarren hört. (Wobei niemand wirklich etwas muss).

Das heißt jedoch nicht dass eine Pia zu sich selbst sagen sollte "böse Pia" nur weil sie Dinge von ihrem Mann verlangt, die sie für das partnerschaftliche Zusammenleben für unerlässlich hält.

Ein Depressiver verliert an Konzentration, an Gefühl, an Merkfähigkeit, an Urteilskraft, an Mut, an Antrieb und vielem. Aber er verliert nicht seinen Intellekt, nicht im eigentlichen Sinne zumindest. So kann er durchaus verstehen was man ihm sagt. Er kann vieleicht (salopp gesagt) nicht im herkömmlichen Sinne handeln. Dennoch kann auch er Sich in eine Beziehung einbringen, nur eben anders.

Wenn ich das "Wie" in aller Ausführlichkeit erläutern wollte, müsste ich ein Buch schreiben, in jedem Fall würde der Post jedoch zu lang fürs Forum.

Und nein, der Depressive kann nichts dafür dass es ihn ereilt, er kann nichts für die Symptome. Aber seinen Umgang damit kann auch er entscheiden. (Wobei der Spielraum kleiner wird, je stärker die Depression ausgeprägt ist) und Therapeuten sollten ihren Patienten auch nicht soetwas einreden. Aber das ist eine persönliche Meinung.

Also ihr Lieben bleibt tapfer, das ist großartig, dennoch verbiegt euch nicht bis es knackt. Und stellt man für sich fest: ich kann das nicht / ich kann das nicht mehr. Ist man deswegen kein schlechter Mensch.

LG FrauRossi
julcas
Beiträge: 569
Registriert: 11. Mär 2011, 17:57

Re: "Doppelrolle" Partnerin vs. Psychotherapeutin

Beitrag von julcas »

Hallo Ihr Lieben,

was für ein Thema, wow, alles was hier geschrieben steht hilft mir im Moment so sehr weiter. vielen Dank an alle.

Wir haben gerade so ein Thema auf dem Tisch.

Mein Freund hat es wieder einmal nicht pünktlich geschafft, seinen Folgeantrag für Hartz IV zu stellen. Bewilligt war bis Ende November. Weil ich ihm eine Woche vorher die Hölle heiß gemacht habe, hat er das dann doch noch geschafft, leider zu spät. Ergebnis für Dezember noch kein Geld vom Amt. Bedeutet keine Miete, kein Geld auf dem Konto, Rücklastschriften der Bank u.s.w.

Klar, sein Problem

Oder doch nicht ? Er ist ja bei mir, Kühlschrank ist voll. genug Holz ist da.

Ich habe kein Problem damit das er manches nicht schafft, doch ich habe ein großes Problem damit, das er nicht kommuniziert wenn etwas gerade nicht geht. Ich will nicht kontrollieren, ob er sich um seine Dinge kümmert und doch habe ich es getan. In diesem Fall ist es existentiell, wenn er keine Leistung bekommt ist er nicht krankenversichert u.s.w. Die Folgen sind ja extrem.

Ich weiß das es seine Verantwortung ist und ich weiß aber auch das er oft dieser Verantwortung nicht gerecht werden kann und in der Vergangenheit nicht gerecht wurde. (nicht gerecht werden konnte)

Mein Freund empfindet das Alles nicht so schlimm. Er sagt dann: ich schaff das schon.

Hilfe zuzulassen ist für ihn enorm schwer. Er hat seine eigene Realität.

Meine eigene Erwartung ist immer wieder mein Thema. :hello: liebe Pia,

Ich wünsche euch allen einen harmonischen 2. Advent und danke euch für die wertvollen Gedanken.

lg julcas
Tabarka1
Beiträge: 267
Registriert: 10. Feb 2013, 13:34

Re: "Doppelrolle" Partnerin vs. Psychotherapeutin

Beitrag von Tabarka1 »

Hallo Sarah,
Auch ich bin Psychotherapeutin und lebe schon einige Jahre mit einem depressiven Mann.
Ich erlebe mein berufliches Wissen und Können eher als Problem denn als Hilfe. Ich weiß zuviel um Zusammenhänge und das bringt mich aus dem Erleben, spontanen Reagieren und dem für mich angemessenen Handeln.
Ich habe sehr schmerzhaft erfahren müssen, dass mein Wissen und Können besonders mir schadet, weil ich zu nachsichtig mit ihm war und meine eigenen Bedürfnisse hinten angestellt habe.
Und mein Mann war und ist gut darin mir entsprechende Köder zu schenken. Für mich ist meine Lernaufgabe gerade auch in der nahen Beziehung mein Wissen nicht zur Entschuldigung von ihm zu nutzen, sondern für meine Bedürfnisse einzustehen, meine Verletztheit zu äußern und auch zu fordern.
Schwierig war und ist immer wieder, dass seine Therapeutin fachlich zudem eine ganz andere Einschätzung hat als ich. So hält sie z.B. nichts von einer stationären Therapie, was ich ihm eher rate. Ich habe hier lernen müssen nur auf Nachfrage solch eine Einschätzung zu äußern. Ich glaube, dass ich mit meinen fachlichen Hinweisen eher dafür gesorgt habe, dass er sich bei seiner Therapeutin nicht einlassen musste.
Viele Grüße
Tabarka
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