Duell mit der Depression ?

Tini 28
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Re: Duell mit der Depression ?

Beitrag von Tini 28 »

Liebe Mut,
ich glaube, ich habe Dich schon richtig verstanden. ABER Du kannst nur indem Verständnis und vor allem Liebezeigst Deinem Partner behilflich sein!!! Er möchte doch nicht traurig sein, er möchte doch selber weiß Gott eine andere Sichtweise, er möchte doch geliebt werden!!! In einer depressiven Episode ist man - ohne es wirklich erklären zu können - tief, tief traurig. Man kann dann wirklich nicht aufgeheitert werden, auch wenn man es noch so sehr möchte!!! Man spùrt, dass sich der Partner wieder den" intakten " Partner wünscht, der man mal war. Aber nichts wird jemals wieder so sein wie vorher, es wird den Rest desLebens immer wieder Tiefpunkte = Episoden geben. Oft werde sie gerade deshalb ausgelöst, weil der Partner irgendwann keinen Bock mehr darauf hat mit einem Depri zu Leben. Meine eigenen Kinder haben eben aus den genannten Gründen den Kontakt zu mir, ihrer Mutter, abgebrochen. Ich bin Ihnen zu anstrengend, außerdem " hätte ich ja nun so langsam das normale Verhalten lernen können " . Schlussfolgerung meiner Kinder : Du hast ne Klatsche". Mein liebt mich über alles, er hat nach meinem letzten Klinik Aufenthalt mitmir eine Paartherapie bei meinem Therapeuten gemacht. Es hat uns beiden sehr weitergeholfen. Endlich steht er unverbrüchlich an meiner Seite und lässt sich nicht mehr von unserem Sohn zu einem Besuch bei den Enkeln einladen , der bisher immer mit dem Zusatz - aber ohne Mutti versehen wurde. Ich glaube, dass das Zusammenleben mit einem Depri immer -auch in weiter Zukunft - sehr viel Kraft kostet. Nur ein zu tiefst liebender Partner wird diese Kraft aufbringen können. Nicht ein Mal konnten dies meine eigenen Kinder. Sie sprechen übrigens immer und überall davon, dass sie eine tolle Kindheit und Jugend hatten. Nicht mal diese irgend einmal Kinderliebe reicht aus, um eine depressive Mutter zu ertragen. Ich habe allerdings auch sehr viel in meinem neuen, anderen Leben verändert: ich vermeide alles, was mir nicht gut tut und vermeide alles, was mich runterziehe könnte.
Gute Nacht liebe Mut
Tini 28
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Re: Duell mit der Depression ?

Beitrag von Tini 28 »

Hallo Mut,
nun doch eine Reaktion auf Deinen Text.
Meine Kinder sind direkt von meinen Therapeuten über die Folgen der Erkrankung aufgeklärt worden. Ich habe mit Absprache meines Mannes und des Therapeuten einen Brief geschrieben. Wer aber nicht will, den kannst Du nicht zwingen!!!! Das Gute an der Krankheit ist, dass Du lernst " Nein" und "Stopp" zu sagen. Du musst es, um endlich aus dem Teufelskreis der ständigen Überforderung herauszukommen. Das wird dann schnell als Egoismus ausgelegt. Meine Kinder denken, dass an mir geschraubt wurde, wie an einem Motor ,und jetzt müsste alles wieder wie geschmiert laufen! Außerdem entzog ich mich endlosen Dirkussionen Um "ungelegte Eier", indem ich mich dann aus solchen kraftraubenden Runden entfernt habe. Schon wurde es als Aufmerksamkeitsdefizit bei mir ausgelegt. Dass es genau andersherum war, dass ich mich einer krankmachenden Situation entzogen habe, das würde nicht gesehen. Du kannst nur dann mit einem Depri leben, wenn Du verstehst, dass kein Erzwingen und Überstülpen weiter hilft. Wenn Du verstanden hast, dass ein Aufheitern wollen dem Erkrankten nur zusätzlichen Stress macht, wenn Du verstanden hast, dass der Betroffene zeitweise wie hinter einen Glaswand lebt, dass er nichts lieber möchte als auf der anderen Seite der Wand zu sein, dass nur er die Seite wechseln kann, dann kannst Du auch mit einem Depri sehr gut leben. Allerdings nach den durch Krankheit bedingten Spielregeln: kein Druck, kein Stress, viel Bewegung , feste Tagesstrukturen und Beschäftigungen, die Freude machen , meine Smillies. Man kann helfen, wenn man dicht und liebend genug am Partner ist, indem man an das tägliche Korsett bzw. Gerüst ( positive Bausteine in gewohnten Zeitkonzepten) erinnert, wenn die Medikamente zuverlässlich genommen werden und wenn man akzeptiert, dass der Erkrankte oft erschöpft und müde ist. Wenn der keine Kraft dazu hat, abends endlos in geselligen Runden zu sitzen ,dann darf man das nicht persönlich nehmen. Wahrscheinlich ist das in den meisten Fällen eine Überforderung für Gesunde. Bestes Beispiel sind meine Kinder.
Wenn man das alles umsetzt und keine Erwartung hat, dass endlich der " alte " Mensch wieder auftaucht, dann kann man auch mit einer Depression alt werden. Nur... je älter man ist, desto schwerer fallen einem die notwendigen Veränderungen. Die kann der Erkrankte nur dann schaffen, wenn nicht ständig an das Leben davor erinnert wird und das Verhalten als nicht mehr liebend ausgelegt wird!! Die Diagnose an sich ist schon schwer genug.
Liebe Grüße
Tini
Pia again
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Re: Duell mit der Depression ?

Beitrag von Pia again »

Hallo liebe Tini,

ich schonwieder :D .

Vieles Deines letzten Postings kann ich absolut nur unterschreiben; insbesondere die Tatsache, dass (Ehe-) Partner durchaus eben halt allein Unternehmungen machen sollten und dies nicht persönlich zu nehmen ist; gilt ja für jede gesunde Partnerschaft auch.

Du sprichst die Überforderung der Angehörigen an.

Ja, kann man so sehen; allerdings finde ich, so kommt es zumindest bei mir in Deinem Posting an, dass dort Erwartungen an den Angehörigen gestellt werden, die kein reales Leben leisten kann.

Du schreibst: kein Druck, kein Stress durch den Angehörigen.

Als Rentner mag das vielleicht hinkommen;
im Familienleben, für das sich ja nunmal der Betroffene irgendwann mal entschieden hat (speziell eben Ehe und tatsächliche Kinder - nicht Kinder über 30 -) , halte ich es für völlig unmöglich und ehrlich gesagt auch massiv ungesund, ein Druck- und stressfreies Leben einzufordern.

Wie soll das gehen?

Auch Angehörige sind nur Menschen und ich sage von mir, dass Stress und ggf. das vom Betroffenen als Druck empfunden wird, sich in keinem Leben verhindern lässt.

Diese Forderung überfordert Angehörige massiv und kann sogar in meinen Augen schaden.

Man weiss eh schon als Angehöriger nicht, wie man reagieren soll; fühlt man sich dann noch veranlasst, den Betroffenen in "Watte" zu packen, damit ihm jeder Stress abgenommen wird......... wann soll denn der Angehörige krank werden?

Ich empfinde es als Zuständigkeit des Betroffenen, mit einer normalen Stressumgebung und Druckumgebung lernen umzugehen.

Auch die Bitte, den Betroffenen ggf. zu unterstützen, in der Einhaltung des "Korsettes" der Tätigkeiten.... kann ich nachvollziehen..... aber der Weg vom Partner zum Krankenpfleger zu werden und der Bevormundung nebst - bei bequemen Charakteren - "Anerziehung" von Unselbständigkeit würde ich persönlich nicht begrüssen.

Neben dem Hinweis, therapeutisch Alternativen zu erarbeiten würde ich persönlich eher Hilfe zur Selbsthilfe (Aufschreiben, Merkpunkte pp) dem Betroffenen geben.

LG
Pia
Tini 28
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Re: Duell mit der Depression ?

Beitrag von Tini 28 »

Hallo Pia,
ich denke, dass wir uns ein klein wenig aneinander vorbeibewegt haben!
Es besteht ein großer Unterschied darin , ob man im Laufe einer sehr lange, sehr gut verlaufenen Beziehung lebt, oder ob man sich mit jemandem zusammentut, der schon aktuell erkrankt ist. Bei mir besteht eine 48 Jahre sehr glückliche Ehe, also ist es bei uns schon eher ein Geben und Nehmen: früher habe ich meinem Mann den Rücken - trotz meiner Berufstätigkeit - frei gehalten. Außerdem bin ich ja bereits Rentnerin, also in einer anderen Ausgangssituation. Weiter muss ich klar stellen, dass mit meinen Ausführungen kein Bemuttern oder eine bequeme Unselbstständigkeit gemeint ist. Ich habe bei meinen Klinikaufenthalten sehr wohl gelernt ( trotz meines Alters) mich selbstverantwortlich zu managen. Nur ich kann mein eigener Spezialist sein. Mein " Korsett" ist mein von MIR strukturierter Tagesablauf. Mein Mann musste lernen, Dinge allein für sich zu unternehmen, weil es weiß Gott reicht , wenn einer von uns Beiden ein Handicap hat. Mit der Medikamenten - Geschichte ist keine übergestülpte Betreuung gemeint, sondern er macht mir den Apotheker, indem er mir meine Wochen-Schachtel fertig macht. Dass ist die einzige Bemutterung, die er übernommen hat. Ansonsten organisiere ich mich und meinen Alltag alleine, und zwar sehr ausgefüllt. Wie schon erwähnt habe ich meine Erkrankung als Chance zur neuen Lebensqulität gesehen und angenommen.
Bei Dir, liebe Pia, ist die Ausgangsposition leider nicht so gut, wie bei mir. Dein Ehemann sollte sicherlich seinen Teil zu Eurem Alltag beitragen. Du bist mit Recht verbittert! Aber es führt nichts an der Tatsache vorbei, dass man ( zumindest wie bei mir ) mit einer schweren rezidivierenden Depression " schwer behindert " ist!!! Nicht ohne Grund bekommt deshalb auch den Schwerbehinderten-Ausweis. Es ist natürlich nicht wirklich prickelnd, sich dieser Tatsache zu stellen. Aber man kann sich nicht mehr zwingen , so wie früher zu funktionieren. Das ist besonders heftig, wenn man eigentlich voll im Berufsleben steht. Diesem Druck kann man , wenn man o.a. Diagnose bekommen hat, einfach auf die Dauer nicht standhalten. Betrachte es als nicht nachvollziehbar, betrachte es als bequeme Ausrede, betrachte es als egoistisch, es ist nun mal so, dass auf solchen Druck sehr schnell die nächste schwere Episode folgen kann . Keiner kann dann voraussehen, wann sie Dich einholt, keiner kann voraussehen, wie lange sie dauern wird,bzw. mit welcher schweren Krisensituation sie einherkommt.
Für Dich bedeutet es, meiner Meinung nach, dass Deine ganze Verbitterung euch nicht weiterbringen wird. Du kannst Dir zwar wünschen, dass Dein Mann sich " normal " verhält, aber nur er selbst muss entscheiden, wie es mit ihm weitergehen kann. Du musst wohl leider - sicherlich keine prickelnde Aussicht - eurer Klein-Unternehmen: Familie erst einmal alleine managen. Wenn Dein Mann mit Schlaganfallsfolgen gepflegt werden müsste, dann kannst Du auch nicht verlangen, dass es irgendwann reicht und er verdammt noch mal endlich aufstehen muss.
Ich weiß, dass das eine erschreckende Zukunftsaussicht ist, aber Du kannst einfach nichts Unmögliches erhoffen. Bis zu meinem Zusammenbruch war ich ja selbst der Meinigung, ich müsste mir einfach noch mehr Mühe geben, dann schaffe ich es; solange, bis mein Körper komplett gestreikt hat.
Wie schön, dass ich schon so alt bin und einen tollen Ehemann habe!!!!!!!
Tini
Tini 28
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Re: Duell mit der Depression ?

Beitrag von Tini 28 »

Hallo Mut und Hallo Pia,
Ich noch mal. Mir ist noch ein sehr persönliches Beispiel eingefallen, was bei mir Stressvermeidung bedeutet.
Mein schmerzlichster Triggerpunkt ist, wie ihr wohl inzwischen mitbekommen habt, die Tatsache, dass ich meine kleinen Enkelkinder in diesem Jahr - nur nach mehrmaligem Nachfragen - 2 mal sehen durfte. Und das bei einer Entfernung von 70 km!
Meine Stressvermeidung: wir werden grundsätzlich nicht mehr danach fragen, weil erst wieder Hoffnungen geweckt werden , die dann ganz lapidar mit der typischen Ausrede " erst wenn Du wieder gesund bist "= NORMAL bist , zerstört werden. Jedes Mal hat mich das wieder in den Abgrund blicken lassen. Versteht ihr, was das bedeutet, wenn ich weiß, dass das Stigma bis zu meinem Lebensende an mir haften bleibt. Ich glaube, dass ihr nicht wirklich nachvollziehen könnt - Gott sei Dank - , was das für Konsequenzen hat. Es hat doch nichts mit mangelnder Bereitschaft zur Veränderung zu tun, wenn man solche vermeidbaren Triggerpunkte umschifft. Wem ist denn damit geholfen, wenn ich es immer und immer wieder Versuche, wo das Scheitern vorprogrammiert ist? Es ist wahrscheinlich bei allen Betroffenen mit mehr als 2 schweren Episoden eine lebenslang geltende Diagnose!
Ich kann nur versuchen, Aufklärung zu betreiben, um endlich das Stigma Depression für Angehörige nachvollziehbarer zu machen. Welche Konsequenzen ihr als Angehörige daraus zieht, kommt immer auf die jeweilige Beziehung an. Ich habe Glück gehabt mit meinem Mann, aber ich kenne leider auch ganz andere Fälle, leider.
Tini
riverflow
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Re: Duell mit der Depression ?

Beitrag von riverflow »

Hallo Tini,

es tut mir leid, ich hab die ganze Zeit in mich gehorcht, aber Deine Beiträge machen mich wütend!

Ich habe versucht, herauszufinden, warum das so ist.

Es ist diffus, ich weiß nicht, ob ich es gut in Worte fassen kann:
Du sagst Du möchtest hier Rat geben. Es geht aber primär nur darum, dass auf einen Menschen mit Depression Rücksicht genommen werden soll, dass dieser quasi machen kann, was er oder sie will.
Wenn das die Kinder nicht verstehen, sind sie halt verständnislos. Vielleicht ist mir das zu wenig Selbstreflexion. Siehst Du Deinen Anteil dabei?
Ich würde es interessant finden, diesbezüglich mal die Kinder zu hören? Wieso werfen sie Dir Egoismus vor? Wirklich unberechtigt?
Hast Du mal was von sekundärem Krankheitsgewinn gehört?

Es ist schön, dass Dein Mann zu Dir hält, es ist gut, dass er (ich hoffe, nicht immer, sondern auch) allein weggeht. Ich denke, so etwas kann gut gelebt werden.
Wie ist das mit den Enkeln? Ist es nur sein Entschluss, diese nicht sehen zu wollen?

Mir erschließt sich auch nicht, warum Du Pia als verbittert bezeichnest. Ich denke, das gehört eher in den Bereich der Projektion.

Sorry, ich bin auch betroffen, aber durchgängig verhalte ich mich nicht so egoistisch. Ich schaue schon, dass ich nicht nur vorzugsweise auf mich gucke. Gerade wie es halt möglich ist.
Tini 28
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Re: Duell mit der Depression ?

Beitrag von Tini 28 »

Hallo riverflow,
es ist in Ordnung, dass Du mir versuchst klar zu machen, dass ich zu wenig reflektiere. Ich denke, dass das Forum den Vorteil hat, die unterschiedlichsten Sichtweisen aufzuzeigen. Es gibt halt nicht nur eine auf alle mögliche Fälle zutreffende Wahrheit. Wenn das so einfach wäre, bestünde nicht das Bedürfnis, sich so zahlreich auszutauschen. Ich möchte auch niemanden in eine Richtung beeinflussen. Letztlich muss sowieso jeder seinen Weg für sich finden. Ich habe nur die Erfahrung gemacht - sicher auch auf Grund meines Alters - dass junge bzw. mittelalterliche Erkrankte ganz andere und leider auch Existenz bedrohende Folgeprobleme haben. Wenn Dich meine Postings wütend machen, dann ist es Dein gutes Recht. Auch wenn in meinen Augen Wut eine viel zu heftige Reaktion auf meine Sichtweisen zeigt. Wenn Du Dich nicht egoistisch verhältst,dann hast Du sicherlich auch keine Probleme mit Deiner/Deinen Angehörigen.
Entscheidend für mich ist, dass ich einen Weg gefunden habe, wieder Freude am Leben zu haben.Farbe zu sehen, die Sonne zu genießen, zu fotografieren bzw. meinen Garten zu genießen ist für mich ein tägliches Glück. Ich bin aber Rentnerin. Mein ganzes Leben war ich berufstätig, habe Kinder , Haus und Garten betreut und immer alles versucht, damit es meiner Familie gut geht.Bis zu dem Moment, wo ich zusammenbrach, habe ich nie einen Gedanken darauf verwendet, wo ich selbst geblieben bin. Das war ein sehr wichtiger Lebensabschnitt. Jetzt habe ich einen neuen Lebensabschnitt begonnen.
Tini
Sonnenblume14
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Re: Duell mit der Depression ?

Beitrag von Sonnenblume14 »

Liebe Mut, ich komme auf deinen Ursprungsbeitrag zurück. Auch ich habe geglaubt, kämpfen sei die Lösung. Bei der Depression ist es, wie bereits mehrfach berichtet wurde, eben nicht so. Die Depression ist ein Teil der Betroffenen, man bekämpft sich letztlich selbst. Und das führt zu nichts ausser Kraftverlust und Frustration.

Der einzige Weg hinaus führt über Akzeptanz (und bereits hier wird es schwer), Geduld und - das war mir noch gar nicht so bewußt, ist aber wahr - Demut. Leider sind es meist Kämpfernaturen und sehr starke Menschen, die von Depressionen erwischt werden, und denen fällt es besonders schwer, zu Antriebslosigkeit und Nichtstun verdammt zu sein, da tobt gleich das schlechte Gewissen und zieht zusätzlich runter.
Ich habe in den ersten Wochen verzweifelt nach Hilfe gesucht, bis ich erkannt habe, dass es Hilfe im Sinne von "das lässt sich operativ entfernen" oder "Pille XY hilft dagegen" nicht gibt. Es gibt allenfalls Unterstützung aber selbst ein Therapeut kann eine Gebrauchsanleitung liefern. Er kann Hinweise geben, wo etwas haken könnte, aber lösen kann den Knoten nur der Betroffene selbst. Manchmal fühlte ich eine enorme Einsamkeit inmitten einer liebevollen Familie.
Erst als ich erkannte, dass viele Dinge als Symptomatik dazugehören und ich das (für den Moment) so akzeptieren muss, wurde es etwas leichter. Die beiden häufigsten Worte, die mein Mann mir sagte waren: Geduld und "das dauert eben". Woche für Woche, Monat für Monat. Auch er konnte mir als Angehöriger nicht helfen. Er konnte da sein (weil Alleinsein mein grösstes Problem war/ist) und hat irgendwie die Balance gefunden zwischen Abnehmen von Tätigkeiten und mich selber machen lassen,d amit ich nicht ganz versinke.

Was ich aus Deinem Beitrag herauslese, ist, dass du mit dem Hin und Her schlecht umgehen kannst. Aber auch das ist ein normaler Verlauf der Depression. Sie verläuft wellenförmig, vielleicht erklärt dir das die Unstetigkeit im Verhalten deines Freundes. Mir fällt es auch enorm schwer, Verpflichtungen einzugehen oder Entscheidungen zu treffen. Ich weiss eben heute nicht, wie ich morgen fühlen werde, oft ist es morgens und abends sogar völlig unterschiedlich. Bin ich heute fast starr vor Angst, weil ich morgen etwas Bestimmtes erledigen MUSS, kann es sein, dass es mir morgen keine Probleme bereitet. Oder umgekehrt. Auch das gehört zur Symptomatik, für den Betroffenen ist es kräfteraubend und frustrierend, aber daran kann er nichts ändern. Für uns Betroffene gibt es Hilfestellungen, die nichts lösen, aber den Umgang mit der Depression erträglicher machen. Jeder braucht aber eine gewisse Zeit, um herauszufinden, was für ihn persönlich am geeignetsten ist und was überhaupt nicht hilft.

In Deiner Situation kannst Du nur schauen, ob Du dauerhaft damit leben kannst. Ob Du Dich auf ein solches Leben einlassen möchtest. Wenn ja, musst du unbedingt sehen, dass du selber nicht auf der Strecke bleibst - Ihr müsst einen gemeinsamen Weg finden, auf dem Du auch Deine Bedürfnisse ausleben kannst, sonst wirst du in den Sog hineingezogen. Ich habe ganz viel Zuneigung aus deinen Zeilen herausgelesen - er kann sich glücklich schätzen, einen Menschen wie Dich zu haben. Du musst Deine Entscheidung jedoch unabhängig davon treffen, denn es ist DEIN Leben und Du musst wissen, wie Du es gestalten möchtest. Und du musst damit rechnen,d ass er dir vielleicht irgendwann unterstellt, nur aus Mitleid bei ihm zu sein - auch das gehört zur Symptomatik. Wenn man es als solche erkennt kann man leichter damit umgehen.

Am Ende hilft dir vielleicht die Erkenntnis, dass Veränderungen, so hart sie auch erscheinen, nicht zwangsläufig negativ sind.
"Depressionen sind kein Zeichen von Schwäche, sondern dafür, dass jemand zu lange zu stark sein musste" (Johnny Depp)

"Verstehen kann man das Leben nur rückwärts. Leben muss man es vorwärts." Sören Kierkegaard
Tini 28
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Re: Duell mit der Depression ?

Beitrag von Tini 28 »

Liebe Sonnenblume,
Du hast es wunderbar formuliert, wo letztlich das Problem liegt. Kampf kostet soviel unnötige Kraft, die man einfach nicht aufbringen kann. Es ist wohl auch so, dass viele Depris auf Grund ihrer Stärke, sich selbst durch ständige Überforderung in den Abgrund manövriert haben, zumal wenn eine genetische Disposition vorhanden ist. Die Depression bringt einen dazu - wie Du es ja auch treffend bezeichnest - demütig und geduldig zu werden. Wer außerdem das Glück hat, einen liebenden Partner an der Seite zu haben, gerät nicht automatisch in die Isolation. Die Gefahr besteht ja alleine schon dadurch, dass man in schlechten Phasen ganz alleine mit sich selbst sein möchte. Das kann man in guten Zeiten mit dem Ehemann oder Partner besprechen bzw. klären. Dann wird es sicherlich auch verstanden, dass sich das Abkapseln nicht auf den Partner bezieht, sondern ein Bedürfnis ist, was zu den schwarzen Stunden oder Tagen dazugehört. Liebe Sonnenblume - Dein Name signalisiert, dass Du die Farbsignale einer Blume wieder oder immer wieder waHRnimmst. Du wirst sicherlich auch Deine Grenzen bedenken und positive Tätigkeiten auf dem Notfallzettel notiert haben, um Dich immer wieder daran zu erinnern, was Dir gut tut. Du hast bestimmt Veränderungen in Deinem Leben vornehmen müssen,damit die dunklen Löcher Dich nicht mehr total überraschen können.
Ich denke, dass die Depression eine echte Chance sein kann, sein Leben noch zu einem passenden Moment zu verändern, und diese Veränderung sich im Nachherein als eine Bereicherung für die Zukunft bedeutet.
middlestreet
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Re: Duell mit der Depression ?

Beitrag von middlestreet »

Hallo an alle,

vielen Dank für Eure ermutigenden Worte in diesem Forum. Ihr habt mich heute wirklich aufgebaut.

Ich war noch nicht häufig hier, werde mich aber gleich mal im Nachbar-Thread "Wie geht es Euch allen?" vorstellen.

An diesem Wochenende ging es mir richtig schlecht. Ich war fast nur am Weinen. Dabei komme ich meist ganz gut mit der Krankheit meines Mannes zurecht, obwohl er nun schon seit 10 Monaten in stationärer Behandlung ist. Bisher war ich immer recht stark und konnte ihn immer gut unterstützen. Er hatte schon sehr viele Medikamente ausprobiert und erhält momentan EKT, was er leider nicht gut verträgt. Es war schlimm, ihn am Freitag leiden zu sehen.

Momentan verfolgt seine Psychologin den ACT-Ansatz (http://de.wikipedia.org/wiki/Akzeptanz- ... nttherapie" onclick="window.open(this.href);return false;). Ziel ist also nicht mehr die Depression zu heilen, sondern sie zu akzeptieren und damit zu leben. Ich habe das in der Theorie und für das Verhalten meines Mannes ganz gut verstanden. Ich musste das Akzeptieren für mich jedoch auch erst mal lernen. Und dieser nicht leichte Schritt wurde mir wohl dieses Wochenende klar. Eure Worte hier haben mir dabei sehr geholfen. DANKE!!!
Pia again
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Re: Duell mit der Depression ?

Beitrag von Pia again »

Hallo Tini,
hallo @ All,

als 100% Schwerbehinderte kann ich wohl im Grundsatz gut akzeptieren, dass auch psychisch kranke Menschen schwerbehindert sind/sein können.

Verbitterung trifft es wohl ganz gut, denke ich, liebe Tini.

Ich wollte mit meinem Mann ein gemeinsames Leben haben........ genau das ist das Problem: Leben, nicht Stillstand, nicht Partnerschaft nur auf dem Papier.

Ich kann und will Deine Partnerschaft nicht bewerten und ich empfinde es in der Tat auch so, dass eine langjährige, funktionierende Ehe wohl nicht mit einer verglichen werden kann, wo der Zeitraum des gemeinsamen funktionierens überschaubar war.

Trotzdem gab es ihn, sonst wäre ich niemals mit meinem Mann zusammengekommen.
Krankenschwester möchte ich nicht ausschließlich in meiner Ehe sein.

Auch ich finde, dass Sonnenblume genau die richtigen Worte gefunden hat:

wellenartige Phasen, genau das ist in unserer Paarbeziehung das Thema und die Unmöglichkeit meines Ehemannes innerhalb der letzten 5 Jahren zu lernen mich zu informieren, wo er gerade steht.

Ich hätte mir Rückzug kein Problem, würde er es denn endlich mal machen; ich hätte mit vielem kein Problem, wenn ein kurzes Wort der Orientierung an mich möglich wäre.

So befinde ich mich im Dauer-Nirvana und in der Dauerüberforderung, "was denn nun wann erwünsch" sein könnte / gewollt.

Das lässt mich in der Tat verbittern, weil alles was ich persönlich wollte, war in einem gewissen Umfang mit meinem Mann ein gemeinsames Leben führen und das scheint nicht möglich zu sein oder nicht gewollt, wie auch immer.

Und das tut mir sehr weh, denn genau diesen Mann, mit dem keine Gemeinsamkeiten möglich sind, liebe ich, aber es ist Fakt: Depression hin oder her: mit einem Menschen, der Dauerhaft nur Grenzen hat und keine kleinste Gemeinsamkeit leben kann, ist eine Beziehung nicht möglich.

In der Tat käme ich bei einem Schlaganfallpatienten nicht auf die Idee, wenn dieser halbseitig gelähmt, sprachlos, sabbernd, nicht gehen könnend, auf der Pflegestation läge, einen Tanzabend zu verbringen.

Dieser würde aber wohl auch nicht auf die Idee kommen, dies mit mir aktiv machen zu wollen.
Da wüsste ich woran ich bin und müsste nicht als lebendes Orakel rumlaufen.

Außerdem möchte ich anmerken, dass es massive Unterschiede im Verhalten zwischen depressiven Männern und Frauen gibt.

Vieles, wie Du reagierst, liebe Tini, würde Dein Mann, wäre er betroffen, vermutlich ganz anders händeln.

Das konnten wir hier schon oft feststellen; völlig unabhängig davon, dass jeder Mensch unterschiedlich ist.

Und riverflow: seh ich genauso.

Um auf Mut ´s Thread zurückzukommen.
Ich kämpfe nicht gegen die "Depression" , diesen Kampf kann ich nicht gewinnen.
Der lange Atem geht mir nach 5 Jahren und ca. 2 Jahren ohne jede Gemeinsamkeit langsam aus.

Und es ist einfach traurig, wieviel Leben diese Erkrankung nimmt.
Ich kann ja leben..... ich wollte es aber wenigstens in kleinem Umfang mit meinem Partner.

VG
Pia
Tini 28
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Re: Duell mit der Depression ?

Beitrag von Tini 28 »

Liebe Pia,
es tut mir unsagbar leid, dass Du Dich in solch einer belastenden Situation befindest. Der Zeitraum ist einfach schon viel zu lange, da können die Kräfte irgendwann einmal nicht mehr ausreichen.Ich denke, dass es ganz wichtig ist, dass Du mit Dir achtsamer umgehen musst. Niemandem ist geholfen, wenn Du ebenfalls in eine Depression heruntergezogen wirst.
Hat Dein Mann keine vernüftige therapeutische Unterstützung? In der Therapie lernt man doch, nach dem ABC Modell Situationen anders zu bewerten, als es bisher bei einem Depressionserkrankten der Fall gewesen ist. Kannst Du nicht auch mit ins Therapie-Konzept einsteigen? Für meinen Mann war das sehr wichtig, dass wir gemeinsam " Spielregeln" festlegen konnten. Wir haben das als " Verträge" bezeichnet. Und damit können wir beide auch dunkle Tage ganz gut meistern.
Dass Männer ganz anders mit einer Depression umgehen, ist mir bei meinen Klinikaufenthalten immer wieder klar geworden. Sie haben ein großes Problem damit, Trauer zu zeigen und auch zuzulassen. Sie haben Probleme damit, sich in der Therapie zu öffnen, und sie haben oft eine diffuse Angst vor den Nebenwirkungen der Medikamente. Hinzu kommt, dass der Erkrankte Schwierigkeiten damit hat, seine geringere Belastbarkeit - als Folge der Erkrankung - der Umgebung zu zeigen. Wenn sie sich aber auf die Depression eingelassen haben, dann sind sie auch zu tief greifenden Veränderungen, vor allem im Berufsleben , bereit. Oft war der Beruf mit einer ständigen Überforderung verbunden, die aber erst einmal erkannt werden musste. Männer definieren sich ja viel stärker über ihren Beruf als es normalerweise Frauen machen. So habe ich es empfunden. Wenn dann auch noch die finanzielle Sicherheit der Familie in Gefahr gerät, dann ist es eine verflixte Zwickmühle.Gerade im mittleren Alter mag wohl kaum jemand über eine Frühverrentung glücklich sein.
Liebe Pia, Du hast so einen langen Atem gezeigt und trotzdem nichts verändern können. Ich kann Dir nur Kraft wünschen und Dir raten, achtsamer mit DIR selbst umzugehen.
Tini
middlestreet
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Registriert: 27. Jul 2014, 16:38

Re: Duell mit der Depression ?

Beitrag von middlestreet »

Liebe Pia,

ich habe ähnliche Fragen an Dich:

Hattest Du einmal Gelegenheit, bei der (Psycho-)Therapie Deines Partners dabei zu sein? Besprecht Ihr, was ihm gut tut und hilft?

Ich habe meinen Mann durch die Krankheit und jetzt stattfindende Therapie sehr viel besser kennengelernt. Ich war natürlich geschockt, was ich alles in den ersten 6 Jahren unserer Beziehung nicht gesehen habe, aber ich bin froh, dass er nun so offen zu mir ist. Er hat einen Vertrag verfasst, in dem wir festgelegt haben, dass er auf sich achtet und für sich sorgt, dass er unbedingt frühzeitig sagt, wenn sich sein Zustand verschlechtert und noch einiges mehr. Das gibt mir Vertrauen, dass ich nicht ständig auf ihn achten muss und mir Sorgen machen muss. Bisher kann er auch auch gut einschätzen und sagt, wann er Hilfe braucht. Das haben mir auch seine Therapeutin und seine Krankenschwestern bestätigt und es nimmt mir eine große Last.

Es ist immer noch schwer und ich habe mir meine Ehe und Zukunft natürlich ganz anders vorgestellt. Wir hatten viel vor: Kinder, reisen, überhaupt erst mal ein gemeinsames Leben aufbauen. Evtl. können wir das irgendwann, aber vielleicht auch nicht, und das fällt mir noch schwer, zu akzeptieren. Aber wenn mein Mann in kleinen Schritten wieder glücklich werden kann, möchte ich diese Schritte mit ihm gehen.

Ich hoffe, dass Ihr einen ähnlichen Weg findet, Pia. Wichtig ist aber auch, dass Dein Mann selbst seine Krankheit managen kann. Bisher scheint das nicht so, wie ich es aus Deinem Beitrag rauslese.
Pia again
Beiträge: 106
Registriert: 14. Aug 2014, 07:39

Re: Duell mit der Depression ?

Beitrag von Pia again »

Hallo Ihr Lieben,

ja.

Ich kenne tatsächlich alle Behandler meines Mannes..... sowohl die der stationären Behandlungen, wie die ambulanten, zu denen ich ihn meist geschleift habe....... :?

Paartherapie haben wir auch hinter uns; gerade gestern habe ich noch drüber nachgedacht, dass wir tatsächlich auf demselben Stand von September/ Oktober 2011 sind:

damals hat der Therapeut meines Mannes in der Tagesklinik empfohlen Kompromisse mit mir zu erarbeiten (ja, ja, ja ja, ja!!!!!).

Mein Mann hat das abgelehnt, weil er es nicht kann.

Seitdem hat sich auf der Beziehungsebene nicht viel geändert.

Damals wurde mein Mann aus der Klinik als nicht therapierbar entlassen; damals empfand ich das als unglaubliche Unverschämtheit..... viele Kliniken, viele ambulante Behandlungen folgten, wie gesagt: inklusive Paartherapie.

Nix.

Unser gemeinsames Leben besteht eher aus schlechten Zeiten (auf Beziehungsebene, wegen Unmöglichkeit halt) oder noch schlechteren Zeiten.

Ich kann das nicht verstehen.

Als ich schwer krank wurde und deshalb den Boden unter den Füßen verloren habe (natürlich keine psychische Erkrankung, trotzdem), haben mir die 10 Stunden Therapie soviel gegeben und geholfen..... allerdings habe ich diese auch immer aus eigenem Antrieb aufgesucht.

Jetzt ist die ambulante Therapiezeit meines Mannes - Verhaltenstherapie - abgelaufen; sein Therapeut hat ihm dargestellt, dass nur noch ein Systemwechsel möglich ist (Tiefenpsychologie) , aber wie immer: er kümmert sich nicht, weil ihm kein empfohlener Therapeut sympathisch ist (hat aber auch keinen persönlich kennengelernt).

Ich habe die Therapeuten meines Mannes immer durchaus als angenehm und oft auch sehr kompetent erlebt.
Aber nichts schlägt auf Beziehungsebene an.

Vielleicht stehen einfach viel zu viele zu bearbeitenden Dinge davor.

Finanzielle Probleme haben wir keine;
ich bin finanziell absolut unabhängig; nur das gemeinsame Grundeigentum wäre halt aktiv von meinem Mann oder einem Betreuer bei Trennung
abzuwickeln.
Da blockt mein Mann bisher; den Vorschlag, den er gemacht hat - neues Haus kaufen mit separater kleiner Wohnung für ihn -, ist auf der "schaun wir mal - Ebene".... mit anderen Worten: wird im Sande verlaufen.

Die Zeit, in der mein Mann Sprechen konnte, Interesse an mir hatte, an einem gemeinsamen Leben war wundervoll...... ist aber leider viele Jahre her.

Das tut einfach weh.

Liebe Middlestreet,
es gibt so gut wie nichts, was meinem Mann gut tut.... ist das nicht furchtbar?

Es tut ihm gut auf einer Mittelmeerinsel zu sein, aber er verlässt das Haus nicht, will nicht dorthin fliegen, obwohl es ihm dort viel besser geht und auch die Entfernung von uns Erholung für ihn ist.
Er blockiert alles :(

Lieber am Alten, Schlechten festhalten.

Gestern habe ich noch mit ihm und meiner Schwägerin gesprochen (seine Schwester, auch depressiv) : Grenzen erkennen und draus lernen.

Beide bestätigten mir unabhängig von einander, dass sie ihre Grenzen nach wie vor erst hinterher wenn überhaupt bemerken (wenn sie schon überschritten sind) und vor allem: nichts daraus lernen können, da ja jede Lebenssituation anders sei.

Vielleicht erwarte ich zuviel: möglich, aber ich kann nicht verstehen, wenn ich doch hinterher merke, da und da hab ich mich übernommen, dann lerne ich doch daraus und achte auf mich.

Warum tue ich mir das an?
Eine Frage, die sich aufdrängt, auch mir.

Meine Antwort lautet:
ich kann einfach nicht glauben, dass ein Mensch, auch ein kranker nicht, lieber den Partner gehen lässt, der wirklich gewillt ist, zu unterstützen wo es geht, Freiräume zu gewähren, statt seine Krankheit anzuerkennen und lernen, damit zu leben.

Mir drängt sich immer wieder der hier schon genannte "Krankheitsgewinn" auf.
Ich kann einfach nicht verstehen, wie man so leben will........ und obwohl ich eigentlich täglich den gegenteiligen Beweis bekomme, so hoffe ich scheinbar seit Jahren, dass er sich und unsere Beziehung es wert ist, endlich einen Weg zu gehen.

Mir drängt sich täglich die Denkweise auf, das dies niemals der Fall sein wird.

Und das tut weh;
er hat jahrelang beteuert, wiesehr er mit mir leben möchte.

Taten sind nie gefolgt (Taten in Richtung Krankheitsakzeptanz und lernen damit umzugehen).

Mein Mann ist ja mit Mitte 40 Rentner geworden
allerdings vermisst er seinen Beruf mit keinem einzigen Tag...... er kann sich auch nicht vorstellen, jemals im Leben wieder arbeiten zu gehen.

Also da passt mein Mann keinesfalls in irgendein männliches Depressionsmuster.........

VG
Pia
Minya
Beiträge: 79
Registriert: 18. Sep 2014, 16:42

Re: Duell mit der Depression ?

Beitrag von Minya »

Hallo zusammen.
Ich bin neu und weiß auch nicht genau, ob meine Geschichte hier in dieses Thema gehört, aber ich wüsste nicht wo ichs reinschreiben soll.
Ich bin auf dieses Forum gestoßen, weil ich dachte „Es muss doch auch Hilfe für Angehörige von Depressiven geben“.
Ich hoffe jemand von euch hat überhaupt die Lust und Zeit es bis zum Ende zu lesen.
Also erzähle ich vielleicht vorab erstmal was von mir/uns ;). Ich bin 27 Jahre alt und mein Mann (28) und ich kennen uns seit Kindertagen. Zusammen sind wir bald seit 6 Jahren und davon jetzt schon 3,5 Jahre verheiratet. Wir haben eine wunderbare kleine Tochter (3Jahre alt) und Ende 2013 ein Haus gekauft. Eigentlich alles was man sich so jung wünschen kann. So wird uns dann jedenfalls oft suggestiert. „Ihr habt ein Haus, Kind, Jobs, 2 Autos..und das alles obwohl ihr noch so jung seit“. Ja ich bin schon manchmal stolz, was wir so geschafft haben.

Ich selbst hatte nach einer schwierigen Schwangerschaft und einer traumatischen Geburt eine postportale Wochenbettdepression. Wurde auch erst 3-4Monate später diagnostiziert aber um mich geht es ja nicht :). Wollte nur damit sagen, dass ich mal so etwas "ähnliches" erlebt habe, aber das scheint nicht annähernd mit einer "richtigen" Depression gleich zu kommen.

Mein Mann hat einen stressigen Beruf. Er ist Koch. Niemals hatte er damit ein Problem. Ob Überstunden, wenig Ruhepausen oder 6Tage-Woche. Irgendwann suchte er sich nach über 2 Jahren an einer Stelle eine Neue. Er kam nicht voran. Er war dort nicht mehr glücklich. Also neuen Job angetreten und von dort, auf Empfehlung eines ehemaligen Arbeitskollegen, abgeworben worden. Höherer Posten, besseres Gehalt. Alles wunderbar. Leider hat man ihn nur ausgenutzt. Er hat sich reingehängt und alles gegeben. Nach der Probezeit von 6Monaten dann „Och tut uns leid. Im Winter ist wenig los und wir können so viele nicht bezahlen in der Zeit.“. Er und 2 weitere wurden also so abserviert und entlassen. Wieder neuer Job und irgendwie fing da, meine ich, alles an. Er war sehr depremiert nach dieser Geschichte.
Seltsam für ihn. Passte nicht. Aber ich habe mir dabei nichts groß gedacht. Ihm ging es im Sommer bei der Belastung schon nicht so gut. Er brauchte für 2Monate Schlafmittel. Dazu ging es ihm im Winter eh immer irgendwie nicht „so gut“. Ich dachte also an eine sogenannte „Winterdepression“. Im Dezember 2013 bis Februar 2014 quälten ihn immer wiederkehrende undeffinierbare körperliche Beschwerden..von Kopfschmerzen, über Übelkeit, bis Durchfall. Immer was anderes. Also schickte ich ihn zu meinem Psychiater/Neurologen (ich bin dort wegen meiner Migräne in Behandlung). Dieser diagnostizierte „schwere Winderdepression“. Medikamente verschrieben, aber die wollte mein Mann nicht nehmen mit den Worten „Ich hab das nicht. Ich bin doch nicht psychisch krank!“. Okay. Er ist erwachsen. Zwingen kann ich ihn nicht. Ende März dann der Zusammenbruch..er hatte Ausfallerscheinungen in den Gliedmaßen, Doppelbilder und stark abgenommen. Nach 5Tagen auf den Kopf stellen in der Neurologie des KH hieß es „mittelschwer depressiv“.
„Na wunderbar“, dachte ich „hab doch gesagt. Er ist depressiv“. Ich muss dabei sagen, dass meine Mutter auch dieser Überzeugung war, da meine Oma (ihre Mutter) seit sie 38 ist schwer depressiv ist. Meine Mutter hatte eine schreckliche Kindheit dadurch. Das möchte ich für unsere Kleine einfach nicht.

So zurück zu meinem Mann. Endlich nahm er und vor allem seine Familie (!) die Diagnose an. Er wurde eingestellt und psychologisch behandelt. Alles schien gut.
Er wurde fröhlicher, nahm zu und sah nicht mehr alles schwarz oder vor allem zweifelte an sich und seinen Qualitäten als Vater und Ehemann. Bis vorletzten Samstag zeigte er mir, seinem Psychologen und allen Menschen um ihn herum weiter die Maske des „es geht mir besser. ich gehe wieder arbeiten“.
Peng. Er kann zwar gut schlafen, durchschlafen, essen und hat zugenommen. Aber der Rest..in seinem Kopf..das wäre keinesfalls besser. Er hätte uns das vorgemacht um uns nicht zu belasten. Er hätte immer alles mit sich ausmachen müssen.

Zu seiner Kindheit könnte man viel schreiben, aber sagen wir so, dass er nicht misshandelt oder missbraucht wurde, aber einfach kaum Liebe erfahren hat. Auf dem Abstellgleis stand. Immer nur mitgelaufen ist.

Jedenfalls bin ich dann Sonntag mit ihm in eine Klinik gefahren. Selbsteinweisen. Es hat ja ambulant nicht geklappt. Also warten wir seit letzten Montag auf einen Platz für ihn. Er muss alle 2 Tage anrufen, es könnte aber jeden Tag soweit sein. Maximal 1,5-2Wochen dann hat er den Platz.
Ehrlich gesagt? Ich freue mich darauf, wenn er dahin ist. Es ist schrecklich aber als nicht Betroffener denkt man immer nur „Wieso kann er sich das leisten und ich nicht? Der Rubel muss rollen. Du gehst 5-6Tage die Woche bis 18Uhr arbeiten. Das Kind muss versorgt sein. Wir haben große finanzielle Verpflichtungen. Und er? Legt die Füße hoch und sagt <ich kann halt nicht>.“. Manchmal könnte ich einfach losschreien. Ich bin ein wirklich selbstbewusster Mensch und sage jedem vorn Kopf was ich denke, aber diese Situation zerbricht mich innerlich mehr und mehr. Was wenn die stationäre Behandlung auch nicht hilft? Ihn verlassen? Kann ich nicht. Ich liebe ihn. Wir haben ein Kind! Ein Haus kann man natürlich verkaufen. Aber trotzdem bleibt soviel Verantwortung. Es ist grausam. „Wieso wir?“ frag ich mich oft. Ich muss seine Stütze sein, aber er ist nicht meine. Leider musste ich ihm auch sagen, dass unsere Tochter..in diesem Moment „meine“ Tochter und ihr Wohlergehen mir das Wichtigste ist. Sie leidet darunter. Im Mai stand sie in der Küche mal neben mir und sagte „Mama du traurig“ ich natürlich „Nein Maus wie kommst du darauf?“ sie dann „Doch. Du traurig. Wegen Papa.“.
Mir steigen jetzt wieder die Tränen hoch wenn ich das schreibe. Wie sie an dem Samstag geweint hat, als ihr Papa tränenüberströmt draußen saß. Weil er den Schein nicht mehr wahren konnte.
Ich verstehe ihn ja auch nicht. Ich bin Laie. Kein Fachmann. Ich sehe nur wie kaputt meine Mama ist..und sie war 4 Jahre alt als sie das alles mitbekam..dass ihre Mutter 3 Tage im Bett lag und nur sterben wollte. Ja sie ist „schwer“ depressiv und mein Mann „mittelschwer“ aber die Kinder leiden doch. Ich will das nicht. Nicht für mich, für uns, für unsere Familie.

Seine Eltern und seine verkorkste Kindheit sind vermutlich der Auslöser. Das wird die Therapie zeigen wie was wo. Ich hoffe nur, dass es hilft. Denn wenn nicht, weiß ich nicht wies weitergehen soll. Mit uns als Partnern und als Familie.
Ich fühle mich auch so betrogen, weil er mich monatelang belügt, dass es ihm besser ginge.
Soviel Zeit verloren, wo wir hätten andere Medikamente ausprobieren können.
Die Ärztin in der Klinik sagte, dass was ihm morgens nicht so hilft, wird deffinitiv umgestellt werden. Aber natürlich erst wenn er dort ist.
Ich fühle mich eingeengt, allein und überfordert. Ich bin 27. Was haben wir für Zukunftsperspektiven? Natürlich steht meine Familie hinter mir. Und ich konnte auch mit meinem Mann über meine Ängste sprechen..weil er darauf besteht, zu wissen, was ich denke und wovor ich Angst habe. Er würde in diese Klinik gehen mit dem festen Willen da "gesund" und "gefestigt" rauszukommen. Das er im Januar/Februar wieder arbeiten und seinen Beitrag leisten kann. Ich sagte dann "Mach dir selbst doch nicht son Druck". Aber er sagt, er will das so und er braucht genau dieses Ziel vor Augen. Und er will auch nicht mit Menschen zusammen sein dort "die so sind wie er und ihn besser verstehen als ich" (das sage ich immer). Er will wieder so sein wie vorher, sagt er immer nur!

Mein ganzes Vertrauen in ihn ist weg. Er lügt oft. Meine Ma sagt dann immer, dass gehört zum Krankheitsbild. Mein Psychologe hingegen sagte mir mal „Für die Depression kann ihr Mann nichts. Aber lügen ist eine Verhaltensstörung.“. Manchmal weiß ich gar nicht mehr, wo ich noch die Kraft hernehmen soll für das Ganze. Ich wünschte mir, dass mein Mann wieder ist wie vorher..sich selbst wieder wohl fühlt und wir ganz normal leben können. Letztens platzte es aus ihm „Geht’s dir nur ums scheiß Geld?“..bin ich so ein Unmensch oder eine empathielose Person, nur weil ich es ausspreche? Dass wir finanzielle Verpflichtungen haben, die ich auf Dauer nicht alleine stemmen kann? Sollte er noch 1 Jahr AU haben, bekommen wir kein Krankengeld mehr. Und dann?
Dann weiß er nicht, ob er noch Koch sein will. Klar. Er ist jung. Himmel! Er kann noch umschulen. Auch erst mit 30 wenn er will. Natürlich. Wir haben auch Geld an der Seite. Könnten es selber bezahlen. Aber was wäre wenn er umschult und dann nach 2 Jahren sagt „Ne. Will ich nicht mehr machen“. Das Leben und vor allem die Arbeitswelt ist doch kein Wunschkonzert! In unserer Gesellschaft ist kein Platz dafür. Es ist doch leider so. Sein letzter Arbeitgeber hat in der Krankheit gekündigt..wie erklärt man diese Lücke im Lebenslauf? „Sorry. Ich hatte Depressionen, war iner Klinik, aber jetzt kann ich wieder arbeiten“? Man ist doch nur von Vorurteilen umgeben. Dass Depressive nicht belastbar sind. Sein Job lebt davon belastbar zu sein. Haben Depressive denn jeden Bezug zur Realität verloren? Oder interessiert sie nichts anderes als sie selbst? Oft wird mir gesagt, dass depressive Menschen „Egoisten“ wären. Seht ihr das auch so?
Diese ganze Last, die auf mir liegt, ertrage ich nicht mehr lange. Ich sagte oben ja, dass ich mal so eine postportale Geschichte hatte. Aber das scheint wohl nicht zu heißen, dass ich „wirklich“ depressive Menschen verstehe. Ich selbst konnte meinen Zustand damals nur so beschreiben : Ich repräsentiere die glückliche Mutter für alle. Nach außen hin. Aber innerlich bin ich das nicht. Eigentlich bin ich nicht glücklich, sondern unglücklich, aber es wird ja erwartet, dass ich glücklich sein müsste. Warum ich aber unglücklich bin, weiß ich nicht mal genau.
Vielleicht hoffe ich auf aufmunternde Worte von euch. Oder einfach verstanden zu werden.
Gerne berichte ich wann er dann in die Klinik geht und wie es dort dann verläuft mit ihm und uns.
Fühlt euch unbekannterweise lieb gegrüßt
-Minya
Zuletzt geändert von Minya am 16. Jan 2015, 16:31, insgesamt 1-mal geändert.
Sonnenblume14
Beiträge: 1038
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Re: Duell mit der Depression ?

Beitrag von Sonnenblume14 »

Hallo Minya,

dein Beitrag hat mich sehr betroffen gemacht. Du wirkst auf mich völlig desillusioniert, hilflos und gefangen in einer Situation, aus der Du Dich weder befreien kannst noch willst. Du vermischst ein wenig die Geschichte Deiner Mutter mit der Eurer Familie. Versuche, das als zwei Wege zu sehen, die unterschiedlich verlaufen. Man neigt dazu, zu projezieren, das kann ungut sein. Das Schicksal Deiner Mutter ist Vergangenheit, Du lebst im Hier und Jetzt und der Verlauf kann ein anderer sein.

Ich würde mal sagen, Deine Wochenbettdepression war nicht stark ausgeprägt. Sie können durchaus den Verlauf einer schweren Depression nehmen, sei froh, wenn du das nicht erleben musstest. Und auch hier: versuche, nicht zu projezieren, sondern das als eigene Geschichte zu sehen, die abgeschlossen ist.

Dass Du voller Zukunftssorgen bist, ist verständlich. Wäre ich auch. Auch Dein Mann wird sich darüber Gedanken machen, nur kommen bei ihm noch massive Schuld - und Versagensgefühle dazu. Was mir ganz häufig durch den Kopf schoss, als ich Deine Zeilen gelesen habe, war das Wort "Akzeptanz". Du musst versuchen, die SItuation anzunehmen, wie sie ist. Früher ist vergangen, so wird es nicht wieder - das ist eine der schlimmsten Einsichten. Jemand sagte mir mal, als ich sagte: "Ich will mein altes Leben zurück" "Das bekommst Du nicht - Du musst etwas verändern. Aber wer sagt, dass das, was kommt, schlecht ist?"

Normalerweise zeigt eine Depression, dass etwas richtig schief lief. Die SEele ist förmlich übergelaufen, weil sie die negativen Eindrücke nicht mehr verdrängen konnte. WAS das ist, muss er herausfinden. Das ist ein mühevoller und vor allem einsamer Weg, den er gehen muss. Voraussetzung ist der eigene Wille, etwas ändern zu wollen.
Deine Tochter hat sich erschreckt, weil Papa weint? Weil Du traurig bist? Welches Probem hast du damit? Traurigkeit und Weinen gehören zum Leben, sie begleiten durch eine schwere Zeit, die jedoch formt und aus uns das macht, was wir letztlich sind. Es gibt keine immerwährende Freude. Bring deiner Tochter bei, ihre Gefühle zu zeigen. Weinen gehört dazu, Traurigkeit ist eine Emotion, die ausgelebt werden will. Andernfalls muss dieSeele wieder etwas verdrängen. Gleiches gilt für Deinen Mann: Sei froh, dass er diese Emotionen zeigt. Das ist enorm wichtig! Weinen nimmt viel von der Last und befreit - Zusammennehmen sollte etwas sein, das in dieser Zeit innerhalb der Familie nicht notwendig ist.

Sicher wird die Klinikzeit Deines Mannes auch Dir Entlastung bringen. Nutze diese Zeit für Dich selbst, sei egoistisch, gönne dir etwas. GEh mit Freunden bummeln, ins Kino, mache das, was Dir guttut - im Bewußtsein, dass Dein Mann gut aufgehoben ist. Tank wieder auf.

Noch etwas zum Egoismus der Depressiven: die Betroffenen neigen dazu, sich lange Zeit für andere aufzuopfern und ihre eigenen Bedürfnisse hintenan zu stellen. Sie haben verlernt, darauf zu achten, überhaupt zu registrieren, was ihnen guttut und was nicht. Das muss wieder gelernt werden, damit das seelische Gleichgewicht wieder hergestellt werden kann. Dadurch, dass man plötzlich eigene Interessen voran stellt, wirkt das enorm egoistisch - und ist es manchmal auch, denn die Betroffenen müssen erst das richtige Maß finden.

Ich würde versuchen, darauf zu vertrauen, dass sich alles irgendwie regeln wird. Denk nicht an nächstes Jahr, sondern vertraue ein wenig darauf, dass Deinem Mann geholfen wird und er nach und nach zu mehr Stabilität finden wird. Das erfordert von Dir momentan enorme Stärke, aber wenn er zum Beispiel einen Herzinfarkt gehabt hätte und die Ärzte ihm verordnet hätten, sein Leben zu entschleunigen und seine Ernährung zu verändern, hättest du diese Veränderung vermutlich auch akzeptiert. Zugegeben, das ist viel einfacher als die Veränderungen, die eine Depression mit sich bringt. Aber im Grunde ist es ähnlich.

Im akuten Zustand braucht Dein Mann Verständnis und das Vertrauen, sich auf Dich verlassen zu können. Das wird sich wieder ändern, vermutlich kann er irgendwann wieder Veratnwortung übernehmen ... wann das sein wird, kann dir niemand sagen. Vielleicht kannst du auch mal nach dem Buch "Der schwarze Hund" schauen, das hier öfter erwähnt wurde. Das gibt es auch in einer kindgerechten Version.

Liebe Grüße
-Sonnenblume-
"Depressionen sind kein Zeichen von Schwäche, sondern dafür, dass jemand zu lange zu stark sein musste" (Johnny Depp)

"Verstehen kann man das Leben nur rückwärts. Leben muss man es vorwärts." Sören Kierkegaard
Sonnenblume14
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Re: Duell mit der Depression ?

Beitrag von Sonnenblume14 »

@Pia again: Das hört sich alles sehr schwierig an, da irgendwie eine Grundvoraussetzung fehlt. So wie du es beschreibst, erkenne ich kaum den Willen Deines Mannes, etwas ändern zu wollen. Irgendwer erzählte mir mal, als ich meinen Arbeitsbeginn immer wieder rauszögerte: "Man kann es sich mit seiner Depression auch bequem einrichten" - das ist sicher sehr krass ausgedrückt, denn jeder Depressive leidet. Und oft ist es eine Mischung aus Angst und Antriebslosigkeit, die hilflos und machtlos macht.
In akuten Phasen ist vom Partner sicher sehr viel Geduld, Rücksicht und Zurückstecken gefordert. Aber das kann/darf natürlich kein Dauerzustand werden. Kommunikation ist da wichtig, weil die Befindlichkeiten oft wechseln. Ohne dass der Betroffene sich mitteilt, ist es für den Angehörigen ganz, ganz schwierig. Das fällt Männern sicherlich viel schwerer als Frauen, da die meisten eh weniger über Gefühle reden und sie auch nicht so zulassen. (Erziehungsgeschuldet)

Blockieren kann ein Symptom sein, schwer, das zu beurteilen. Aber ein gewisser Wille, sich helfen zu lassen, sollte schon da sein, obwohl ich nach der langen Zeit auch verstehen kann, wenn sich ein gewisser Frust einstellt. Immer wieder ausprobieren, feststellen,d ass nichts hilft ... da kann man schon verzweifeln.

Ansonsten noch kurz zu mir selber: Ich denke, ich gehöre zu den "Glücklichen", die eine reelle Chance auf beschwerdefreie Zeiten haben. Die Welt ist wieder bunt, ja . Weil ich mich an einem Punkt nicht damit zufrieden gegeben habe, mich besser zu fühlen, sondern das Angebot einer TAgesklinik nutzen durfte, von dem ich enorm profitiert habe. DAs hätte keine ambulante Therapie leisten können. Dort wird psychotherapeutisch aufgearbeitet. Die Achtsamkeit, Entspannung und für-sich-sorgen hat man mir in der Klinik beigebracht und ich versuche, möglichst viel "hinüberzuretten" in mein jetziges Leben. Ob das reicht, kann ich nur hoffen. Doch es ist schon richtig: Eine Depression bietet immer eine Chance, dem Leben eine andere Richtung zu geben, eine Richtung, die zum eigenen Ich führt. Das ich persönlich irgendwie und irgendwo verloren hatte.
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Tini 28
Beiträge: 32
Registriert: 26. Aug 2014, 13:20

Re: Duell mit der Depression ?

Beitrag von Tini 28 »

Guten Abend Sonnenblume,
danke für Deinen wunderbar formulierten Text! Du hast meiner Erfahrung ( immerhin schon "echte" Rentnerin, zumindest was das Alter betrifft) komplett aus dem Herzen gesprochen. Auch ich hatte mich und meine Bedürfnisse vollkommen aus den Augen verloren. Aber ich habe - so wie Du - alle Möglichkeiten zur Hilfe genutzt, auch wenns oft hart war!
ich freue mich mit Dir, dass Du Deine Chance nutzen kannst bzw. konntest. Ich hatte doch bei Deinem Namen das Gefühl, dass Du wieder farbig siehst. Malst Du oder fotografierst Du?
Denke bitte auch auf Deinem weiteren Weg immer daran, was Du erfolgreich gelernt hast! Wenn Du das weiterhin beherzigst, dann brauchst Du sicherlich keine Angst vor der nächsten Episode zu haben.
Tini
Pia again
Beiträge: 106
Registriert: 14. Aug 2014, 07:39

Re: Duell mit der Depression ?

Beitrag von Pia again »

Liebe Sonnenblume,

meinen Respekt für Deinen Weg und alles Gute weiterhin!

Tja, was mit meinem Mann wirklich "los ist".... keine Ahnung; vielleicht weiss er das derzeit selber nicht mal.

Nach diesen Jahren verfestigt sich in mir einfach der Gedanke, dass er gar nichts ändern möchte;
andererseits, ist er schon ein sehr stark betroffener Mensch (Ende 40 und seit dem 10 Jahr erinnerlich betroffen) und ich frage mich, ob er überhaupt emotional ein "normales" Leben kennt; ich kenn ihn jedenfalls nicht anders.........

schaun wir mal.

Liebe Sonnenblume: mag aus Angehörigen-Augen vielleicht zu einfach sein, aber trotzdem: um die etwaige nächste drohende Episode und deren Bewältigung mach Dir bitte dann Gedanken, wenn es soweit ist.

Alles, alles Liebe & Gute!

:hello:

Pia
Minya
Beiträge: 79
Registriert: 18. Sep 2014, 16:42

Re: Duell mit der Depression ?

Beitrag von Minya »

Hallo Sonnenblume.
Danke für deine Antwort.
Nachdem die Registrierung 4Tage gedauert hat, hatte ich genug Zeit mich hier mal gut einzulesen in verschiedenen Themen.

Ich habe von Anfang gewusst, dass mein Mann sich mit neuem Job (Probezeit) und dem Hauskauf übernimmt. Wir haben gestern Abend noch darüber gesprochen, da eine Freundin von ihm meinte, dass ihn bestimmt sein Beruf krank gemacht hat. Finde ich halt nicht. Weil dann hätte man diesen nicht schon über 8 Jahre ausgeübt. Aber naja. Das steht ja auf einem anderen Blatt. Fragt man 10 Leute, hat man 10 verschiedene Gründe warum man krank geworden sein soll.
Zu Akzeptanz muss ich sagen, dass ich "akzeptiere" dass mein Mann krank ist. Ich habe es eher gewusst und akzeptiert als er selbst. Was ich aber wiederum niemals akzeptieren werde, ist lügen. Ich habe ihm jetzt schon 6 Monate den Rücken freigehalten und ihn unterstützt. Ihn versucht abzulenken, wenn er mal "einen schlechten Tag" hat, wie er sagt. Neben meiner vollen Berüfstätigkeit, kümmer ich mich danach um Kind und Haushalt. Nur irgendwann ist in diesem bestimmten Thema natürlich meine "Akzeptanz" etwas schwächer.

Ich habe hier soviel in den Themen gelesen und mir manchmal gedacht "Glück hast du n bissel. Weil DEIN Partner will sich helfen lassen. Er WILL gesund werden". Manche von euch sind sooo traurig..dass man nur noch aneinander vorbeilebt und nicht mehr miteinander. Die Vorstellung finde ich grausam. Und entgegen allen Ängsten..niemand verurteilt den Partner eines Depressiven, wenn er ihn verlässt. Vermutlich weil die Vorurteile so groß sind, dass das ja "verständlich" ist denjenigen zu verlassen. Das ist wirklich so. Hat mich selbst überrascht wieviele zu mir sagten "Passt auf, dass eure Ehe und Partnerschaft das verkraftet" und mein Psychologe damals "Liebe kann in so einer Erkrankung einfach verloren gehen".
Ich werde meinen Mann nicht verlassen, aber er weiß, dass ich ernsthaft darüber nachdenken würde, wenn er sich nicht helfen lassen wollen würde. Ich finde es schrecklich, so wie es Pia again beschreibt. Dass ihr Mann keinen Therapeuten mochte. Mein Mann sagte jetzt auch, dass er nicht nur gelogen hat um uns zu schützen, sondern auch weil sein Therapeut "arrogant" war. Also ich kenne diesen seit vielen Jahren und das ist er nicht. Er ist einfach kein "Weichspüler" sage ich immer so schön. Er sagt auch Depressiven vor den Kopf was sie eigentlich nicht wahr haben wollen (zB die Härte unserer Berufswelt usw.usw.usw.). Aber naja. Das ist jetzt passé. Der nächste Schritt wartet auf uns.
Ich kann nur hoffen, dass er in seinem Willen des "ich will da gesund rauskommen" nicht auch eine Lüge steckt, damit ich mich sicher fühle. Dass ich das anzweifel, nach monatelanger Lügerei, sollte nicht wundern.

Was ich noch zum Weinen sagen möchte oder fragen. Müsste jetzt andere Themen durchforsten um genau nachzulesen : Hast du Kinder Sonnenblume?
Ich mag zwar jung sein, aber ich kann nicht mit ansehen, wenn mein Kind aus Verwirrung und Unsicherheit völlig hysterisch weint. Ich habe kein Problem mit weinen. Im Gegenteil. Ich weine nicht oft, aber meistens wenn ich sehr wütend bin. Und meine Kleine hat aus völliger Angst geweint..weil sie nicht ganz verstanden hat was los ist und wieso Papa so traurig ist. Manchmal denkt sie, dass sie Schuld ist. Wir hatten massive Probleme mit Wutanfällen (schreien, schreien, schreien, treten, schlagen, beißen). Das hat sie vor Papas Erkrankung nie getan. Eine Kinderseele ist deutlich empfindlicher als unsere. Kinder nehmen viel unbewusst an Spannungen auf und kompensieren oder äußern dass dann in unkontrollierter Gewalt, weil wie soll eine 3Jährige denn sagen "Ey. Ich finde das doof. Ich habe Angst. Helft mir!". Sie steht 5Minuten tobend und fast brechend vor schreien vor der Badezimmertür hinter der ich mich eingeschlossen habe und plötzlich als hätte man einen Schalter umgelegt "Mamiii? Ich lieb". Ich habe deffinitiv kein Problem mit weinen. Nein. Aber ich "sehe" dass mein Kind leidet und das will ich einfach nicht. Sie soll ein glückliches Kind sein und nichts von den Problemen von uns mitbekommen. Papa wird in Urlaub fahren. Wir thematisieren das Ganze auch nicht mehr. Das macht ihr Angst. Allein dass er für seine AU zum Arzt musste, ließ sie völlig irritiert und weinend dastehen.."Papa krank". Dazu ist mein Mann seit seiner Erkrankung übermäßig streng mit ihr. Oft muss man ihn darauf hinweisen oder bremsen. Sie bekommt viel von seinem Frust ab. Ich möchte meine Tochter nicht nochmal im Arm halten und sehen dass sie deswegen weint.
Denn es gibt unterschiedliche Arten von Weinen. Das war kein "ich will meinen Willen durchsetzen" oder "ich bin bockig" oder "ich will Aufmerksamkeit" Weinen sondern pure Panik. Sie war panisch. Das finde ich nicht gut.

Ich verstehe dass die "Betroffenen" versuchen uns "Angehörigen" die Sichtweise und das Verhalten von depressiven Menschen näherzubringen oder verständlicher zu machen. Aber manchmal denke ich, oder auch beim Lesen der Themen fällt mir oft auf, dass das nicht immer so gut funktioniert ;) .

Liebe Grüße an euch alle
-Minya
middlestreet
Beiträge: 14
Registriert: 27. Jul 2014, 16:38

Re: Duell mit der Depression ?

Beitrag von middlestreet »

Liebe Sonnenblume, liebe Pia, liebe Minya,

zunächst, Sonnenblume, Deine Worte sind Gold wert! Besonders diese:

"Jemand sagte mir mal, als ich sagte: "Ich will mein altes Leben zurück" "Das bekommst Du nicht - Du musst etwas verändern. Aber wer sagt, dass das, was kommt, schlecht ist?" "

An diesem Standpunkt bin ich gerade und es fällt schwer. Aber ich denke auch, dass das neue Leben tatsächlich nicht schlechter sein muss. Aber es muss achtsamer sein. Davon habe ich bereits jetzt schon sehr viel von der Therapie meines Mannes mitgenommen. Heute habe ich für uns einige Punkte aufgeschrieben, wie unser Leben in Zukunft aussehen könnte. Das tat gut. Meinem Mann gefiel es auch. Was mir im Moment schwerfällt ist, nicht zu wissen, was wirklich mit meinem Mann sein wird. Ob es ihm je wieder gut gehen kann, ob er irgendwann wieder arbeiten kann usw. Das kann mir sicher niemand sagen, aber mit solcher Unsicherheit konnte ich noch nie gut umgehen. Wer kann das schon?

Pia, würde dies Deinem Mann helfen? Es klingt wirklich sehr schwierig bei Euch. Dabei ist die Bereitschaft, etwas zu ändern, so wichtig für die Behandlung. Ich sehe es in der Klinik meines Mannes. Ich finde die Ärzte dort super, weil ich ihren Erfolg bei meinem Mann sehe. Aber manche Patienten lassen sich leider nicht erreichen. Zumindest nicht von diesen Ärzten. Es klingt, als hätte Dein Mann schon einiges ausprobiert. Ein (nochmaliger) Therautenwechsel oder auch Therapiewechsel, wie schon vorgeschlagen, könnte die Wende bringen. Hat denn bei seiner Schwester die Therapie bisher angeschlagen? Gibt es evtl. einen gemeinsamen Auslöser, dem sie sich versperren?

Unsere Männer scheinen in ähnlichen Situationen zu sein. Die Depression begann bei meinem Mann auch mit 10 Jahren. Schlimm... Das muss man sich erstmal vor Augen führen, wie lange es dauern muss, Verhaltensweisen zu ändern, die sich 30 Jahre lang eingeschliffen haben. Aber man muss anfangen, dies zu lernen.

Du solltest aber auf jeden Fall für Dich selbst sorgen, auch wenn das schwer fällt. Mir fällt es auch schwer, obwohl mein Mann das akzeptiert. In welcher Verfassung ist denn Dein Mann? Könntest Du ihn allein lassen und z.B. mal mit einer Freundin wegfahren oder jemanden besuchen? Machst Du soetwas?

Minya, für Deine Tochter würde ich dringend eine psychologische Beratungsstelle aufsuchen. Ihr geht es schlecht und sie kann vieles nicht so gut verstehen und nachlesen (was hab ich schon alles gegoogelt...) wie Erwachsene. Ich denke, an einer solchen Stelle (gibt's in jeder Stadt) können sie Dich entweder direkt beraten, wie Ihr mit der Krankheit umgehen könnt, oder sie können Dir einen Ansprechpartner nennen. Die Stellen findest Du beim Gesundheitsamt.

middlestreet
Pia again
Beiträge: 106
Registriert: 14. Aug 2014, 07:39

Re: Duell mit der Depression ?

Beitrag von Pia again »

Liebe Middlestreet,

es hat lange gedauert, bis ich tatsächlich Urlaube pp, auch Unternehmungen ganz allein (also ohne meinen Mann) gemacht habe.

Dieses Jahr habe ich mich ihm über 2 Monate entzogen; das geht finanziell natürlich nicht auf Dauer........

Mein Mann ist nicht s**** (das böse Wort) gefährdet; da wäre ich dann auch an dem Punkt, wo ich ihn defintiv den Behörden übergeben würde (und müsste); diese Verantwortung würde ich mir keinesfalls auferlegen.

Ne, mein Mann kann in irgendeiner Form schon für sich sorgen: kiloweise Schokolade, Dosenvorräte, den PC: und er hat alles, was er braucht.

Er hat die ersten 10 Male ne Schnute gezogen, zumindest bei den Urlauben..... ist mir aber sowas von egal, da seine Anwesenheit in gemeinsamen Urlauben eh nur körperlicher Natur - für mich - ist (soll heissen: er trägt oder kann nichts zum gemeinsamen Gelingen beitragen, sondern heftet sich nur an mit Morgen-Grenze, Abendgrenze und Tagesmüdigkeit) .

Das seh ich nicht als Problem und mittlerweile, so sagt er zumindest, ob das real ist, bin ich nicht sicher, hat er verstanden, warum das für mich so wichtig ist und akzeptiert.

Was mir fehlt, was für mich wesentliche Voraussetzung einer Beziehung ist, ist halt das in Beziehung miteinander treten...... meines Erachtens hapert es genau da massiv.

Viele Jahre konnte ich aus den innigen Zeiten der Beziehung schöpfen; das Beziehungskonto ausschöpfen, aber irgendwann ist es aufgebraucht und derzeit eher im Minus.....

Keine Paarzeiten, keine Qualitätszeiten.... wie soll das eine sog. Beziehung überleben?
Was soll ich allein daran ändern?

Gemeinsame Ziele definieren; keine schlechte Idee;
wir haben aber gerade vor einem Jahr ein gemeinsames Ziel, nämlich die unser Haus komplett neu sanieren zu lassen erreicht, alle anderen Dinge auf unserer Liste auch, so dass momentan eher nichts darauf wäre.

Ich möchte nochmal in die USA, ist meinem Mann zu anstrengend (Jetlag, Zeitumstellung, sonstige Ängste) ..... kann ich akzeptieren, flieg ich halt ohne ihn.

In dem Leben ohne ihn im Hinblick auf die Gestaltung sehe ich kein Problem; allerdings haben wir mal geheiratet, um ein wenigstens in Teilen gemeinsames Leben miteinander zu verbringen.

Daran hapert es gewaltig.

Wir werden sehen...........

Ganz, ganz herzliche Grüße
Pia :hello:
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