Duell mit der Depression ?

MUT65
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Duell mit der Depression ?

Beitrag von MUT65 »

Hallo Zusammen

ich habe diesen Beitrag auch "drüben " im Betroffenteil gepostet, da mich der
Gedanke sehr beschäftigt.

Wie seht ihr es ?




Hallo Zusammen,

bin von "drüben" aus dem Angehörigenteil und wegen der schweren Depression
meines "Expartners" hier gelandet.

Wir haben seit Ende letzten Jahres wieder Kontakt - platt gesagt hoffe ich noch
immer, dass er wieder halbwegs gesund wird und wir uns als Paar wieder begegnen
können.

Wie komme ich auf meine Überschrift ?

Ich war am letzten We bei einer guten Freundin zu Besuch, die seit Jahren schwer
an Depressionen erkrankt ist. Durch eine traumatische Kindheit und diverse körperliche
Probleme, ist sie seit 2 Jahren berentet und schlägt sich mit ihren 54 Jahren durchs
finanziell sehr knappe Leben.

Sie kennt natürlich meine Geschichte und meine Hoffnungen.
Irgendwie kamen wir auf das Thema ich duelliere mich mit SEINER Depression.

Meine Freundin meint, dass es für sie, die selbst betroffen ist, besser sei die
Depression anzunehmen, bei einer Art Duell, hätte sie sofort verloren, denn, so
ihre Meinung, gewinnt die Depression immer.........

Mich hat das Ganze aufgewühlt und mal wieder in eine Art "Kamfposition"
gebracht.

Wenn ich nicht bereit bin, gegen diese f...ing Krankeit zu kämpfen, wie soll ich
dann jemals wieder zurück zu einem gesunden Leben finden?

Damit meine ich nicht, dass ein Überdenken der alten Gewohnheiten, Lebensmuster
nicht abolut notwenidg seien, schließlich ist es sicher sehr wichtig zu erkennen, was
einen krank gemacht hat.

Aber das absolute Ziel, muss doch die Gesundung sein ! Oder liege ich da falsch ?

Ich habe ständig das Gefühl mich mit der Depression meines Freundes zu duellieren -
wäre es nicht so, müsste ich ja annehmen, dass das was da alles so von ihm, bzw. aus
ihm kommt, tatsächlich ER ist.
Das heißt für mich nicht, dass ich denke er sei jetzt nicht zurechungsfähig, oder dass er sich wie "Knüppel im Sack" benehmen kann.

Wir führten eine enge 2,5 jährige Beziehung - dann wurde er wiederholt arbeitslos und
sackte immer mehr ab. Anfangs ( etwa 1 Jahr ) war kaum noch etwas von ihm zu erkennen -
alles weg, die Depression hat sich wie Blei auf all das gelegt, was ich so an ihm geliebt habe.

Dann, nach einem Jahr, nahm er endlich Hilfe an - Klinik, Medis, Gesprächstherapie - und ich dachte, naiv wie ich war, JETZT WIRD ES ZÜGIG BESSER :?

Nichts da, es ist ein ständiges Auf und Ab - nach Monaten des gemeinsamen Aufeinander zugehen, sind es jetzt wieder Rückzüge die unseren Kontakt bestimmen.
Da nützt es mir wenig, dass er immer wieder mit Einwortsätzen beteuert, dass das nicht nur
bei mir so sei. Außer zu seinen Kindern, hat er keine weiteren sozialen Kontakte.

Ich stelle mich dem Ganzen so wie ich es für richtig halte. Hab viel für mich getan, wenn es auch in den Augen meines Freundeskreises nicht genug ist - sie halten einen Kontaktabbruch für richtig, weil ich natürlich auch immer mal wieder sehr an meine Grenzen komme.

Ich sehe nicht ein, gegen die Krankheit den Kürzen zu ziehen.

Wenn mein Freund halbwegs gesund vor mir stehen würde und mir sagen würde, dass ich
meine Hoffnung auf ein Zurück begraben soll, ich würde mich umdrehen und gehen.
Aber dem ist nicht so und so sehe ich mich inzwischen als Duellpartnerin seiner Krankheit.

Sie hat mir nicht nur Schlechtes bescheert. Ich bin viel toleranter geworden - habe gelernt,
dass ich und meine allerbesten Absichten nicht das Maß aller Dinge sind.
Dass gute Absichten und Hilfsangebote manchmal genau das Falsche waren.

Hinter dem ganzen Dreck der Depression sehe ich aber noch immer Teile von meinem
Freund - und so sage ich ihm auch in Zeiten allerschwerster Rückzüge, dass ich stärker bin
als seine Krankheit ( ihr könnt mich jetzt gern zerpflücken :mrgreen: ) ich das Ganze aussitze, solange er wenige Abmachungen einhalten kann.

Ich lese hier, dass fast alles DRUCK auslösen kann - auch Kontakwunsch. So ist es auch bei
Uns. Nur wenn ich diesen nicht äußere, dann wird es keinen Kontakt geben, da die Depression
zur Zeit alles in der Hand hat - bei ihm, nicht bei mir.

Gestern am Telefon musste er seit langem lachen, als ich mich als Duellpartnerin outete -
schließlich schlug er ein Treffen vor, wir wollen am Freitag nach vielen Wochen einen Kaffee
zusammen trinken gehen.

LIEBE kann erdrücken, aber sie ist auch eine ungeheure Kraft die mir hilft weiter daran zu
glauben, dass er wieder gesund werden kann.

Wie ist es bei Euch ?

Akzeptiert ihr Eure Depression ? Woher kommt der Antrieb sie zu besiegen, wenn einem jeglicher
Antrieb fehlt?

Mein Freund sagt, dass unsere guten Zeiten ihm ewig lange her kommen, er sich manchmal
kaum daran erinnern kann, er weiß das es schön war, aber er fühlt es nicht.

Wo will man hin, wenn einem die emotionale Vergangenheit kaum noch bewusst ist ?

Ich sitze es aus, mir geht es viel besser als noch vor Monaten, das habe ich
auch diesem Forum zu verdanken - DANKE !

Grüße von
Mut
Wenn du einen Menschen glücklich machen willst, dann füge nichts seinem Reichtum hinzu, sondern nimm ihm einige von seinen Wünschen.
Epikur von Samos
M1971
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Registriert: 26. Apr 2014, 17:39

Re: Duell mit der Depression ?

Beitrag von M1971 »

Hallo Mut,
als EX-Angehöriger (meine Partnerin hat mich in einer schlechten Phase verlassen und offenbar durch einen neuen Freund wieder neue Kraft gewonnen) verstehe ich genau was Du meinst.
Ja, ich hatte auch ein Duell mit ihrer Depression. Ich habe es verloren und frage mich oft, ob ich noch auf der Angehörigenseite richtig bin. Mir fehlt gerade die Energie um ausführlicher zu schreiben.
LG
M.
Pia again
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Registriert: 14. Aug 2014, 07:39

Re: Duell mit der Depression ?

Beitrag von Pia again »

Hallo Mut,

mein Mann kann seine Depressionen schwer akzeptieren; je mehr er versucht sie zu bekämpfen,
desto schlechter geht es ihm.

Ganz langsam fängt er in Mini-Schritten an, seine Grenzen anzuerkennen; von erkennen ist er noch Lichtjahre in vielen Gebieten entfernt, aber es wird besser...........

Meines Erachtens (Spekulationen sind grenzwertig, da weder Halbwissen, noch sonst was) kommt die Kraft bei erkrankten Menschen aus der Akzeptanz; allerdings der aufrichtigen, ehrlich gefühlten Akzeptanz.

Akzeptanz, an Depressionen erkrankt zu sein und der Akzeptanz Veränderung leben zu wollen.

Ich habe noch nie das Bedürfnis gehabt, gegen die Depression (oder sonstige Dinge) mich duellieren zu müssen, weil ich nur Kämpfe, wenn die Aussicht besteht zu gewinnen; gewinnen ist etwas, das nach meiner Definition etwas ist, was ich beeinflussen kann und das, ist bei einem depressiven Partner in meinen Augen nicht gegeben.

Das könnte man entspannt auslegen, klingt problemlos: leider bei Weitem nicht.

Die Depression ist immer und überall; die hier immer gepriesenen Zeiten ohne Depression gibt es bei meinem Mann nicht; Linderung, ja: ohne: nein.

Ich weiss nicht mal, ob er Zeiten ohne Depressivität überhaupt erinnerlich hat (ab dem 10. Lebensjahr erinnert er sich).

Mein Kampf, wenn man es denn so formulieren möchte besteht darin, mich immer und immer wieder damit auseianderzusetzen, ob ich bleiben kann, ob "Beziehung" sich für mich nochmal anders gestalten kann, mich zu hinterfragen und ganz massiv immer und immer wieder gut auf mich aufzupassen.

Das virtuelle Doppelzimmer in der Psychatrie, auf die Jahre gesehen, erscheint mir oft mich anlocken zu wollen (hoffe, ich drücke mich verständlich aus).

Allerdings lebe (aktiv gestalten; für sich selbst verantwortlich sein) ich zu gerne und erlebe zu sehr, wieviel aktives Leben die Depression nimmt, um da Zugeständnisse dauerhaft machen zu wollen.

Eine echte Herausforderung;die bei Weitem nicht immer gut gelingt.

Konzentriere ich mich auf mich, mein Wohlergehen, meine Grenzen (damit meine ich nicht, dass ich zum Super-Ego mutiere), tut dies meinem Mann sehr gut und oft ist dann bei uns Beziehung wieder möglich (in der Form, in der wir damit sehr gut umgehen können, für andere Menschen möglicherweise keine Form von Beziehung).

Ist ne harte Schule, sich, seine Grenzen kennenzulernen und (kann ich für mich sagen) auch zu erkennen, dass Vieles, was ich sonst als in einer Paar-Beziehung als absolutes "Must" angesehen hätte, weder die Aufgabe meines Mannes ist, noch von sonst wem, sondern meine.

VG
Pia
Salvatore
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Re: Duell mit der Depression ?

Beitrag von Salvatore »

Liebe Mut,

das ist ein schwieriges Thema, das du da ansprichst und ich bin nach Jahren Therapie immer noch nicht ganz durch damit. Vor allem auch, weil der Grat so schmal ist!
Es zu beschreiben ist schwierig, weil es dabei auch um so etwas Profanes wie Semantik geht. Du verstehst unter "Kämpfen" etwas Positives, Konstruktives, das an der bestehenden Problematik aktiv etwas ändert. Und du denkst, dass man sich passiv in sein Schicksal ergibt, wenn man nicht kämpft.
Für mich ist "Kämpfen" aber im Zusammenhang mit der Depression negativ besetzt, es kostest nämlich Kraft (die ich nicht habe). Und dann bleibt natürlich die Frage: kämpfen wogegen? Und: schadet es mehr oder nützt es mehr?

Wenn ich mir das Bein breche, kann ich vorerst nicht laufen - bzw. nur auf Krücken. Ich kann mir jetzt sagen, das nehme ich nicht so hin, ich will laufen, ich muss laufen, ich belaste das Bein trotzdem und beiße dann eben die Zähne zusammen. Was bringt das? Es verzögert die Genesung, ich füge meinem Bein noch mehr Schaden zu, ich erleide unsägliche Schmerzen - für NICHTS, denn es wird niemals das Ergebnis einbringen, für das ich den Kram überhaupt mache. Ich kann mir aber auch sagen, ok, das ist scheiße, aber es ist nunmal so. Ich schone mein Bein, belaste es nicht und nehme hin, dass viele Dinge nicht mehr gehen, die vor dem Bruch problemlos gingen. Ich arrangiere mich damit und plane mein Leben drumherum.

In der Depression ist es leider nicht so klar abgegrenzt. Man darf sich nicht überfordern, aber man darf sich auch nicht "in der Depression einrichten". Aber wo fängt das eine an, wo hört das andere auf? Das ist die Schwierigkeit.
Ganz konkret ist es bei mir z.B. das Thema "morgens aufstehen". Ich kriege es einfach nicht hin und wenn ich aber muss, weil ich einen frühen Termin habe, macht mich das fertig und ich muss mich tagsüber hinlegen. Es bringt einfach nichts, dagegen anzukämpfen - also bleibe ich bis Mittags liegen und versuche, mich nicht dafür fertigzumachen, weil genau das in meinem Kopf irgendwie mit dem Attribut "assi" zusammenhängt. Auch wenn es meinem Kopf nicht in den Kram passt (und Verhaltenstherapeuten ja auch immer das Gegenteil predigen), dass ich den halben Tag verschlafe, weiß mein Körper, dass es nunmal das Richtige ist - weil es mir dann den Rest des Tages besser geht.

Kannst du damit was anfangen?

Lg, Salvatore
Blog: http://www.oddyssee.de
Instagram: Oddysee@meine_oddyssee
MUT65
Beiträge: 448
Registriert: 18. Jan 2013, 11:59

Re: Duell mit der Depression ?

Beitrag von MUT65 »

Hallo Zusammen,

lieben Dank für Eure Antworten.

Ich denke mal, dass ich mich mit dem Begriff "duellieren" nicht klar genug ausgedrückt habe.

Nicht immer war ich nach der Trennung von meinem Freund ( er hat sich getrennt, weil er unsere
Beziehung, bzw. gar keine Beziehung zu irgendwas, leben konnte) - nicht immer war
ich "nur" der Angehörige - mir ging es selbst viele Monate ziemlich schlecht.
Ich nahm ein AD und führe noch heute therapeutische Gespräche.
Mir hat die Zeit, das viele Lesen hier uns und letzten Endes meine tiefen Gefühle für diesen
Mann geholfen.

Heute geht es mir meistens gut, ich lebe gern, dennoch fehlt mir unsere Beziehung.
Allein, bzw. mit Freunden kann ich Vieles leben was ich mag und wichtig finde.
Jedoch Nähe erleben, kuscheln, sich wichtig im Leben eines Partners zu fühlen und viele andere Dinge, gehen nun mal nur innerhalb einer Liebe.

Wie schon oft beschrieben, waren wir sehr eng miteinander.

Dass das in einer Depression nicht "zu halten" ist, ist mir heute klar - so verstehe ich aus
SEINER SICHT sogar, dass er sich trennen "musste" - denn damals, als alles begann, wollte
ich einfach nur wieder meinen alten "R" wiederhaben.
Ich habe zunächst überhaupt nichts verstanden - riesen Ängste entwickelt - er erklärte nichts,
weil er sich ja selbst nicht verstehen konnte. So schob er alles auf die wiederholte Arbeitslosigkeit.....ich fiel selbst und konnte mich damals nicht genügend um mich kümmern.

Wir blieben ja in Kontakt, bis auf die vier Monate im letzten Sommer, in denen er in
der Klinik war.

Ich hab "zwischendurch" wirklich alles durch, was auf der Emotionsskala so möglich ist.
Irgendwann meinte ich sogar einen anderen Mann kennenlernen zu "müssen" - das ganze
ging dann gerade mal wenige Wochen und war vorbei,bevor es richtig begonnen hatte.

Mein Herz hing immer an ihm , wirklich immer.

Und ja Salvatore, Du hast Recht - ich verstehe kämpfen als etwas aktiv Positives.
Ich bin die Angehörige dieser Krankheit - wenn nicht ich meinem Freund aufzeige dass das
Leben schön und bunt ist, wer denn dann ?
Außer zu mir, hat er ab und zu Kontakt zu ein paar Fussballkumpeln und zu seinen
Kindern - ansonsten ist er ständig allein, will es auch sein, sucht nach Ruhe, so sagt er.

Wenn ich aus vergangenen Zeiten berichte, in denen wir z.B.etwas besonders Schönes
zusammen unternommen haben, dann steigt er nach ner Weile mit ein und wir können
zusammen lachen.

Es wirkt zwar immer so, als könne er sich gar nicht richtig erinnern, aber da er mir noch heute
sagt, dass die Trennung nichts mit mir als Mensch zu tun hat, hoffe ich, dass diese schönen
Erinnerungen ihn ein Stück "zurück holen" können.

Ich denke es ist ein Unterschied ob man schon sehr lange depressiv ist, bzw. ob man seinen
Partner schon krank kennengelernt hat.

Mein Freund war lebenslustig - ich glaube nicht, dass er mir 2,5 Jahre etwas vorgespielt hat.
Und er mochte so gern Gefühle zeigen, hat mich förmlich auf Händen getragen und immer mehr geben wollen - oft musste ich ihn dabei bremsen.

Natürlich sehe ich heute ein, wie es zu diesem seelischen Zusammenbruch gekommen ist.
Er gibt heute selbst zu, dass er alles von mir wissen wollte um sich "sicher" zu fühlen, er hingegen aber nicht gern über eigene Ängste gesprochen hat.

Da konnte ich ihm immer wieder signalisieren dass ich mit ihm zusammen durch eine
Privatinsolvenz gehen würde, es kam bei ihm einfach nicht wirklich an...
Vor einigen Wochen sagte er mal, dass er sich damals nicht vorstellen konnnte, dass ich ihn so tief liebe....in seinen Augen war/ist er wohl ein Looser, weil beruflich so viel schief gelaufen ist.

Ich weiß nicht was ihm seine Rückzüge wirklich bringen - aus meiner Sicht wirkt er dann noch depressiver, noch stumpfer.......

Mein "Kampf" ist also eine Art "wachhalten" - ich muss es einfach tun, ich folge einem inneren Impuls, auch wenn es "schief" gehen kann.

Mir ist klar, dass ich mit dieser schweren Erkrankung nicht auf Augenhöhe bin.
Wenn ich das wirklich glauben würde, wäre ich nach all den Monaten wirklich naiv.

Nur passiv zusehen will und kann ich nicht.
Wenn es ihm Druck macht, dass ich gern mit ihm zusammen bin, dann muss er es sagen - genau wie Pia will ich nicht orakeln.

Ich werde nicht so tun, als wenn ich rein freundschaftlich an ihm interessiert bin.
Das habe ich ihm zu Beginn seiner Kontaktaufnahme im letzten November immer wieder
deutlich gesagt - ebenfalls nicht an einer Bettgeschichte, weil wir bis vor ein paar Wochen auch
immer mal wieder zusammen geschlafen haben.

Das habe ich immer inzeniert, wenn man es so nennen mag - es war/ist völlig anders als in
gesunden Zeiten, aber immer noch schön. Wir hatten in unserer Beziehung ein wunderschönes Sexualleben und auch dieser Teil fehlt mir sehr.
Letzten Endes war es in den letzten Wochen immer mal eine Zeit ohne Krankheit - einfach irgendetwas zwischen fühlen und erleben. Mann und Frau halt.

Ich hab ihm dann anfangs immer gesagt dass es mir gut dannach geht, er sich keine Gedanken
machen soll. Es war genauso ok und normal, wenn er meine "Versuche" abgeschmettert hat ;)

Insgesamt waren die letzten Monate so wechselhaft. Es gab Wochen, da wollte er sich 2x pro
Woche treffen - darauf hab ich dann naiver Weise gedacht lässt sich "aufbauen" - bis
zack - die nächste Rückzugphase kam.

Da er Anfang nächsten Jahres einen Job fest in Aussicht hat, hoffe ich dass er dadurch irgendwie zu sich zurück findet.

Ich hoffe und irgendwie warte ich auch - nicht immer fällt es mir leicht, bei weitem nicht.

Mein Leben ist wieder stabiler und fröhlicher geworden - auch wenn er oft kaum noch zu erkennen ist, empfinde ich in seiner Nähe sehr viel.

Mir geht es wie Dir Pia, es gibt Momente, da fühlt sich Vieles einfach gut und genau richtig an und er beteuert immer wieder, dass keine andere Frau im Spiel ist - das wäre für mich ein totales NO GO, da wäre ich raus.

Freitag geht es nun auf einen Kaffee - vllt. auch zu mir, ich freue mich sehr und versuche meine Wünsche im Zaum zu halten.

LG
Mut
Wenn du einen Menschen glücklich machen willst, dann füge nichts seinem Reichtum hinzu, sondern nimm ihm einige von seinen Wünschen.
Epikur von Samos
Pia again
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Re: Duell mit der Depression ?

Beitrag von Pia again »

Liebe Mut,

ich unterstelle mal, das der Angehörigenteil, da eigenerfahren, sehr gut nachvollziehen kann, welche Phasen Du durchlebst in der "Beziehung".

Das was Du beschreibst (und das ist jetzt nicht negativ gemeint), wie Du mit "R" in Beziehung trittst, ist mir neben 10-Stunden-Job, Kind, Haus, Hof, Hobbies, alltäglichen Problemen des Lebens nebst entsprechenden Überraschungen des Lebens schlichtweg zu anstrengend.

Geben, geben, geben, geben........ kann auf Dauer nicht täglich funktionieren.

Als wirklich positiv für Dich, auch, wenn Du es vermutlich nicht so erlebst sehe ich, dass ihr nicht zusammenlebt.

Die Dauernegativität, die überall ist, ist sehr kraftzehrend, nicht nur für Betroffene.

Was ihm die Rückzüge bringen, fragst Du, wo er doch dann noch negativer ist, so hab ich es zumindest verstanden.

Das ist dann in dem Moment auch "er" ohne Maske ohne Verpflichtung sich zusammenzureissen ohne funktionieren zu wollen/müssen.

Auch mein Mann hatte eine (rückwirkend betrachtet wohl sehr lange Zeit für ihn, daher dann auch der sehr schwere "Abflug" in die Depression) sehr lange Zeit der Präsens, der Augenhöhe, der Nähe und des Gebens zu Beginn unserer Beziehung, sonst wären wir doch nie zusammen gekommen; ich möchte ja einen Partner.

Einen Menschen, der nicht in Beziehung treten kann, dem nur ich geben muss, kann ich als Kollegen, Bekannten gut tragen...... aber da geh ich auch abends nach Hause und mache die Tür zu ohne Geben zu müssen.

Es klingt hart, ich weiss: aber Beziehung heisst nunmal Geben & Nehmen und Ungewicht dabei ist sehr schwierig.

Ich denke, so wie viele hier, bist Du am Ende Deines eigenen Weges (mit dem Erkrankten) noch lange nicht angekommen und so schwierig es klingt: ich denke es ist gut.

Betrachte es mal rückblickend: soviel Zeit für Eigenwarnehmung hättest Du Dir mit einem anderen Partner vielleicht nie genommen......... ;)

Alles, alles Gute für Deinen Weg, zu seinem Weg und das es Eurer werden möge.

VG
Pia
Pia again
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Re: Duell mit der Depression ?

Beitrag von Pia again »

Nochwas, liebe Mut:

Vermutlich hat mein Mann ein hartes Los mit mir
8-) vielleicht bin ich seine Lebensherausforderung,
aber auch er hat ja die Wahl.... :)

Du überlegst, wie Du Dich am Besten verhälst nächsten Freitag, um ihn möglichst nicht unter Druck zu setzen.......

Kann ich verstehen, hab ich auch durch..... aber;
vielleicht magst Du für Dich Deine Antworten auf folgende Fragen finden:

Triffst Du ein Kind, für das Du die Verantwortung
trägst oder einen erwachsenen Mann?

Möchtest Du die Mutter-Rolle übernehmen oder eine partnerschaftliche Beziehung?

Im Betroffenen-Teil habe ich den Tipp gelesen, z.B. von Dir aus das Treffen zeitlich einzuschränken.

Kann ich aus Sicht eines Betroffenen, dem genau der Punkt Sorge bereit, sehr gut verstehen, aber ist das wirklich die Zuständigkeit des Anderen?

Weisst Du, ob dies seine Problematik ist und wenn ja, dann ist es eigentlich eben nicht Deine, sondern Seine, an der er zu arbeiten hat, nicht Du.

Ich persönlich handle oft so, dass ich meinen Mann vorab klar in Kenntnis setze (manchmal per Mail, eher aus organisatorischen Dingen... hat sich aber bewährt) von Dingen, die er sich überlegen sollte/kann (das ist schon sehr grenzwertig, da niemand eigentlich so mit einem Erwachsenen umgeht!) und dann aber klar formuliere, dass für mich alle Entscheidungen, die er trifft, absolut in Ordnung sind, egal welchen Inhaltes, aber eben nicht meine Zuständigkeit.

Beispiel eben mit dem zeitlich begrenzten Treffen:

meine Mail würde - verkürzt - inhaltlich dann lauten:
sollte es für Dich zu anstrengend werden oder sonst was sein und Du möchtest nach einer Zeit das Treffen beenden, so ist das ok, aber es ist Deine Sache, mir das mitzuteilen.

Wie gesagt: ich orakle dann nicht, halte nicht nach Anzeichen ausschau, überfordert er sich: Pech.

Ich sag ja, mein Mann hat es nicht leicht :D

Seh ´s locker!
Sei einfach Du, die sich mit einem erwachsenen Mann trifft.

VG
Pia
FrauRossi
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Registriert: 2. Jul 2011, 11:23

Re: Duell mit der Depression ?

Beitrag von FrauRossi »

Hallo,

Dann kopiere ich meine Antwort von drüben hier auch mal hin. :-)

Hallo Mut65,

Das blöde an der Depression ist man kann sie nicht sehen und sie zeigt sich in vielen Dingen. Daher ist der Umgang damit für Betroffene und Angehörige so schwer.

Ich stimme meinen Vorrednern zu: Dagegen kämpfen bringt garnichts! Man muss es akzeptieren. Und zwar ein Leben lang. Es gibt unterschiedliche Depressionen, kurz gesagt gibt es manche die erwischt eine depressive Episode und dann nie wieder, andere haben mit immer wieder kehrenden Episoden zu tun, und wieder andere erleben zwischen drinn nicht einmal bessere Phasen.

Egal was man muss es annehmen, sich darauf einstellen und viele Dinge anders, oder langsamer, oder garnicht mehr machen. (Wie gesagt etwas sehr Komplexes in ein paar Sätze gepresst)

Viele Angehörige verstehen nicht warum dies oder das nicht mehr geht, zeitweilig nicht geht. Gefühle werfen nicht gespührt, etwas kann nicht geäußert werden, Nähe ist nicht erträglich.

Alles schwer zu verstehen.

Ich denke auch Angehörige haben nur die Changse die Situation anzunehmen. Anzunehmen dass der Partner jetzt anders ist.

Ich will es mit einem Beispiel versuchen:

Stell dir vor du hättest einen Partner der beide Beine verliert.
Ihr wart als Paar immer sehr aktiv, habt Marathon gelaufen und dafür täglich trainiert. Ihr seid oft Rad gefahren, ihr wart oft schwimmen. Dann und wann ein Tennismatch mit Freunden. Auch sonst im Leben wart ihr aktiv, hattet ein Häuschen wo dein Partner alles selbst gemacht hat. Du hast handwerklich nicht soviel drauf aber einen grünen Daumen und kümmerst dich daher um den Garten. In Eurem Ort seid ihr vielleicht auch total aktiv, dein Partner trainiert Jugendliche in Selbstverteidigung.
Usw. usw. usw.

Ein Normales Leben erfüllt und aktiv. Aber dann zack beide Beine weg.

Du wirst sofort wissen dass das ganze Leben sich für deinen Partner und ein Stückweit auch für dich ändert.
Du wirst nicht Fragen warum dein Mann jetzt nicht mehr Laufen kann. Du fragst nicht warum er nicht mehr Fußball spielt. Du fragst nicht warum er den Dachboden nicht weiter ausbaut.
Es ist offensichtlich und vollkommen klar. Ohne Beine nicht machbar. Fertig! Ende aus Mickey Maus.
Wahrscheinlich fragt man sich warum gerade wir? Warum gerade mein Mann usw. Wahrscheinlich stellt man sich die Frage kann ich damit umgehen? Komme ich damit klar dass mein Partner keine Beine mehr hat?
Mancheiner wird vielleicht sagen, nein ich komme damit nicht klar. Mancheiner wird vielleicht sagen: ich weis noch nicht wie alles wird, aber ich liebe meinem Partner, ich komme damit klar, ich kann mir Petspektiven vorstellen. Fußballtrainer kann man auch vom Rollstuhl aus sein. Marathon gibt es auch für Rollifahrer, oder mit Prothesen. Beim Dachboden muss ich helfen weil mein Partner nicht mehr überall dran kommt. Zum Schwimmen braucht man keine Beine usw. Es ist einem klar dass sich die Dinge verändern werden. Es ist einem auch klar dass das nicht von heute auf Morgen geht. Dass es unter Umständen Jahre dauert. Jahre voller Therapien, Jahre voller Änderungen und auch mit Frustration. Jahre voller Ängste auf beiden Seiten. Vom ehemaligen Marathonläufer wird man nicht in 6 Monaten zum Marathonrollifahrer, oder gar Marathonläufer auf Prothrsen.

Das alles ist relativ schnell klar. Man muss nicht dauernd nach dem Warum fragen. Warum gehst du nicht mehr zum Fußball? Warum kletterst du nicht mehr aufs Dach? Kein Mensch würde das Fragen! Es ist offensichtlich: Die Beine sind weg! Es geht eben nicht mehr. Kein Mensch käme auf die Idee dem "Kranken" dauernd Fragen in die Richtung zu stellen. Weil auch das ist offensichtlich und total für jeden Vorstellbar: der Kranke leidet darunter noch wesentlich mehr. Keine Frage.

Auch diese Situation ist schwer. Es bedeutet Veränderung für beide. Vetänderung ist immer schwer. Wird nur noch schwieriger wenn man das offensichtliche nicht akzeptiert.

Auch hier muss zuerst die Akzeptanz der neuen Situation erfolgen. Dann lassen sich Perspektiven entwickeln. Alternativen. Das alte Leben ist futsch! Kein Zweifel! Aber auch mit geänderten Vorzeichen kann es weiter gehen. Jeder läuft vielleicht für sich. Du wie gewohnt, der Partner im Therapiezentrum mit Protesen. In zwei drei Jahren vielleicht beim Behindertenlauf. Aber nie mehr zusammen beim Berlinmarathon. Fußballtrainer kann man auch ohne Beine sein, man muss halt mehr erklären. Match schwimmen könnt ihr noch, aber aushalten muss man es, dass die anderen gaffen, das der Partner nicht mehr so schnell schwimmt.

Aber nicht nur das. Alles ändert sich. Tischdecken: nicht mehr möglich. Die Schränke Hängen zu hoch, der Herd ist an der falschen Stelle, die oberen Kühlschrankfach nicht mehr erreichbar.
Die Kleidung muss geändert werden, das Auto, die Einlaufsgewohnheiten. Alles! Einfach alles.

Für Betroffene wie Angehörige ein Kraftakt. Eine Zerreisprobe.

Aber eben offensichtlich. Von Anfang an offensichtlich für jeden: das Leben ändert sich total. So wie früher wird es nie wieder werden. Und kein Mensch käme auf die Idee zu Fragen: wann wird es wieder wie früher? Wann wird mein Partner wie früher? Weil die Antwort klar ist! Nämlich: nie!
Alles was man sich fragen muss ist: kommst du? Kommen wir? Komme ich mit der Veränderten Situation klar? Entscheidet man sich für ein "Ja" dann ergibt sich der Rest, mal mit mehr, mal mit weniger großen Schwierigkeiten.

Leider ist die Depression nicht so offensichtlich. Weder für den Betroffenen, noch für die Angehörigen. Man kann es nicht so offensichtlich sehen wie zwei verschwundene Beine.
Aber im wesentlichen ist es das selbe und bringt ähnliches mit sich. Einen veränderten Partner, eine veränderte Situation.
Alles was man sich fragen muss ist: kann ich damit klar kommen? Kannst du damit klar kommen? Können wir damit klar kommen? Lautet die Antwort ja dann muss man die Veränderungen in Kauf nehmen und überstehen. Es ist nur mit der Akzeptanz ungleich schwere. Wenn die Beine weg sind hat man keine große Wahl, weg ist weg.
Wenngleich nicht ganz so offensichtlich muss man eben auch die Depression akzeptieren und nicht fragen: wann wird es wieder wie früher? Die Antwort lautet auf die ein oder andere Weise,: wahrscheinlich nie.

Auch bei einer Depression gehen ganz viele Dinge auf einmal nicht mehr. Auch hier muss man akzeptieren, sich arrangieren, die Umstände ändern und ein geändertes Leben leben.

LG FrauRossi
Pia again
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Re: Duell mit der Depression ?

Beitrag von Pia again »

Aus meiner Sicht, liebe Frau Rossi,
find ich Deine Gedanken dazu echt klasse!

Am Besten gefällt mir Dein Statement zu der Thematik "wann wird mein Partner wie früher"?

Ich erlebe sie auch als zutreffend, auch dann,
wenn mein Mann so schwer betroffen ist und gar nicht klar ist, ob er lange depressionsfreie Zeiten hatte......

Ich hab mal gelesen:

Veränderung ist Leben.

Das empfinde ich auch so: vollumfänglich, also egal ob psychisch krank oder nicht oder sonst wie krankheitsbedingt beeinträchtigt, sonst würden wir uns doch nicht weiter entwickeln :)

Und ganz besonders gut ist - finde ich - wirklich nochmal der Vergleich mit körperlichen Erkrankungen; wobei es einfach wirklich unendlich schwer ist zu unterscheiden, was kann mein von Depressionen betroffener Mitmensch gerade leisten und was nicht und wo bin ich übergriffig.

Da haben die körperlichen Erkrankungen echt nen riesen Vorteil: auch wenn das Bein eingegipst ist,
kann ich mich in Sicherheit wägen, dass der Betroffene aus der Erkrankung heraus antworten kann ;)

Der Träger des eingegipsten Beines würde mir wohl zeitnah einen Vogel zeigen, käme ich auf die Idee, ihn schützen zu müssen und Entscheidungen grundsätzlicher Natur für die Person zu entscheiden
(vom Alter her erwachsene nicht abgenabelte Personen mal ausgenommen)......

Ganz herzliche Grüße
Pia
MUT65
Beiträge: 448
Registriert: 18. Jan 2013, 11:59

Re: Duell mit der Depression ?

Beitrag von MUT65 »

.......meterlangen Text - KLICK-SENDEN, ALLES weg, ich brech zusammen!!!!!!ahhhhhhhhhh!!
Wenn du einen Menschen glücklich machen willst, dann füge nichts seinem Reichtum hinzu, sondern nimm ihm einige von seinen Wünschen.
Epikur von Samos
Blümli
Beiträge: 782
Registriert: 18. Jan 2011, 18:41

Re: Duell mit der Depression ?

Beitrag von Blümli »

Liebe FrauRossi,

WOW ! zu Deinem Beitrag. Du hast das alles sehr sehr gut in Worten ausdrücken können !
Ganz besonders beeindruckend finde ich folgenden Absatz:

°° Aber eben offensichtlich. Von Anfang an offensichtlich für jeden: das Leben ändert sich total. So wie früher wird es nie wieder werden. Und kein Mensch käme auf die Idee zu Fragen: wann wird es wieder wie früher? Wann wird mein Partner wie früher? Weil die Antwort klar ist! Nämlich: nie!
Alles was man sich fragen muss ist: kommst du? Kommen wir? Komme ich mit der Veränderten Situation klar? Entscheidet man sich für ein "Ja" dann ergibt sich der Rest, mal mit mehr, mal mit weniger großen Schwierigkeiten. °°

Ich kann mir vorstellen, dass auch für euch Betroffene selbst genau in diesem Annehmen, dass das "frühere Sein" sich verändern MUSS, die größte Schwierigkeit liegt.

Du hast, mir als Angehörige, mit Deinem Beitrag auch nochmal sehr klar gemacht, dass eine Depression, vielleicht wie ein Mantel, sich zwar über eine Person legt, also dieser darunter auch erstmal noch genau die Person ist, die er bis dahin war, aber die Zeit (in) der Depression denjenigen aber a) verändert und vor allem b) zu Veränderungen zwingt.
Und genau in diesen Veränderungen liegt wohl gerade die Chance das ( neue, nicht depressive ) Leben wieder lebenswert leben zu können.
Und ich könnte mir vorstellen, dass dieses "Verändern" um so schwieriger ( oder weniger machbar) wird, je mehr aus dem bis dahin gelebten Leben beibehalten wird.

Das was Halt gibt oder (bisher) gegeben hat, könnte damit dann aber auch gerade eine Depression halten.
....puhh, das ist alles so verrückt !

Herzliche Grüße

vom Blümli
^^ Vielleicht muss man die Liebe gefühlt haben, um die Freundschaft richtig zu erkennen^^ Nicolas Chamfort
Pia again
Beiträge: 106
Registriert: 14. Aug 2014, 07:39

Re: Duell mit der Depression ?

Beitrag von Pia again »

Liebe Blümli,

ein wirklich interessanter Gedanke;
ich würde denken, dass ist wirklich eine Aufgabe für die erkrankten Menschen zu finden, welche Veränderung notwendig ist.

Allerdings, als durch und durch optimistischer Menschen fällt mir dabei direkt die Halb voll / Halb leeres Glas Geschichte ein.

In einem der stationären Aufenthalte meines Mannes in der Klinik ist er mal an einen Therapeuten geraten, vertretungsweise leider nur, dem es um die gegensätzliche Fragestellung ging.

Was hält Sie am Leben (mein Mann ist definitiv nicht und war niemals suizidgefährdet)?
Was ist ihre Kraftquelle?

Ich denke es ist super wichtig, die Belastungen zu kennen und zu verändern; aber fast noch wichtiger finde ich im Rahmen der Stabilisierung die Kraftquellen zu kennen und auszubauen.

Ich weiss gar nicht mal, ob wirklich ein depressiv erkrankter Mensch sein ganzes Leben verändert muss, neu gestalten muss; vielleicht eher den Umgang damit (und dann ggf. mit den daraus resultierenden Veränderungen)?.

LG
Pia
FrauRossi
Beiträge: 3166
Registriert: 2. Jul 2011, 11:23

Re: Duell mit der Depression ?

Beitrag von FrauRossi »

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Zuletzt geändert von FrauRossi am 22. Aug 2014, 11:57, insgesamt 1-mal geändert.
FrauRossi
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Re: Duell mit der Depression ?

Beitrag von FrauRossi »

Hallo Zusammen,

Pia fragt: muss man sein ganzes Leben verändern? Oder nur den Umgang damit?

Schwierige Frage! Ich würde sagen man muss Teilbereiche verändern. Aber den Umgang mit allem nahezu komplett. (Also bei mir war es so)

Bei dem einen kann es sein er muss vielleicht den Job wechseln, weil der Stress da (wie auch immer geartet) ihn fertig macht. Den Umgang damit muss er auch ändern, nur ein anderer Job bringt es nicht. Man muss schauen was hat mich da fertig gemacht und wie und wieso habe ich das zugelassen? Soetwas zieht dann extrem weite Kreise. Man muss daran arbeiten sein Verhalten im Job zu ändern (hört sich einfach an, ist es aber nicht). Vielleicht bringt der neue Job finanzielle Einbußen und man kann sich verschiedenes nicht mehr leisten. Vielleicht stellt man fest dass es besser ist den Traum vom Eigenheim aufzugeben weil die Arbeit daran zusätzlich nicht zu schaffen ist. Und hunderte Dinge mit Tausenden von Konsequenzen sind vorstellbar. Im wesentlichen muss man sich wohl damit arrangieren ein langsameres Leben zu führen, von gewohnter Leistungsfähigkeit kann man sich getrost verabschieden. Das sorgt dann vielleicht auch für Frustration.

Ich denke: Ja! Das Annehmen ist auch für den Betroffenen das wichtigste! Das Akzeptieren.

Mir hat man in meiner Anfangszeit hier gesagt : "Sei nicht so ungeduldig"! "Du musst Demut lernen"

Ich? Ich hatte genug Lektionen in Demut! - dachte ich damals. Wie? Geduld? Wie lange denn?
Ich stand auf dem Standpunkt Problem erkannt. Problem gebannt. Wenn ich artig zur Therapie gehe, etwas weniger Arbeite und achtsamer bin, dann muss das doch alles wieder verschwinden.

Pustekuchen! Was wirkliche Achtsamkeit bedeutet verstehe ich nach 4 Jahren so langsam und übe mich noch darin es auch wirklich zu sein. Therapie funktioniert nach ihren eigenen Regeln und eigenem Tempo. Das kann man nicht stumpf abarbeiten, mitunter stagniert es auch zwischen drinn.
Veräbderung ist super schwer. Besonders wenn man immer denkt: ging doch früher auch, wieso jetzt nicht mehr. (Passiert mir heute noch)

Wir werden vom Unterbewussten gesteuert, das ins Bewusste zu holen, dort zu halten, bewusst anders zu machen, bis es in Fleisch und Blut über geht und dann wieder ind Unbewusste versinken kann, dauert ewig und ist kräftezehrend. Zumal es sich ja dabei oft um Verhaltensmuster handelt die man erstmal suchen und entdecken muss. Und als Depressiver hat man davon wohl einige die geändert werden müssten, damit es einem wieder besaß geht.

Als Beispiel kann jeder etwas ganz "einfaches" selbst ausprobieren.
Verschränkt mal eure Arme vor der Brust. Ok? Jetzt schaut euch an welcher Arm obenliegt? Jetzt versucht es mal bewusst anders herum zu machen, so dass der andere Arm oben liegt.
Fühlt sich komisch an? Oder? Ist garnicht so leicht die Arme überhaupt so hinzupuzzeln? Oder?
Ihr könnt das als Experiment fortführen. Denn Arme verschränken läuft 100% unbewusst ab. Wenn wir es machen ist uns nicht mal klar dass wir es machen. Ihr sollt jetzt aber jedes Mal wo ihr es macht bemerken und dann bewusst anders herum machen.

Es wird lange dauern bis ihr euch so trainiert habt dass ihr jedesmal daran denkt. BEVOR! Ihr die Arme wie gewohnt verschränkt. Seid ihr an dem Punkt angekommen wo ihr es bewusst bemerkt und schafft ihr es dann jedesmal die Arme bewusst anders herum zu verschränken. Dann muss euch das von da an nur noch rund fünftausendmal gelingen, bis ihr das alte Muster durchbrochen habt und das neue erlernt.

Kann jeder gern ausprobieren und schauen wie lange es dauert bis es glückt. Auch wie lange es dauert bis man das erstemal denkt: ach was soll der Scheiß! Ist doch nicht nötig. Schauen wie lange hält man das durch bis zum Ende der persönlichen Frustrationstoleranz. Schafft man es dann weiter zu machen? Obwohl man die Sinnhaftigkeit nicht sieht! (Die ist hierbei ja auch nicht ernstlich gegeben außer man sagt sich ich will verstehen was es bedeutet)
Über diesen Punkt hinaus weiter zu machen bis es wie gesagt irgendwann von selbst geht und wieder und unbewusste zurückfällt.

Das ist sehr schwer! Und dabei ist es eine so unendlich leichte Übung. Man muss sie nur machen. (Was auch schon eine Schwierigkeit darstellt) Es ist um ein Vielfaches leichter zum einen weil ihr dieses Verhaltensmuster ganz leicht entdecken könntet dadurch dass ich euch darauf hinweise. Es ist leicht weil es keinen anderen Bereich betrifft. Leicht weil es auch eure Umwelt nicht betrifft, Bekannten etc ist es Wurscht ob ihr die Arme so oder so rum legt. Es ist leicht weil nichts davon abhängt und wenn ihr es nicht schafft ist es auch egal weil es euch dadurch weder besser noch schlechter geht.

Dennoch wer es ausprobiert wird feststellen wie schwer es ist.

Dann bekommt man eine Ahnung davon wie schwe es sein muss unbewusste Verhaltensmuster erstmal aufzuspühren. Dann zu sortieren welche machen mich "krank" welche nicht? Dann diese zu ändern, ganz ähnlich wie oben beschrieben. Mit dem Unterschied dass es hierbei sehr wohl andere Menschen mit betrifft. Man unter Umständen noch "Gegenwind" bekommt. Vielleicht lernt man gerade schneller stopp oder nein zu sagen? Das wird selten auf viel Gegenliebe stoßen. Aber viele Verhaltensmuster sind noch viel subtiler. Und zeigen sich vielleicht nur in Situstionen die uns nicht täglich begegnen? Sehr schnell denkt man da, man schafft das nie. Die Frustrationsgrenze wird schnell erreicht. Und hat man das eine halbwegs geschafft muss man schon ans nächste ran. Gedanken wie: ist das echt nötig? Kommen einem da schnell. Fällt man dann erstmal zurück im alte Verhaltensmuster, geht es danach von vorne los. Mit der Zeit merkt man dann was einem gut tut und was nicht. Wo man dran bleiben muss damit man sich besser fühlt.

Verändern können wir nur in dem wir unbewusstes und Bewusste holen. Das muss man aber erstmal schaffen. Selbst diese Erkenntnis muss man sich erstmal ins Bewusste holen und dort behalten. Diese Erkenntnis muss man überhaupt erstmal haben.

Dann sind die Dinge die wir verändern müssen oft mit schmerzlichem verbunden. Wir verschränken die Arme weil wir das irgendwann mal so gemacht haben, der Himmel weis warum. Aber es ist nicht schmerzlich wenn ich in einem Experiment versuche zu lernen es ab jetzt anders herum zu machen. Es dabei nicht wichtig zu verstehen was im Leben dahinter steckt warum wir es so machen. Bei anderen Verhaltebsmusten ist das aber der Fall.

Tja? Das alles soll dann auch noch erfolgen wenn man total am Ende ist, allein die Entscheidung zu essen oder nicht fast unmöglich scheint. (Oder was auch immer gerade depritechnisch nicht geht) Man kann sich kaum konzentrieren, soll aber bitte dieses Kunststück hinbekommen.

Ja bravo! Aber es ist nicht unmöglich auch wenn es manchmal so scheint. Aber es dauert halt alles seine Zeit.

Ach und als wäre das noch nicht alles, kommt das Unterbewusstsein auch noch dazwischen. Rational hat man vielleicht erkannt: a) b) und c) muss ich ändern. Und man fängt bei a) an, weil es logisch erscheint weil es vielleicht auch essentiell in Bezug auf die Außenwelt scheint. Aber das Unterbewusstsein hat seine eigenen Vorstellungen und gestattet uns nur die Reihenfolge die es vorgibt. Möchte unser Unterbewusstsein dass wir zuerst c) verändern, wir versuchen es aber weiter mit a) werden wir scheitern. Bis wir es einsehen und Fügen.

Mittlerweile hab ich verstanden was mit Geduld und Demut gemeint war. :-)

Ich würde mir wünschen dass einige vielleicht dieses Experiment mal versuchen und ab und an berichten wie es läuft.

Es bringt wahrscheinlich kein tieferes Verständnis dafür wie Depression ist, aber ein tieferes Verständnis dafür was es bedeutet notwendige Veränderungen zu erkämpfen.

LG FrauRossi
Blümli
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Re: Duell mit der Depression ?

Beitrag von Blümli »

Hej liebe Pia :hello: und ihr Alle hier,

in diesem überaus interessanten Thread.

Ich könnte mir denken, dass genau dieser Gedanke / Wunsch / gefühlter Erwartungsdruck - das Glas "muss" auf jeden Fall weiterhin halb voll sein (da würde ich jetzt den Wunsch nach "allgemein üblicher" Lebensbewältigung mit einbeziehen) - dazu führt, mit allen (altbewährten / eingeschliffenen) Methoden auf "biegen und brechen" weiter zu Leben ( oder dann meist doch leider eher nur schlecht als recht zu existieren).
Weiß jetzt nicht ob man mich verstehen kann, was ich damit meine. Es ist nämlich in mir selbst eher nur eine Ahnung, die ich jetzt versucht habe mit diesem Beispiel in Worte zu fassen. Kann aber jetzt sein, dass dieser Versuch völlig unverständlich ist. :roll:

Auf jeden Fall denke ich, dass der übliche Weg - (an) Kraftquellen festzuhalten - im Zusammenhang mit Depression auch in die "falsche Richtung" gehen kann. FrauRossi hat das in ihrem letzten Beitrag mit der "Veränderung", für mein Verständnis. auch mit benannt.
Es gibt so viele (kleine) Verhaltensweisen, die von unserem Unterbewusstsein gesteuert sind und wir, durch ihr "immer Dasein ", uns selbst eine Stabilität / Sicherheit vermitteln, von der wir "freiwillig" nicht so ohne weiteres loslassen würden, geschweige denn könnten.

Ich meine, dass man den gegenteiligen Zustand einer De-press-ion nur erreichen kann, wenn man von dem - press - wegkommt. Und meinem Verständnis nach ist ( vielleicht unteranderem ) auch das - zumindest aus der Sicht von außen - "offensichtliche Haltgebende" evtl. genau das, was einen Menschen auf irgend eine Art und Weise "presst".

So erkläre ich mir auch, dass es für einen Menschen, der sich durch all das, was ihm ja eigentlich ( aus gesellschaftlicher Sicht) offensichtlich Halt geben und gutes soziales und gesellschaftliches Leben ermöglichen sollte, gepresst und unter Druck fühlt, gar keine andere Möglich gibt, als sich in ein "Nichts-fühlen" , "Nichts-wahrnehmen" zu retten.
Vom Außenrum wird es ja nicht verstanden, dass das "Normale" für diesen nicht funktioniert. Und so kommt die Schlussfolgerung, dass dieser Jenige dann wohl anscheinend nicht "richtig funktioniert" = krank ist.
Dass aber eigentlich erst aus dem "Nicht-so-sein-können-wie-man-ist" die "Krankheit" entsteht... und die Depression demjenigen evtl. als einzige Überlebensmöglichkeit ( ohne das alles auch noch fühlen und wahrnehmen zu müssen) bleibt....

Ich gehe mit meiner Meinung bestimmt nicht mit all zu vielen hier konform, aber ich bin überzeugt davon, dass solange man die Depression selbst als Krankheit sieht und nicht als Auswirkung / Reaktion auf ein "zwanghaftes Sein-müssen", man nicht an die wirklichen Punkte kommt, die es aber zu sehen bedürfte.

Liebe FrauRossi, Du beeindruckst mich sehr. Vielen Dank für Deine Beiträge !

Herzliche Grüße

vom Blümli
^^ Vielleicht muss man die Liebe gefühlt haben, um die Freundschaft richtig zu erkennen^^ Nicolas Chamfort
FrauRossi
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Re: Duell mit der Depression ?

Beitrag von FrauRossi »

Hallo Zusammen,

Man braucht sich mit einem Depressiven nicht über feinsinnige Betrachtungen zu versenken ob man es nun so sehen will dass das Glas halb leer oder halb voll ist.

Für den Depressiven (nicht generell, aber in der schweren Phase) ist das Glas nämlich leer! Selbst wenn es in der Wahrnehmung aller anderen sogar zum Überlaufen voll ist. Der Depressive sieht nur das leere Glas.

Vielleicht habt ihr Kinder oder habt häufig mit Kindern zu tun? Dann kennt ihr die Situation wo ein Kind vollkommen im Spiel versunken ist?
Man selbst möchte jetzt beispielsweise dass das Kind zum essen kommt und sich vorher die Hände wäscht.

Auf absprechen reagiert das Kind aber nicht. Gefühlte Tausend Mal fordern wir das Kind auf, aber es zeigt keine Reaktion. Dann gehen wir hin, berührten es, oder rufen lauter. Und plötzlich schaut uns das Kind total erschrocken mit riesigen Augen an. Kennt ihr das?

Ich habe viel mit Kindern gearbeitet und es zig mal erlebt. Ich quatscht mir 10 Minuten lang den Mund fusselig und plötzlich als ich mich nähere schauen sie erschrocken auf.

Ich bin mir sicher, dass Kinder so erschrocken gucken weil in Ihrer Wahrnehmung gerade etwas außergewöhnliches passiert ist. Nämlich der Erwachsene erscheint vor ihren Augen aus dem Nichts! In Ihrer Wahrnehmung war der Erwachsene vorher garnicht da.

(Ich rede nicht von Teenagern die einen bereits bewusst ignorieren weil sie lieber noch 5 Minuten irgendwas anderes machen wollen :-) )

Ich bin mir ziemlich sicher dass Kinder nicht bewusst die Aufforderungen von Erwachsenen ignorieren. Sie nehmen sie, wenn sie in ihr Spiel versunken sind, einfach nicht wahr.

Vielleicht ist hier jemanden etwas ähnliches schonmal aufgefallen?

Dann kann man sich leicht vorstellen dass die Wahrnehmung der Dinge keineswegs so unstrittig ist wie wir gerne denken. Die Wahrnehmung ist sehr individuell und bei einem Depressiven unterscheidet sie sich ebenfalls sehr von der Wahrnehmung des Beobachters (zB Angehöriger)

Ein anderes Beispiel an Hand eines Erlebnisses mit einem Kind erklärt:

Ich sitze da und trinke Kaffe. Möchte mich in Ruhe Unterhalten. Nur 10 Minuten lang. Aber ein Kind hat beschlossen es sei eine gute Idee mit einem Stock auf einen Stein zu schlagen. Immer wieder. In einem für mich anhaltenden und nervtötenden Rhytmus.

Ich hätte gerne dass das Kind damit aufhört oder es in größerer Entfernung macht, damit ich meine Pause in Ruhe verbringen kann. Also sage ich:

"Kind, was machst du da?"
"Kind, was machst du da?"
"Kind, was machst du da?"
"Kiiiind, was machst du da?"

Keine Reaktion. Das Kind nimmt uns durchaus wahr, das ist zu bemerken. Antworten tut es trotzdem nicht. Also frage ich weiter:

"Kind, was machst du da?"
"Kind, was machst du da?"
"Kind, was machst du da?"
"Kind, was machst du da?"
"Kind, was machst du da?"
"Kiiiihiiind waaaas machst duuu daaa?

Endlich hält das Kind inne, grinst mich an und sagt:
"Ich schlage mit einem Stock auf einen Stein"

In meinem Kopf heerscht erstmal Leere. Was hab ich bei einer so bescheuerten Frage auch erwartet?

Ich bin mir sicher das Kind hat mich nicht ignoriert und nicht auf meine Rufe geantwortet weil es böse oder so ist. Es hat schlicht die Notwendigkeit einer Antwort nicht empfunden. Weil es offensichtlich zu sehen war was es da tut.

Erst als ich langanhaltend weiter nachfrage, erklärt es schließlich was es tut. Warum? Keine Ahnung! Vielleicht weil ich ihn leid tat. Vielleicht weil ich ihn vermittelte ich sei zu blöd zu sehen was es da macht.

Nach den es mir also gesagt hat was es tut, und nichts anderes hatte ich ja verlangt, fährt es unbeirrt fort.

Ich denke also: ah ok, falsche Frage. Formuliere um! Also sage ich:

"Kind, warum machst du das?"
"Kind, warum machst du das?"
"Kind, warum machst du das?"
"Kind, warum machst du das?"

Das Kind dass nun schon zu dem Schluß gekommen ist dass ich nicht in der Lage bin etwas offensichtliches zu erkennen, hält etwas schnelle wieder inne und erklärt:

"Das gibt einen Ton"
Grinst mich an und macht weiter.

Ich lache innerlich, kapituliere vor meiner eigenen Blödheit und Unfähigkeit die Dinge richtig zu formulieren und lasse das Kind weiter machen. Ich habe keine weiteren Fragen :-)

Ich schwöre ich habe es genauso erlebt.

Aber was möchte ich damit sagen? Wir neigen dazu unsere Erwartungen hübsch in Worte zu verpacken um den anderen nicht zu verletzen, oder weil wir uns selbst schützen wollen vor Reaktionen, oder weil wir gelernt haben es hübsch zu verpacken oder was weis ich.

Ich bin mir sicher hätte ich korrekt formuliert: "Kind gehst du bitte mit deinem Stock zu dem Stein dahinten" das Kind hätte es einfach so gemacht. Hätte ich vielleicht noch eine Erklärung dran gehängt wie: "du Kind das Geräusch stört mich, ich möchte kurz in Ruhe meinen Kaffe trinken" es wäre ohne Umschweife von dannen gezogen.

Statt dessen denke ich das meiste nur und formuliere die völlig falsche Frage. Weil wir irgendwie dazu neigen zu erwarten dass andere unsere Erwartungen erkennen.

Es ist ja auch so mit der Busenfreundin oder anderen mit denen wir gut eingespielt sind, funktioniert das ja oft ganz gut. Ich muss Beispielsweise nur sagen: "ach Freundin die Veranstaltung da am Wochenende mir ist nicht wohl bei dem Gedanken dass ich da hin muss" und zack! Wird sie anbieten: "Mensch FrauRossi kein Ding ich komme einfach mit"
Das ist genau das was ich wollte. Einfacher wäre es gewesen zu sagen: Freundin, ich würde mich auf der Veranstaltung besser fühlen wenn ich nicht allein hin müsste, kommst du mit?"
Sehr wahrscheinlich würde die Freundin dann auch mit kommen.
Warum machen wir es dann nicht gleich so? Wollen wir dem anderen das gute Gefühl geben etwas von selbst zu erkennen? Wollen wir nicht anmaßend sein? Ich weis es nicht wirklich. Aber beobachtet habe ich es schon oft, auch dass es funktioniert.

Aber haben wir es jetzt mit einem Depressiven zu tun, ist wieder etwas mehr wie mit dem Kind. Er wird unsere versteckte Erwartung nicht erraten und für ihn offensichtliches mitunter nicht erklären.

Ist das Glas halb voll oder halb leer? Ein Kind wird dich angucken und in seinem Kopf passiert nix. Höchstens die Frage: was soll die Frage?
Ist es durstig trinkt es das Glas aus und sagt dir das Glas ist leer und geht.
Der Depressive wird sich angucken und in seinem Kopf passiert nix. Höchstens die Frage ob du keine anderen Sorgen hast. Aussprechen wird er sie vermutlich nicht. Er wird sich wegdrehen und im Gegegensatz zu dem Kind, auch dann wenn er durstig ist. Weil er sich nicht damit beschäftigen kann.

Für Kinder ist das meiste was wir von ihnen wollen unfassbar Absurd, aber sie sind es gewohnt dass es so ist also spielen sie mal mehr mal weniger mit.

Für den Depressiven erscheint auch vieles aus dem alltäglichen Leben unfassbar absurd. Nur ist ihm klar dass das nicht immer so war. Und den Druck den er schon von ganz allein empfindet weil er nicht mehr sehen kann dass das Glas halb voll ist, reicht vollkommen aus und muss nicht von außen verstärkt werden.

LG FrauRossi
FrauRossi
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Re: Duell mit der Depression ?

Beitrag von FrauRossi »

Ach so :-)
Die Moral von der Geschichte?

Lasst die Philosophie für ne Weile beiseite. Einfach und klar formulierte Ich-Botschaften können helfen.

LG FrauRossi
MUT65
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Re: Duell mit der Depression ?

Beitrag von MUT65 »

Hallo Zusammen,

unser Treffen war HEUTE, da mein Freund am Dotagabend per SMS den Wunsch geäußert
hatte es von Freitag auf Heute zu verschieben.

Wäre es am Freitag gewesen, hätte ich auf keinen Fall ihm eine ICH-HAB-NUR-ZWEI-STUNDEN-ZEIT-NUMMER vorgegaukelt um ihm seinen eventuellen Druck zu nehmen.

Heute war es dann tatsächlich so, dass ich am Abend mit einer Freundin zur Sauna verabredet war - dabei ist es natürlich auch geblieben ;)

Wir sind auch "nur" knapp 2Std. spazieren gegangen - nach unserer 6 wöchigen "Pause" war es ganz ok so ( na ja...ich hätte ihn am liebsten einfach mitgenommen :P )

Dass er aber inzwischen auf seine Grenzen und Möglichkeiten achtet, finde ich positiv.

Anfangs habe ich hauptsächlich von meinen Jungs, mir und ganz alltäglichem Zeugs geredet um das Ganze etwas locker anzugehen.

Ich will und mag ihn nicht jedes Mal Therapeutenartig nach irgendwelchen Fortschritten abfragen.
So saßen wir mit meinem mitgebrachten Kaffee und Keksen in der herbstlichen Sonne an der schönen Alster.

Er ist mir nie fremd - das ist mir schon nach unserer viermonatigen Pause im letzten Jahr aufgefallen.
An seiner Seite, fühle ich mich immer wie ZUHAUSE, ich kann es gerade nicht besser beschreiben.
Aus diesem Grund, liebe Pia, verstehe ich auch nicht, wieso Du meinst zu wissen, dass ich nur am "geben, geben, geben" bin.

So empfinde ich es nicht - ein tiefes Gefühl für einen Menschen zu besitzen, empfinde ich als schön - dass ich zu solch tiefen Gefühlen fähig bin, habe ich erst nach meiner 21 jährigen Beziehung zu meinem Exmann erfahren - auch das bindet mich an "R".

Ich weiß nicht ob es von Dir beabsichtig ist, aber ich lese meist in Deinen Antworten an mich, einen erhobenen Zeigefinger - es ist doch nicht wichtig, wie Du es empfindest, in welcher Art und Weise ich meine Gefühle für "R" hier beschreibe.
Du schreibst doch selbst, dass Deine Freund und Bekannte kaum noch Verständnis haben, dass Du noch mit Deinem Mann zusammen bist - tut es dann nicht um so mehr gut, dass wir uns hier gegenseitig Mut machen können ? Gern auch mal kritisch, aber nicht wertend, was zu eng, zu seelenverwand ( ich weiß, dass kannst Du nicht leiden ;) )

Sieh mal, Du schreibst an einem deiner Beitäge "was geht es mir gut " - dass ist Deine Art, ich "jammere" hier auch gern mal umher, dass heißt noch lange nicht, dass ich nicht meinen Weg gehen werde mit der ganzen Sache - ich bin, so empfinde ich es, sogar ganz gut dabei.

Ich trage mein Herz auf der Zunge - so auch hier - meistens schreibe ich, ohne jedes Wort auf die Goldwaage zu legen - es erleichtert mich, ich lass es einfach fließen- dass dabei zuweilen das ein,oder andere vllt. falsch verstanden wird, ist mir klar.

Ich weiß, dass "R" nicht der Alte werden wird - darauf warte ich auch nicht, täte ich es, hätte ich nichts begriffen.
Ich warte, wenn man es so nennen möchte, darauf dass "R" überhaupt wieder positive Emotionen bekommt. Er hat zur Zeit nach eigenen Angaben an gar nichts Freude. Spricht man ihn auf "früher" an, sagt er, dass er weiß dass wir glücklich waren ( vom Kopf her...) aber das Gefühl dazu fehlt.

Erst wenn er überhaupt etwas positives fühlen kann, wird sich zeigen ob wir wieder auf
Augenhöhe kommen können.

Das was jetzt ist, empfinde ich als eine Art Zusammenhalt von meiner Seite. Ja, er hat die Beziehung beendet, da hätte ich mich auch einfach umdrehen können.
Aber eine Trennung wegen einer Depression sieht für mich anders aus - nur wenige Wochen zuvor sprachen wir über zusammenziehen und heiraten - da renne ich doch nicht weg, nur weil es dem Mann, den ich liebe, so schlecht geht, dass sein Leben völlig aus dem Ruder läuft.

Auch heute sagte er mir nochmal, dass er in der Vergangenheit zwar Fehler bezüglich der anzugehenden Privatinsolvenz gemacht hat, wir aber noch zusammen wären, wäre er durch die Arbeitslosigkeiten nicht derart abgerutscht.

Das ist es auch, was er heute mir nochmal sehr eindrucksvoll geschildert hat - die völlige Überforderung an Allem.........er sagt, dass er nur wenn er allein ist, halbwegs zur Ruhe kommt.

Wie es zu diesem Zustand gekommen sei ? Seit er den neuen Job für Anfang nächsten Jahres in Aussicht hat, spürt er einen ungeheuren Druck - es ist, so sagt er "meine letzte Chance "
Für den neuen Job muss er in den nächsten Wochen einen einwöchigen Lehrgang in einer anderen Stadt absolvieren - dass ihn das unter Druck setzt, wenn schon die einzigen sozialen Kontakte ( seinen Söhne+Ich) einer Herausforderung sind, habe ich heute verstanden.

Mir war für heute wichtig, nicht nur "Probleme" zu wälzen - hat in Teilen ganz gut geklappt und ich merke an Kleinigkeiten, dass er sich über mich Gedanken gemacht hat. Ich möchte hier nicht alles schreiben, aber ein paar Bemerkungen von ihm, haben mir einfach gut getan.

So fuhr ich ganz friedlich zur Sauna und er wieder nach Hause.


Ich hab' mehr Ruhe in mir und hoffe sie hält ein wenig an - als unser Kontakt sich in den letzten Wochen änderte, war ich sehr oft verunsichert, dass sieht jetzt besser aus.

Liebe Frau Rossi, ich finde Deine Schilderungen sehr hilfreich und großartig, herzlichen Dank dafür - ich lerne noch immer eine Menge.

Gutenachgrüße
von
Mut
Wenn du einen Menschen glücklich machen willst, dann füge nichts seinem Reichtum hinzu, sondern nimm ihm einige von seinen Wünschen.
Epikur von Samos
Pia again
Beiträge: 106
Registriert: 14. Aug 2014, 07:39

Re: Duell mit der Depression ?

Beitrag von Pia again »

Hallo Mut,

was mich echt massiv annervt, das hat sich leider auch bisher nicht geändert, ist die Tatsache, speziell von Dir oft geschrieben zu bekommen, Dir gegenüber den erhobenen Zeigefinger zu benutzen.

Was bitte soll ich mehr tun, als meine Erfahrungen, meine Sichtweisen, mein Leben mit meinem Ehemann im Alltag und die daraus für mich resultierenden Schlüsse zu beschreiben und das nahezu in jedem meiner Beiträge auch noch immer und immer wieder zu schreiben.

Ich bin da wirklich mit meinem Latein am Ende, wie ich noch klarer rüberbringen könnte, dass ich hier bei niemandem werte, geschweige denn, Szenarien fremder "Beziehungen" erläutere.

Ich kenne weder Dich, noch sonst wen hier, geschweige denn, Eure Beziehungen.
Was soll ich denn da zu Deiner Beziehung schreiben?

Ich kann nur von meiner Beziehung schreiben und anregen, ob irgendwas davon auf andere zutreffen könnte oder sogar, das war zu vorherigen Zeiten mal so, richtige tolle Denkanstösse von anderen hier bekommen.

Was weiss ich von Deinem Leben, was weiss ich von der Beziehung zu Deinem Ex-Partner: nichts.
Was hilft mir da: nichts.

Nur wiederum meine Erfahrungen, die ich in meiner Beziehung und Ehe mache und gemacht habe.

Mir ist völlig unklar woraus Du liest, ich würde Dir unterstellen, dass Du nur gibst, gibst, gibst.

Ich wiederhole mich: ich spreche aus meinen Erfahrungen.

Ich habe zum Beispiel, genau so die Erfahrung wie Du, dass mein Mann überhaupt nicht damit umgehen kann, wenn es mir mal nicht gut geht.
In mir löst dies Gefühle aus wie: ich habe zu funktionieren und möglichst ein Dauer-Szenario von Heile Welt zu spielen.

Nein Danke.

Werden bei Dir diese oder andere Gefühle nicht ausgelöst, wenn Du dauerhaft funktionieren sollst: gut, prima. Freu Dich, da hast Du doch diese Problematik, die ich wirklich eine Zeitlang hatte, nicht. Umso besser.

Ich seh da irgendwie kein Problem.

Für mich persönlich funktioniert das Leben mit einem erkrankten in vielen Bereichen schlichtweg gar nicht. So ist das Leben nicht; nicht für den depressiv erkrankten Menschen und für jeden anderen auch nicht und ich weigere mich, mit rosa Wattebällchen zu werfen.

Es ist verständlich, wenn ein erkrankter Mensch psychisch so labil ist, dass ihn dies zusätzlich überfordert; aber dann quasi einzufordern: Dir darf es nicht schlecht gehen, weil ich mich dann noch schlechter fühle, ist ein No Go in einer Beziehung.
Und klarstellend: ich spreche absolut nicht von Dir und Deinem "R".

Das ist auch das, was mich hier an der Entwicklung des Forums so massiv gestört hat.
Angehörige sollen sich unterstützen?

Fein.
Wäre es nicht besser, statt täglichen "das wird schon wieder, er liebt Dich bestimmt noch" sich einfach mal sich selber in den Fokus zu setzen, statt den erkrankten Menschen?

Absolut losgelöst von Deiner Person, Mut, sind hier im Angehörigenteil mir die Grenzen zwischen Betroffen und Angehörig sehr oft sehr massiv zu verschwindend und oft erinnert mich das Gelesene an die Schilderungen meines Mannes aus den diversen Kliniken.............

Aber möglicherweise ist das eben nur meine Sichtweise bzw. eben meine Form des Umgang damit.

Natürlich kann mein Bekanntenkreis meine Stories nicht mehr hören und Verständnis dafür aufbringen schon gar nicht.

Haben sie so Unrecht?

In meinen Augen nicht.

Oft, ich fürchte sogar überwiegend, ist zwischen meinem Mann und mir gar keine Beziehung im herkömmlichen Sinne.
Das, was eine gemeinsame Beziehung - für mich - ausmacht, nämlich den Alltag gemeinsam bestreiten (nicht als siamesiche Zwillinge, sondern als Partner, die an einem Strang ziehen), Gemeinsamkeit leben ist überwiegend nicht möglich.

Kann ich es da jemandem Übel nehmen, wenn er bezweifelt, an was man festhält?
Nein, denn jeder geht nur in seinen Schuhen und die meisten interessiert es doch gar nicht, sich wirklich mit der Thematik auseinanderzusetzen, solange sie nicht selber in irgendeiner Form persönlich involviert sind, wie auch immer.

Nochmal klar und deutlich, gilt auch für mich:

ich habe keinerlei Interesse, Dir gegenüber einen Zeigefinger zu erheben, denn wir bewegen uns hier auf Erwachsenenebene.

Regen Dich meine Erfahrung zum Überdenken an, prima: ich freue mich jederzeit über regen Austausch, kannst Du nix damit anfangen: dann ist das halt so.

Aber auf eine bestimmte Ebene, Dich erziehen zu wollen (oder was soll der erhobene Zeigefinger für Dich bedeuten?): kein Interesse meinerseits.

In der Therapie heisst es doch immer: nicht der Sender ist für das Verantwortlich, welche Emotionen beim Empfänger ankommen, sondern dies ist dann die Thematik eines selbst.

Ich habe hier weder Dich, noch sonst wen beleidigt ; allerdings erreiche ich gern etwas in meinem Leben und mit der "Tüdel-Tüdel" Atmosphäre kann ich halt nix anfangen.

Das ist einfach Geschmackssache.

Ist hier weiterhin nur die rosa Wattebällchen-Unterstützung gewünscht, kann ich damit leben;
meins ist es nicht und dem werde ich mich definitiv nicht anschließen.

Pia
MUT65
Beiträge: 448
Registriert: 18. Jan 2013, 11:59

Re: Duell mit der Depression ?

Beitrag von MUT65 »

"massiv annervt" ...........

Liebe Pia, es stimmt, es hat sich nichts geändert :-)
Auch ich schreibe das, was ich empfinde - nach meinem Empfinden
habe ich Dir das in einem "ordentlichem Ton" geschrieben.

Vermutlich "reden" wir Zwei einfach aneinander vorbei, so etwas gibt es ja.

LG
Mut
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Epikur von Samos
PhiloSofa
Beiträge: 32
Registriert: 17. Aug 2013, 14:08

Re: Duell mit der Depression ?

Beitrag von PhiloSofa »

Ich weiß nicht, warum man gegen die Depression eines Anderen kämpfen sollte.

An sich ist es ja eh nichts was bekämpft werden muss. Den Blickwinkel darauf zu ändern genügt, finde ich, d.h. weg vom depressiven "Patienten", hin zu einem selbst. Die entscheidenden Fragen sind doch:

Warum kämpfe ich überhaupt und kann den anderen nicht einfach sein lassen?
Welche Co-Abhängigkeiten habe ich vielleicht?
Was bringt mir eine helfersyndromartige Beziehung zu einem Menschen,
der sich gar nicht ändern will oder kann?
Was will ich mir selbst damit beweisen?

Depression ist für mich ein Symbol für das Loslassen.
Loslassen von Erwartungen, Loslassen von Dingen, die man nicht ändern kann.

Ändern kann man sich nur selbst und bekämpfen kann man maximal seine eigenen Dämonen und Phantome, sich zum Krieger für/gegen die selbstbildbezogenen Einschätzung eines anderen Menschen zu machen, ist Zeitverschwendung.
Chocolat
Beiträge: 182
Registriert: 9. Okt 2013, 13:50

Re: Duell mit der Depression ?

Beitrag von Chocolat »

Hallo liebe Mut,

mal wieder ein Beitrag von dir in dem ich mich sehr wieder finde. Leider fehlt mir zur Zeit die Energie ausführlich hier zu schreiben. Aber ich habe dir eine PN geschickt.

Alles liebe,Chocolat
Wenn das die Lösung ist, hätte ich gern mein Problem zurück!
MUT65
Beiträge: 448
Registriert: 18. Jan 2013, 11:59

Re: Duell mit der Depression ?

Beitrag von MUT65 »

Chocolat !!!!

Hab' so oft an Dich gedacht ! Ich habe in meinem Postfach keine PN von Dir,
dort ist nur der Text von "Duell mit der Depression" zu lesen.
Würde mich sehr freuen von Dir zu "hören".

Hoffe es geht Dir ganz gut........!

Herzliche Grüße
Mut
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Epikur von Samos
Tini 28
Beiträge: 32
Registriert: 26. Aug 2014, 13:20

Re: Duell mit der Depression ?

Beitrag von Tini 28 »

Guten Abend alle Betroffenen und vor allem Frau Rossi,
ich bin neu hier und seit 9 Jahren erkrankt. Vor allem die treffenden Beiträge von Frau Rossi haben mir sehr aus dem Herzen gesprochen : man muss seine Erkrankung akzeptieren, denn man hat jahrelang - ich zumindest- eine Wahnsinnskraft aufwenden müssen, um einigermaßen den Alltag bewältigen zu können. Bis die Kraft irgendwann nicht mehr gereicht hat. Wenn man seine Erkrankung annimmt und versucht alles umzusetzen, was man in Klinik und Therapie gelernt hat, wenn man erkennt, was einem schadet und was einem gut tut, wenn man seine Alltagsstrukturen schrittweise verändert, dann profitiert auch der Partner davon. Meine erwachsenen Kinder haben mich aber gerade wegen der notwendig gewordenen Veränderung abgewählt. Ich bin ihnen zu anstrengend geworden, weil ich mich nicht mehr nur nach ihren Vorstellungen verhalte. Die Enkel darf ich nicht sehen - Erst wenn ich wieder bin wie vorher! Mein Mann liebt mich und freut sich, wenn ich mich verstärkt um meine "Smileys " kümmere, wenn ich mich viel an der frischen Luft bewege. Er hat gelernt, dass nur eine Veränderung von mir uns beiden und unserer Beziehung hilft. Er sagt, dass ihm das Wichtigste ist, dass er keine Angst mehr vor einer Kurzschlussreaktion von mir haben muss. Also ein " Duell" wäre absolut kontraproduktiv , weil ein Kampf gegen die Erkrankung genau wieder zu den unkalkulierbaren Krisenmomenten führen würde, die das Leben vor der Diagnose hatte.
Liebe Grüße Tini 28
MUT65
Beiträge: 448
Registriert: 18. Jan 2013, 11:59

Re: Duell mit der Depression ?

Beitrag von MUT65 »

Hallo Tini,

ich hab' mich wohl etwas ungeschickt ausgedrückt. Da ich hier als Angehörige schreibe, habe
ich das duellieren wie eine Art "längerer Atem" gesehen. Natürlich muss man die Erkrankung azeptieren,
aber ich möchte mich als ehemalige Partnerin, nicht von ihr in die Knie zwingen lassen.
"Ich sitze es aus " - noch kann und will ich es so - meine Gefühle für meinen "Freund" sind einfach noch
viel zu groß.
Das Einzige was ich mir im Moment wünsche ist, dass er überhaupt mal wieder ein paar Dinge positiv sehen kann. Sich an etwas erfreuen kann etc.
Zur Zeit ist es so schlimm, dass ihn alles - wirklich alles überfordert, oder unter Druck setzt.

Selbst meine Art ihn zu motivieren, ihm ein wenig Hoffnung zu geben, nervt ihn - ich kann ihm
nichts recht machen und so habe ich mich ersteinmal zurück gezogen, so sehr er mir auch fehlt.

Ich stehe gern immer wieder als helfende Hand zur Verfügung, aber nicht als kontinuierlicher
Blitzableiter - auch ich habe Grenzen.

Dass Deine Kinder so verständnislos reagieren ist traurig - vllt. liegt es an einem Mangel an Informationen ?
Depressionen machen ja noch immer vielen Menschen Angst, weil sie unwissend sind !

Kannst Du mit Hilfe Deines Mannes nicht irgendwie dafür sorgen, dass sie sich ein wenig für Deine
Geschichte öffnen ? Ich würde einen Brief schreiben - bin selbst Mutter und kann verstehen wie weh es tun muss, dass Du Deine Enkel nicht sehen darfst.

Es klingt, als hättest Du eine Menge geschafft und dann stößt Du in der eigenen Familie auf Unverständnis, das ist wirklich heftig.

Auch würde ich bei Beratungsstellen, oder Deinen Ärzten um Rat fragen.

Liebe Grüße zurück
Mut
Wenn du einen Menschen glücklich machen willst, dann füge nichts seinem Reichtum hinzu, sondern nimm ihm einige von seinen Wünschen.
Epikur von Samos
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