Sich irgendwo zu Hause fühlen

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missdi
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Sich irgendwo zu Hause fühlen

Beitrag von missdi »

Hallo zusammen,

ich wohne schon bald 20 Jahre in einer Großstadt, in der ich studiert habe und dann hängengeblieben bin.

Ich frage mich momentan oft, was es macht, dass man sich irgendwo "zu Hause" fühlt, verwurzelt, geborgen. Ich habe dieses Gefühl bisher nie finden können und wünsche es mir doch so sehr. Einerseits liegt es denke ich daran, dass ich lange Zeit wenig soziales Netz hatte und auch das jetzige sich wackelig anfühlt, wobei einige wirklich gute Freunde darunter sind.

Dennoch zieht der eine oder andere mal weg, und warum bin ich hier, frage ich mich, bei mir bewegt sich eben nicht viel, weil ich mich nicht, wie die anderen, weiterentwickle, so scheint mir. Mein Leben ist immer wieder von Depressionen durchbrochen, ein großes STOPP, und beruflich bin ich unter meinen eigentlichen Möglichkeiten in einem Job, der mir keinen Spaß macht, an den ich mich momentan dennoch gebunden fühle wegen der Krankheit (momentan krankgeschrieben), ein sicherer Job... Beziehungstechnisch entwickle ich mich auch nicht wesentlich weiter, mir geht es einfach oft zu schlecht, bin zu zurückgezogen, bisher konnte ich nur in guten Phasen jemanden kennenlernen. Was ich sagen will, ich vermute, dass so ein Zuhausegefühl ja auch mit einem Job zusammenhängt, dem man sich verbunden fühlt, einem Beruf, in dem sich das Ich zuhause fühlt, und vielleicht eine Partnerschaft, eine Familie.

Ich hingegen fühle mich, besonders in den depressiven Phasen, wurzellos, nirgendwohin gehörig. Diese Gefühle sind schier unerträglich, wenn ich momentan in der U-Bahn in der Stadt unterwegs bin oder an Plätzen/Straßen, wo viele Menschen unterwegs sind. Ich fühle mich so was von einsam und verloren, es durchbohrt mir wirklich das Herz.

Oder ob es eben auch ein grundsätzliches inneres Gefühl ist, das vermutlich aus der Kindheit stammt, denn auch da habe ich mich vermutlich verloren, sehr alleine gefühlt. Und außerdem vermute ich, dass ich einfach zu wenig auf meine innere Stärke, Kraft, Erfahrung zählen kann, zu wenig ICH-Gefühl, gerade in depressiven Zeiten, keine Heimat in mir, so dass ich zu sehr auf das Außen schaue.

Ich frage mich momentan, ob die Großstadt einfach nicht mehr gut für mich ist, einfach zu wuselig, chaotisch, stressig teilweise.

Wie habt Ihr es geschafft, euch zu Hause zu fühlen? Fühlt Ihr euch zu Hause, verwurzelt? Oder einfach verwurzelt in euch selbst?

Traurige Grüße
Missdi
ichbingut
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Re: Sich irgendwo zu Hause fühlen

Beitrag von ichbingut »

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Zuletzt geändert von ichbingut am 2. Dez 2017, 20:05, insgesamt 1-mal geändert.
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missdi
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Re: Sich irgendwo zu Hause fühlen

Beitrag von missdi »

Hallo Ichbingut,

danke für Deine Antwort. Ja, das denke ich auch, dass man sich in depressiven Phasen nie entspannt und somit nie wohl fühlen kann. Das geht mir ja momentan auch wieder so. Deshalb ist es auch so schwer zu unterscheiden, was ist die Depression und was ist vielleicht ein wirkliches Unwohlsein in der Großstadt. In meine Heimat will ich glaube ich nicht, weil das zu sehr mit Familie verbunden ist und das ist mit sehr schwierigen Gefühlen verbunden. Ich hatte eigentlich gehofft, woanders eine, meine Heimat zu finden... Und mit knapp 40 einfach irgendwoanders hin, dazu noch depressiv..., das finde ich nicht so einfach. Aber immer so kleben bleiben an einem Ort, nur weil es mich zufällig hierher verschlagen hat... Keine Ahnung...

Liebe Grüße
Missdi
ichbingut
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Re: Sich irgendwo zu Hause fühlen

Beitrag von ichbingut »

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missdi
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Re: Sich irgendwo zu Hause fühlen

Beitrag von missdi »

Ach ja, es ist schwer. Ich weiß ja nicht, wohin ich will... vermutlich nur zu MIR selbst :-) Eine Alternative, eine reale, wäre in die Stadt, in der ich arbeite, ich pendel nämlich jeden Tag. Aber genau aus dem Grund, weil ich nämlich auch große Angst vor Veränderung habe, bin ich nicht dort hingezogen. Aber das Pendeln hasse ich... Es ist also kompliziert. Für einen Job, den man nicht mag, zieht man auch nicht unbedingt um... Aber ist es bei Dir denn gut, da wo Du bist? Also fühlst Du Dich wohl? Man muss ja nicht immer etwas verändern...
Virginia
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Re: Sich irgendwo zu Hause fühlen

Beitrag von Virginia »

Hallo Missdi,

Du hast scheinbar mehrere Baustellen und weißt nicht wo anfangen. Du hasst das Pendeln, dir gehen Menschenansammlungen auf den Wecker, Dein sicherer Job macht Dir keinen Spaß. Die Klammer um alles ist meines Erachtens das sich nirgends zu Hause fühlen. Wenn Du seit Deinen Kindheitstagen nicht richtig erlebt hast, was angenommen sein bzw. bedingungslos geliebt worden zu sein bedeutet, wird glaube ich eines immer präsent sein im Leben: Flucht, man will weglaufen. Weglaufen vor dieser Leere, diesem Gefühlsloch, vor sich selbst, vor seiner geringen Selbstachtung.
Viele flüchten auch aus Beziehungen, von einer in die nächste oder haben Bindungsängste, müssen Distanz aufbauen und abhauen. Manchmal geschieht das auch in Freundschaften, man zieht sich zurück, ohne dass das Umfeld versteht warum. Wie ist das bei Dir? Ich persönlich glaube nicht, dass Dir ein Umzug dieses tolle -ich bin zu Hause angekommen- Gefühl verschafft und alles ist gelöst. Aber: Trotzdem möchte ich Dir davon nicht abraten. Denn der Umzug in die Stadt ist sicher die kleinste Veränderung, Du hast Das Gefühl selbst aktiv geworden zu sein, und Du bist das Pendeln los. Und einen sicheren Job -sofern Dir Deine Kollegen nicht das Leben zur Hölle machen- würde ich als letztes angehen (wer findet seinen Job schon richtig toll???). Wenn Du in der Großstadt wohnst, hast Du ohnehin eher Möglichkeiten, den Job zu wechseln als auf dem Lande....das könntest Du also alles in Reihe angehen. Nicht alles auf einmal, ist eh ratsam bei Depris....eines nach dem anderen, wie man die Klösse ist. Und raus in die Natur ziehen, ein kleines Gedankenspiel: Du kommst nach verhasstem Pendeln von Deinem sicheren Job zu Hause auf dem Lande an. Wie würde sich das anfühlen, wenn Du die Haustür hinter Dir schließt und Du rundum nicht viel ist als Natur und leere Straßen, kaum Menschen? Freust Du Dich auf die Felder und Wälder und gehst freudig raus, jeden Abend? Und um Deine Freunde zu treffen musst Du vielleicht wieder in die Stadt pendeln oder notgedrungen in der Stadt verweilen nach Arbeitsschluß? Wie fühlt sich das alles an für Dich? Welche Entscheidung Du auch treffen oder nicht treffen wirst, besser ist es, nicht zu hoffen, dass danach wirklich alles gut wird... das ist eine andere Baustelle. Vielleicht konnte ich ein bisschen helfen....

Liebe Grüße
Virginia
ichbingut
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Re: Sich irgendwo zu Hause fühlen

Beitrag von ichbingut »

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Brummi59
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Re: Sich irgendwo zu Hause fühlen

Beitrag von Brummi59 »

Sich irgendwo zu Hause fühlen... ohja, das kenne ich nur zu gut... endlich mal ankommen.
Ich bin eher immer auf der Flucht. Die beste Fluchtstrategie war mein Job als Fernfahrer. Wochenlang unterwegs, ein Wochende zu Hause und wieder weg.
Jetzt wo ich nicht mehr fahren kann (Berufsunfähig), ist meine achso heile Welt zusammengebrochen. Geblieben sind die Depressionen und ein unendliches Fernweh. Das zu pflegen ist natürlich leichter als Auswege aus dieser Situation zu suchen. Zumindest habe ich eingesehen das ich es ohne Hilfe nicht schaffen werde.
Nur wie und ob das dann besser wird - ich weiß es nicht und das Schlimme daran - es ist mir Alles so egal.
Liebe Grüße
Dieter

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Du könntest dich den ganzen Tag ärgern - du bist aber nicht dazu verpflichtet!
*Arthur Lassen*
ichbingut
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Re: Sich irgendwo zu Hause fühlen

Beitrag von ichbingut »

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Zuletzt geändert von ichbingut am 4. Feb 2018, 16:49, insgesamt 1-mal geändert.
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missdi
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Re: Sich irgendwo zu Hause fühlen

Beitrag von missdi »

Hallo Virginia,

lieben Dank für Deine ausführliche Antwort! Vieles, was Du schreibst ist richtig. Ja, man will weglaufen vor dem Gefühl und glaubt dann, dass mit dem Weglaufen die Dinge besser werden. Also ich kenne es auch, in meinem guten Phasen, wo ich mehr in mir Ruhe, bei mir bin, all das, das Pendeln, der Job, nicht mehr so schlimm ist, vielleicht habe ich sogar gute Gefühle. Und das finde ich so schwer, herauszufinden, was kommt von innen und was sind tatsächlich schwierige äußere Umstände.

Du fragst mich wie es bei mir ist, wie ich z.B. mit Beziehungen umgehe. Ich neige dazu, auf Distanz zu gehen, Distanz zu Dingen zu halten. So glaube ich auch, dass das evtl auch Teil des Problems mit der Arbeit ist. Weiter zu Pendeln, anstatt näher zur Arbeit zu ziehen, ist ja auch Ausdruck davon. Zumindest habe ich keine zwingenden Gründe, in meiner Stadt zu bleiben. Es ist eine Mixtur aus vielen Gründen, die miteinander verknotet sind, die ich irgendwie nicht mehr entwirren kann. Mein Horror ist, umzuziehen und mich dort genauso wenig zu Hause zu fühlen. Ich würde mir wünschen, mich bei meiner Arbeitsstelle zu Hause zu fühlen. Es war anfangs so und zwischenzeitlich, aber jede Depression ist auch ein Entziehen aus Beziehungen, bei mir jedenfalls. In meiner letzten Therapie wurden all die Probleme nur als Beziehungsproblematiken angeschaut. Leider habe ich das nicht auflösen können, bin irgendwie darin steckengeblieben, und die Therapie endete sehr schmerzhaft, traumatisch. Deshalb hänge ich hier mit all diesem Wissen, ohne mich irgendwie bewegen zu können, in einer Situation, die sich einfach nur schrecklich anfühlt, unauflösbar.

Nein, ich glaube auch nicht, dass sich mit einem Umzug das Gefühl so großartig ändert. Man kann Stress wegnehmen, indem man z.B. nicht mehr Pendeln muss. Auch auf dem Land kann ich mir nicht vorstellen, alleine zu wohnen. Als Familie ja, oder als Land-WG vielleicht...

Ich weiß nicht, ob ich zu meiner Arbeitsstelle nochmal ein gutes Gefühl finden kann, es ist jetzt wie "tot", kann es irgendwie nicht anders beschreiben. Anfangs hatte ich Hoffnung endlich anzukommen, ein guter Arbeitgeber, nette Kollegen, und dann kam die Enttäuschung, auch von mir selbst, und auch nicht mehr verbergen zu können, dass man "ein Problem" hat, ich kann mir momentan gar nicht vorstellen, wie ich da wieder ein positives Gefühl herstellen kann. Es hat vermutlich auch viel mit meinem total zerstörten Selbstbild zu tun. Am Liebsten irgendwo neu anfangen, wo mich noch niemand kennt... Aber wie Du auch sagst, Virginia, man kann nicht vor sich selbst fliehen.

Und Fakt ist, dass der Job in der Form, wie ich ihn mache, keinen Spaß macht und mir nicht gut tut, also es macht nur Sinn, dort zu bleiben, wenn ich etwas anderes machen kann.

Und so drehe ich mich die ganze Zeit in meinem depressiven Gedanken im Kreis. Ich möchte erst gesund werden, wieder positive Gedanken und Gefühle haben, bevor ich diese Dinge angehe. Nur habe ich dann Angst, dass es gar nicht mehr besser wird, und ich für mein depressives Leben Entscheidungen treffen muss, keine Entscheidungen, die sich gut/stimmig anfühlen, sondern die ich irgendwie über den Kopf fälle, für die ich kein Gefühl habe.

Liebe Grüße
Missdi
Zuletzt geändert von missdi am 25. Aug 2014, 14:55, insgesamt 1-mal geändert.
missdi
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Re: Sich irgendwo zu Hause fühlen

Beitrag von missdi »

Hallo Ichbingut,

ja, so ist es, wenn man depressiv ist, hält man es ja nirgends aus, ich jedenfalls, ich will mich die ganze Zeit am Liebsten ins Bett legen. Aber was mich beruhigt ist die Natur, und besonders stressig finde ich dann Großstadt. Es liegt vielleicht auch daran, dass ich auf dem Land aufgewachsen bin. Ich war gestern dort, meinen Vater besuchen, und es hat mich richtig traurig gemacht. Weil es so schön ist dort und ich mich frage, warum ich in dieser Stadt leben muss. Aber was sollte ich dort tun? Aber all diese Fragen stelle ich mir nur, weil ich unglücklich, sehr unglücklich bin. Ich glaube, wenn man zufrieden ist, muss man sich nicht ständig fragen, ob der Ort, an dem man lebt, gut ist. Man ist einfach zufrieden, ist verwurzelt, gebunden durch Job und Freunde, Familie. Aber so jemand wie ich, der sich auf diese elementaren Dinge nur schwer oder halb einlassen kann, wie soll man da zur Ruhe kommen. Ein Bein in der Arbeit, ein Bein draußen. In feste Gruppen mich einzufinden, finde ich auch schwierig. Oder wenn ich irgendwo bin, werde ich depressiv und bin dann ja auch nicht mehr richtig in Kontakt mit meiner Umwelt. Das ist ja das Schlimme.

Du fragst mich, warum ich den Job noch mache? Weil ich mir trotz Studium wenig zutraue, weil ich es nicht geschafft habe, dort berufliche Selbstbewusstsein aufzubauen, was einerseits an mir, andererseits an dem Job liegt. Ich bin momentan sehr depressiv und somit finde ich es schwer, mich zu bewerben, ob intern oder extern.

Und sich wohl zu fühlen und zu Hause zu fühlen sind sicher zwei unterschiedliche Sachen. Aber mich wohl zu fühlen wäre schon eine gute Voraussetzung und würde mir vielleicht genügen. Mit zu Hause verbinde ich auch eine Familie, so ein blödes Bild, eine schöne Wohnung/Haus, die/das Sicherheit bietet, und Menschen, die einem Nahe stehen, so ein Nest. Das ist vielleicht sogar das, was ich mir am meisten wünsche, egal ob in meiner oder einer anderen Stadt, das wäre dann egal. Und das scheint mir so unerreichbar, weil ich schon sehr an meiner Beziehungsfähigkeit zweifel.
ichbingut
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Re: Sich irgendwo zu Hause fühlen

Beitrag von ichbingut »

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Zuletzt geändert von ichbingut am 4. Feb 2018, 16:49, insgesamt 1-mal geändert.
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Virginia
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Re: Sich irgendwo zu Hause fühlen

Beitrag von Virginia »

Hi Missdi,

wie war Dein Tag heute auf der Arbeit? Würde es Dir helfen, wenn Du Dir mal eine Auszeit nimmst und Dich krank schreiben lässt? Oder zieht Dich das noch mehr runter? Nochmal 'ne Nachfrage: Du sagst, Kollegen und Arbeitgeber haben sich für Dich nicht so gut entwickelt wie anfangs gedacht. Also fühlst Du Dich mit Deinem Beruf/Ausbildung, Deinen Aufgaben generell wohl? Dann wäre das zumindest doch mal was positives, oder? Oder hast Du auch Träume, Ideen was Deinen Beruf bzw. Deine weitere Ausbildung etc. angeht? Ohne gleich wieder zu rational ranzugehen und sofort gedankliche Schranken hochzuziehen....ganz frei gedacht. Ich mach das manchmal, Träume sind für mich so frei wie ich gern sein möchte.

Deine tiefen positiven Emfpindungen mit der Natur kenn ich auch. Es ist so wunderbar, sich auf eine Wiese zu legen, ganz ausgestreckt und ruhig. Ich fühle mich dann so eins mit der Erde. Ein Gefühl der 'Ent'-Grenzung. Totale Einheit. Zwei Dinge verschmelzen...Kann es nicht besser erklären. Oder unlängst am Dünenstrand an der Nordsee.....unbeschreiblich beruhigend. Ich bin dann fast glücklich, wenn auch nur für den Moment.

Lieben Gruß
Virginia
missdi
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Re: Sich irgendwo zu Hause fühlen

Beitrag von missdi »

Hey Ichbingut,

danke für Deine liebe Mail.

12 Stunden unterwegs ist ja auch furchtbar! das ist echt anstrengend. Und gut, dass Du Dich überwinden kannst und einfach losläufst. Das schaff ich momentan nicht, so egal ist mir teilweise alles. Eigentlich war es mir immer wichtig, Sport zu machen, mich zu bewegen...

Ja, so ein Schrebergarten, da habe ich auch schon dran gedacht. Oder eine Dachterrasse...

Meine Depression dauert schon seit Ende letzten Jahres. Über meine Stadt und meinen Job will ich grade nichts schreiben, man könnte zu schnell auf mich kommen :-) Und mit der Partnerbörse, hab ich alles schon gemacht, nur wenn ich stockdepressiv bin, kann ich das nicht. Wie soll ich da jemanden treffen? Ich fühl mich dann vor allem unattraktiv, auch wenn ich das nicht bin. Wenn es mir besser geht, ja...

Und ja, Dein Therapeut hat Recht, man soll keine großen Entscheidungen treffen. Nur wenn die Depression gar nicht mehr aufhören will... dann denke ich, irgendwann muss ich doch etwas entscheiden, damit sich etwas ändert...

Liebe Grüße
Missdi
missdi
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Re: Sich irgendwo zu Hause fühlen

Beitrag von missdi »

Hey Virginia,

heute war ich nicht arbeiten, gehe erst morgen wieder. Ich bin momentan bzw schon seit einigen Monaten krankgeschrieben und mache momentan eine Wiedereingliederung. Auszeit zieht mich eher runter, ich müsste dann schon ganz weg, irgendwas tun, auf einen Bauernhof oder so. Ich stelle momentan einen Antrag für eine psychosomatische Klinik, das wäre dann meine Auszeit vermutlich. Nur krank geschrieben zu Hause zu sein hilft mir nicht weiter.

Nein, ich fühle mich mit den Aufgaben nicht wohl (Arbeit), ich denke ich bräuchte eigentlich anderes, um mich wohlzufühlen. Gewisse Faktoren. Das muss ich für mich nochmal herausarbeiten... Ich brauche z.B. Kontakt und ich habe einen Job, wo ich die meiste Zeit öde vor dem PC sitze, das macht mich fertig, wirklich. Na ja, ich muss mich damit wirklich beschäftigen. Oder damit, wo in meinem Leben bekomme ich meine Bedürfnisse befriedigt, darum geht es ja auch. Wenn ich dann außerhalb der Arbeit viel KOntakt, viel Lebendigkeit habe, ist es ja vielleicht okay, wenn der Job eher ruhig ist.

Ich habe in Deinem Post gelesen, dass Du sehr unglücklich bist in deinem Job, aber mehr aus Mobbinggründen oder? Hast Du einen Job finden können, der Dich zufrieden macht?

Natur ist so beruhigend, tröstend. Sie fehlt mir wirklich in der Stadt.

Liebe Grüße
Missdi
Zarra
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Re: Sich irgendwo zu Hause fühlen

Beitrag von Zarra »

Hallo liebe Missdi,

ich kann, hoffe ich, einen Gutteil nachvollziehen von dem, was Du beschreibst. Andererseits ist es natürlich bei jedem etwas abgewandelt. Und meine Gedanken in diese Richtung(en) purzeln zur Zeit auch noch etwas durcheinander ... und das ist alles auch noch nicht "zu Ende gepurzelt", so daß ich nur versuchen kann, Dir meine Erfahrungen mitzuteilen.

Einmal gibt es es wohl dieses Wohlfühlen, was nicht nur, aber in erster Linie mit einem selbst, mit einer Art Selbstzufriedenheitsgefühl zu tun hat.

Dann dieses: "Aber wo befreundete Wege zusammenlaufen, da sieht die ganze Welt für eine Stunde wie Heimat aus." (Hermann Hesse); also daß es viel mit Menschen und ob wir mit ihnen ausreichend verbunden sind, zusammenhängt. - Das würde ich unterschreiben. - Es ist auch das, was oft in meinem Leben fehlte, zumindest unzureichend vorhanden war, von dem ich mir mehr und Tiefergreifendes gewünscht hätte, wünschen würde.

Und dann gibt es wohl so etwas wie Gelebtes und Gewohnheiten, vertraute Landschaften und vertraute Orte, mit denen wir Erinnerungen verbinden (und nicht nur schlechte).

Dazu kommen vielleicht noch Gegenden und Orte, an denen wir gute Erfahrungen gemacht haben (das ist bei mir z.B. ein Urlaubsort, in dem ich nach einer Krise war, und auch die Gegend, in der eine gute Klinik liegt - und diese Gegend würde ich sonst sicher eher mit nichts verbinden, würde attraktivere finden) oder die uns besonders gut gefallen.

Ich bin schließlich meiner Arbeitsstelle aus einer Großstadt in einen kleineren Ort hinterhergezogen. Ich habe es nicht bereut, einfach weil mir Lesen auf dem Sofa und Nordic Walken zwischen den Feldern mehr gibt als vorbeiflitzende Werbung aus öffentlichen Verkehrsmitteln heraus. Menschlich bin ich hier nicht verwurzelter als in jener Großstadt, vor allem nicht, wenn ich meine Arbeitsstelle abziehe. Trotzdem ist es anders - ich bekäme beim Bäcker auch Brot, wenn ich das Geld vergessen hätte und könnte es am nächsten Tag vorbeibringen. Meine Arbeitsstelle gibt mir übrigens kein Heimatgefühl, obwohl ich diese Kontinuität sehr schätze. Vielleicht nehme ich da etwas auch nicht wahr? Weil mir klar ist, daß eine Arbeitsstelle und nette KollegInnen keine Familie ersetzen können?! - Ich nehme immer wieder wahr, daß Menschen mit Kindern viel verwurzelter in einer Stadt sind, viel mehr Leute, Einrichtungen etc. kennen. Ich engagiere mich aber z.B. auch in keinem Verein o.ä. hier; es liegt also auch an mir.
Andererseits - ich bin momentan wieder häufiger in der Großstadt, in der ich mal wohnte - erlebe ich momentan die Großstadt viel anregender, habe bei Veranstaltungen auch viel eher den Eindruck, daß ich da passende Menschen kennenlernen könnte. (Ich hatte bisher immer gedacht, daß ich später mal entweder mehr richtiges Land oder mehr Stadt bräuchte, und das, was die Natur mir gibt, hatte mich wohl innerlich mehr Richtung Land tendieren lassen, obwohl ich skeptisch blieb, weil ... ??; ja, vermutlich auch, weil es auch Angst auslöste; und wenn ich an das Alter und eventuelle Nicht-mehr-Möglichkeiten denke und daß mir schon auch Kultur und auch Austausch wichtig ist, ... so hat gerade die Stadt einen großen Pluspunkt. - Naja, bis dahin sind noch etliche Jährchen hin. Da könnte ich noch zigmal hin- und herüberlegen. - Und ich glaube, die letzten Jahre und momentan sehe ich das einfach relativ pragmatisch, da meine Arbeitsstelle wohl einen guten Kompromiß darstellt (nicht optimal, aber wer hat das schon; und es könnte viel, viel schlechter sein), hier absolut nichts unaushaltbar ist. Irgendwann werde ich weitersehen, "schlimmsten"falls bleibt alles so, wie es ist, was in meinem Fall auch nicht besonders schlimm wäre. Und ansonsten wird in etlichen Jahren dann der Impuls schon kommen ... - und in welche Richtung: Das muß ich ja erst dann wissen!)

Dann war ich in den letzten Jahren vermehrt mit meiner Geburtsstadt, in der ich auch aufgewachsen bin, konfrontiert. Damals hatte ich mich nicht wirklich heimisch gefühlt. Mir hatte menschliche Verbundenheit gefehlt und vielleicht noch irgend etwas. Und erst heutzutage kann ich im nachhinein erklären, warum das so war: Wir lebten in einem Vorort, in dem vor allem viele Flüchtlinge und Vertriebene lebten, alle von woanders. - Gleichzeitig bemerkte ich bei meinen neuerlichen Kontakten, wie ich an Dinge anknüpfen kann: da gibt es eine alte Schulkameradin, mit der ich zusammen ein Instrument lernte, mit der zusammen es sogar ein Gummihüpffoto von noch früher gibt; da kann ich auf Ortskenntnisse zurückgreifen, wenn ich Dinge eruiere; da kennen andere Menschen ähnliches wie ich; da gibt es immer noch den Süßigkeitenladen aus meiner Kindheit; da ist heute eine Fußgängerzone, wo sich früher Autos durchquälten und ein Zoogeschäft war; da verstehe ich plötzlich, warum mein Vater so gerne zu diesem einen Aussichtspunkt fuhr (als Kind fand ich wahrscheinlich den Eis-Kiosk interessanter ;) ).

Gewohnheiten, die man mag. - Und ja, meine Wohnung, selbst meine unordentliche Wohnung.
Missdi hat geschrieben: In meiner letzten Therapie wurden all die Probleme nur als Beziehungsproblematiken angeschaut. Leider habe ich das nicht auflösen können, bin irgendwie darin steckengeblieben, und die Therapie endete sehr schmerzhaft, traumatisch. Deshalb hänge ich hier mit all diesem Wissen, ohne mich irgendwie bewegen zu können, in einer Situation, die sich einfach nur schrecklich anfühlt, unauflösbar.
Das hört sich für mich sehr ungut an.
Missdi hat geschrieben:Ich würde mir wünschen, mich bei meiner Arbeitsstelle zu Hause zu fühlen.
Ein bißchen ja, ein bißchen ist das schön und wünschenswert. ABER Arbeit ist nicht alles. Ist Dir das klar?

... hab' jetzt erst weitergelesen: Vor was hast Du denn Angst bei der Arbeit, gegenüber den KollegInnen? Gab es da komische Reaktionen?
Oder:
Und Fakt ist, dass der Job in der Form, wie ich ihn mache, keinen Spaß macht und mir nicht gut tut, also es macht nur Sinn, dort zu bleiben, wenn ich etwas anderes machen kann.
Gibt es in dieser Firma, bei diesem Arbeitgeber eine besser zu Dir passende Tätigkeit?

Eine Änderung, damit überhaupt etwas "passiert", sich etwas bewegt. Ja, irgendwie stimmt das. Trotzdem würde ich ohne sicheren Impuls nicht zu etwas sehr Großem raten. (Bei selbst herbeigeführtem Arbeitsstellenwechsel muß der innere Impuls stimmen, bei mir müßte es ohne äußeren Anlaß auch bei einem Umzug so sein. - Bei meinem Umzug hierher war der aber plötzlich da, obwohl ich rein äußerlich bereits ein paar Jahre darüber hätte nachdenken können, das vermutlich theoretisch auch getan habe - da war aber nie ein Umsetzungsimpuls gekommen, sondern maximal theoretische Argumente, die nicht ausreichten.)

Liebe Grüße,
Zarra
missdi
Beiträge: 99
Registriert: 23. Dez 2005, 23:25

Re: Sich irgendwo zu Hause fühlen

Beitrag von missdi »

Liebe Zarra,

lieben Dank für Deine ausführliche Antwort. Ich mag deine Beiträge immer sehr gerne, wollte ich an dieser Stelle mal sagen! :-)

Der Satz von Hermann Hesse ist sehr schön. Und ich sehe dies auch bei mir als das größtes Defizit. Ich war als Kind (trotz großer Familie) viel allein, habe immer viel mit mir alleine ausgemacht und war dann immer recht kontaktscheu... Das wurde natürlich besser, aber habe nie dieses Gefühl erlebt, irgendwo sozial eingebettet zu sein.

Und natürlich mit den Gegenden/Orten, mit denen man etwas Positives verbindet, das stimmt. Orte, an denen man schöne Erfahrungen gemacht hat.

Das, was Du schreibst in Bezug auf Großstadt/Land kann ich gut nachvollziehen. Ich bin bisher immer in der Stadt geblieben, weil es ein großes kulturelles Angebot gibt, weil es lebendiger ist und weil ich, obwohl ich oft depressiv war/bin, immer diesen Gedanken habe "Wenn ich nicht mehr depressiv bin, dann werde ich das Leben in der Stadt viel mehr nutzen" (ich nutze das Angebot schon, aber wirklich sehr beschränkt). Ich war schon immer eine Meisterin darin, mir mein Leben vorzustellen, mir mein Leben zu erträumen, vielleicht so, wie es in der Zukunft "ganz sicher" eintreffen wird. Nur je älter ich werde, merke ich, dass dieses "Leben" nicht eintrifft.

Ich habe kein Auto, ich glaube mit Auto würde ich öfter spontan rausfahren, in die Natur. Wenn ich mich dann in einem kleinen Ort lebend vorstelle, dann würde ich vermutlich von den lebendigen Großstadt träumen und von den interessanten Menschen dort. Diesen Konflikt jedenfalls habe ich schon mit der Kleinstadt, in die ich wegen meines Jobs ziehen könnte. Aber vielleicht hätte ich dort einfacheren Zugang zur Natur. Und trotzdem die Großstadt in der Nähe...

Ich habe auch immer gedacht, dass ich auf jeden Fall irgendwann auf dem Land wohnen will, so wie ich aufgewachsen bin eben. Ich glaube schon, dass das prägt. "Stadtkinder" jedenfalls so habe ich den Eindruck, vermissen das Land nicht so sehr.

Das ist bewundernswert, dass Du Deine aktuelle Lebens-/Wohnsituation so pragmatisch sehen kannst, also einfach "annehmen" ohne immer alles anzweifeln zu müssen. Ich bin oftmals sehr zerrissen, ambivalent und kann schlecht einfach mal Situationen so annehmen, wie sie sind.

Meine Arbeitsstelle gibt mir übrigens kein Heimatgefühl, obwohl ich diese Kontinuität sehr schätze. Vielleicht nehme ich da etwas auch nicht wahr? Weil mir klar ist, daß eine Arbeitsstelle und nette KollegInnen keine Familie ersetzen können?!


Das hört sich eigentlich gesund an. Wenn ich Heimatgefühl geschrieben habe in diesem Zusammenhang, dann war das schlecht ausgedrückt. Eigentlich meinte ich Verbundenheitsgefühl mit der Arbeit. Nicht so einen innerlichen Krieg mit der Arbeitsstelle führt. Sondern dankbar ist, verbunden

Ich nehme immer wieder wahr, daß Menschen mit Kindern viel verwurzelter in einer Stadt sind, viel mehr Leute, Einrichtungen etc. kennen. Ich engagiere mich aber z.B. auch in keinem Verein o.ä. hier; es liegt also auch an mir.


Ich glaube das auch, durch Kitas, Schulen und vielleicht wird man auch als Familie oder Mutter mit Kind auf der Straße, beim Einkaufen eher wahrgenommen. Und man ist dann auch durch die Kinder verwurzelter, glaube ich jedenfalls. es gibt mehr äußere Notwendigkeiten. Ich sehe das bei meiner Schwester und ich beneide sie ehrlich gesagt darum. Also wenn man nicht hinterfragen muss, warum man irgendwo lebt.
Missdi hat geschrieben: In meiner letzten Therapie wurden all die Probleme nur als Beziehungsproblematiken angeschaut. Leider habe ich das nicht auflösen können, bin irgendwie darin steckengeblieben, und die Therapie endete sehr schmerzhaft, taumatisch. Deshalb hänge ich hier mit all diesem Wissen, ohne mich irgendwie bewegen zu können, in einer Situation, die sich einfach nur schrecklich anfühlt, unauflösbar.
Das hört sich für mich sehr ungut an.

Ja, war/ist es auch...

"Ich würde mir wünschen, mich bei meiner Arbeitsstelle zu Hause zu fühlen"
Ein bißchen ja, ein bißchen ist das schön und wünschenswert. ABER Arbeit ist nicht alles. Ist Dir das klar?

Ja, das ist mir natürlich klar :-) Ich kriege vermutlich den gesunden Abstand nicht. Oder kann die Arbeit nicht nur als "Arbeit" sehen, erwarte, erhoffe mehr.
hab' jetzt erst weitergelesen: Vor was hast Du denn Angst bei der Arbeit, gegenüber den KollegInnen? Gab es da komische Reaktionen?

Nein, Angst in dem Sinne habe ich nicht. Es gibt kein Mobbing, blöde Reaktionen. Ich glaube eher, dass ich mein berufliches Selbstwertgefühl in den Jahren vollkommen verloren habe, also über jetzt die zweite schwere depressive Phase, Ausfall auf der Arbeit, etc, und ich momentan einfach sehe, dass ich nicht wirklich leistungsfähig bin. Ich schäme mich wohl, dass "es" alle wissen aber vor allem schäme ich mich, dass ich offensichtlich nicht besonders leistungsfähig bin
Oder:

uote]Und Fakt ist, dass der Job in der Form, wie ich ihn mache, keinen Spaß macht und mir nicht gut tut, also es macht nur Sinn, dort zu bleiben, wenn ich etwas anderes machen kann.
Gibt es in dieser Firma, bei diesem Arbeitgeber eine besser zu Dir passende Tätigkeit?

Das ist eine gute Frage. Ich weiß es nicht. Ich kann auch meine Fähigkeiten nicht mehr einschätzen, traue mir momentan nicht viel zu.
Trotzdem würde ich ohne sicheren Impuls nicht zu etwas sehr Großem raten. (Bei selbst herbeigeführtem Arbeitsstellenwechsel muß der innere Impuls stimmen, bei mir müsste es ohne äußeren Anlaß auch bei einem Umzug so sein.

Vor allem nicht wenn man gerade akut depressiv ist, wie ich das bin. Eigentlich möchte ich erst wieder klar sehen bevor ich einen Schritt Richtung Veränderung gehe.

Bist Du denn weit umgezogen von der Großstadt in die kleine Stadt? Und kanntest Du dort schon Leute?


Liebe Grüße
Missdi

PS: Sorry, ich glaube das mit dem Zitieren muss ich noch ein bisschen lernen...
Zarra
Beiträge: 5734
Registriert: 12. Mär 2010, 15:16

Re: Sich irgendwo zu Hause fühlen

Beitrag von Zarra »

Liebe Missdi,

ich schreibe Dir mal, wie es mir ging, und was wahrscheinlich mit den Ausschlag für meinen Umzug von der Großstadt in den kleinen Ort gab:
Ich hatte immer gesagt, daß ich zur Not innerhalb der Großstadt in ca. 30 Minuten zum nächsten Kino etc. laufen könnte (ich war aber innerhalb von 10 Minuten bei der nächsten Kleingartenanlage). Kino als Exempel für auch Theater, Museen, Konzerte etc. Könnte. Das war alles im Kopf. Gemacht habe ich es wohl so gut wie nie. Freiheit und Möglichkeiten, die nur im Kopf und potentiell stattfinden. Schön. Leben ist aber das, was real stattfindet. Und dann war ich das erste Mal in einer psychosomatischen Klinik, sechs oder sogar acht Wochen - und war von dort aus noch nicht einmal mit anderen im nächsten größeren Ort zu einer Kinovorstellung gewesen, und ich hatte nichts vermißt. Ich muß allerdings dazu sagen, daß ich jederzeit von meinem nun Wohnort aus auch das kulturelle Angebot der nächsten Großstadt nutzen könnte, bis Mitternacht komme ich auch zurück, unter der Woche sogar auch noch gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Und das war dann schon die "Rechnung": Zur Arbeit muß ich an 5 von 7 Tagen. Selbst wenn ich nicht angeschlagen bin/wäre, würde ich kaum öfters als zweimal in der Woche zu einer Theater- oder sonstigen Veranstaltung mich in die Großstadt aufmachen. Bekannte oder Haushalt oder "Sport" hat man ja auch noch.
Ich schätze bei Dir jetzt mal die Lage, die äußeren Gegebenheiten zumindest ähnlich ein.

Ich war vorher ca. gute vier Jahre gependelt. Meine Arbeitsstelle war dort. Und ein paar KollegInnen wohn(t)en natürlich dort - wobei ich das im Vorfeld eher negativ fand (ich wollte ggf. nicht samstags auf dem Wochenmarkt meinen Einkaufskorb begutachtet wissen); im realen Erleben war es dann einfach unproblematisch und inzwischen ist es ggf. eher nett bis sehr nett, inzwischen freue ich mich, KollegInnen zu treffen - also vielleicht doch etwas "Heimat"? Und es gab nette Vermieter bzw. Nachbarn. (Ich mußte inzwischen einmal innerhalb des Ortes umziehen.) - Ich kann ja eben auch abends in die Großstadt fahren, wenn ich das will, mich dort mit Menschen treffen. Ja, die Hürde ist mit der Zeit gewachsen, inzwischen empfinde ich es eher als weit.

Bei mir war es eine klare Rechnung mit meiner Erschöpfbarkeit. - Und ja, der Abschied von meiner sehr schönen Wohnung ist mir sehr schwer gefallen.
Es ist aber auch so, daß ich finde, daß z.B. Wohnungen nicht so direkt vergleichbar sind. Meine für mich sehr schöne Wohnung in der Großstadt (nicht weit draußen, aber auch nicht ganz mittendrin) hatte Vorteile und Nachteile, meine erste Wohnung hier hatte Vorteile und Nachteile (die Vorteile der Terrasse mit dem - von den Vermietern gepflegten - Garten drumrum habe ich erst im ersten Frühjahr/Sommer entdeckt), meine jetzige Wohnung hat Vor- und Nachteile. Jede auf ihre Weise schön und für mich passend zu machen. Einerseits Glück. Andererseits muß man halt hinschauen, was man sich vorstellen kann und was gerade im Angebot ist. (Ich bin immer noch froh, daß ich die jeweils Alternativwohnungen nicht genommen habe. Obwohl ich natürlich nicht weiß, wie es dann wirklich geworden wäre und mit was ich mich arrangiert hätte.)

Anfangs war ich hier ohne Auto. - Beim allerdings erst zweiten "Ausleihen" des Autos meines Vaters (wegen Krankheit seinerseits) habe ich jedoch doch größeren Gefallen gefunden, und plötzlich war auch das eine stimmige Entscheidung. Man kommt so eben ohne größere Planungen in abgelegene Natur und in eine andere Stadt, die sonst für meine Wohnlage nur umständlicher zu erreichen wäre. (Und größere Planungen "passen nicht zu meiner Depression", sind mir zu aufwendig.) Klar habe ich auch da mehr Ideen als Umsetzungen, aber ich nutze das Auto schon und bin sehr froh darum. Aktuelle Situation - keine Ahnung, was irgendwann mal sein wird.
Missdi hat geschrieben:aber vor allem schäme ich mich, dass ich offensichtlich nicht besonders leistungsfähig bin
Ich hoffe und wünsche Dir, daß Du noch irgendeine Art von therapeutischer Begleitung hast. Sprich das an! ... mir geht das ähnlich. Und manchmal mag man ja noch nicht einmal das Schamgefühl eingestehen.
Missdi hat geschrieben:Ich kann auch meine Fähigkeiten nicht mehr einschätzen, traue mir momentan nicht viel zu.
Ja, das ist typisch depressiv. - Und je länger man von Depression betroffen ist, umso weniger kann man unterscheiden, was real und was depressives Denken ist.

Liebe Grüße, Zarra
Zarra
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Re: Sich irgendwo zu Hause fühlen

Beitrag von Zarra »

Noch Teil zwei in gewisser Weise:

Ich glaube, soziale Geflechte entwickeln sich nur mit der Zeit, wenn sie nicht sozusagen gegeben sind (z.B. die ganze Verwandtschaft lebt seit ewigen Zeiten in diesem und vielleicht dem Nachbardorf - das kann enorme Probleme schaffen und viele flüchten ja auch aus solchen Banden, manchmal beneide ich inzwischen auch solche Eingebundenheiten, weil ich das nie hatte, meine beiden Eltern von weiters oder nähers kamen und auch in "ihrem" neuen Ort nicht viele Kontakte pflegten). Ggf. Dinge auf Zeit, wie z.B. Nachbarschaften. Nordic-Walking-Verbündete, ... die sich leider auch plötzlich verflüchtigen können. Ich habe von hier aus in einem anderen Ort eine Freizeitgruppe gefunden, mit der mich inzwischen schon etwas verbindet, wo ich "dazugehöre".

Da läßt sich aber auch nichts erzwingen. Manches ist Zufall. Manches stellt sich nach dem ersten Versuch auch als unpassend für einen selbst heraus. - Nichts ist ein für allemal festgelegt. - Es gibt immer wieder Neues, neue Möglichkeiten.

Zarra
Hilfe2014
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Re: Sich irgendwo zu Hause fühlen

Beitrag von Hilfe2014 »

Hallo Missdi,

ich kenne das Gefühl, sich ungeborgen und heimatlos (in sich selbst) zu fühlen.
Das hat mit großer Wahrscheinlichkeit mit deinen Erfahrungen in deiner Kindheit und Ursprungs-Familie zu tun.

Aber du kannst dir diese Geborgenheit zurückholen, wenn du mit Affirmationen arbeitest.
Weißt du, womit ich gearbeitet habe und was mir sehr geholfen hat?

Pass auf, das hört sich jetzt sehr esoterisch an (und ich bin kein esoterischer Typ)
aber mir haben die "Chakra-Mudra-Karten" von Kalashatra Govinda sehr geholfen.
Da hast du z.B. eine Karte, da steht drauf:

"Ich ruhe zufrieden und leicht in mir und fühle mich geborgen im warmen Schoß des Universums, das für mich sorgt."
oder
"Ich bin gut, so wie ich bin. Ich weiß um meine Stärken und Schwächen und nehme beide
als Teil meiner Einzigartigkeit an."

Diesen Satz auf der Karte sagst du dir dann z.B. 5 Mal und lässt ihn einfach auf dich wirken.

Es ist ein ganzer Stapel (vielleicht 40 Karten) mit positiven Glaubenssätzen, die man immer und immer wiederholt.
Ich habe mit den Karten fast jeden Tag (ungefäht 2 Jahre ) gearbeitet, und ich fühle mich jetzt viel besser. Du musst Arbeit in dich und deinen Geist investieren, damit du dich besser fühlst.

Wenn du mehr über Depressionen und negative Selbstgespräche erfahren möchtest,
dann schau doch mal auf die Seite

http://www.meine-depression.de/ursachen.html" onclick="window.open(this.href);return false;

Was die Ungeborgenheit betrifft, lies dir den Beitrag "Das depressive Muster" (Dr. Josef Giger-Bütler) durch.

http://www.meine-depression.de/muster.html" onclick="window.open(this.href);return false;

Ich wünsche dir ganz viel Kraft, dass es dir bald besser geht.
Denn du verdienst es glücklich zu sein.
Alles Liebe!
ichbingut
Beiträge: 1015
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Re: Sich irgendwo zu Hause fühlen

Beitrag von ichbingut »

*
Zuletzt geändert von ichbingut am 2. Dez 2017, 20:42, insgesamt 1-mal geändert.
Der Weg ist das Ziel!
Zarra
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Re: Sich irgendwo zu Hause fühlen

Beitrag von Zarra »

Liebe Missdi,

ich habe nochmals "nachgedacht", da mich das Thema in abgewandelter Form auch beschäftigt.

Im Rückblick (!) kann ich sagen: Das Verhältnis zu dem kleinen Ort, in dem ich nun wohne und arbeite, hat sich verändert, SEIT ich hier wohne. Vorher war es ganz klar nur der Arbeitsort gewesen und ich kannte mehr oder weniger gerade mal die Straße, die ich täglich entlanglief und die Geschäfte an derselben. Und der etwas größere und durchaus attraktive Ort zwischen den beiden Orten (kleiner Ort - Großstadt) war vorher eher "Nirwana" gewesen. - Es entwickeln sich einfach Gewohnheiten, man kennt Dinge, ... - "Attraktive" Ort machen es einem manchmal leichter, doch es ist nicht nur das (außer alles ist wirklich potthäßlich).

Zu Dir: Du hast geschrieben, daß Du eine Reha beantragt hast. Vielleicht wartest Du diese erst mal ab?!

Wohnen Deine guten oder besseren Freunde in jener Großstadt? Triffst Du sie häufig, oder wäre es von der anderen Stadt aus genauso möglich?

Was tust Du konkret in der Großstadt, was Du von dem anderen Ort aus nicht mehr tun könntest?
(Ich habe mir damals für den Anfang nochmals den Yoga-Kurs in der Großstadt geschenkt (kostet ja auch, ... zuvor hat man halt die Monats- bzw. Jahreskarte nicht hoch-/umgerechnet), und für etwas anderes hätte ich das vielleicht auch weiter gemacht, doch das lange Fahren davor und vor allem danach paßt halt nicht zu Yoga, auch wenn das ein herber Verlust war. Nah habe ich nie mehr eine wirklich vergleichbare Lehrerin gefunden.)

Streßt Dich der tägliche Weg oder erlebst Du ihn eher neutral?

Fühlst Du Dich in Deiner Wohnung wohl, bist Du mit Dingen umgeben, die Dir gut tun?

LG, Zarra
missdi
Beiträge: 99
Registriert: 23. Dez 2005, 23:25

Re: Sich irgendwo zu Hause fühlen

Beitrag von missdi »

Hallo zusammen,

tut mir leid, dass ich mich noch nicht auf die letzten Beiträge zurückgemeldet habe. Ich habe gerade so wenig Energie und es strengt mich an, auf den Bildschirm zu starren (wenn ich das schon auf der Arbeit getan habe). Die Tage empfinde ich gerade als wahnsinnig anstrengend. Ich werde noch in Ruhe antworten und lesen... Also bis die Tage! Missdi
Zarra
Beiträge: 5734
Registriert: 12. Mär 2010, 15:16

Re: Sich irgendwo zu Hause fühlen

Beitrag von Zarra »

Hi Missdi,

ich bin auch nur platt :( :( , kriege nichts auf die Reihe, werde jetzt auch gleich das Notebook zuklappen (müssen), ohne dies und das erledigt (oder gar hier gelesen) zu haben. Von daher VIIIEEEELLL Verständnis nur.

Zarra
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