Was bespricht man (nicht) nach der akuten Phase?

Butterblume33
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Was bespricht man (nicht) nach der akuten Phase?

Beitrag von Butterblume33 »

Hallo Ihr Lieben,

ich bin froh, dieses Forum gefunden zu haben, denn ich muss mir endlich mal einiges von der Seele schreiben, weil ich sonst bald durchdrehe. Lese bereits seit einigen Tagen hier still mit und muss auch häufiger schmunzeln, weil ich mich/uns in so vielen Threads wieder finde, was mir ganz gut tut!

Mein Freund und ich (beide 33 Jahre) sind seit 2 Jahren zusammen, wobei wir uns schon einige Zeit zuvor kannten. Ich habe mehrere schlimme Beziehungen hinter mir und ich mochte an ihm immer sehr, dass er tiefgründig, selbstkritisch und ruhig war. Nicht so ein Angeber. So verliebt wie in ihn war ich nie zuvor in meinem Leben und wir hatten eine ganz wunderbare Zeit zusammen, sind immer enger zusammengewachsen und taten uns gegenseitig richtig gut. Er ist der wichtigste Mensch in meinem Leben, mein Zuhause, mein Rückzugsort… Die komischen Phasen, in denen er verstimmt ist, nicht redet, fast schon kalt gegenüber anderen ist, kannte ich nur zu gut und ich konnte immer souverän damit umgehen, weil ich wusste, es hat nichts mit mir zu tun und meistens dauerte es auch nur eine Woche. Wenn wir uns dann doch gesehen haben, fühlte er sich danach immer deutlich besser und hat mir mehrfach gesagt, dass er mich noch dringend braucht und alles besser ist, seit er mich hat.

Aber die Lage hat sich leider dramatisch verändert. Im April/Mai waren wir drei Wochen im Urlaub und haben sogar Zukunftspläne geschmiedet; anschließend bekam er zurück zuhause eine richtige Depression, die nunmehr fünf Wochen andauert. Er stellt plötzlich alles in Frage: seine Arbeit, unsere Beziehung, den Sinn seines Lebens, ob er überhaupt fähig ist zu lieben und Liebe anzunehmen, alles fühlt sich für ihn wie gedämpft an, sämtliche Gefühle sind schlagartig weg … und er hat sich innerhalb weniger Tage nach unserem Urlaub vollständig zurückgezogen und mich quasi ausgesperrt. Für mich war es wie eine Vollbremsung - ich verstand die Welt nicht mehr und fühlte mich verletzt und gekränkt. Ich musste das erst einmal verdauen und wir haben uns dann einige Zeit gar nicht gesehen. Ich war viel unterwegs, habe meine Freunde/Familie oft gesehen, Sport gemacht etc. und mich dann allmählich im Internet über Depressionen erkundigt. Ich habe unendlich Informationen zum Thema gefunden, die mir sehr helfen, auch zu verstehen, obwohl mich diese Krankheit in meinem Freundeskreis schon seit zehn Jahren begleitet und ich vor einiger Zeit meine beste Freundin daran verloren habe. Aber das alles ganz unmittelbar in einer Beziehung zu erleben ist neu für mich und stellt mich auf eine ganz andere Probe. Diese Zeit ist sehr hart, denn wir wohnen nicht zusammen und quasi über Nacht ist da plötzlich kein Kontakt mehr. Ich habe praktisch keine Beziehung mehr, obwohl ich in einer bin. Auf alle vorsichtigen Angebote, etwas zu unternehmen, reagiert er kaum. Immerhin geht er regelmäßig zur Arbeit, trifft ein-zwei Kumpels, fährt viel Fahrrad. Ich habe so manche Träne vergossen, an mir selbst gezweifelt, war dann auch wütend auf ihn, konnte zuerst so vieles nicht verstehen. Ich fühlte mich fast schon im Stich gelassen, weil er sich nicht mehr für mich interessiert. Nach vier Wochen „Pause“ haben wir uns dann endlich wiedergesehen, aber er öffnet sich mir nach wie vor nicht, redet nur wenig über seine Situation, berührt mich nicht mehr. Aber die Beziehung beenden will er auch nicht. Er ist lieb zu mir und glücklicherweise nicht aggressiv oder panisch. Ich möchte für ihn da sein, ihn dabei unterstützen, nur lässt er mich einfach nicht. Ich komme nicht mehr an ihn ran. Ich habe versucht, eine Therapie anzusprechen, aber er hat den großen sportlichen Ehrgeiz, das selbst in den Griff zu bekommen.

Was mich angeht: Ich komme irgendwie klar, mal mehr mal weniger, und versuche, mich abzugrenzen und auf mich aufzupassen. Werde weiterkämpfen und diese schlimme Zeit allein bzw. mit Hilfe meiner Freunde durchzustehen. Jedoch kommen immer wieder Tage wie heute, an denen er mir so sehr fehlt, dass ich es kaum ertrage. Ich liebe ihn aus tiefster Seele und möchte nicht aufgeben, was wir haben, weil ich fest daran glaube, dass wir irgendwann wieder zueinander finden. Hoffentlich bin ich stark genug, das alles bis dahin durchzuhalten.

Wo ihr mir weiterhelfen könntet: Wie geht ihr mit eurem Partner um, wenn die akute depressive Phase überstanden ist? Sollte man einfach den Schalter wieder umlegen und so tun, als wäre nichts passiert? Verschweigt ihr euer Leiden, weil er sich sonst Vorwürfe machen und sich schlecht fühlen würde? Oder redet ihr ganz offen darüber, wie schlimm die Zeit für euch war, welchen Kummer ihr durchstehen musstet?

Ganz lieben Dank,
Butterblume33
MUT65
Beiträge: 448
Registriert: 18. Jan 2013, 11:59

Re: Was bespricht man (nicht) nach der akuten Phase?

Beitrag von MUT65 »

Willkommen Butterblume,

vielleicht hast Du auch schon ein wenig in meinen Beiträgen "nach 10 Wochen Klinik gemeldet"
gelesen.
Ich bin seit Anfang 2013 hier, weil mein "Freund" schwer an Depressionen erkrankt ist.
Es geht jetzt ca. 2 Jahre.......Ende 2012 hat er sich getrennt, weil wir Beide überhaupt nicht
mehr mit der Situation umgehen konnten.
Ich leide Kindheitsbedingt unter großen Verlustängsten und habe ihn damit sehr unter Druck
gesetzt - Druck den er zusätzlich zu all seinem Stress im Kopf nicht mehr aushalten konnte.

Wir sind seit Ende 2013 wieder regelmäßig in Kontakt, aber nicht "zusammen" im klassischem
Sinne, dazu geht es ihm noch immer zu schlecht.

Zunächst einmal möchte ich Dir schreiben, wie sehr ich Dich verstehe ! Beim Lesen Deiner Worte
sind da sehr viel Parallen zu unserer Geschichte.
Auch wir waren ein sehr inniges, sich sehr liebendes Paar, viel Nähe viele Pläne......wohnten jedoch nicht zusammen, war aber irgendwann geplant. 2,5 Jahre, die die intensivten und schönsten Jahre in meinem Leben waren und sind.

Du hast Fragen, viele Fragen........und diese Fragen quälen Dich sicherlich sehr.
Glaub mir, dass geht mir noch immer genau so.
Antworten, was richtig und was falsch ist, musst Du Dir leider selbst geben, immer situativ und immer so, dass Du dabei auch "gesehen" wirst.

Mein "Freund" hat zwei Jahre lang keine Hilfe zulassen wollen - den Ehrgeiz es allein schaffen zu wollen hat er solange besessen, als fast gar nichts mehr ging und er in eine Klinik über seinen Hausarzt ging.
Ich denke, es muss einem wohl erst dermaßen schlecht gehen, bis man(n) einsieht, dass sich Hilfe holen keine Schwäche ist........

Du schreibst von Eurer ehrlichen, engen und liebevollen Beziehung. Ich denke dazu gehört auch Offenheit, ehrlich Worte - alles zu seiner Zeit, aber ein Depressiver muss es aushalten können was sein Partner durch seine Krankheit erlebt hat - sicher wohl dosiert ( ich weiß nicht wann der beste Zeitpunkt ist....) aber es gehört zum Gesundwerden doch NICHT dazu, dass man in einer Art schützender Glocke lebt,in der alles GUT ist.......

Bei uns ist es aktuell so, dass ich zuweilen schon äußere wie sehr mich seine "kalte Art und Weise" trifft - ich versuche es ohne Vorwürfe zu sagen - erst dann denkt er darüber nach und sagt, dass er es häufig nicht merkt wie er rüber kommt.

Sei mal ehrlich - geht das überhaupt SCHALTER UMLEGEN ? Deine Ängste, Deinen Schmerz, wo bleibt das dann........? LIEBE kann und muss Ehrlichkeit aushalten können. Ein Depressiver handelt ja nicht willkürlich oder mit Absicht, dennoch hinterlässt er oft sehr heftige Spuren, das auszusprechen ist meiner Meinung unumgänglich für einen Neustart, wenn die akute Phase vorrüber ist.

Ich wünsche Dir von Herzen unendlich viel Kraft ! Ich wusste von mir nicht wie viel ich einstecken kann, aber auch ich liebe meinen "Freund" so sehr, dass ich es bis hierher irgendwie geschafft habe.
Meine Haut ist dünn geworden, sehr dünn und manchmal fühlt es sich an, als hätte ich keine Kraft mehr......ich bin zum Glück selbst in Therapie und versuche Kopf und Gefühl mit Gesprächen in Einklang zu bringen.

Freunde sind da, verstehen mich aber kaum noch - es geht ihnen zu lange und von außen betrachtet benimmt sich mein "Freund" wie ein Super-Egoist - dass er das nicht ist, weiß ich genau, deshalb werde ich weiter an unsere Liebe glauben, noch mag ich ihn und uns nicht aufgeben.

Schreib hier, tausch Dich aus - es hilft und wird Dir das Gefühl geben nicht allein zu sein.

Es grüßt Dich
Mut
Wenn du einen Menschen glücklich machen willst, dann füge nichts seinem Reichtum hinzu, sondern nimm ihm einige von seinen Wünschen.
Epikur von Samos
Butterblume33
Beiträge: 27
Registriert: 13. Jun 2014, 19:16

Re: Was bespricht man (nicht) nach der akuten Phase?

Beitrag von Butterblume33 »

Ganz lieben Dank für deine Rückmeldung und deine Wünsche, Mut. Habe deinen Thread gerade gelesen (und Deutschland spielt - wenn das mal kein Zeichen ist!!) und etwas gefunden, das mir tief aus der Seele sprich. Du hast geschrieben:

WO WAR ICH FÜR DICH - ALS ES DIR SCHLECHT GING ?
WARUM HAST DU NICHT MEINE HAND GENOMMEN; ZUSAMMEN GEHT ES DOCH LEICHTER?
WAS IST GEBLIEBEN VON UNS ?

DAS sind genau die quälenden Fragen, die ich mir jeden Tag stelle. Die ihm gern stellen möchte, wenn es ihm wieder gut geht. Und mich dann wahrscheinlich nicht traue oder Angst habe, die ersten zarten Bände wieder zu zerstören. Ist wohl ein Gratwanderung und ich muss intuitiv und sensitiv schauen, wann ich was ansprechen kann. Ich bin glücklicherweise ein sehr starker, gefestigter Mensch, und glaube manchmal, dass ich auf dieser Welt bin um anderen Menschen beizustehen. So oft hatte ich in meinem Leben schon zerstörende Erlebnisse, aus denen ich noch stärker rausgekommen bin ohne selbst krank zu werden. Manchmal finde ich es unfair, nicht das Leben selbst, auch nicht die Situation meines Partners, einfach nur die Tatsache, dass es immer wieder mich trifft. Wie eine weitere Bewährungsprobe. Aber ich bin ein Optimist und lasse mich so schnell nicht unterkriegen.
MUT65
Beiträge: 448
Registriert: 18. Jan 2013, 11:59

Re: Was bespricht man (nicht) nach der akuten Phase?

Beitrag von MUT65 »

Ja, das sind noch immer meine wichtigsten Fragen.......mein "Freund" ist zur Zeit nicht lange in der Lage mit mir über solch Dinge zu sprechen. Wenn wir es tun, dann meist nur ganz kurz....er sagt dann immer wieder, dass er einfach nicht mehr konnte......ich hatte Erwartungen, Fragen etc. das hat er nicht ausgehalten, weil er sich ja selbst nicht ausgehalten hat....erst Recht nicht verstanden, wie sollte ich ihn da verstehen.....?

Ruhe und Besonnenheit sind mir in unserer ganz schlimmen Zeit kurz vor unserem Ende, einfach
nicht mehr gelungen.
Ich hatte nur noch Angst und Panik in mir.

Im "Betroffenenteil" drüben, schrieb mir mal jemand " Du glaubst gar nicht, was wir Depressiven alles als Druck empfinden" . Und das erlebe ich auch heute noch genau so........selbst positive Vorschläge, oder Fragen ob wir etwas Schönes gemeinsam unternehmen wollen, empfindet mein "Freund" als Druck.

Ich denke oft, warum es ihm kein schönes Gefühl mehr gibt, dass er noch immer "mein Held" ist - ich mich in seiner Nähe wohl und geborgen fühle.....

Was von uns und Euch als Paar geblieben ist, wird die Zukunft zeigen - ich hätte heute sehr gern mit ihm zusammen das Spiel gesehen, aber er möchte zur Zeit sehr viel allein sein - und so sitze ich hier halbwegs tapfer und versuche es so zu nehmen wie es ist.
Wenn du einen Menschen glücklich machen willst, dann füge nichts seinem Reichtum hinzu, sondern nimm ihm einige von seinen Wünschen.
Epikur von Samos
Lupine_84
Beiträge: 678
Registriert: 2. Mai 2014, 18:49

Re: Was bespricht man (nicht) nach der akuten Phase?

Beitrag von Lupine_84 »

Hallo Butterblume33,

ich bin von "drüben" aus dem Betroffenen-Forum..., wobei Lebenspartner definitiv auch immer von der Krankheit mit vereinnahmt werden :oops:
Ich bin 29 und seit über 13 Jahren in einer sehr bereichernden Partnerschaft. Aktuell erhole ich mich von meiner 2. depressiven Episode.

Hmm, ich kann meine Gedanken selbst noch nicht ganz sinnvoll sortieren dazu, aber ich schreib mal nen paar Punkte auf.

Zum einen, das "alles in Frage stellen" und nach Sinn suchen ist Ausdruck der Depression. Problematisch zu Beginn der Depression ist, dass man wahrnimmt, dass etwas verkehrt läuft. Irgendetwas stimmt nicht, raubt Kräfte, verwirrrt, fühlt sich unangenehm an. Erste "logische" Konsequenz ist das Suchen der Ursache im Außen: Der Job, die Partnerschaft, Freunde, Lebensplanung, kürzlich veränderte Situationen. Daher steht in JEDEM Ratgeber, dass in der Depression keine weitreichenden Entscheidungen gefällt werden sollen. Klassiker sind Job kündigen und Neuanfang (uuups, der dennoch weiter Kräfte raubt) Affäre und/oder Trennung (und die evtl. späte Einsicht, dass der Partner damals doch nicht der Falsche war.)

Die Gefühle sind aktuell verschwunden. Alles wird ein Einheitsbrei und völlig egal und wertlos. Oft bleibt nur der rationale Gedanke, dass das ja aber doch mal anders war... wieder zunächst die Suche nach Gründen.
Nun ist aber die Depression an einem Punkt, an dem sie sich völlig der Kontrolle des Betroffenen entzieht. Er KANN nicht mehr anders denken/fühlen. Und er erkennt evtl. nicht, dass es längst krankhaft ist.

Der sportliche Ehrgeiz es selbst in den Griff bekommen zu wollen ist in meinen Augen sehr riskant.
Aktuell hat dein Freund rein gar keine Gewalt über diesen Zustand. Nun kann es sein, dass seine Depression rasch von alleine ausheilt (so wie du es über einzelne schlechte Wochen geschrieben hast). Es kann aber auch sein, dass es ihn bald arbeitsunfähig und komplett handlungsunfähig macht, weil er sich nicht rechtzeitig helfen lässt.
Ich weiß nicht wie wörtlich es zu nehmen ist, dass du bereits eine Freundin an die Depression "verloren" hast, aber ich kann nur betonen, dass eine schwere Depression eine sehr gefährliche Krankheit ist.
Dein Freund nimmt also wohl keine Medikamente? War er nicht einmal bei seinem Hausarzt bisher? Ich würde das dringend anraten!

Ich kann mir vorstellen, dass du sehr leidest. Der Mensch, den du kanntest hat sich irgendwie aufgelöst.
Nun das Gute ist... man kann davon ausgehen, er kommt wieder! Eins zu eins, so wie du dich in ihn verliebt hast. Aber dazu braucht er evtl. ärztliche Hilfe und leider kann man nie sagen, wie lange es dauert.

Ich kann nur sagen, dass ich selbst extrem gut auf Medikamente anspreche und merke wie ich Schritt für Schritt richtiggehend aus der Depression auftauche. Da erwachen Freude und Dankbarkeit, Hobbies, ich genieße Augenblicke und bin "hungrig" auf die Jahreszeiten. All die Lähmung, die Schwere, die Unzahl körperlicher Beschwerden verschwindet, ich kann mich wieder wohl fühlen. Ich habe keine Hemmung im Denken mehr und kann das Alltägliche wieder flüssiger bewältigen. Das alles kommt Schritt für Schritt und zeigt einem deutlich auf, was alles durch die Krankheit kam.

Das Problem ist u.a. auch, dass man während der Erkrankung keine Belastung für die anderen sein möchte. Man ist so dermaßen auf Hilfe angewiesen, dass es unerträglich ist. Die Hand des Partners ist vielleicht da... aber, ganz ehrlich, sie hilft mir kaum. Ich habe keinen Zugang dazu. Ich komme nicht heran an das, was sie eigentlich alles vermittelt. Ich spüre mich selbst nur als Last.
Ich denke maximal darüber nach, dass es "irgendwie schade" ist, dass mich der Blick meines Hundes gar nicht beglückt und ich nicht mal mehr fähig bin eine liebevolle Streichelbewegung auszuführen. Aber einen echten Zugang zu der Situation oder dem Gefühl habe ich ohnehin nicht.
All die Nähe ist in der Depression leider wenig wert.
Es ist sicher noch schlimmer einsam zu sein. Das da-sein anbieten ist etwas Wichtiges. Aber ich denke, die Ablehnung von Kontakt musst du so hinnehmen. So schmerzlich das auch ist.
Ich selbst könnte mir kaum vorstellen, wie hart es wäre, wenn mein Mann eine Depression hätte. Ich muss gestehen, trotz aller eigenen Erkenntnisse wäre es die Hölle für mich, wenn er nicht mehr der Mensch ist, denn ich liebe. Ich würde ihn unsagbar vermissen und daran vielleicht auch verzweifeln. Da hilft selbst die eigene Geschichte kaum dabei. Das ist einfach eine Krankheit, die ganz schwer in das Leben eingreift :(

Nun gehen wir aber mal davon aus, dein Freund taucht bald wieder auf aus all dem. Dann werden zeitgleich auch seine Gefühle wieder wach und er wird überhaupt erst die Möglichkeit haben, wieder anders zu denken. Situationen und Lebensplanung wieder anders beurteilen.
Ich glaube, ihr habt schon die Möglichkeit schnell die gewohnte Beziehung wieder weiter zu führen.

Natürlich darfst du hinterher auch dein Leid dieser Zeit ansprechen. Evtl. ist ihm schmerzlich bewusst, wie schlimm es auch für dich gewesen sein muss. Oft nimmt man das sehr gut wahr. Und ihr könnt die Zeit in kleinen Dosen und vorsichtig "aufarbeiten". Ggf. nehmt ihr gemeinsam an einer Therapiestunde teil (vielleicht wird dein Freund ja im Laufe seiner Erkrankung noch in eine Therapie gehen).
Ich denke, du kannst einiges ansprechen, wenn er wieder stabil ist. Vor allem solltest du ansprechen wie wichtig es für dich ist, dass er sich immer rechtzeitig professionell helfen lässt.
Denn selbst wenn er ganz der Alte ist und all deine Sorgen speichert, würde er in einer erneuten Depression vermutlich wieder nicht anders reagieren können. Immer ab genau dem Punkt, ab dem die Depression die Oberhand hat. Es ist eine Veränderung der Hirnchemie, die diese Denkweise erzeugt und das Fühlen verschwinden lässt. Kein Mensch kann in diesem Zustand "aus seiner Haut" oder nach guten Ratschlägen handeln, er KANN einfach nicht, selbst wenn er es willentlich gerne würde. Und genau das bringt große Verzweiflung mit sich.

Ich denke es ist schwierig einen Mann dazu zu bewegen zum Arzt zu gehen, wenn er "stark" sein will und es alleine packen will. Und die Krankheitseinsicht kann krankheitsbedingt echt verschüttet sein. Aber vielleicht versuchst du mal auf ihn einzuwirken. Denn ich fürchte sonst landet er erst dann beim Arzt, wenn die Depression sein normales Leben nicht mehr zulässt.

Aber vielleicht ist es auch nur eine kurze Episode, wenn du schon ein Auf und Ab bei ihm beobachten konntest. Es ist durchaus möglich, dass sich der Körper wieder von alleine berappelt. Und dann klingen die Symptome vielleicht in wenigen Wochen ganz ab.
Ein Arztbesuch wird halt generell empfohlen sobald die Symptome 2 Wochen am Stück bestehen.

Ich wünsche dir ganz viel Kraft das durchzustehen. Versuch einfach es vorerst nicht persönlich zu nehmen! Aus deinem Freund spricht die Depression nicht eure Tauglichkeit als Paar!

Vorerst kann ich dir kaum weitere Tipps geben und ich bin auch ab morgen im Sommerurlaub, aber du findest hier sicher Leute, die dich gut unterstützen können in der harten Zeit! Lass dich von dieser Gemeinschaft tragen, sodass du möglichst lange besonnen auf Besserung warten kannst. Wenn ihr so verliebt seid, dann ist es das Warten und die schreckliche Durststrecke wert!

Liebe Grüße!

Lupine
"Glück hängt nicht von äußeren Dingen ab, sondern von der Art, wie wir sie sehen" - Leo N. Tolstoj -
drydock
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Re: Was bespricht man (nicht) nach der akuten Phase?

Beitrag von drydock »

moin ihr drei die hier schreibt ich selbst lese das hier alles und kann so viel wieder finden
ich selbst bin nicht der erkrankte sondern der betroffene und dir butterblume kann ich nur sagen du bist nicht alleine die selben fragen stellte ich vergangenden freitag mit nachdruck und bekam die schlimmste antwort meines lebens : sie will sich trennen eine welt zerbrach ABER durch das lesen hier im forum fand ich herraus das es eine kurzschluss reaktion war und sie keine antwort geben kann.
was aber lupine geschrieben hatte ist doch eine ansicht der art in der hoffnug steht.
du musst nur für dich dein maß herraus finden bis zu deiner grenze
um nicht selbst davor kaputt zu gehen.
denk daran er wird gesund es ist der schwarze mantel der depression den er an hat darunter ist er immernoch die selbe person

so long
drydock
M1971
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Re: Was bespricht man (nicht) nach der akuten Phase?

Beitrag von M1971 »

Hallo Butterblume,
ich kann Dein Empfinden absolut nachvollziehen. Bitte pass auf Dich selber auf.
Ich war für meine Ex immer da und habe alles geduldet. Ich wollte eine Zukunft und war immer optimistisch. Alles was ich tat war nicht genug.
Vor einigen Wochen hat sie mich ohne Erklärung verlassen und hatte schnell einen neuen Partner.
Jetzt bin ich derjenige der Hilfe benötigt

LG
M1971
Butterblume33
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Re: Was bespricht man (nicht) nach der akuten Phase?

Beitrag von Butterblume33 »

Ganz lieben Dank euch allen! Es tut wirklich enorm gut, das hier zu lesen. Und ja, es unterstützt mich und verscheucht meine vernebelten Gedanken ein wenig. Ich glaube schon, dass mein Freund weiß, wie schlimm die Zeit für mich ist. Ihm tut es Leid, dass er mir fehlt, aber er kann einfach nicht anders. Zwischendurch fragt er auch mal, wie es mir geht, was mir schon zeigt, dass ich sehr wohl präsent bin. Wenn auch anders, als zuvor. Es ist einerseits unglaublich schwer, ihm nicht direkt zu antworten, dass ich hier leide und es kaum mehr aushalte, andererseits aber auch nicht den Eindruck zu vermitteln, mir ginge es blendend ohne ihn und im Grunde kann er bleiben, wo der Pfeffer wächst. Wie viel Zuspruch/Zuneigung richtig ist, welche Dosis Beistand ich ihm vermitteln kann, ohne ihn gleichzeitig unter Druck zu setzen und eine hohe Erwartungshaltung zu schüren - den Dreh habe ich noch nicht ganz raus. Und das ist wohl auch individuell unterschiedlich. Momentan beschränkt sich unser Kontakt auf 1-2 Nachrichten die Woche, in denen ich im mitteile, dass er nicht allein ist und ich immer für ihn da bin, wenn er mich braucht. Und manchmal glaube ich, auch das ist schon zu viel des Guten. Ich komme einfach nicht raus aus der Schleife, dass ich trotzdem enttäuscht und traurig bin, wenn er nicht auf eine Nachricht reagiert. Das muss ich noch lernen und ihr helft mir dabei, es hoffentlich bald nicht mehr persönlich zu nehmen, wie es in den ersten Wochen der Fall war. Danke dafür! Ich passe weiterhin auf mich auf und tue mir viel Gutes, um selbst bei Kräften zu bleiben und nicht selbst in den Sog zu geraten. Leichter gesagt, als getan, aber ich bewältige das momentan ganz gut.

Liebe Grüße an euch alle.
mime
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Registriert: 6. Sep 2013, 13:28

Re: Was bespricht man (nicht) nach der akuten Phase?

Beitrag von mime »

Hallo Butterblume33,

eigentlich kann ich mich den Vorpostern nur anschließen. Wichtig wäre auch in meinen Augen, dass dein Freund so bald wie möglich den Gang zum Arzt wagt.

Vielleicht wäre es hilfreich, eine Liste von seinen aktuellen Beschwerden aufzuschreiben: Er zieht sich zurück - auch von dir, seiner Partnerin -, stellt den Lebenssinn infrage (! das ist immer ein Alarmzeichen, das ernst genommen werden sollte), er begegnet dir mit Gefühlskälte, Unerreichbarkeit... usw. Wie sieht es hinsichtlich seines Berufs / seiner Arbeit (Konzentrations- und Kommunikationsfähigkeit), des Schlafs und des Appetits aus?

Das alles wären sachliche Punkte, die man dem Arzt nennen könnte - oder man legt ihm einfach die Liste vor, dann wäre es für deinen Freund vielleicht auch leichter, sich einem Termin auszusetzen. Wobei es ganz klar ist: Man kann deinen Freund nicht zwingen. Wenn er sich in den Kopf setzt, alles alleine zu schaffen, wird man ihn wohl lassen müssen. Ich hoffe dennoch, dass er ein Einsehen hat und trotzdem zum Arzt geht.

Wichtig wäre z. B. auch, dass dein Freund beim Hausarzt mal eine Blutuntersuchung macht. Hier könnte untersucht werden, ob alle Werte (insbesondere die Schilddrüsenwerte sind hier von Wichtigkeit, da eine Fehlfunktion der Schilddrüse ebenfalls Depressionssymptome hervorrufen kann) in Ordnung sind. Vielleicht kann man deinen Freund über diese "körperliche Schiene" mal zum Arzt bewegen.

Ich (schreibe als Betroffene hier) kam auch über den Hausarzt zum Facharzt, der dann die Diagnose der wiederholt auftretenden Depression stellte und mir ein Antidepressivum vorschlug. Ich wollte es lange auch nicht nehmen, aber weil es bei mir auch (seit über einem Jahr) zur Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit geht, versuche ich neben einer Psychotherapie auch die medikamentöse Behandlung. Die Kombination von beidem Gesprächstherapie (wöchentlich) und medikamentöse Behandlung (regelmäßige Facharzttermine) hilft mir da mittlerweile recht gut.

Und ich würde es dir und deinem Freund einfach wünschen, dass er sich in die Hände von Fachkundigen begibt, anstatt alles alleine schaffen zu wollen.

Was dich und deine Eingangsfrage betrifft:

Leider weiß ich da auch keinen Rat. Ich denke schon, dass du deinem Freund mitteilen kannst, dass du dir Sorgen machst um ihn (doch ich denke, dass weiß er). Das Tückische an der Depression ist manchmal diese Sprachlosigkeit - man kann als Betroffene/r oftmals gar nicht über seine eigenen Empfindungen reden (es kommt einem alles irgendwie gleichgültig vor) - und das macht es auch für Partner / Angehörige dann so schwer. Man weiß nie so recht, woran man ist.

Du tust schon mal für dich das Richtige, indem du für dich sorgst. Auch das kann ich dir nur ans Herz legen. Dein Freund kann sich behandeln lassen, aber er muss es auch wollen, sonst bringt alles nichts. Und zur Behandlung ist ein gewisses Maß an Einsicht (dass man es selbst nicht schafft, aber dass man etwas tun kann, indem man sich einem Arzt anvertraut usw.) notwendig; manchmal hilft da der Faktor "Zeit". Wenn dein Freund merkt, dass weder Fahrradfahren noch ... (keine Ahnung, was er sonst noch unternimmt) Besserung seines Zustands bringt, er sich von dir immer mehr entfernt usw., wäre es gut, wenn er sich selbst eingestehen könnte, es zumindest mal auf einen VERSUCH der Behandlung einzulassen. Er hat nichts zu verlieren, sondern nur zu gewinnen. Er kann ja jederzeit sagen: "nein danke, das ist nichts für mich", wenn er es mal versucht hat, sich behandeln zu lassen.

Ich halte die heutige Behandlung von Depressionen für eine Chance. Es gibt zwischenzeitlich viele Angebote, die Unterstützung bieten können; und auch eine gesellschaftlich höhere "Akzeptanz" von psychischen Beschwerden/Erkrankungen - es gibt viele Menschen, die unter Depressionen leiden (ob als Betroffene oder Angehörige), und es ist KEINE SCHANDE, sich helfen zu lassen!

Du hast dich ja schon über das Internet informiert, schreibst du. Vielleicht kannst du deinem Freund das ein oder andere (vielleicht auch den Selbsttest hier im Forum) mal ausdrucken und zukommen lassen. Ziel ist nicht, deinen Freund zusätzlich unter Druck zu setzen, sondern ihn für sich zu sensibilisieren - und langfristig auch für eure Beziehung. Depressionen sind leider oftmals auch eine hohe Belastung für die Familie bzw. für die Beziehung / Partner; und ich denke, dass man als Betroffener da auch eine gewisse Verantwortung (für sich und den Partner) trägt, der da heißt, auch etwas dazu beizutragen, dass es einem wieder besser gehen kann (sprich, sich behandeln zu lassen).

Gibt es bei euch in der Nähe vielleicht auch eine Angehörigen-Sprechstunde? Vielleicht könntest du dort etwas mehr für dich und deinen Freund erfahren. Könntest du dich da mal näher informieren, was an Möglichkeiten in eurer Nähe möglich wäre? Wichtig ist, dass du schaust, was DIR gut tut, was dir Entlastung bringt.

Bei allem Fokus, der - wie ich es auch in meinem Beitrag gerade feststelle - auf deinem Freund liegt, ist es wichtig, dass du dich (und deine eigenen Bedürfnisse) nicht vergisst. Es ist sicherlich sehr schwer für dich, deinen Freund so leidend zu wissen und gleichzeitig seine Unfähigkeit zu spüren, dass er das Gute, was du ihm zukommen lassen möchtest, nicht annehmen oder wiedergeben kann.

Du fragst, was man nach der akuten Phase besprechen kann. Das ist m. E. schon zu weit gedacht. Die akute Phase deines Freundes hält nun schon 5 - 6 Wochen an. Und ich denke, dass die Chance, dass sich "alles wieder von selbst gibt", relativ gering ein. Vielleicht lässt er sich zumindest mal auf einen Arztbesuch ein - von einer Therapie braucht man, solange überhaupt keine Krankheitseinsicht vorhanden ist, erst einmal gar nicht zu sprechen (auch das kann vielleicht erst zu einem späteren Zeitpunkt "dran" sein). Ich denke auch, dass sich Männer da schwerer tun als Frauen - da kann man nur mit Geduld auf Einsicht hoffen.

Darüber reden, wie schlimm die Zeit für dich war bzw. ist, halte ich momentan für schwierig, weil es als Vorwurf ausgelegt werden könnte. Man ist in der Depression oftmals auch superempfindlich, sieht alles als Vorwurf an (wenn es auch gar nicht so gemeint ist) und kann manches nur in geringen Dosen ertragen.

Andererseits hast du auch das Recht darauf, mit deinem Kummer gehört zu werden (deswegen dachte ich an die Angehörigensprechstunde). Wie gesagt, ich denke, dass man schon mitteilen kann, dass man sich sorgt (auch dem Betroffenen gegenüber), aber eben vorsichtig (ohne Schuldzuweisung usw.). Ich weiß, dass das viel abverlangt - und ich kann da auch nicht aus Erfahrung sprechen, denn ich war immer allein (und bin auch ganz froh darüber) - vielleicht hast du auch einen Freundeskreis, der dich da ein bisschen auffangen kann? Wenn eine Beziehung depressionsbedingt kurzzeitig auf Eis gelegt wird, hat man vielleicht auch mehr Zeit, für sich selbst zu sorgen und sich trotz allem etwas Gutes zu tun (sich vielleicht mal wieder mit einer Freundin auf einen Kaffee treffen oder gemeinsam ins Kino gehen, keine Ahnung).

Ich kann mir vorstellen, dass das schwierig ist, weil die Sorge um den Freund ja ständig dabei ist, doch manchmal tut es auch gut, wenn man die Sorge kurzzeitig ablegen kann und sich selbst bewusst macht: "Ich lebe gerne und möchte es auch genießen." Wenn es dir gelingt, deine Kraftreserven so (oder mit anderen Dingen, die dir gut tun) wieder aufzutanken, ein bisschen Abstand von allem zu gewinnen, stehen die Chancen für dich ganz gut, nicht selbst noch krank zu werden (sog. "Co-Abhängigkeit). Und genau das wünsche ich dir: dass du für dich schaust, was du für dich tun kannst, damit es dir gut geht.

Ich wünsche dir und deinem Freund, dass ihr für euch die Möglichkeiten entdeckt bzw. wahrnehmen könnt, die euch gut tun.

Alles Gute und viele Grüße
Mime
Wir müssen lernen,
die Menschen weniger auf das, was sie tun und unterlassen,
als auf das, was sie erleiden, anzusehen.

(Dietrich Bonhoeffer)
Butterblume33
Beiträge: 27
Registriert: 13. Jun 2014, 19:16

Re: Was bespricht man (nicht) nach der akuten Phase?

Beitrag von Butterblume33 »

Zuerst einmal ganz großen Dank für die hilfreichen Antworten. Bevor ich jedoch genauer darauf eingehe, möchte ich kurz die aktuelle Situation mit euch teilen. Habe die Nacht kaum geschlafen, weil das Gedankenkarussel nicht aufhören wollte bis ich kurz vor der Entscheidung war, die Beziehung meinerseits zu beenden. Ich bin enttäuscht, richtig enttäuscht und kann die Lage derzeit nicht objektiv einschätzen.

Wie ich euch bereits schrieb, habe ich meinen Freund in den nunmehr 6 Wochen Akutphase nur zweimal gesehen. Das letzte Mal vor etwa 1,5 Wochen und das Treffen lief recht gut, aus meiner Sicht. Er will die Beziehung aufrecht erhalten, wir waren spazieren, haben gelacht etc. Ich dachte bereits, er wäre ganz langsam auf dem Weg der Besserung. Aber seitdem ist absolute Funkstille, obwohl er vorher zumindest noch mal nach meinem Befinden gefragt hatte. In diesen 1,5 Wochen kam auch von meiner Seite nicht mehr, als eine kurzer Ausflugsvorschlag und eine weitere Nachricht, dass ich immer für ihn da bin. Keine Reaktion. Vielleicht geht es ihm schlechter, ich weiß es nicht. Nun weiß ich aber schon, dass er sehr wohl mit einigen unserer Freunde kommuniziert. Eher zum Verabreden mit kurzen Zeitabsprachen etc., aber ja, er KANN auf Nachrichten antworten und Emails schreiben! Warum ist er bei mir, dem wichtigsten Menschen in seinem Leben, nicht in der Lage wenigstens ein kurzes 'Danke' zu schicken? Irgendwas? Macht es für einen Menschen in einer akuten Depression wirklich einen so großen Unterschied, wer nur Kumpel und wer die Partnerin ist? Klar, sitzen seine Kumpels einfach nur daneben und bemerken gar nicht so richtig, was mit ihm los ist. Sie kennen sich seit ihrer Jugend und dennoch hat mein Freund es bisher immer geschafft, seine Krankheit irgendwie halb geheim zu halten, es abzutun als schräge Stimmung, um bohrenden Fragen oder Erkenntnissen aus dem Weg gehen zu können. Klingt wie ein Schutzschild, das er bei mir nicht hat. Vielleicht ist es das.

Um die Lage noch schlimmer für mich zu machen, hat er kommenden Dienstag Geburtstag. Also habe ich als liebender Mensch an seiner Seite per Nachricht geschrieben (ich traue mich momentan absolut nicht dort anzurufen), dass ich ihn "abends gern zum Essen einladen oder ihm etwas kochen würde. Wenn er allerdings nicht möchte, ist das in Ordnung und wir holen das ein anderes Mal nach. Er soll mir bitte Bescheid geben." Ich wollte die Nachricht möglichst ohne Druck und Zwang formulieren, so dass er da einfach rauskommt, aber auch antworten muss. Er hat mir einige Stunden später geantwortet, dass er nicht kann und mit seinen engsten drei Freunden essen gehen wird. Boom! Schutzschild, siehe oben? Darf ich das wirklich nicht persönlich nehmen und muss wieder dem schwarzen Mantel der Depression schuldig sprechen? Ich habe auch Gefühle und ein gewisses Recht in einer Partnerschaft und mein Freund ist ja kein Kind, sondern kann trotz seiner Krankheit noch rational denken. Wir empfinden fremden Menschen gegenüber ja auch nichts, dennoch können wir deren persönliche Situationen sehr wohl objektiv einschätzen und beurteilen - als Außenstehende. Müsste mein Freund demnach nicht dennoch merken, wie sehr er mich damit verletzt?

Bin durcheinander, wütend und habe bald keine Geduld mehr. Glücklicherweise ist mein Wochenende voll verplant mit schönen Dingen.

Eure Butterblume
MUT65
Beiträge: 448
Registriert: 18. Jan 2013, 11:59

Re: Was bespricht man (nicht) nach der akuten Phase?

Beitrag von MUT65 »

Guten morgen liebe Butterblume,

Du bist verletzt, wütend und sehr enttäuscht. Du hast ein RECHT auf diese Gefühle.
Deine Emotionen ( die völlig normal sind) können sich schließlich nicht komplett (s)einer
Depression unterordenen.

Dennoch rate ich Dir Ruhe zu bewahren!
Möchte Dir ein paar Details schildern, wie es bei uns sehr ähnlich war.

Mein "Freund" hatte sich Nov.2012 getrennt - da ging es ihm schon sehr mies.
Im Jan.2013 wurde sein Großer 18 Jahre alt. Die Beiden sind große Bayern-Fans und fuhren mal eben aus Nordeutschland für ein Spiel nach München.
Ich war so gekränkt ! Schilderte er mir doch stets am Telefon dass er fast gar nichts mehr auf die Reihe bekommt, keinen Kontakt aushält etc.
Aber so eine große Aktion ging mal eben so !

Was ich Dir damit eigentlich sagen möchte : Freunde / Kumpel von Deinem Freund haben ganz andere Erwartungen an ihn. Sie üben aus seiner Sicht weniger Druck aus. Deine Erwartungen nach Zuneigung, Kontakt etc. kann er zur Zeit nicht erfüllen - dass spürt er, das macht ihm sicherlich auch Angst, aber vorallem macht es ihm DRUCK - so habe ich hier ähnliche Lebenssituationen immer wieder gelesen.

Kumpel haun sich auf die Schulter und leben+genießen den Moment. Stellen keine Fragen nach WIESO;WARUM;WESHALB - Dein Freund kann sie Dir jetzt nicht beantworten, er hat keine Antworten, es ist ihm einfach alles zuviel.
Vielleicht geben sie ihm das Gefühl, dass alles doch nicht so schlimm ist....er spielt vor ihnen den Normalen, was ihm vor Dir logischer Weise nicht gelingt.

Bei uns ist es zum Aus gekommen, weil ich mit meinen quälenden Fragen nicht aufhören konnte - so dreckig ging es mir - meine Angst ihn zu verlieren hat dazu geführt, dass er sich getrennt hat.

Wenn Du für Dich das Gefühl brauchst ( was ich verstehen könnte ! ) die Kontrolle über das Ganze zu behalten, dann positioniere Dich klar und deutlich.
Schreib ihm, dass es ein paar Verbindlichkeiten von seiner Seite aus geben MUSS.

Bei uns gibt es eigentlich nur eine. Wenn ich ihn kontaktiere - meldet er sich in den nächsten Stunden zurück. Und wenn es nur per SMS ist, damit ich weiß was Sache ist. Eine weitere ist, dass er genau weiß, dass ich noch Gefühle für ihn habe und KEINE Freundschaft möchte.
Wenn er sich sicher sein sollte, dass wir kein Paar mehr werden können, soll er es mir sagen, denn dann muss ich unseren Kontakt beenden.

Vielleicht ist eine Trennung innerhalb einer schweren Depression irgendwann unumgänglich, jedenfalls wenn man nicht zusammen lebt. Es ist für den Partner kaum auszuhalten so wenig von dem Anderen mitzubekommen. Aber ich frage Dich, würde das etwas an Deinen Gefühlen für ihn ändern?
Ich wusste immer, dass ich erst mit meinem "Freund" abschließen kann, wenn er mir halbwegs gesund ins Gesicht sagt, dass er mit mir durch ist. So wie ich ihn in den letzten Monaten erlebt habe, war mir trotz aller Kränkungen klar, dass das nicht MEIN "Freund" ist.

Liebe Butterblume, wie wäre es, wenn Dein Freund sich an diese eine Abmachung der Verbindlichkeit halten würde ? Es wäre auch gut, wenn er Dir sagen kann, wieviel Kontakt er möchte, bzw. geben kann. Ich denke man kann mit einer guten, wertschätzenden Absprache soviel möglich machen, schließlich ist es der Andere einem doch wert.

Das mit dem Geburtstag ist ohne Frage sehr kränkend. War bei uns auch ähnlich - er ist nicht mal an das Telefon gegangen.......wenn es irgendwie geht, versuche es nicht überzubewerten.
Er will sich nicht trennen - warum sollte er bei Dir bleiben wollen, wenn er nicht in der Tiefe seines ganzen Durcheinanders, weiß dass er Dich liebt - er aber im Moment nicht an seine Gefühle heran kommt.....?!

Genieße Dein Wochenende !
Ich treffe heute Kollegen und wir werden mit ein paar Bierchen Fussball gucken - lachen und zusammen eine gute Zeit haben. Spätestens wenn ich nach Hause fahre, vermisse ich meinen Schatz - das geht nun schon viele Monate so.

Lass Dich mal drücken, wenn ich darf :)

Grüße von
Mut
Zuletzt geändert von MUT65 am 21. Jun 2014, 10:53, insgesamt 1-mal geändert.
Wenn du einen Menschen glücklich machen willst, dann füge nichts seinem Reichtum hinzu, sondern nimm ihm einige von seinen Wünschen.
Epikur von Samos
mime
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Registriert: 6. Sep 2013, 13:28

Re: Was bespricht man (nicht) nach der akuten Phase?

Beitrag von mime »

Hallo Butterblume33,

es ist schon einmal gut, dass du dein Wochenende mit schönen Dingen verplant hast und dass es neben díeser problematischen Situation auch etwas gibt, was du dir Gutes tun kannst. Doch ich verstehe auch deine Verletzung und deine Wut, dass dein Freund die Kumpels dir gegenüber vorzieht.

Manchmal ist es vielleicht besser, Abstand voneinenander zu nehmen. Dein Freund hat sich an seinem Geburtstag für seine Freunde statt für dich entschieden - vielleicht, weil sie eben an dieser angespannten Situation zwischen euch nicht so nah dran sind. Trotzdem tut das weh.

Wie gesagt, ich kann zum Thema Partnerschaft und Depression nichts aus Erfahrung sagen. Ich weiß nur, dass ich mich in akut depressiven Phasen auch zurückzog - doch bei ein paar wenigen Menschen, denen ich mich gegenüber verpflichtet fühlte, habe ich das auch kommunizieren können bzw. mein Pausieren angekündigt. Ich hatte das Glück, dass ich wenigstens noch neutrale sms oder E-Mails schreiben konnte. Was ich damit sagen will: Es fällt manchmal unheimlich schwer, das was einem durch den Kopf geht, in Worte zu fassen (weil es so viel ist und so negativ und so festgezurrt); und gerade denjenigen gegenüber, die einem nahe stehen, ist es manchmal unmöglich.

Vielleicht meidet dein Freund zur Zeit das Thema "Beziehung", weil er momentan gar nicht weiß, was er dazu sagen kann oder er befürchtet, genau das Falsche zu sagen. Das entschuldigt natürlich nicht sein Verhalten dir gegenüber, auch wenn ich denke, dass er weiß, dass du dir Sorgen um ihn machst. Wenn du jetzt deinerseits auf Abstand gehst, kann ich das verstehen; und es ist schwer, die Erwartungen, die man an einen Partner hat, auf ein Minimum zu reduzieren, insbesondere, wenn man (verständlicherweise wie du) verletzt ist.

Hast du denn Kontakt zu seinen Freunden? Was sagen sie denn über den Zustand deines Freundes? Könnten sie ihm sagen, dass er dringend zum Arzt gehen sollte, anstatt sich mit falschem sportlichen Ehrgeiz selbst "zu behandeln"? Manchmal kann eine Depression sich soweit auswachsen, dass man für einige Zeit nicht mehr arbeitsfähig wird; und es wäre wünschenswert, wenn es dein Freund nicht soweit kommen lässt.

Wichtig wäre nach wie vor, dass sich dein Freund hinsichtlich seiner Depression behandeln lässt. Er hat es in der Hand, da mal über seinen Schatten zu springen. Vielleicht hört er da auf seine Kumpels eher als auf dich - keine Ahnung.

Und ich kann nachvollziehen, dass dir langsam die Geduld ausgeht!

Dass der Spaziergang schön war und danach trotzdem Funkstille eintrat, ist nichts Ungewöhnliches. Ein paar "leichte" Stunden, lachen Können usw. kann es auch in der Depression geben - das heißt aber (leider) nicht, dass es dann (einfach so) schon wieder aufwärts geht. Die Stimmung kann ganz rapide auch wieder abwärts trudeln.

Als Ursache für die Depression wird meistens ein Botenstoffungleichgewicht im Gehirn genannt; diese Botenstoffe (u. a. Serotonin) sorgen u. a. auch für mehr Ausgeglichenheit, das Empfindenkönnen, Konzentration usw. Meist sind da Antidepressiva hilfreich, dieses extreme Auf und Ab abzufedern und den Botenstoffwechsel wieder auf ein normales Level zu bringen (so wie es bei Nichtkranken der Fall ist), so dass dieses extreme Dunkle, Lähmende, Gefühllose, Wortlose wieder reduziert wird. Meine Therapeutin hat mir mal gesagt, dass eine Depression (auch) eine Krankheit der Gedanken ist - d. h. man ist wirklich manchmal nicht in der Lage, "normal" zu reagieren, weil z. B. alles hoffnungslos oder (auch schlimm) nahezu alles als völlig gleichgültig empfunden wird. Alles. Das Leben. Die Beziehung. Die anderen, nahestehenden Menschen. Die eigene Gesundheit. Die eigene Zukunft. Das, was lebensnotwendig ist. Alles ist gleichgültig - da kann einem zwar manchmal der Verstand sagen, dass es NICHT so ist (und ich könnte mir vorstellen, dass das bei deinem Freund auch so ist), aber das Gefühl signalisiert in dieser extremen Gleichgültigkeit einem etwas ganz anderes. Und man glaubt auch nicht, dass einem jemand anderes (z. B. ein Arzt) helfen kann. Deswegen gehen viele Patienten auch erst sehr spät zum Arzt.

Und es ist oftmals so, dass verabredete Termine (z. B. Treffen mit Freunden) kurzfristig abgesagt werden, weil es an dem Tag oder zu dieser verabredeten Stunde nicht geht.

Was dein Verletztsein hinsichtlich der Funkstille und der Geburtstagsabsage angeht, ist das verständlich. Vielleicht täte dir da ein bisschen mehr Abstand auch ganz gut, ich weiß es nicht. Wenn du selbst nicht mehr so auf das Antworten und das Mitmachenmüssen dieser "Aufs" und "Abs" angewiesen bist, könnte es dir vielleicht auch besser gehen. Wir können manchmal den Menschen nicht so beistehen, wie wir es gerne hätten.

Ich wünsche dir erst einmal ein schönes Wochenende und dass du einen Weg für dich findest, wie es auch dir wieder besser gehen kann in dieser schwierigen Situation.

Ich wünsche dir viel Kraft und auch Positives für dich.

Viele Grüße und alles Gute
Mime
Wir müssen lernen,
die Menschen weniger auf das, was sie tun und unterlassen,
als auf das, was sie erleiden, anzusehen.

(Dietrich Bonhoeffer)
Butterblume33
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Re: Was bespricht man (nicht) nach der akuten Phase?

Beitrag von Butterblume33 »

Hallo ihr Lieben,

ich bin euch ein Update schuldig, vor allem wegen des Geburtstages. Ich hatte meinem Freund tagsüber eine Gratulations-Nachricht geschickt, die für meine Verhältnisse allerdings mehr als unterkühlt ausfiel, weil ich so enttäuscht war. Er schrieb mir dann am Mittwoch, hat sich bedankt und erwähnt, der Abend wäre ganz nett gewesen und gefragt, wie es mir geht. Ich war ehrlich, konnte nicht mehr zurückstecken und Rücksicht nehmen und habe ihm geschrieben, wie traurig und enttäuscht ich war, dass ich ihn an seinem Geburtstag nicht sehen durfte. Ich! Ihm tat es Leid, er hätte das gar nicht so gewertet, weil IHM seine eigenen Geburtstage nie viel bedeutet haben. Mir hilft das allerdings wenig, wenn er sich dennoch lieber mit anderen Menschen trifft und sich auch sonst nicht mehr meldet. Er hat mir versprochen, dass wir das nachholen (also den Geburtstag), dass ich ihm immer noch wichtig bin, aber er momentan aus dem schwarzen Loch noch nicht rauskommt. Ich konnte nicht anders und musste die Gelegenheit nutzen, ihm zu schreiben, dass ich zumindest ab und zu mal etwas Liebes von ihm hören muss, damit ich weiß, es lohnt sich weiterzukämpfen. Und ich habe ihn auch gebeten, in nächster Zeit immer zügig auf meine Nachrichten zu reagieren, damit ich mir nicht unnötige Sorgen machen muss. Das war alles okay für ihn und mir ging es danach auch etwas besser. Zumindest für wenige Tage, denn mein Freund ist ja nach wie vor "in Luft aufgelöst" und wir sehen uns nicht.

Im Moment lautet meine Parole: durchhalten! Wenigstens noch einen weiteren Monat, d.h. bis Ende Juli, denn das bin ich mir - nein uns - schuldig. Ich habe mir jetzt aber dieses Zeitlimit gesetzt, um mich selbst zu schützen und mein eigenes Leben nicht wegzuschmeißen. Mai und Juni habe ich nur in einem Zwischenzustand wahrgenommen und dabei bin ich ein so lebensliebender, genießender Mensch. Dieses Gefühl ist aber verschwunden und ich habe auch die Lust an Dingen verloren, die sonst immer meine Leidenschaft waren. Ich bin häufiger unkonzentriert, genervt und ungeduldig, andere Menschen gehen mir schnell auf den Zeiger (sogar meine Familie & Freunde). Das kann nicht mehr lange so weitergehen und ich darf nicht zulassen, dass die Krankheit meines Freundes mich auch noch vor die Hunde bringt. So egoistisch das klingt, aber ich muss mich in erster Linie selbst lieben, auch wenn ich ihn abgrundtief liebe und nie jemand anderen wollte - ich muss an erster Stelle stehen und bald wieder zu mir selbst finden. Was nicht heißen soll, dass ich meinen Freund danach nicht mehr unterstütze. Ganz im Gegenteil, ich werde immer für ihn da sein - Tag und Nacht. Aber im Juli muss sich etwas bewegen, sei es seine Einsicht und der Gang zum Arzt, oder das Ende der akuten Depression und mein Freund taucht wieder aus den grauen Schleiern auf, wie es nach seinem Reden bisher immer der Fall war. Die nächsten Wochen werden es zeigen.

Liebe Grüße euch allen,
Butterblume
Plucky
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Re: Was bespricht man (nicht) nach der akuten Phase?

Beitrag von Plucky »

Hallo ihr lieben!

Mein sehr depressiver (ex)Freund hat vor 2 Wochen mit mir Schluss gemacht weil er mich nicht mehr liebt auf einmal. Wir hatten eine der sehr enge Beziehung. Er hat genau 2 Tage gewartet bis er mit einer andern geschlafen hat(seine Arbeitskollegin) bei der er jetzt auch fast jede Nacht verbringt, da er nicht alleine sein kann, er will seine Depression absolut nicht wahr haben und trinkt jeden Abend große Mengen um sich zu betäuben.Hat jemand schon etwas ähnliches erlebt?

Plucky
Butterblume33
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Re: Was bespricht man (nicht) nach der akuten Phase?

Beitrag von Butterblume33 »

Oh je, Plucky.

Das ist unverzeihlich, Depression hin oder her. Ich selbst habe glücklicherweise keine derartigen Erfahrungen, und habe so etwas von anderen Betroffenen auch nie gehört. Wenn ein Mensch in einer akuten Phase festsitzt, dann geht prinzipiell erst mal gar nichts mehr und das Leben fühlt sich wie betäubt an. Vielleicht sind es bei deinem Ex eine Vielzahl anderer Gründe, die du bisher nicht kennst? Für mich klingt das eher nach schwerer Midlife-Crisis.

Alles Gute wünsche ich dir,
Butterblume
Plucky
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Re: Was bespricht man (nicht) nach der akuten Phase?

Beitrag von Plucky »

Danke für deine Antwort Butterblume!
Er war vor über einem Jahr wegen seiner Depression in Behandlung weil er sich nicht mehr bewegen könnte hat die Medikamente aber schnell angesetzt weil ihm alles gleichgültig wurde. Er ist noch sehr jung (25) und keiner außer ich weiß von der Depression. Er will es sich absolut nicht eingestehen das er wieder krank ist. Er hat alle Symptome aber er sagt er sei nicht krank oder er könnte sich selber helfen. Dadurch das ich die einzige bin die es weiß kann ich mir gut vorstellen das er mich deshalb wegstößt, da ich ihm auch versucht habe zu helfen. Er will einfach nicht alleine sein tut alles sich abzulenken. Ich denke deshalb auch die andere Frau. Ich bin so verzweifelt und habe Angst er landet noch im Krankenhaus wegen der ganzen Sauferei :(.
Salvatore
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Re: Was bespricht man (nicht) nach der akuten Phase?

Beitrag von Salvatore »

Hallo Plucky,

das mit deinem Freund tut mir leid, aber Fremdzugehen ist kein Symptom einer Depression! In so einem Fall darf jegliches Verständnis durch euch Angehörige meiner Meinung nach auch ruhig mal ein Ende haben - und das schreibe ich als jemand, der selbst schon lange unter Depressionen leidet (und nie auch nur ans Fremdgehen gedacht hat). Es tut mir in der Seele weh, wenn man euch so etwas antut und derjenige schiebt alles bequem auf seine Depression, lässt sich noch die Seele streicheln und fühlt sich im Recht, weil er ja so arm dran ist und so sehr leidet. Bäh!
Pucky, sag ihm, dass er ein Arschloch ist! Werde wütend! Er hat dich nicht verdient und du etwas Besseres!

Lg, Salvatore
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Plucky
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Re: Was bespricht man (nicht) nach der akuten Phase?

Beitrag von Plucky »

Hallo Salvatore!
Du hast recht, ich glaube auch nicht das er mit einer anderen schläft wegen seiner Depression. Ich glaube er macht es weil er seine Depression nicht wahr haben will und Ablenkung braucht. Bloß nicht alleine zu Hause sitzen und nachdenken. Deshalb trinkt er ja auch. Er sagt selber er will sich betäuben. Ich habe versucht über seine Depression zu reden mit ihm (großer Fehler) aber er hat total abgeblockt und mich von sich komplett weg geschoben. Jedes mal wenn er mich sieht hadert er mich sich. Das merkt man. Seine ganzen Sachen holt er auch nicht bei mir ab.( er hat wirklich sein komplettes Leben bei mir) weil er mich nicht sehen will denke ich. Ich weiß nicht mehr weiter. Ich weiß ich verdiene jemand besseren aber ich will ihn zurück.
Muss ich einfach abwarten?

Lieben Gruß
Plucky
M1971
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Re: Was bespricht man (nicht) nach der akuten Phase?

Beitrag von M1971 »

Hallo Plucky,
ich habe exakt das gleiche erlebt:
Meine Ex-Partnerin, für dich ich angeblich die große Liebe war, hat sich völlig unerwartet in einer schlechten Phase getrennt. Sie hatte unmittelbar danach einen Neuen, offenbar war er der Beginn einer guten Phase.
Sie hat mir nicht mal mehr eine Aussprache gewährt, sondern den Kontakt abgebrochen.
Es ist jetzt mehrere Monate her und ich kann es nicht verarbeiten.

Liebe Grüße
M1971
FrauRossi
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Re: Was bespricht man (nicht) nach der akuten Phase?

Beitrag von FrauRossi »

Hallo Plucky,

Ich gebe Salvatore recht. Ich denke: auch Arschlöcher Können Depressionen bekommen. Aber eine Depression macht vieles aus dir, aber kein Arschloch wenn du es nicht schon vorher warst.

Ich denke deine Vermutung ist richtig. Er versucht sich abzulenken. Es ist gemein. Und es ist traurig für dich. Hacke es ab.

Butterblume,

Ich selbst bin depressiv und hatte meine schlimmste Phase 2011/2012. Was die anderen schreiben kann ich nur bestätigen. Ich empfand auch ABSOLUT ALLES als Druck. Den Satz: "Ihr habt keine Ahnung was Depressive alles als Druck empfinden" kann ich unterschreiben.

Meine Partnerschaft ist über die Depression in die Brüche gegangen und auch einen Neuanfang nach der sehr schweren Phase nicht überstanden. Und ich war in Behandlung. Die Situation war etwas anders als bei Dir, weil mein Freund ebenfalls ein Burnout hatte( was ja eine Erschlöpfungsdepression ist) er ließ sich zwar anfänglich behandeln, nahm Antidepressiva und ging zum Therapeuten. Irgendwann brach er das ab und fand ihm fehle nichts. Ich sei die die Krank ist.

Sei es wie es sei, in einem hatte er recht ich war sehr krank. Auch ich habe all das getan was alle anderen hier beschreiben und erlebt haben. Ging auf Abstand (was leichter war und nicht so auffiel weil wir zunächst eine Fernbeziehung hatten). Ich ging aber auch zu Freunden auf Abstand ich konnte die Anwesenheit von Menschen nicht mehr ertragen schon ein einfaches: " Hi wie is es?" War mir zuviel. Stürzte mich in tiefe grübelein darüber wie es denn nun so sei? Ich wusste es nicht.

Die Welt hatte mit mir nichts mehr zu tun. Ich saß unter einer Glasglocke fest. Nicht kam herein, nichts ging hinaus. Ich konnte die Welt sehen, aber nicht mehr daran teilnehmen und das mit dem Wissen wie es mal gewesen ist und wie es sein sollte. Das wusste ich auf eine distanzierte Art, denn gefühlt habe ich nichts. Ein bischen wie im Koma nur dass man dabei herumläuft.

Wir sind dann zusammen gezogen und da viel dann natürlich auf, dass ich nicht mehr funktioniere. Eigentlich garnicht mehr da bin.
Mein Freund war liebevoll, verständnisvoll und einfach alles, er bat Hilfe an, schlug Spaziergänge vor, nahm mir den Haushalt ab den ich nicht mehr schaffte. Ich hielt das alles kaum aus. Der Druck war gewaltig. Ich fühlte mich unnütz, als totale Belastung usw. Alles was er Tat sah ich nicht als die Hilfe als die es gemeint war. Sonder das alles führte mir nur täglich vor Augen was ich alles nicht mehr konnte.
Ich wollte das nicht auf meinen Partner abladen.

Ich war in Therapie und versuchte irgendwie klar zukommen. Versuchte mich nicht schlecht zu fühlen usw.
Mein Partner drängte auf Offenheit, darauf dass ich ihm sagen muss wie es mir geht. Ein einfaches "es geht mir schlecht" hat ihm nicht gereicht. Er wollte es genau wissen. Er wollte verstehen wie es in mir aussieht. Er wollte so vieles.

Irgendwann bin ich unter dem gewaltigen Druck zusammen gebrochen und ich habe es ihm gesagt. Ich habe ihm alles wahrheitsgemäß gesagt. So wie er es sich gewünscht hat. Ich habe ihm gesagt dass ich da sitze und mein einziger Gedanke ist :"mich umzubringen" ich habe ihm gesagt dass ich garnichts empfinde, auch nicht für ihn. Ich habe ihm gesagt dass ich weiter mit ihm zusammen bin nur weil ich "weiß" dass ich ihn liebe, nicht aber weil ich es fühlen würde. Ich habe ihm gesagt dass ich kaum schlafe. Dass es der Horror für mich ist neben ihm zu liegen. Dass es mir den Hals zuschnürt. Ich habe ihm gesagt dass ich furchtbare Alpträume habe. Ich habe ihm gesagt dass ich am absoluten Ende bin und nichts weiter will als schlafen. Dass ich ihm zu Liebe dann irgendwas unternehme und letztlich in ein anderes Auto gefahren bin weil ich mich nicht mehr konzentrieren konnte vor Erschöpfung. Ich habe ihm gesagt dass es mich fast wahnsinnig macht wenn er einen Spaziergang vorschlägt, weil ich nicht weis ob ich das auch will. Weil ich zu müde bin. Weil es mich unsagbar anstrengt. Weil ich nichtmehr damit fertig werde wenn der Hund mich mit dreckigen Pfoten anspringt. Weil all meine Kraft einfach aufgebraucht ist. Dass ich da sitze und mit den Nachbarskindern Eier färbe, weil mein Therapeut sagt ich solle was schönes machen. Dass ich dabei aber eigentlich nur weg will weil ich mich wie eine leere kraftlose Hülle fühle. Weil ich die ganze Zeit dabei heulen könnte weil der Therapeut auch gesagt hat, es zählen nur Dinge die auch wirklich schön sind. Dinge woran ich mich erinnere dass sie mal schön waren zählen nicht. Ich habe ihm gesagt dass ich nichts mehr als schön empfinde, weil ich garnichts empfinde.usw.

Ich habe seinem Wunsch entsprochen und ihm gesagt wie es mir geht. Er ist damit nicht fertig geworden.

Ich werfe es ihm nicht vor. Aber ich rate Euch seid vorsichtig mit den was ihr euch wünscht. Wollt ihr wirklich in den seelischen Abgrund euere Partner schauen? Seid ihr sicher dass euch das nicht ebenfalls fertig macht? Warum sollte man das auch wollen?

Ich weis dass du dich furchtbar fühlen muss weil dein Freund sich so zurückzieht. Ich stimme den anderen zu unbehandelt wird er auf Dauer wohl nicht wieder da raus finden. Aber das ist seine Entscheidung, er muss es selbst erkennen und wollen sonst nützt alles nichts.

Frage dich halt wieviel und wie lange du es aushalten kannst, so links liegen gelassen zu werden.

Ich hätte mir gewünscht dass mein Partner es ausgehalten hätte und wusste doch dass es wohl nicht möglich ist.

Ich weis nicht was ich raten soll?
Ich kann dir nur schreiben wie es bei mir war und vielleicht hilft es dir deine Sichtweise zu gestalten.

Du schriebst in deinem letzten Post dass du dir noch bis Ende Juli Zeit gibst. Jetzt ist es Mitte August. Wie ist es weiter gegangen?

Ich weis nicht ob man es aushalten kann neben einem schwer depressiven zu Leben und wenn ja wie sehr man bereit sein muss sich von seinem eigenen Erwartungen an eine Partnerschaft zu verabschieden. Ob man das überhaupt sollte. Wie lange man die Hoffnung aufrecht erhalten soll dass es wieder wird wie früher.

Ich weis nichtmal ob ich das alles könnte und ich bin da selbst durchgegangen.

Irgendjemand hier schrieb sinngemäß man muss nur warten unter dem Mantel der Depression steckt immer noch der gleiche Mensch.
Ich weis nicht einmal ob das stimmt. Denn für mich kann ich sagen ich habe mich sehr verändert. Die Grundsätzlichen Eigenschaften sind erhalten geblieben, aber vieles andere hat sich verändert. Musste ich verändern damit ich eine Changse habe wieder gesund zu werden. Aber ich werde nie mehr so unbeschwert sein wie früher. Bin ernsthafter geworden. Ich sagt schneller Nein und Stopp. Ich brauche immernoch sehr viel mehr Ruhe früher. Ich finde vieles nicht mehr witzig und nicht zuletzt bin ich zwar nicht mehr schwer Depressiv, aber ein gewisses Maß an Schwermut wird mich wohl weiter begleiten. Also ist unter dem Mantel der Depression nicht ganz der gleiche Mensch wieder hervor gekommen.

Bei einem zweiten Versuch mit meinem jetzt Ex, stellte sich heraus dass er nicht verarbeiten konnte was war, aber er kam auch mit der "neuen" FrauRossi nicht zurecht. Die ihm sagte das sie nicht verantwortlich für sein Seelenheil sei sondern dass diese Verabtwortung bei ihm selbs läge.

So liegt auch die die Verantwortung für dein Seelenheil bei dir. Sei vorsichtig und gehe gut mit dir um! Es bringt niemandem etwas wenn du auch noch krank wirst.

Ich wünsche dir dass du einen Weg findest und dein Freund wieder der alte wird. Auch wenn Depressive doch alle ähnliches beschreiben, so denke ich das Depressionen so verschieden wie die Menschen selbst sind. Vielleicht wird bei dir und deinem Freund alles wieder gut. Ich wünsche es nicht nur euch. Ich wünsche es auch mir. Es würde mir Hoffnung schenken.

LG FrauRossi
Butterblume33
Beiträge: 27
Registriert: 13. Jun 2014, 19:16

Re: Was bespricht man (nicht) nach der akuten Phase?

Beitrag von Butterblume33 »

Hallo FrauRossi,

vielen Dank für deinen langen Post, der mich allerdings auch (erneut) ein wenig nachdenklich gemacht hat.

Aber erst mal kurz der Standpunkt: mein Freund und ich haben uns zuletzt vor über zwei Monaten gesehen und haben eigentlich nur noch übers Handy Kontakt. Der ist mal mehr mal weniger sporadisch, oftmals von mir aus, aber seit August auch phasenweise von ihm. Teilweise schreibt er mir mehrere Tage hintereinander, beantwortet Fragen, beschreibt seine Situation. Und dann höre ich schlagartig wieder eine Woche gar nichts. Daher kann ich schwer einschätzen, was bei ihm wirklich los ist. Er geht immer arbeiten, durchläuft seinen normalen Tagesablauf, fällt oft an Wochenenden ins Loch. Ich nehme an, weil die Routine dann weg ist. Er hat geschrieben, dass diese sehr schwankenden Hochs und Tiefs enorm anstrengend sind und er versucht viel, sich abzulenken mit Sport und anderen Tätigkeiten, damit die schwarzen Gedanken nicht Überhand gewinnen. Schlafprobleme hat er meines Wissens auch nicht und er sucht kontinuierlich den Weg raus aus der Depri. Die Nachrichten übers Handy sind oft recht objektiv, auch wenn mal ein Scherzchen dabei ist, aber er schrieb mir auch, dass es mich immer noch gibt, selbst wenn ich gerade nicht physisch da sein kann.

Mein Freund hat schon seit seiner Jugend Depression. Schätzungsweise alle 2-3 Jahre eine längere akute Phase. Und er hat es immer allein geschafft, da rauszukommen. Ich habe ihn kennengelernt als er gerade "gesund" war und wir haben den Großteil unserer Beziehung so verbracht. Wenn es bei ihm immer schon in diesem Rhythmus ablief, macht es mir nach wie vor Hoffnung, dass er auch als der Alte wiederkommt. Und ich habe viel über diese Krankheit gelernt in den letzten Monaten und verstehe so viel mehr, als noch im April. All das zusammen gibt mir Mut und Hoffnung, noch nichts hinzuschmeißen. Ich muss wenigstens rausfinden, ob wir das zusammen überstehen können und wohin uns das bringt. Daher ist die Fristsetzung erst mal hinfällig. :D

Was sicherlich gut und hilfreich ist: mein Leben geht weiter. Ich bin gesund und habe den Sommer weitestgehend mit Freunden und Familie verbracht, mit Hobbys, mit schönen Dingen. Zwar kommen immer mal wieder zwischendurch Momente, in denen ich traurig oder sogar richtig wütend auf meinen Freund bin, aber das macht die Distanz und die fehlende Kommunikation zwischen uns. Das hat nichts mit mir zu tun, soweit verstehe ich das schon. Ich habe viel um die Ohren und es muss es jetzt quasi aussitzen. Momentan klappt das nicht so gut, weil ich mich von ihm im Stich gelassen fühle in vielerlei Hinsicht, aber nächste Woche könnte schon wieder ganz anders aussehen. ;)

Mich würde es nicht dermaßen aus der Bahn werfen, wenn mein Freund mir das sagen würde, was du damals deinem Partner gesagt hat. Ich WILL in sein tiefstes Seelenleben schauen, ja. Und ich käme gut damit zurecht, denn immerhin redet man dann miteinander. Alles ist besser als Schweigen und sich nichts zu sagen. Was für mich allerdings sehr belastend wäre, sind die Aussagen bezüglich der bloßen Anwesenheit des Partners, auch nachts im Bett. Die Vorstellung, mein Freund könnte mich nicht ertragen, obwohl ich einfach nur da bin und gar nichts mache, würde mich schon sehr treffen und ich könnte es nicht einfach NICHT persönlich nehmen. Es ist persönlich! Dann möchte ich ihm lieber "egal" sein, aufgrund der fehlenden Emotionen.

So mache ich jetzt weiter und die Zukunft wird zeigen, ob mein Freund sich verändert hat und wohin uns dann die Gespräche führen. Sicher ist für mich, dass ich das was ich jetzt durchmache nie wieder so durchmachen möchte. Wenn alles gut geht, werden wir also besprechen müssen, wie wir uns als Paar auf die nächste Phase vorbereiten können und inwieweit er sich vorher prof. Hilfe sucht. Es könnte also passieren, dass ich noch viele Jahre hier im Forum anwesend sein werde. :lol:

Liebe Grüße,
Butterblume
MUT65
Beiträge: 448
Registriert: 18. Jan 2013, 11:59

Re: Was bespricht man (nicht) nach der akuten Phase?

Beitrag von MUT65 »

Hallo Butterblume, Hallo Frau Rossi.

Vielen Dank Frau Rossi, für Deinen sehr interessanten Beitrag. Sehr anschaulich
beschrieben. Das Einzige, was für mich "falsch" daran sein könnte, ist die Tatsache,
dass ich solch Schilderungen von Menschen die nach einer Depression ihre Sprache
wiedergefunden haben, halbwegs eins zu eins auf meinen "Freund" übertragen.

Dass das nicht sonderlich klug ist, weiß mein Verstand. Leider ist es ihm noch immer
nicht möglich sich halbwegs verständlich zu erkären.

So erkläre ich mir Vieles selbst, denn Fragen habe ich genügend in mir ;)

Als schwierig empfinde ich noch immer die Balance zwischen BEI SICH bleiben und
einer Akzeptanz wie es zur Zeit eben gerade ist.
Ich entscheide in der letzten Zeit meist aus dem Bauch heraus - wenn es ihm Druck bereitet,
dass ich mich gern mit ihm treffe, muss er damit klar kommen.

Ich denke die Depression hat ihn dermaßen im Griff, dass er kaum noch GUT von BÖSE
auseinander halten kann - ich bleibe bei mir und sage ihm, dass er mir fehlt etc. - ob
dass in unserem "Fall" richtig ist, weiß ich nicht - für mich ist es jedoch wichtig, ihm weiterhin
zu signalisieren, dass ich Interesse an ihm habe.

Liebe Butterblume, mir geht es wie Dir. Wir haben seit etwa sechs Wochen nur noch telefonisch
Kontakt. Oft habe ich Probleme damit, aber ich kann es nicht ändern.
Er vertraute mir in der letzten Woche eine heftige Geschichte an -an der er nicht ganz unbeteiligt
war, da er scheinbar wiedermal seine Post nicht zeitnah öffnet.....

Vor ein paar Wochen noch, hat er kaum Negatives erzählt - vermutlich aus Scham - zeigt
so eine Geschichte doch, dass er noch ein ganzes Stück davon entfernt ist, sein Leben wieder
in den Griff zu bekommen.

Ich werte es also als positiv, dass er darüber gesprochen hat.

Ansonsten versuche ich es wie Du anzugehen - ich lebe mein Leben -manchmal überlege ich
kurz, ob ich versuchen sollte einen neuen Mann kennenzulernen - schließlich sind wir seit Nov. 2012 kein Paar mehr - letzten Endes scheitert es stets daran, dass ich einfach noch viel zuviele
Gefühle für ihn empfinde - mein Bauchgefühl sagt mir einfach, dass noch nicht alles zwischen uns
"gesagt" ist.

Liebe Frau Rossi - oft scheint es, als wenn wir Angehörigen egal wie wir es anstellen,
es doch "verkehrt" machen - das ist mir beim wiederholten lesen hier klar geworden.
Gefühle zeigen erzeugt Druck, aber sie sind nun mal da und ich stehe weiter dazu - irgendwas-irgendwer wird "entscheiden" wie es weiter, oder ausgeht :)

Herzliche Grüße an alle Leser.

Mut
Wenn du einen Menschen glücklich machen willst, dann füge nichts seinem Reichtum hinzu, sondern nimm ihm einige von seinen Wünschen.
Epikur von Samos
FrauRossi
Beiträge: 3165
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Re: Was bespricht man (nicht) nach der akuten Phase?

Beitrag von FrauRossi »

Hallo Ihr Lieben,

Ich versuche schon lange mir selbst und anderen immer mal wieder zu erklären wie das so ist in der Depression,

Ich wollte nicht den Eindruck erwecken dass alles falsch ist was Angehörige machen. Auch bei mir gab es damals das Abkommen dass ich mich auf e-Mails oder SMS melde. Das hat Problemlos geklappt und war auch kein Druck. Es gab bei uns aber auch keine Zeiten der absoluten Funkstille.

Ein Depressiver verliert nicht seine Intelligenz und kann durchaus auf Dinge eingehen und sich an Abmachungen halten. Vielleicht ist es nicht möglich selbst eine Nachricht zu verfassen, aber Antworten zumindest ein kurzes: Piep ich bin noch da, ich denke auch an dich, aber momentan gehts nicht.

Also sowas ist schon drin (war es zumindest bei mir) manchmal ging telefonieren nicht so richtig, aber zumindest kann man das sagen.

Ich versuche nur dann und wann mal einen Einblick zugeben wie es in der Depressiven Welt aussieht. Was ich beschreibe soll nicht heißen dass keinerlei Ansprüche an den Partner gestellt werden dürfen oder sollen, oder gar dass er/sie in Watte gepackt gehört.

Das nun wirklich nicht!!!! Ich versuche nur zu erklären dass es manchmal trotzdem es sich um normale Sachen handelt, es als Überforderung empfunden wird. Rein logisch sind einem die Dinge schon klar. Nur äußern oder "üblich" darauf zu reagieren, geht unter Umständen nicht.

Meine Beschreibungen sollen nur eine tröstende Erklärung für Angehörige sein. Wenn man vielleicht etwas besser versteht was vorgeht, fällt es ggf leichter es nicht persönlich zu nehmen.

LG FrauRossi
Pia again
Beiträge: 106
Registriert: 14. Aug 2014, 07:39

Re: Was bespricht man (nicht) nach der akuten Phase?

Beitrag von Pia again »

Hallo liebe Frau Rossi,

wie schon so oft, verfolge ich sehr interessiert, was Du als Betroffene aus Deiner Sichtweise schreibst.

Ich persönlich kann (ewiges Lied........ ) kann immer wieder nur sagen (meinem Mann), dass ich mir wünsche, nicht orakeln zu müssen, wie es ihm denn gerade geht, was geht, was nicht.

Mir würde ein "geht nicht" massiv helfen, mich zu orientieren, da ich (hab ich ja schon so oft geschrieben) die erwartete (von meinem Mann) Gedankenleserei echt nicht mehr mitmache.

Ihm ist es leider in schweren Phasen gar nicht möglich auch nur ein kurzes "geht nicht" von sich zu geben, geschweige denn, irgendwelche Abmachungen einzugehen oder gar zu besprechen.

Für mich persönlich, ist dieses an rein gar nichts orientieren können in einem gemeinsamen Haushalt absolut nicht lebbar...........

natürlich meine ich als Angehörige zu erkennen, wann es mit meinem Mann bergab geht...... aber mir wäre hilfreich, von ihm zu hören "geht nicht" oder es wäre hilfreich, wenn er sich dann wirklich mal zurückziehen würde (das könnte ich dann werten...).

Schwierig wird es massiv für Angehörige, wenn selbst das nicht mehr geht.

In besseren Zeiten habe ich immer wieder mal gefragt, wie es sein kann, dass ein - für mich - einfaches "geht nicht" nicht möglich ist, er ist ja nicht stumm im Sinne einer Behinderung grundsätzlich.

Im Grunde ist diese Orientierungslosigkeit d a s
Hauptproblem, was ich mit meinem Mann habe und es hat sich auch in den letzten knapp 5 Jahren trotz Therapien nicht verändert.

Da fehlt mir einfach als Angehörige das Verstehen können, warum.

Den von Dir erwähnten Wunsch, des nur dabei seins bei irgendwelchen Aktivitäten kenne ich auch von meinem Mann.......

ob woher erfahre ich, in welchem Modus er gerade ist, wenn jegliche Kommunikation fehlt und auch nicht erlernt werden konnte die letzten Jahre.

Ganz oft ist es dann nämlich so, dass ich wirklich was "falsch" mache, weil ich gerade nicht auf dem richtigen Weg bin, was gerade von meinem Mann gewünscht ist und dann kann ich dann dem Gedanken hin und wieder folgen, dass es so rüber kommen kann für die Angehörigen, dass alles, was man aufrichtig tut, falsch ist.

Wenn ich dann als Angehörige versuche darzulegen, dass ich immer noch nicht Gedanken lesen kann, werde ich angeschnauzt: das ist Depression.

Vielen Dank........ für mich, wenn mein Mann so agiert, ein Todschlagargument; wenigstens weiss ich dann an der Stelle: lass mich in Ruh.

Ganz herzliche Grüße
Pia
Lupine_84
Beiträge: 678
Registriert: 2. Mai 2014, 18:49

Re: Was bespricht man (nicht) nach der akuten Phase?

Beitrag von Lupine_84 »

Hallo Butterblume,

hab dir Donnerstag noch ne PN geschickt... sie liegt noch bei mir im Postausgang.
Alles klar bei dir? Oder ist was mit der Nachricht schief gelaufen...?!

Hoffe einfach, du hast was Schöneres vor gehabt, als im Forum zu sein! :)

Bis bald!
Lupine
"Glück hängt nicht von äußeren Dingen ab, sondern von der Art, wie wir sie sehen" - Leo N. Tolstoj -
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