Ist das wirklich akzeptabel?

Antworten
Liana
Beiträge: 14
Registriert: 29. Dez 2013, 11:24

Ist das wirklich akzeptabel?

Beitrag von Liana »

Hallo zusammen,

seit Wochen überlege ich, hier erneut einen Beitrag zu verfassen, nachdem ich vor einigen Monaten schoneinmal gepostet habe. Da ich dazu neige, trotz wenig Kraft ausführlich und zeitaufwendig zu schreiben, versuche ich meinen Inhalt kurzzufassen.

Ich fange mal damit an, dass ich seit einiger Zeit medizinisch behandelt werde und zu Beginn wenig über die Wirkung, Risiken und Nebenwirkungen aufgeklärt wurde. Nach dem Versuch zu reduzieren und umzustellen, kehrte ich zu dem Medikament zurück. Nun sind mehrere Jahre vergangen und, obwohl es einerseits hilft, hat sich mein Leben seither ungewöhnlich verändert.

Vorrangig geht es dabei auch um eine Gewichtszunahme, die ich erstmalig nach dem ersten halben Jahr bemerkte und sich seitdem kontinuierlich fortgesetzt hat. Zunächst ging es nur um fünf bis zehn Kilogramm, die ich gerade so akzeptieren konnte. Mittlerweile sind etliche weitere Pfunde dazugekommen. Der Stoffwechsel ist so verändert, dass Sport und Diäten nichts bewirken, was mir Menschen bestätigt haben, die selbige oder ähnliche Tabletten einnehmen.
Als Beispiel nenne ich hier mal das vergleichbare Olanzapin, welches alleine oder zusammen mit einem AD eingenommen wird. Doch was passiert, wenn der Arzt auf die Einnahme besteht oder es Absetzprobleme gibt? Was ist, wenn ich mir dies aus beruflichen Gründen oder aufgrund sportlicher Leistungen in der Mannschaft, dem Verein etc. nicht leisten könnte od. das Gewicht weitere nachteilige Folgen hat?

Früher nahm ich mich selbst jedenfalls noch als einen normalgewichtigen Menschen wahr, der trotz psychischer Probleme regelmäßiger mit anderen in Kontakt war und öffentliche Anlässe besuchte. Zum Teil verzichte ich nun gänzlich darauf, auf früheren Feierlichkeiten zu erscheinen, die sogar über Beziehungen in Verbindung mit einer Volleyball-Gruppe standen. Ein fülliger Gast würde ins Auge fallen; Bekannte würden unangenehme Bemerkungen zu meiner Figur machen oder mir Ratschläge zum Abnehmen geben, die ich schon vergeblich ausprobiert habe. Damals war ich mit meinem Äußeren einigermaßen zufrieden und bekam auch schonmal Komplimente. Ich hatte mehr Freude an einer sommerlichen, schmaleren Garderobe; konnte sogar mehr essen als heute. Ausdauersport und Schwimmen gelangen einwandfrei.

Doch nicht nur die Gewichtszunahme möchte ich zum Thema machen, sondern auch mein Sozialverhalten allgemein und mein Berufsleben, welches in Verbindung mit den Auswirkungen der Tabletten und Behandlungsverläufen erschwert wird. Ambulant und stationär habe ich schon etwas hinter mir und habe mich auf neue Therapiegespräche eingelassen, an deren Wirksamkeit ich jedoch Zweifel habe und wir uns für einige Wochen auf eine Pause und Überlegung geeinigt haben. Bezüglich der Medikamente hat mein Arzt eigentlich nur ein Neuroleptikum angesprochen, das angeblich den Antrieb nicht mindern und weniger Gewichtszunahme verursachen soll. Abgesehen davon, dass ich denke, kaum mehr von Tabletten wegzukommen, habe ich Zweifel an einem neuen Wirkstoff mit neuen Nebenwirkungen. Etwas Aktivierendes wäre bei mir eventuell auch unangebracht. Mein Arzt hält sich mit genauen Informationen zurück.

In der Vergangenheit gab es immer wieder Schwierigkeiten, die Anforderungen des Arbeitsalltags zu bewältigen, obwohl ich damals ohne Medikamente irgendwie wacher war; mehr Lebendigkeit und Antrieb hatte. Aufgrund der beruflichen Rückschläge entschied man dann von einem Tag zum nächsten laut eines Gutachtens, mich als gemindert arbeitsfähig einzustufen, was für mich unerwartet geschah - seitdem fehlen mir ein Langzeitjob mit Einkommen und Perspektive. Ich arbeite also bestenfalls stundenweise und die Leistungen reichen bei weitem nicht an meinen Verdienst von damals heran. Auch deshalb strukturiert sich mein Alltag minimalistisch und ich kann mich nicht mit denen messen, die sich zwischen Dreißig und Vierzig mit Karriere, Partner, Kind und Wohnungsvergrößerung konfrontieren bzw. Erfolgserlebnisse verbuchen. Machmal denke ich, dass ich Träume, die ich mit Anfang Zwanzig hatte, nichteinmal mit Ende Dreißig erreiche. Mir fällt es schwer, mit jemandem über meine Gesundheit, Tabletten oder Berufliches zu sprechen. Einige Menschen sind meines Erachtens auch nicht sonderlich mitfühlend und verständnisvoll. Anstatt meine persönliche Entwicklung sensibel zu hinterfragen, drehen sich Gespräche schnell um das Thema Arbeit.

Heutzutage scheine ich noch schneller erschöpft zu sein als früher und vor allem habe ich mich vor nunmehr über 2,5 Jahren von meinem früheren Freundeskreis abgewandt und sogar getrennt, der mir immer viel bedeutet hat. Zwar waren die Kontakte eher oberflächlich aber sie sind durch niemanden so einfach zu ersetzen. Manchmal überlege ich, ob ein Zusammenhang zwischen dem Medikament und meinem Entschluss des Loslassens von diesen Menschen bestanden hat. Es gab jedoch auch eine Reihe von Enttäuschungen mit unversöhnlichen Folgen.

Mit maximal zwei bis drei Personen, darunter eine Erkrankte, stehe ich von Zeit zu Zeit in Kontakt. Wir sehen uns mal mehr und mal weniger, doch abgesehen davon neige ich dazu, mich mit dieser Frau zu vergleichen oder Nachteile in unserer Bekanntschaft zu sehen. So hat sie einen Partner und ein intaktes familiäres wie freundschaftliches Umfeld. Sie scheint recht unbekümmert, wenn es um Möglichkeiten zur aktiven Verbesserung ihres Gesundheitszustandes oder die Aufnahme eines Arbeitsverhältnisses geht, bezieht relativ hohe Leistungen und sieht keine Notwendigkeit darin, eine Therapie zu machen. Ich möchte sie nicht zu kritisch darstellen, weil sie ein liebenswerter Mensch ist. Manche Erwartungen, die diese Frau im Freizeitbereich an mich hat, erachte ich darüber hinaus jedoch als anspruchsvoll oder eigennützig. Vielmehr sieht sie sich als Hausfrau, was mich in dem Moment nachdenklich stimmt, in dem ich mich gerne mit Menschen umgeben würde, die wie zur Ausbildungs- oder Studienzeit etc. gemeinsame Voraussetzungen haben und ähnliche Ziele anstreben. Doch wenn es um private oder berufliche Leistungen geht, gelange ich wohl schnell an Grenzen, die ich nicht wahrhaben möchte. Auch besteht eine Ambivalenz, wenn es darum geht, mit anderen Menschen in Kontakt zu kommen oder Freundschaften zu schließen, für die mir eventuell nach kurzer Zeit wieder die Kraft fehlt.

Ich frage mich seit einiger Zeit, wie ich mit alldem umgehen und es akzeptieren soll, denn es wäre angebracht, schrittweise Verbesserungen oder Veränderungen herbeizuführen. Mir Dinge immer nur "schön zu reden" und die positiven Seiten herauszuarbeiten, gelingt nicht dauerhaft. Leider werden in psychologischer Hinsicht, abgesehen von etlichen Sitzungen und mehreren Therapeutenwechseln aus meiner Sicht zum Beispiel wenig Nachforschungen angestellt, warum mir dieses oder jenes nicht möglich ist oder woraus Verhaltensweisen und Symptome resultieren.

Dies wollte ich mir im Großen und Ganzen mal von der Seele schreiben und hoffe, dass jemand auch ohne konkrete Fragestellungen eine Antwort schreiben mag.

Viele Grüße
Liana
M1971
Beiträge: 731
Registriert: 26. Apr 2014, 17:39

Re: Ist das wirklich akzeptabel?

Beitrag von M1971 »

Hallo Liana,
vielen Dank für Deinen bewegenden Text.
Ich war bisher eher auf der Angehörigenseite, erlaube mir aber dennoch etwas zu schreiben.
Viele Menschen bekommen im Laufe ihres Lebens eine Krankheit. Sei es Diabetes, Bluthochdruck oder Depressionen. Andere Menschen haben einen Unfall, der das bisherige Leben so nicht mehr möglich macht.
Jeder Mensch muß sich leider mit seiner individuellen Krankheiten auseinandersetzen und die Lebenssituation daraufhin anpassen. Die Lebensqualität wird durch eine Krankheit immer beeinflußt.
Aber man lebt. Man muß lernen die schönen Seiten des Lebens wieder zu erkennen.
Meine Expartnerin hat ihre Antidepressiva leider wegen der Gewichtsproblematik abgesetzt. Die Gewichstzunahme war aber nur für sie ein Thema, niemals für mich.
Das Absetzen der Medikamente führte zu einem Rückschlag, der sie völlig verändert hat. Sie hat völlig unerwartet die Beziehung beendet. ich würde alles dafür geben, sie zurück zu gewinnen. Aus Liebe. Echte Liebe stört sich nicht an Äußerlichkeiten. Der Verlust meiner Partner hat dazu geführt, dass ich mich nicht ohne Grund zunehmend auch im Betroffenenforum aufhalte.

Viele Grüße
M.
Clara1234

Re: Ist das wirklich akzeptabel?

Beitrag von Clara1234 »

Liebe Liana,

sicher gibt es auch Medikamente wo eine Gewichtszunahme ehr unwarscheinlich ist, müsste Dir ein Psychiater/rin ja sagen können.

Ich arbeite seit etwa drei Jahren aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr und das war nicht nur finanziell schwer...Ich denke das geht jedem erst so wenn man neu in der Situation ist. Man muss sich erst rein finden.
Ich mache mir keine Gedanken darüber das andere vielleicht mehr Geld oder Karriere machen, ist für mich nichts was im Leben wirklich zählt. Ich weiß wohl das in unserer Gesellschaft oft danach geschaut wird...

Mit Hilfe von Psychotherapie habe ich gelernt das es wichtig ist mich selber zu lieben, ich übe das auch weiter...und nicht so hart mit mir selber umzugehen.
Therapie kann eine Hilfe sein, aber gehen muss man seinen Weg ja selber und etwas zu ändern kann man auch nur selber beschließen.

Vor einigen Jahren habe ich noch drei verschiedene Sorten Medikamente genommen, es ging mir da auch sehr schlecht. Zur Zeit lasse ich gerade das letzte Mittel ausschleichen.
Ich finde auch wichtig nie die Hoffnung zu verlieren, es ist immer weiter gegangen und es ging mir nach und nach besser.
In sehr schweren Phasen können solche Tabletten ja gut eine Stütze sein, wenn man sie gut verträgt und im Zusammenhang mit Therapie finde ich.

Ich habe auch Menschen gefunden mit denen ich über alles gut sprechen kann, natürlich gibt es auch Menschen wo das nicht geht oder die nur in Richtung Geld oder Arbeit ehr denken.
Viel Halt hat mir auch mein christlicher Glaube gegeben und ich da auch was wert bin wenn es mir gerade noch so armselig geht...und ich geliebt bin vor jeder Leistung.

In der Klinik wo ich war habe ich auch Meditation kennen gelernt und Kreativität, was mir auch im Alltag viel hilft nicht zu viel zu grübeln z.B. dort habe ich auch kennen gelernt das Bewegung Spass machen kann.

Ich wünsche Dir das Du einen Weg findest für Dich und grüße herzlich
Clara
Sebald
Beiträge: 10
Registriert: 8. Jun 2014, 20:49

Re: Ist das wirklich akzeptabel?

Beitrag von Sebald »

Hallo Liana,
die Einschränkungendie die du ansprichst sind mir auch sehr vertraut. So bin ich extrem vergesslich und kann mir auf Biegen und Brechen nicht meine eigene Telefonnummer merken. Ich habe da ein Medikament im Verdacht. Ich bemühe mich trotz allem mich selber positiv anzunehmen. Mich beruhigt komischerweise Häkeln und Stricken. Auch Malen entspannt und kann dir helfen deine Nöte kreativ auszudrücken.
Wünsche dir alles Gute, Sebald
Liana
Beiträge: 14
Registriert: 29. Dez 2013, 11:24

Re: Ist das wirklich akzeptabel?

Beitrag von Liana »

Hallo zusammen,

@ M1971, Clara1234 und Sebald: Ich danke euch für die mitfühlenden und aufbauenden Zeilen. Es fällt mir nicht so leicht, darauf Bezug zu nehmen.

Als Angehöriger, wie im von euch erwähnten Beispiel, und einer unerwarteten krankheitsbedingten bzw. medizinisch begründeten Trennung, hat man es ganz gewiss auch nicht leicht, weil verständlicherweise vieles hineinspielt, was man nun verarbeiten und verstehen möchte. Evtl. handelte die Betroffene aus ihrer nicht einfachen Situation heraus, ohne verletzen zu wollen. Keine einfache Angelegenheit, wenn man die einstigen Hoffnungen und Gefühle zu bewältigen hat, den liebgewonnenen Menschen in seiner plötzlich gewünschten Distanz zurücklässt usw... Wenn die Gewichtsproblematik in einer Partnerschaft akzeptiert wird, finde ich dies tolerant und respektvoll.

Wie es scheint, kann man lernen, sich selbst und die Tabletten (mit Nebenwirkungen und ohne Alternativen) anzunehmen und in einigen Fällen auch von Psychotherapie oder neuen Denkweisen profitieren. Vielleicht ist es tatsächlich nicht unwichtig, die eigene Situation an seine individuelle Krankheit anzupassen, auch wenn ein Teil der Lebensqualität verloren geht. Sicher kann man auch seine Werte selbst bestimmen und diese nicht an Karriere oder Einkommen messen.

Verständnisvolle Menschen zu finden, mit denen man offen sprechen kann und Entspannungs-, Ergo-, oder Bewegungstherapien aus der Klinik umzusetzen, können das Leben sicher bereichern. Dennoch klingt das theoretisch alles einfacher als es in der Praxis scheint und nicht ohne Grund habe ich hier einen so langen Beitrag verfasst. Sicher spielen da im einzelnen auch noch persönliche und den zwischenmenschlichen Bereich betreffende Enttäuschungen eine Rolle.

Ich bin schon froh, dass es mir möglich war, mich hier mit ein paar Zeilen mitzuteilen. Auch bin ich angenehm überrascht, dass ihr bisher so freundliche Worte für mich gefunden habt.

Viele Grüße
Liana
Antworten