An Bigmac, otterchen, Doc Holiday und alle anderen hier

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AnnaD
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An Bigmac, otterchen, Doc Holiday und alle anderen hier

Beitrag von AnnaD »

Das ist mein erstes eigenes Thema und mein dritter Beitrag überhaupt. Lange habe ich mir überlegt, ob und was ich dann letztendlich schreibe. Ich habe das Thema von Bigmac ein wenig verfolgt und jetzt doch den Wunsch mich hier mitzuteilen.
Ich bin weiblich, fast 60 Jahre alt und habe vor ca. 15-17 Jahren einem Arzt die Pistole auf die Brust gesetzt in dem ich ihn gefragt habe, ob ich denn depressiv sei. Er fand: ja!
Zuvor hatte ich schon mehrer Therapeuten verschlissen. Therapie ist schön. Wenigstens einer/eine die zuhört und der/die interessante Fragen stellt und über manche Antworten ganz begeistert ist. Und mein Gehirn war beschäftig. Ich habe eine Menge gelernt und über mich herausgefunden.
Geholfen hat es mir nicht. Und jeder der Therapeuten versichterte mir, dass ich NICHT depressiv sei.
Mit dem o. g. Arzt habe ich dann in ungefähr 1 1/2 bis 2 Jahren, ich weiß es nicht mehr genau, mindestens 10, in Worten: ZEHN AD's ausprobiert. Während der gesamten Zeit hatte ich die unterschiedlichsten Wirkungen und Nebenwirkungen. Bei einem Medikament war es so schlimm, dass ich an meinem Arbeitsplatz saß und nicht mehr wusste welche Knöpfe ich an meinem Gerät drücken musste. Teilweise konnte ich nicht mehr unterscheiden wo rechts und links ist (bei meiner damaligen Arbeit als Untersucherin neurologischer Störungen - war's der rechte Arm, oder der linke - extrem wichtig). Ein anderes Mal hatte ich während der ganzen Erprobungsphase Herzrasen. Beim nächsten Medikament so extreme Kopfschmerzen, dass ein CT veranlasst wurde. Einmal wurde ich von dem Zeug so müde, dass ich mir Sorgen machte, ob ich wohl die 10km von der Arbeit nach Hause schaffen würde, ohne im Auto einzuschlafen. Und so weiter.
Geholften hat es mir nicht. Und ich habe dann beschossen halt so weiter zu machen wie vorher auch.

Da ich mich sehr mit meiner Krankheit auseinander setze war mir irgendwar klar: ich bin depressiv seit ich ein Kind bin. Denn ich habe mich nie anders gefühlt. Es gab keinen Zeitpunkt wo "es" angefangen hat. Dieses Gefühl war immer da, seit ich denken kann.

Auch in einer Selbshilfegruppe war ich eine Zeitlang. Kein anderer Teilnehmer kannte dieses Gefühl seit seiner Kindheit. Und ich fühlte mich schnell fehl am Platz. Trotzdem habe ich auch das ungefähr 2 Jahre gemacht.

Mein erster Zusammenbruch vor 13 Jahren anlässlich der (von mir gewollten) Trennung von meinem Lebenspartner und Umzug in eine eigene Wohnung. Zum erstenmal hatte ich eine generalisierte Angststörung. 14 Tage Kriseninterventionsstation und Einnahme von Venlafaxin.
Die Angst verschwand und ich nahm das Zeug weiter. Irgendwann wollte ich wissen ob es überhaupt eine Wirkung hat und habe es ausgeschlichen. Nach zwei Monaten bekam ich (mal wieder) Selbstmordgedanken und habe es weiter genommen.
Der nächste Zusammenbruch vor genau 6 Jahren. Mehrer Monate Psychiatrie (mit Weben, Spaziergängen, Qi Gong, Malen usw.) und danach, weil ich nicht an meinen Arbeitsplatz zurück wollte/konnte noch 6 Wochen Reha (Massage, Schwimmen, zweimal die Woche Psychotherapie, Malen, usw).
Ich hatte Glück und bekam in meiner Klinik (Arbeitsplatz) einen anderen Job. Dafür habe ich 2 Gehaltsstufen verloren.
Geholfen hat es nichts!

Vor zwei Jahren habe ich mich verliebt. In einen Mann der selber ziemliche Probleme hat, UND DARÜBER SPRACH! Wir konnten uns austauschen. Ich musste so vieles nicht erklären. Er hat mich verstanden und wenn nicht, dann akzeptiert.
Und er ist nicht an mir interessiert. Nicht als Partnerin.
Obwohl mir das schon recht bald hätte aufgehen müssen, habe ich doch mehr als ein Jahr gehofft und geträumt und gesehnt. Ich bin halt seeeeeeeehr leidensfähig.
Es ging mir damals so gut, dass ich über einen Zeitraum von einem halben Jahr mein Venlafaxin ganz langsam abgesetzt habe. Ich war überzeugt, diesmal schaffe ich es. Ende September 2013 nahm ich meine letzte Kapsel.
Bis dahin hatte auch die letzte meiner Hirnzellen begriffen, dass es mit diesem Mann keine Beziehung geben würde.
Und ich hatte einen Autounfall mit Totalschaden, bei dem ich andere geschädigt habe.
Ich verfiel in tiefste Depression. Mit Angstzuständen, einer inneren Unruhe (die ich so nie hatte), mit extremsten Stimmungsschwankungen und völliger Verzweiflung. Aber ich hielt durch (wie gesagt, ich bin ja leidensfähig). 6 Monate ohne Medikamente. Das wollen wir doch mal sehen!!!!
Seit ein paar Wochen nehme ich sie wieder. Wenigstens die Angst ist weg. Aber ich fühle mich völlig gelähmt.

Ich werde mich damit abfinden müssen, auch für den Rest meines Lebens depressiv zu sein.
Für mich sind die Jahre meiner Kindheit, meiner Jugend und meines Erwachsenendaseins meist eine Qual gewesen.
Meine Gegenwart ist eine Qual.
Zur Zeit gibt es nichts, aber auch wirklich nichts was mir Freude macht. Wenigsten nichts was ich alleine bewerkstelligen könnte.
Und ich bin alleine.
Mit Fernsehen und Computerspielen versuche ich mich abzulenken, damit ich nicht völlig durchdrehe.

So jetzt habe ich einen Roman geschrieben. Ich habe, so scheint mir, ein starkes Mitteilungsbedürfnis.
Kein Bedürfnis habe ich nach Ratschlägen.
Und ich möchte gerne über die andere große Baustelle in meinem Leben, mein Unfähigkeit mich Menschen anzuschließen, schreiben.
Aber nicht mehr heute.
Danke für's Lesen.

Anna
qwertzuiop

Re: An Bigmac, otterchen, Doc Holiday und alle anderen hier

Beitrag von qwertzuiop »

zitat :"Ich werde mich damit abfinden müssen, auch für den Rest meines Lebens depressiv zu sein.
Für mich sind die Jahre meiner Kindheit, meiner Jugend und meines Erwachsenendaseins meist eine Qual gewesen.
Meine Gegenwart ist eine Qual.
Zur Zeit gibt es nichts, aber auch wirklich nichts was mir Freude macht."

DAS kommt doch sehr bekannt vor. bei mir ist es ähnlich. ich kenne auch keinen anderen zustand (was strenggenommen die depressionsdiagnose ausschließt, da hier ja eine veränderung zugrundegelegt wird)
ich bin erst bei ad nummer 6, natürlich ohne eine positive wirkung.

eine frage was ist mit " Wenigsten nichts was ich alleine bewerkstelligen könnte. " gemeint?
wobei brauchst du denn hilfe?

noch ein tip schau mal unter anhedonie nach. es beschreibt meinen zustand eigentlich perfekt.
ich habe 4 jahr nach meiner selbstdiagnose gebraucht damit mir einer dieser möchtegern spezialisten diese stichwort liefert.
Haferblues
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Re: An Bigmac, otterchen, Doc Holiday und alle anderen hier

Beitrag von Haferblues »

Hallo Anna D.,

bei mir ist das ähnlich wie bei dir, ich bin auch schon seit Menschengedenken mehr oder weniger depressiv. Ganz lange bin ich garnicht auf die Idee gekommen zum Arzt zu gehen deswegen. Dann, als ich da hin ging, hat man mich lange nicht ernst genommen. Dann wurde es so im Jahr 2000 so schlimm, dass es nicht mehr zu übersehen war.

Zum Glück musste ich nicht so viele ADs ausprobieren. Bei mir wirkt Venafaxin sehr gut. Mehrere Ärzte haben mir gesagt, dass ich das möglicherweise lebenslänglich einnehmen muss. Eine Therapeutin sagt mir, dass ich mit meiner depressiven Persönlichkeit leben muss. Deswegen muss ich mich aber nicht lebenslänglich sch...... fühlen. Zum Glück nicht!!!!!

Ich habs auch schon immer schwer gehabt mit Gruppen. Ich fühlte mich meistens wie das Alien vom Dienst. Jetzt auf meine alten Tage versuche ich, mich Gruppen anzuschließen. Es geht. Mit der Zeit werde ich diesbezüglich sicherer und fühle mich nicht mehr ganz so komisch.

Was will ich jetzt damit sagen?? Nicht aufgeben!!!! Es gibt immer wieder eine Chance.

Ein großes Mitteilungsbedürfnis ist schonmal gut. Dann findest du hoffentlich bald Menschen, die dir zuhören wollen. Bis dahin tuns wir im Forum. Virtuell nur - aber immerhin.

viele Grüße
Rifka
Lebenskünstler sind Menschen, die schon vollkommen glücklich sind, wenn sie nicht vollkommen unglücklich sind.
Danny Keye
AnnaD
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Re: An Bigmac, otterchen, Doc Holiday und alle anderen hier

Beitrag von AnnaD »

Danke für's Anworten.

Hallo qwertzuiop
zu deiner Frage:
- eine frage was ist mit " Wenigsten nichts was ich alleine bewerkstelligen könnte. " gemeint?
wobei brauchst du denn hilfe? -

Ich brauch keine Hilfe, ich wünsche mir einen Menschen, wenigstens einen.
Ich kann mich einfach nicht mehr aufraffen alleine in der Gegend herumzulaufen. Da macht mir selbst der schönste Spaziergang keine Freude.


Heute schreibe ich hoffentlich keinen Roman.
Ich habe die Idee des "von der Seele schreiben".
Keine Ahnung ob ich das durchhalte. Durchhalten ist gerade nicht meine Stärke.

Am Arbeitsplatz gelte ich als kompetent und wenn's ein Problemchen gibt dann fragen wir mal die Anna, die weiß immer eine Lösung. Zu Hause sieht das ganz anders aus. Ich lebe meine Depression nahezu ausschließlich zu Hause aus. Und das bedeutet (unter anderem):

- ich vernachlässige mich
- ich vernachlässige meine Wohnung (sehr)
- ich mache Post nicht mehr auf
- ich erledige nichts mehr
- keine Vorsorgeuntersuchungen bei Arzt oder Zahnarzt

Ich habe gerade zwei Wochen Urlaub hinter mir (eine noch vor mir) und die habe ich zum größten Teil auf dem Sofa verbracht. Lesen, Fernsehen, schlafen, essen. Und dann wieder von vorne. Meistens schlafe ich sogar nachts auf dem Sofa. Dann muss ich nicht mehr aufstehen um in's Bett zu gehen.

Da muss ich wieder heraus kommen. Dringend.
Deshalb möchte ich das Forum als eine Art Tagebuch verwenden. Ich habe schon immer gerne geschrieben. Ich habe hier von jemandem gelesen, der/die schreibt, was sie/er sich vorgenommen hat. Ich möchte schreiben, was ich erledigt habe. Das ist wenig genug, aber irgendwo muss ich mal anfangen.

Also:
heute war der Flur und die Abstellkammer soweit in Ordnung, dass der Heizungsableser seine Heizung ablesen konnte.
Ich habe zwei Rechnungen bezahlt.
Heute morgen habe ich ein wenig abgespült.
Meine "Sommerschlafdecke" ist gewaschen und aufgehängt.
Zwei Taschen mit alten Büchern sind im Auto, damit ich sie morgen wegfahren kann.
Ich habe etwas in's Forum geschrieben.

Der Zustand meiner Wohnung ist nicht geeignet Besuch zu empfangen. Ich lebe in ständiger Angst dass irgendwann mal jemand unangemeldet vor der Türe steht und in die Wohnung möchte. Ich bin kein Messi. Ich horte nicht Fluten von Dingen von denen ich mich nicht trennen kann. Ich kann nur nicht aufräumen (war schon immer ein Problem, das sich aber in den letzten Jahren sehr verschlimmert hat) und ich mache nicht sauber. Nicht dass mir das so gefallen würde. Aber ich schaffe es einfach nicht mehr. Deshalb die Idee mit der Aufzählung.
Mal schauen was d'raus wird.

Anna
hier_und_jetzt
Beiträge: 66
Registriert: 26. Okt 2013, 00:15

Re: An Bigmac, otterchen, Doc Holiday und alle anderen hier

Beitrag von hier_und_jetzt »

Liebe Anna,
ich antworte auch obwohl ich nicht Bigmac und Co bin ;) Hast du diese Leute adressiert, weil du dich von Ihnen besondern angesprochen fühlst? ich frage aus Neugier!
Hey, ich gratuliere dir, ich finde es toll, dass du angefangen hast und wünsche dir viel Erfolg beim aufräumen von deiner Wohnung und deiner Seele! Irgendwie laufen die ja auch beide zusammen, oder?
Ich finde es bezeichnend wie viele Leute ähnlich wie du bei der Arbeit "gut funktionieren" und dann in der Freizeit von der Depression "blockiert", werden. Sorry, ist irgendwie nicht das richtige Wort. Mich trifft die Depristimmung immer auf der ganzen Linie. Aber in der Arbeit auch anders, da ich mich dort besser zusammen reißen kann. Vemutlich ist es die Routine und vorgegebene Struktur, die bei der Arbeit hilft? Dafuer nehme ich zum Beispiel dann schoen die gesamten Ängste und Anspannungen mit nach Hause und erlaube diesen an mir rum zu zerren. Ich frage auch, weil ich überlege, ob du etwas was fuer dich bei der Arbeit gut läuft mit nach Hause nehmen kannst?

ich schicke dir ganz viele liebe Gruesse und halte uns aufm laufenden! in einer Woche kannst du eine Menge packen! Vielleicht ist dir ja auch danach dich ein wenig um dich selbst zu kümmern, dir was Nettes zu gönnen, dich selbst fuer deine Mühe zu belohnen? Du hast es dir verdient!

Bis denn
Pia
Mim
Beiträge: 1383
Registriert: 21. Dez 2013, 19:41

Re: An Bigmac, otterchen, Doc Holiday und alle anderen hier

Beitrag von Mim »

Liebe Anna,

auch von mir herzlich willkommen :) Schön, dass Du Dich traust, Dich hier zu öffnen und von Dir erzählst. Ich bin mir sicher, dass Du hier einen guten Austausch haben wirst.

Um Dich zu motivieren, kannst Du - wenn es Dir hier zu einsam sein sollte - auch gerne im Motivationsthread vorbeischauen - auch wenn der manchmal so wirkt, er is nicht privat, sondern jeder kann nach Lust und Laune seine Pläne dort schreiben. Vielleicht hilft Dir das ja auch?

Was die Wohnung anbelangt: Ich selber bin chaotisch und naja schmutzig :oops: (also die Wohnung) seit ich denken kann. Hab immer mal wieder HauRuck Phasen, woes ne Zeitlang gut geht und dann BAMM an einem Tag wieder Chaos. Ist mir streckenweise auch peinlich.
Als ich meine Ausbildung gemacht habe, habe ich mich mal ein bisschen mit meinen Chefs unterhalten. Die erzählten, dass es bei ihnen zu Hause total chaotisch aussähe und sie im Grunde nie zum aufräumen kommen würden. Irgendwann haben sie sich eine Putzfrau engagiert, die jetzt die Zimmer in Schuss hält. Mich hat das ne ganze Zeit beruhigt. Ich mein Hey - Du bist voll berufstätig. und dann noch mit Elan aufräumen? Ich hör immer öfter, dass da kaum einer Lust drauf hat.

Ich wünsche Dir gutes Gelingen :)
AnnaD
Beiträge: 163
Registriert: 30. Mär 2014, 10:46

Re: An Bigmac, otterchen, Doc Holiday und alle anderen hier

Beitrag von AnnaD »

Hallo Pia,
ich habe mich immer gefragt, warum ich am Arbeitsplatz funktioniere und im privaten Bereich nicht. Ich habe (als Arzthelferin, immer in Krankenhäusern) schon die verschiedensten Tätigkeiten gehabt. Habe genausogut gearbeitet wie MTA's und manchmal auch besser, aber weniger verdient. Kann mich überall schnell einarbeiten, und verstehe auch was ich da tue. Vor 5 Jahren nun, der Not gehorchend, nochmal eine ganz andere Tätigkeit. Was ich vorher noch nie gemacht hatte, und da war ich auch schon 54 Jahre alt. Das geht alles prima. Am letzten Arbeitsplatz war ich aus verschiedenen Gründen psychisch und physisch irgendwann total überforderd. Habe aber, bis es nicht mehr ging, gute Arbeit geleistet. Und zu Hause bekomme ich den A... nicht hoch. Ich habe das nie kapiert.

Die Leute aus meiner Überschrift habe ich gewählt, weil ich sonst keine Idee hatte und weil der Thread von bigmac über die Unfähigkeit von Ärzten, Therapeuten und Kliniken und manche Antworten auch vieles in mir angesprochen hat. Und so den Anstoß gab, jetzt auch mal raus zu kommen.



Hallo qwertzuiop (das ist schon ein wenig sprerrig)
den Begriff Anhedonie habe ich nachgelesen und das trifft auf mich (vor allem im Moment, der nun schon 9Monate dauert) auf jeden Fall zu. Ich habe nie zu überschäumenden Gefühlsausbrüchen geneigt. Kann mich daran erinnern, dass in meinem Elternhaus mit hochgezogenen Augenbrauen oder abschätzigen Worten auf zu viel Freude meinerseits reagiert wurde. Vielleicht habe ich's mir dann abgewöhnt. Wie vieles andere auch.

Was mir auch total fehlt ist dieses körpereigene Belohnungssystem. Die Aussschüttung von Botenstoffen im Gehirn, wenn uns etwas gut gelungen ist, oder wenn wir etwas erledigt haben. Wenn es mir so geht wie jetzt, dann fehlt das völlig. Ganz egal was ich mache, es stellt sich kein Gefühl der Freude, Befriedigung oder Zufriedenheit ein. Ich muss mich zu allem zwingen und dann gibt's nicht mal ne Belohnung. Schon blöd.


Hallo Mim

-Ich mein Hey - Du bist voll berufstätig. und dann noch mit Elan aufräumen? Ich hör immer öfter, dass da kaum einer Lust drauf hat.-

Ja, das stimmt. Aber es gibt noch eine Menge anderer berufstätige Menschen, die auch keine Lust auf Hausarbeit haben, und es aber doch schaffen. Sie machen es einfach. Und ich habe immer das Gefühl, ich stecke in Kaugummi fest. Meine Nachbarin bearbeitet sogar die Fugen ihrer Terrassensteine mit dem Staubsauger. Wenn die meine Wohnung sähe würde sie die nächste Psychatrie anrufen.
Das ist so eine Superfrau, die alles richtig macht. Sich nie in Frage stellt. Feste Regeln hat und sie auch einhält. Allseits beliebt, mit großem Freundeskreis.

- Erst die Arbeit und dann das Vergnügen -
- Morgenstund hat Gold im Mund -
- Morgen, morgen nur nicht heute, sagen alle faulen Leute -
- Sich regen bringt Segen -

O-Ton als ihre beiden Nichten zu Besuch waren und auf der Grasfläche spielen wollten: "Aber schön alles wieder in Ordnung bringen, die Tante mag keine Unordnung".

Diese ganz "normalen" Menschen, dass sind die vor denen es mich graust. Und vor denen ich auch Angst habe. Ich bin umgeben von ihnen.


Hallo Rifka,
ich habe noch nie jemanden kennengelernt, der/die auch schon fast sein ganzes Leben lang depressiv ist.
Lange Zeit bin ich über die üblichen Fragen gestolpert:
"Hat sich ihre Stimmung in den letzten drei Wochen verändert?"
Nein, sie war schon immer so!
Auch heute habe ich immer wieder Momente in denen ich mir überlege, dass ich unmöglich krank sein kann. Dass ich das als bequeme Ausrede benutze, weil ich nur zu blöd zum Leben bin.
Gut, dass diese Momente viel seltener geworden sind. Aber vor meiner "offiziellen" Diagnose war das meine Meinung von mir.
Alle können es, nur ich nicht.

So, das war ein kleiner Beitrag zum Thema:
lieber schreiben als schlafen.
Und jetzt gehe ich mal in meinen kleinen Horrorladen - die Küche -
Mal sehen ob dort schon irgendetwas lebt, das mich anfallen könnte.

Anna
Haferblues
Beiträge: 1005
Registriert: 21. Okt 2012, 12:50

Re: An Bigmac, otterchen, Doc Holiday und alle anderen hier

Beitrag von Haferblues »

Hallo Anna,

kenn ich auch, die Vorstellung: ich bin gar nicht krank, ich bin bloß zu blöd zum leben. Sowas hab ich in Kindheit und Jugend ausgiebig gehört. Irgendwann hab ichs anscheinend geglaubt. ABER: da durch die ADs meine Stimmung und meine Lebensfähigkeit deutlich gestiegen sind, kanns nicht nur an meiner Blödheit alleine liegen.

Und, lebt was in deiner Küche?????

Ich war früher im Beruf immer als besonders gewissenhaft und ordentlich bekannt - zuhause der größte Saustall. Jetzt nicht grade Kakerlaken und Schimmelpilze - aber eben Unordnung und Chaos. Überall liegt was rum. Ich krieg die Klamotten nicht in den Schrank geräumt, das Geschirr nicht gespült und überall liegen Schuhe rum. Sogar noch Winterschuhe!!!! Wenn ich fremde Wohnungen sauber mache, hab ich gar kein Problem mit der Ordnung. Im Gegenteil. Meine "Kundschaft" ist immer höchst begeistert wie schnell ich Chaos in Ordnung verwandeln kann.

Ich hatte auch schon Phasen, wo ich keine Post geöffnet habe und nicht ans Telefon bin. AB hab ich einfach ungehört gelöscht. Bin nur vor der Glotze gelegen und hab blöde Serien geguckt. Meine letzte Therapeutin meinte, ich würde mich selbst nicht genug wertschätzen. Miese Selbstfürsorge. Ich weiß auch nicht.

Ich glaub, wir sind mit diesem Problem nicht alleine. Ich hab ja schon so einige Wohnungen sauber gemacht. Da siehts zum Teil nicht besser aus als bei mir. Das tröstet mich dann ein wenig. Wenn jeder Chaot in die Psychiatrie käme, wär die hoffnungslos überfüllt. Ich will garnicht wissen wie es bei manchen Psychiatern zuhause aussieht.

Hör mir uff mit diesen Sprichwörtern!!!! Die hat man mir gepredigt bis sie mir aus dem Hals raus gehangen sind!!!! "Morgenstund hat Gold im Mund"!!!! Ja doch, aber Gold ist verdammt schwer!!! Wer soll damit den Kopf aus der Koje bringen????? So Zeug solltest du am besten vergessen. Nimm dir bloß kein Beispiel an einem Putzteufel!!!!

Stimmt, im Gehirn fließen die Botenstoffe falsch rum während der Depression. Bei mir war das auch lange so. Erst durch die Pillen ist das besser geworden. In ganz schlimmen Phasen hab ich kaum mehr farbig gesehen. Jedenfalls kam es mir so vor. Ich kam mir vor als hätte ich Blei anstatt Blut in den Adern. Gaaaaanz blöd!!!!

Was machst du therapietechnisch????

Jetzt schwall ich mal nicht weiter.

Viele Grüße
Rifka
Lebenskünstler sind Menschen, die schon vollkommen glücklich sind, wenn sie nicht vollkommen unglücklich sind.
Danny Keye
Hygeia
Beiträge: 56
Registriert: 7. Nov 2013, 22:51

Re: An Bigmac, otterchen, Doc Holiday und alle anderen hier

Beitrag von Hygeia »

Hallo Anna,

ich lese hier schon eine Weile lang mit, habe mich aber bisher nicht wirklich getraut zu schreiben.

Ich bin noch ziemlich jung (22), daher wirst du von mir bestimmt keine Tipps bekommen. Aber bei vielem, was du schreibst, erkenne ich genau das (oder zumindest Ansätze) in mir wieder.

Arbeit, bzw. bei mir halt Studium, läuft eigentlich immer ganz gut. Nur wenn man zu Hause etwas dafür tun sollte (z.B. Bachelorarbeit schreiben) wirds schwierig.

Die Wohnung ... ich lebe in einer WG, daher muss ich Küche und Bad halbwegs ordentlich halten. Aber mein eigenes Zimmer sieht eigentlich schon seit kurz nach meinem Einzug so schlimm aus, dass keiner mehr rein darf. (Muss zum Glück ja auch niemand.)

Das Belohnungssystem fehlt bei mir auch recht deutlich. Wenn ich mich mal wieder zu etwas zwingen konnte (z.B. Joggen gehen) und meine Familie mich hinterher fragte, obs mir nicht besser geht, dachte ich immer: Nein, eigentlich nicht. Ich weiß, ich sollte dann zufrieden mit mir selbst sein und positiver denken, aber irgendwie war da halt nie was. Und so sinkt die Motivation immer weiter ...

Allerdings trifft Anhedonie bei mir nicht wirklich zu. Wenn ich mich mit Freunden treffe oder irgendwelche Spiele spiele, kann ich mich schon freuen. Nur die Belohnung nach dem Erledigen unangenehmer oder anstrengender Aktivitäten fehlt.

Der Anfang der negativen Gedankenwelt. Naja, bewusst ist es mir seit ich etwa 13 bin. Wie es davor aussah, weiß ich nicht mehr so genau. Ist ja auch eine Weile her und mein Gedächtnis ist nicht allzu gut.
Also ich denke schon, dass es hier im Forum einige gibt, die (fast) ihr ganzes Leben depressiv sind. Oder es zumindest bis zum Therapiebeginn waren.

Noch habe ich (fast) nichts ausprobiert, also was Therapie und so anbelangt, und ich habe auch noch keine Diagnose. Das ist gerade alles erst in Planung.
Mal sehen, ob bei mir dann irgendwas anschlägt oder ob ich ähnlich wie Du auch in einigen Jahren noch hier mitschreibe ^^

Tja, hilfreich ist das für Dich jetzt wohl eher nicht, aber im Eingangspost hast Du ja auch geschrieben, dass Du eigentlich keine Ratschläge willst, sondern eher einen Gedankenaustausch.

Ich wünsche noch ein schönes Rest-Wochenende + Feiertag,
lg Hygeia

@qwertzuiop: Ich mag Deinen Nutzernamen. Ich muss da immer an Qwert Zuiopü aus "Die 13 1/2 Leben des Käpt'n Blaubär" von Walter Moers denken und das zaubert ein kleines Lächeln auf mein Gesicht ;)
LilaNeu
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Registriert: 18. Dez 2013, 20:45

Re: An Bigmac, otterchen, Doc Holiday und alle anderen hier

Beitrag von LilaNeu »

Hallo AnnaD, hallo an den Rest :)

Wie schön, dass ich über diesen Thread gestolpert bin. Ich lese hier nur unregelmäßig mit.... und heute nun das.

Mir ist auch erst sehr spät bewusst geworden - vor 1,5 Jahren, da war ich 50 - , dass ich eigentlich schon mein ganzes Leben depressiv bin. Zum Glück nicht immer in diesem Zustand, in dem ich jetzt bin, aber die depressiven Phasen dauerten immer länger und wurden immer stärker. Bis irgendwann der Punkt erreicht war, da die depressiven Phasen von kurzen Hochphasen unterbrochen wurden. Umzug... neuer Job... neue Liebe.... bis sich wieder die altbekannte Überforderung, die Unmöglichkeit meine eigenen hohen Ansprüche zu erfüllen, einstellte und mich in den Sog der Depression zog.

Dieses Thema ist für euch hier wahrscheinlich kein neues :lol: ; ich bin froh, dass ich es mittlerweile erkannt habe - akzeptieren kann ich meinen Unperfektionismus (?) deshalb noch lange nicht. Das ist wiederum ein Grund, weshalb ich nicht unter Menschen gehen kann - wer könnte mich, so schlecht wie ich bin, schon mögen?

Natürlich wurde der Grundstein dafür in meiner Kindheit gelegt. Nur wenn du brav, fleißig, ordentlich bist, bist du liebenswert. Und bist du nicht brav, fleißig und ordentlich, bist du NICHT liebenswert. Liebesentzug.... Nichtbeachtung...

Aber das ist hier vermutlich nichts Neues.
AnnaD hat geschrieben:

Der Zustand meiner Wohnung ist nicht geeignet Besuch zu empfangen. Ich lebe in ständiger Angst dass irgendwann mal jemand unangemeldet vor der Türe steht und in die Wohnung möchte. Ich bin kein Messi. Ich horte nicht Fluten von Dingen von denen ich mich nicht trennen kann. Ich kann nur nicht aufräumen (war schon immer ein Problem, das sich aber in den letzten Jahren sehr verschlimmert hat) und ich mache nicht sauber. Nicht dass mir das so gefallen würde. Aber ich schaffe es einfach nicht mehr. Deshalb die Idee mit der Aufzählung.
Mal schauen was d'raus wird.

Anna
Als ich das hier las, liebe AnnaD, habe ich mich gleich wiedererkannt. :lol:
Ich kann schon lange niemanden mehr in meine Wohnung lassen, weil ICH sie fürchterlich unaufgeräumt finde - aber vielleicht genügt sie auch einfach nur meinen eigenen hohen Ansprüchen nicht.

Nächste Woche habe ich meine Feuerprobe; meine Therapeutin kommt zu mir nach Hause. Ich bin jetzt schon total neben der Spur... :?

Liebe Grüße, Lila
AnnaD
Beiträge: 163
Registriert: 30. Mär 2014, 10:46

Re: An Bigmac, otterchen, Doc Holiday und alle anderen hier

Beitrag von AnnaD »

Puh, hier wird so viel geschrieben, ich komme nicht hinterher.

Was mach ich therapietechnisch?

Nichts mehr. Und ich habe auch keine Lust mehr dazu. Meine Kindheit habe ich durchgerödelt. Und ich bin soweit, dass ich vieles auch allein verstehe. (Nicht dass ich auch danach handeln könnte)
Was mich an einer erneuten Therapie reizen könnte? Ein Mensch der sich mir zuwendet, vor dem ich mich nicht verstellen muss, der mich nimmt wie ich bin, der da ist. Das kann ein Therapeut nicht leisten.
Ich habe leider im realen Leben keinen solchen Menschen. Irgendwann will ich mal das Thema: "Anna und der Rest der Welt" angehen. Vielleicht in einem neuen Thread, desses Überschrift alle erreicht.


Hallo Hygeia
Seit ich hier im Forum ein wenig mitlese, und das ist noch nicht lange, bin ich überzeugt, dass es sehr viele Menschen gibt, die seit der Kindkeit oder Jugend depressiv sind. Warum auch immer. In meiner Familie scheint Depression das Normale zu sein. Meine Mutter ist nie diagnostiziert worden, doch ich bin überzeugt, dass sie zumindes phasenweise depressiv war. Meine Schwester ist es und einer meiner Brüder war auch schon deswegen in Behandlung. Und es sind so viel junge Leute betroffen.
Ihr Jungen, ihr habt, denke ich, eine gute Chance. Denn je länger eine Krankheit dauert, je später sie diagnostiziert wird, je später etwas unternommen wird, um so schwieriger ist es sicherlich, eine Besserung herbeizuführen.
Deshalb: überlege dir, was du tun könntest. Und tue es auch.
Es gibt Menschen, bei denen die Medikamente nicht, oder nur wenig anschlagen. Leider gehöre ich dazu. Und es gibt Menschen, bei denen sie gut anschlagen.
Wenn ich zurückblicke dann denke ich, dass es am günstigsten ist, wenn man medikamentös gefestigter ist und dann eine Therapie beginnt. Weil man dann eher davon profitiert. Wenn dir der erste Arzt oder Therapeut nicht gefällt und nicht zusagt, dann such einen anderen. Das ist zwar, besonders wenn es einem nicht gut geht, enorm lästig. Doch bei einem Arzt zu sein, bei dem du dich nicht aufgehoben fühlst, wird dir nicht helfen.


Hallo Lila
- Ich kann schon lange niemanden mehr in meine Wohnung lassen, weil ICH sie fürchterlich unaufgeräumt finde - aber vielleicht genügt sie auch einfach nur meinen eigenen hohen Ansprüchen nicht. -

Deinen Grad an Perfektionismus kenne ich natürlich nicht, doch was meine Wohnung (und mein Auto) anbelangt leide ich nicht an diesem Phänomen.
Ich kenne Leute, die in meiner Wohung, wenn ich sie denn mal für ausreichend ordentlich und sauber halte, erstmal mit dem Putzen anfangen würden.
Die negative Selbsteinschätzung kennen wir wohl alle. Ich denke dass es keinen Depressiven gibt, der sich rundherum toll findet.
Und ja, der Gedanke "wer soll mich schon mögen" ist mir auch nicht neu.

Anna

Mal was anderes. Wenn ich etwas im Text hervorheben möchte mit Farbe oder Dick oder wie auch immer, dann erscheint vor und nach meinem markierten Text nur eine Buchstaben- oder Zeichenfolge. Aber der Text ist immer noch wie vorher. Was mache ich falsch?
Und das Zitieren funktioniert auch nicht.
Mim
Beiträge: 1383
Registriert: 21. Dez 2013, 19:41

Re: An Bigmac, otterchen, Doc Holiday und alle anderen hier

Beitrag von Mim »

Huhu Anna,

sofern es nicht an irgendetwas anderem liegt:

Der Text muss direkt zwischen die "Brackets" gesetzt werden, also diese eckigen Klammern.


Ansosnten schau mal, ob direkt unter dem Schreibfeld ein Häkchen falsch gesetzt ist. Bei mir ist das nur bei Signatur anhängen, ansonsten nicht.

Viellecht weiß noch jemand anderes was.

Liebe grüße,

Mim
AnnaD
Beiträge: 163
Registriert: 30. Mär 2014, 10:46

Re: An Bigmac, otterchen, Doc Holiday und alle anderen hier

Beitrag von AnnaD »

Hallo alle zusammen.
Ich wollte mal ein paar Erfolgserlebnisse in die Welt posaunen.

Der Küchenfußboden ist gewischt.
Der Staubsauger ist gereinigt.
Das Geschirr ist gespült.
Ich habe seit 4 Tagen nachmittags nicht geschlafen.
Mein kleines Auto ist bepackt mit Müllsäcken und Dingen die die Welt nicht braucht, und morgen fahre ich den Krempel weg.
Der Balkon ist aufgräumter als das letzte halbe Jahr und teilgefegt.

Es hat mich aufgerichtet, dass ich hier auf Menschen getroffen bin, für die die "ganz normalen Erledigungen" des Alltags auch jedesmal einer Mount Everest-Besteigung gleichen. Natürlich ohne Sauerstoff.
Ich hatte ja immer gehofft, dass ich mal auf das Trauma stoße, dass es mir unmöglich macht meinen hausfraulichen Pflichten nachzukommen. Eure offenen und ehrlichen Aussagen über Wohnungen und deren Sauberkeit im Allgemeinen und Besonderen haben mir nun gezeigt, dass ich wohl auch weiterhin damit leben muss.

Anna, erleichtert um eine Autoladung Balast
Haferblues
Beiträge: 1005
Registriert: 21. Okt 2012, 12:50

Re: An Bigmac, otterchen, Doc Holiday und alle anderen hier

Beitrag von Haferblues »

Hallo AnnaD,

herzlichen Glückwunsch!!!! Und das alles bei dieser Hitze!!!!

Ich hab heute rein gar nix auf die Reihe gekriegt. Nur geschwitzt. Wo bleibt nur das angekündigte Gewitter?????

Haushaltstrauma?? Da hab ich erst kürzlich mit einer Bekannten drüber gesprochen. Die ist in ihrem Haushalt auch eher schlampig (da putz ich). Sie glaubt, dass Interesse an Hausarbeit jede zweite Generation auftritt. Ihre Mutter hat ihr ewig Haushalt gepredigt und ihr erklärt, dass sie das nie im Leben packt. Ihre Tochter wieder ist eine ordentliche Hausfrau. Kann was dran sein. Meine Mutter hat auch immer so getan als sei Haushalt überaus anspruchsvoll und anstrengend. Mich interessiert das nicht die Bohne. Ich bin nur ordentlich, wenn ich Geld dafür kriege.

Klopf dir ordentlich auf die Schulter.

Gruß Rifka
Lebenskünstler sind Menschen, die schon vollkommen glücklich sind, wenn sie nicht vollkommen unglücklich sind.
Danny Keye
Bigmac1,99

Re: An Bigmac, otterchen, Doc Holiday und alle anderen hier

Beitrag von Bigmac1,99 »

Hallo AnnaD,

erst jetzt entdecke ich deinen thread. Seit meiner zensiert wurde und ich auch keine Antwort von der Moderation bekommen habe auf meine Frage nach dem Grund, habe ich in diesem Forum bis auf heute nicht mehr reingeschaut.

Ich kann deine Situation zum Teil gut nachvollziehen. Auch ich habe mich inzwischen auf ein Leben in Elend eingerichtet. Es wird mal schlimmere, mal weniger schlimmere Zeiten geben, aber die Depression wird mich bis ans Ende begleiten.

Nicht aus Pessimismus, sondern weil man nach 20 Jahren Rumeiern irgendwann man der Realität ins Gesicht schauen muß - alles andere wäre Selbstbetrug. Klar könnte ich alle 2 Jahre in die Klinik gehen; inzwischen sehe ich es aber nicht mehr ein, in einem Krankenhaus beim Basteln rumzusiechen, damit die Branche ihr Einkommen sichern kann.

Auch ich funktioniere auf der Arbeit ganz gut - zumindest eine Zeit lang. Bei mir ist es dieses extreme "mich zusammenreißen", um gegen die Depression anzukämpfen und überhaupt aus dem Bett zu kommen - und damit meine Umwelt nichts von meinem Problem merkt. Eine Art Kompensation, sozusagen.

Denn meine Erfahrung ist auch, daß die Menschen damit überfordert sind. Abgesehen von den beruflichen Nachteilen, die man in Kauf nehmen muß, wenn man sowas preisgibt, habe auch ich schon all die Sprüche zu hören bekommen, die du auch erwähnst. Man soll raus gehen, an die frische Luft, sich an den kleinen Dingen des Lebens freuen, usw.usw. Sprüche die einen Graben zwischen mir und dem anderen aufschlagen und einen noch trauriger und einsamer lassen.

Am meisten hat mich hier schockiert, selbst von Betroffenen hier Sprüche zu hören, die man eigentlich eher von sog. "Experten" gewohnt ist ("es kommt auf die eigene Haltung an", "sich auf die Hinterbeine stellen", etc.).

Das ist auch das Dilemma der Depression: Wenn man sich so zeigt, wie man ist oder sich wirklich fühlt, erntet man solche Sprüche, oder sogar Vorwürfe, daß man nicht genug Verantwortung für sich übernehme, usw. Und so zieht man sich zurück oder zeigt sich nur mit einer Maske - und bleibt tief tief einsam. So sehr man Menschen und gute Beziehungen braucht, so sehr schreckt man sie ab, überfordert sie, oder bekommt Sprüche zu hören, die sich wie Ohrfeigen anfühlen.

Das mit dem Schreiben finde ich übrigens eine tolle Idee!

Liebe Grüße,
Bigmac
AnnaD
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Re: An Bigmac, otterchen, Doc Holiday und alle anderen hier

Beitrag von AnnaD »

Hallo bigmac.
Es hat sehr lange gedauert, bis ich akzeptieren konnte, dass ich mein Leben lang depressiv-krank sein werde. Denn den Begriff "chronische Depression" hat noch keiner der Fachleute denen ich begegnet bin erwähnt. Ich habe nicht nur vor Jahren die Selbstdiagnose "Depression" gestellt, ich habe mir auch die Diagnose "chronische Depression" gestellt. Trotz aller Unzulänglichkeiten hat mir der (lange) Aufenthalt in der Psychiatrie und die Reha gut getan. Ich konnte langsam wieder zu mir kommen und war am Ende wieder arbeitsfähig.

Wenn es mir mal besser geht, und diese Tage gibt es auch, dann kann ich selbst nicht nachvollziehen warum es mir gestern oder letzte Woche nicht gelungen ist meine Wäsche zu waschen oder warum ich so verzweifelt war. Wie kann dann ein Mensch, der Depression nicht kennt, das nachvollziehen was uns belastet. Allenfalls trifft man mal auf jemanden der es einfach akzeptiert. Das ist schon viel wert. Erst seit dem o. g. Krankenhausaufenthalt konnte ich überhaupt mal jemandem davon erzählen. Vorher war die Schamgrenze zu hoch. Und ich gehöre zu den Menschen, denen man die Depression nicht anmerkt. Nur wenn es mir wirklich extrem schlecht geht, dann kann ich meine Fassade nicht mehr aufrecht erhalten. Dann rede ich mich halt mit Müdigkeit oder Erkältung oder sonstwas raus.
Ich habe mich lange gequält mit Selbstvorwürfen, weil ich nicht funktionierte wie andere. Bis ich begriffen hatte, dass ich mich ja schon ständig und jeden Tag und jede Minute zusammenreiße. Dass es meine ganze Kraft kostet, so zu tun als sei ich "normal".

Wenn ich ein Bein gebrochen habe, dann kann ein guter Chirurg das heilen. Er muss dazu noch nie selbst ein Bein gebrochen haben.
Wenn ich eine schwere Bronchitis habe (mindestens einmal im Jahr) dann gibt der Hausarzt mir Medikament und schreibt mich krank. Er muss selbst noch nie ein Bronchitis gehabt haben. Wenn er aber schon mal eine hatte, dann kann er nachempfinden wie es mir geht und ich muss nicht umständlich erklären warum ich unmöglich zur Arbeit gehen kann.
Wenn ich Depressionen habe, dann treffe ich auf Ärzte, Therapeuten und andere Menschen in Kliniken oder Praxen von denen ich mir Linderung erhoffe. Wenn diese Menschen aber noch nie eine wirkliche, wochenlange, monatelange oder jahrelange Depression hatten, dann wissen sie nur theoretisch was mit mir los ist. Sie habe nie selbst erlebt wie ermüdent dieser tägliche Kampf ist. Und dann kommen Rat"schläge" wie: tun sie etwas was ihnen Freude macht. Und ich kann nicht wirklich rüberbringen, dass mir schon seit Wochen wirklich nichts mehr Freude macht.


Ich wende mich jetzt an alle, die hier mal reinschauen:
Ich werde ein neues Thema eröffnen.
Nachkriegskinder und Depression.
Dazu habe ich ein Buch gelesen und würde mich sehr über Menschen freuen, die sich mit mir darüber austauschen wollen.

Anna
AnnaD
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Re: An Bigmac, otterchen, Doc Holiday und alle anderen hier

Beitrag von AnnaD »

So, drei Wochen Urlaub sind um. Was habe ich erledigt? Nicht wirklich viel. Aber ich fühle mich viel besser als in der ersten zwei Wochen. Ich freue mich auf's Arbeiten, auch wenn ich weiß, dass ich morgen früh nicht aus dem Bett kommen werde.
Treu dem Motto: nach dem Urlaub ist vor dem Urlaub, kann es beim nächsten Mal im September nur besser werden.

Ich wünsche allen eine schöne Woche.
Anna.
AnnaD
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Re: An Bigmac, otterchen, Doc Holiday und alle anderen hier

Beitrag von AnnaD »

Ich melde mich hier ein letztes Mal zu Wort. Es war ja auch kein "richtiges" Thema, sondern ein Sondierungsversuch meinerseits. Wie ich mit dieser Art der Kommunikation zu recht komme.

Es geht mir seit zwei Wochen deutlich besser. Die Chemie scheint nun wieder ihre Wirkung zu tun.
Gestern habe ich meinen gesamten Kleiderschrank entrümpelt und es stapeln sich in der Abstellkammer die Säcke.
Toll.
Meine Wäsche ist gewaschen und die Kleider befinden sich im Schrank.
Super.
Die Küche ist, wie meistens chaotisch.
Vielleicht geht ja heute noch was.

Liebe Grüße, und man "sieht" sich an anderer Stelle
Anna
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