Depressive Ehefrau - Wie helfe ich den Kindern?

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Bardon
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Depressive Ehefrau - Wie helfe ich den Kindern?

Beitrag von Bardon »

Hallo an Alle hier im Forum,

schon wieder ein Neuling - ich habe dieses Forum hier kürzlich entdeckt und lese schon eine Weile mit und bin sehr beeindruckt, wie sich die Mitglieder hier gegenseitig helfen. Hier ist meine Vorgeschichte: Ich bin 45 Jahre alt und seit 16 Jahren mit meiner jetzigen Frau (44) zusammen, wir besitzen ein gemeinsames Haus und haben 2 tolle Kinder (5 und 8 Jahre). Seit etwa 2 Jahren hat meine Frau Depressionen und wir bekamen Eheprobleme. Meine Frau hat sich sehr ein drittes Kind gewünscht und ich habe sie in diesem Wunsch unterstützt, auch wenn ich selbst nicht um jeden Preis ein 3.Kind wollte. Wir haben es jedenfalls probiert und es hat nicht mehr geklappt mit dem Schwanger werden, was meine Frau unendlich traurig gemacht hat. Sie ist seit längerem in therapeutischer Behandlung. Sie ist wohl nicht Suizid-gefährdet und meistert den Alltag eigentlich ganz gut mit den Kindern, wir haben aber immer wieder auch schlimme Situationen; beim Abendessen trinkt sie oft zuviel Alkohol (manchmal 3-4 Gläser Sekt oder Wein innerhalb 40 Minuten) und wird dann oft fast feindselig in ihrem Ton, ist dann ungerecht und hart mit den Kindern, die nicht verstehen, was hier los ist mit ihrer Mama. Das ist alles sehr subtil, es geht nicht um rabiate Erziehungsmethoden, sondern nur um die depressiv-negative Stimmung bei Tisch, die dann eben sehr bedrückend ist für alle. Ich selbst bin dann immer von der Negativität überflutet und fühle mich hilflos. Unsere ältere Tochter hat mir gegenüber danach öfters mal gesagt, dass sie glaubt, dass ihre Mama sie nicht mehr liebt.

Ich kann das Gefühl gut nachvollziehen, denn auch ich hatte ja dieses Gefühl, als ich noch nicht wusste, was eine Depression ist: ich habe mehrere Bücher über den Umgang mit einem depressiven Partner gelesen, was mit sehr geholfen hat. Ich komme mit der Situation mittlerweile ganz gut zurecht und es gibt hier im Forum wahrlich schlimmere Fälle als meinen, dessen bin ich mir sehr bewusst.

Aber ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung, wie ich unseren Kindern helfen soll, wenn meine Frau in ihren Krisen ihnen gegenüber ungerecht wird und lieblos mit ihnen umgeht. In Ratgebern lese ich, dass man auf jeden Fall Konflikte vermeiden soll mit dem depressiven Partner und ihm immer solidarisch begegnen soll. Und ich merke auch, dass meine Frau das verlangt; ihre Wahrnehmung ist in solchen Phasen einfach verschoben, sie glaubt, dass sie jetzt eben mal "streng" erzieht und das auch nötig ist, sie ist dann wahnsinnig enttäuscht, meistens von der Älteren. Sie ist aber dann nicht eine "strenge Mama", die es manchmal ja braucht - sie ist dann voller innerer Aggression und Ressentiments, die dann auch manchmal die Kinder abbekommen, nicht nur ich. So ist sie immer nur in ihren depressiven Phasen, ansonsten ist sie immer noch eine tolle Mutter.

Wenn ich aber abends in Krisensituationen einschreite und den Kindern "recht" gebe, kommt es sofort zum Eklat, meine Frau hat dann wahrscheinlich das Gefühl, ich verbünde mich mit den Kindern gegen sie? Sie rastet manchmal richtig aus mir gegenüber, auch vor den Kindern, wird sehr unangenehm und laut, nennt mich "ihren Feind" und verschwindet irgendwann im Wohnzimmer für den Rest des Abends. Dann weiss ich, ich werde die Kinder allein ins Bett bringen und ihnen irgendwie erklären müssen, dass es nichts mit ihnen zu tun hat. Das ganze setzt mir so zu, ich bin dann ja selbst in einer Heulstimmung, weil ja die Gesamtsituation so schrecklich ist, lese dabei den Kindern vor und singe ihnen und bin dabei einfach nur völlig todtraurig und kann mich kaum konzentrieren. Am nächsten Tag ist meine Frau dann meistens wieder in besserer Stimmung, sie schämt sich, entschuldigt sich manchmal für ihren Ausbruch, bleibt aber dabei, dass sie nur "erzogen" hat und das ich hätte sie unterstützen müssen gestern.

Meine Frage an Euch ist: gibt es irgendeinen erprobten Weg, sich in so einem Fall "richtig" zu verhalten? Wie kann ich ausgleichen, wenn ich spüre, das meine Frau jetzt zu ungerecht wird den Kindern gegenüber, ohne dass es zu offenem Streit kommt? Ich will ja für sie da sein und ihr Halt geben, schaffe das in anderen Situationen auch oft gut - aber ich muss doch den Kindern in so einer Situation auch Unterstützung geben, oder? Das Dumme ist, dass die Situation immer eskaliert, sobald ich versuche, die Kinder zu unterstützen - aber ich kann mich doch nicht selbst verbiegen, muss doch äussern, wenn ich finde, dass sie zu hart ist, oder ist das in diesen Situationen falsch?

Ich möchte noch mal klar dazu sagen, dass solche Abende recht selten sind und meine Frau ansonsten eine tolle, liebevolle Mutter ist. Meine Sorge ist, dass die tolle Beziehung meiner Frau zu ihren Kindern auf Dauer leidet und die Kinder sich ungeliebt fühlen, wenn solche Abende häufiger werden. Wie kann man den Kindern das Verhalten erklären und wie verhalte ich mich richtig?

Ich klinge hier wahrscheinlich für die Meisten recht naiv, bin gerade erst dabei, in die Thematik einzutauchen, weil meine Frau die Depressionen lange vor mir verheimlicht hat (ich dachte einfach nur, meine Ehe geht zu ende...). Danke Euch im voraus für hilfreiche Antworten,

Bardo.
M1971
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Registriert: 26. Apr 2014, 17:39

Re: Depressive Ehefrau - Wie helfe ich den Kindern?

Beitrag von M1971 »

Hallo Bardo,

ich kann Deine Situation gut nachvollziehen. Meine EX-Partnerin hatte ein Kind. Oftmals gab es zwischen ihr und dem Kind Streit um (aus meiner Sicht) Banalitäten. Das ganze hat sich dann schnell hochgeschaukelt und ich habe immer versucht zu vermitteln. Wollte immer die Emotionalität rausnhmen und die Dinge auf eine Sachebene bringen. Das ist aber sowas von schwer. Leider kann ich keinen pauschalen Ratschlag geben.
In meinem Fall war es dann so, dass Mutter und Kind plötzlich wieder "verbündet" waren und beide geweint haben. Und ich war dann der Außenstehende. Ich habe dem Kind dann versucht zu erklären, dass die Stimmungsschwankungen der Mutter krankheitsbedingt sind. Aber sowas ist für ein Kind natürlich schwer verständlich.
Ich wünsche Dir viel Kraft. Und bitte pass gut auf Dich selbst auf
LG
m1971
MUT65
Beiträge: 448
Registriert: 18. Jan 2013, 11:59

Re: Depressive Ehefrau - Wie helfe ich den Kindern?

Beitrag von MUT65 »

Hallo und Willkommen Bardon,

ich bin hier, weil mein Expartner seit rund zwei Jahren depressiv ist.
Er hat sich Ende 2012 von mir getrennt, weil er keine Beziehung mehr leben konnte und
wollte - inzwischen haben wir wieder Kontakt.

Die Zeit vor der Trennung, habe ich als sehr schrecklich erlebt. Ich fühlte mich hilflos ohne
Ende, weil ich mir seine Veränderungen nicht erklären konnte.
Er war ein liebevoller, sehr sanfter Mensch - alles weg......

Wie muss es Kindern gehen, die ( wenn auch selten...) ihre Mutter als hart/ruppig und
kalt erleben ?

Irgendwie macht mich Deine Beitrag beinahe wütend.
Auch in einer Depression muss man Verantwortung für sein Handeln tragen und
kann es sich nicht abnehmen lassen - zumal wenn Kinder beteiligt sind.
Das muss Deiner Frau unbedingt klar werden.

Ja, Depression hat sich niemand gewüscht und es reicht, wenn der Depressive und sein
Partner damit zu kämpfen haben.
Kinder aber, gehören unbedingt geschützt ! Ansonsten schreibt Deine Tochter in ein
paar Jahren hier, weil sie die Ausbrüche ihrer Mutter nicht verarbeiten konnte.......

Ich denke Du solltest in einem guten Moment Deine Frau bitten, dass ihr Euch unbedingt
Hilfe für Eure Kinder sucht ! Profis wissen sicher was zu tun ist, um den Schaden an Kinderseelen
zu begrenzen.

Vielleicht gibt es eine Möglichkeit mit dem Kinderarzt zu sprechen und ihn um Rat zu bitten.

Du schreibst ja selbst, wie sehr Dich ihrer Veränderungen anfangs verunsichert haben - du liest hier und in Büchern und bist beruhigt, weil, so unterschiedlich ein jeder Depressiver auch ist, wir Angehörigen sehr oft von den gleichen Dingen schreiben.......

Wie wird es da den Kindern gehen ? Die durch Unsicherheit Kränkendes verdrängen und irgendwann kommt es wieder hoch......

Ich fühle wirklich mit Dir. Mir hat es die Schuhe ausgezogen, ich habe bis heute sehr mit mir
zu tun, weil ich seine Depression zu meiner gemacht habe......

Wünsche Dir viel Kraft !

LG
Mut
Wenn du einen Menschen glücklich machen willst, dann füge nichts seinem Reichtum hinzu, sondern nimm ihm einige von seinen Wünschen.
Epikur von Samos
Bardon
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Registriert: 15. Mai 2014, 12:43

Re: Depressive Ehefrau - Wie helfe ich den Kindern?

Beitrag von Bardon »

Danke für Eure Antworten!

tut mir leid, dass es Dir auch so schlecht geht gerade, Mut!

Ich denke, noch leiden die Kinder nicht zu sehr bzw müssen nicht geschützt werden, es geht in einigen "normalen" Familien sicher noch mal um einiges härter ab. Mir geht es vor allem darum, wie ich am besten in solchen Situationen reagiere, damit es in Zukunft nicht mehr eskaliert. Wie kann ich meiner Frau in diesem Moment bewusst machen, dass es jetzt eben meiner Ansicht nach die Depresion ist, die ihr Verhalten beeinflusst - die Grenzen sind da ja schwer zu ziehen, ich kann ja nicht "beweisen", dass es so ist. Sie findet dann, ich müßte sie unterstützen, aus ihrer Sicht greift sie nur mal etwas härter durch.

Das mit der professionellen Hilfe ist sicher eine gute Idee. Meine Frau ist ja in therapeutischer Behandlung bei einer sehr guten Therapeutin, ich habe sie in ein paar gemeinsamen Sitzungen kennengelernt. Vielleicth kann sie da vermitteln. Allerdings möchte meine Frau momentan nicht, dass ich mitkomme oder mich in ihre Therapie irgendiwie einmische.

Vielen Dank schon mal für die freundlichen Antworten!

Liebe Grüße, Bardo
Tabarka1
Beiträge: 267
Registriert: 10. Feb 2013, 13:34

Re: Depressive Ehefrau - Wie helfe ich den Kindern?

Beitrag von Tabarka1 »

Hallo Bardo,
Ich bin mit einem depressiven Mann verheiratet und wir haben eine Tochter, die nun schon viele Jahre das depressive Drama miterlebt.

Aus Deinen Worten spricht viel Mitgefühl für Deine Frau und viel Verständnis. Nach meiner Erfahrung hilft das aber nicht, sondern führt eher dazu, dass sich nichts ändert.
z.B. Es gibt viele Frauen, die die Erfahrung machen, dass sie kein Kind mehr bekommen können und es ist die Entscheidung Deiner Frau, was sie daraus macht. Es hätte ja auch sein können, dass Du echt kein drittes Kind mehr willst. Wie würdest Du dann ihre Reaktion sehen? Erst wenn Du Dich aus dem Verständnis befreist geht es nach meiner Erfahrung weiter.
Du hast Bedürfnisse, die nicht befriedigt werden, die Kinder haben Bedürfnisse, die nicht befriedigt werden. Versucht sie denn den "Schaden" wieder gut zu machen? Sagt sie den Kindern am nächsten Tag, dass es ihr leid tut und dass sie sie trotzdem lieb hat? Erklärt sie den Kindern was Depression ist? Dass sind Dinge, die verhindert werden, wenn Du zu verständnisvoll bist. Und die Kinder brauchen das ganz dringend nach meiner Erfahrung.

Was ich auch gemacht habe, ist mit meiner Tochter alleine in Familienferien zu fahren. Da gibt es andere Kinder und die kann Kind sein und nicht so ernsthaft und in Verantwortung für den Vater. Sie spricht bis heute wöchentlich davon, wie toll diese Ferien waren und sie auch noch sind. Du findest z.B. Beim Kolpingwerk oder der AWO Angebote. Und es waren bisher meistens andere Teilfamilien dabei, wo der depressive Partner zu Hause war.

Meine Erfahrung ist leider, dass Depression Kindern in der Entwicklung sehr schadet, weil sie es auf sich beziehen und glauben, dass sie falsch sind. Das habe ich genauso von den anderen Familien erfahren.

Um zu diesen Erkenntnissen zu kommen, habe ich allerdings auch sehr schlimme Situationen erlebt, weil ich viel zu lange Verständnis hatte. Ich habe selbst eine Therapie gemacht und wir sind als ganze Familie in einer Rehamaßnahme gewesen, da unsere Tochter mit zunehmendem Alter doch Auffälligkeiten entwickelt hat und ich auch echt nicht mehr weiter wusste. Zum Glück hat die Rentenversicherung das uns ermöglicht - dafür bin ich bis heute dankbar.

Falls Du bis hier durchgehalten hast: ich wünsche Dir viel Kraft und Mut für Deinen Weg. Eure Kinder brauchen Dich!
Tabarka

P.S. Zu Deiner konkreten Frage: Selbstverständlich gehe ich dazwischen, wenn mein Mann unserer Tochter Fernsehverbot erteilt, weil er vor zwei Tagen einmal gesagt hat, dass sie den Socken wegräumen soll und sie es nicht getan hat. Die Kinder sind schutzbedürftig! Wenn es nur kleinere Sachen sind versuche ich sie später zu klären, wenn unsere Tochter nicht dabei ist.
Wann, wenn nicht heute... ?
Bardon
Beiträge: 8
Registriert: 15. Mai 2014, 12:43

Re: Depressive Ehefrau - Wie helfe ich den Kindern?

Beitrag von Bardon »

Danke für Deine Antwort, Tabarka,
ich kann Deine Meinung gut nachvollziehen und fühle mich bestärkt in meinem Gefühl, mich in solchen Fällen auf meinen eigenen Eltern-Instinkt zu verlassen.

Auf Deine Frage: ja, meine Frau versucht tatsächlich, es am nächsten Tag wieder gut zu machen bei den Kindern - sie hat mir gestern auch gesagt, dass dieser besagte Abend für sie ein herber Rückschlag war und eine "Katastrophe", die ihr leid tut und wir konnten offen darüber sprechen, wie ich mich am besten verhalten kann. Sie hat aber auch gesagt, dass sie es auf keinen Fall noch mal dazu kommen lassen will. Die Selbsterkenntnis und der Wille zur Besserung ist schon mal da - trotzdem wird es sicherlich wieder zu sowas kommen, aber dann werde ich mich auch darauf berufen können, was sie gestern gesagt hat.

Ehrlich gesagt haben mir Eure ersten Antworten schon etwas Mut gegeben, mit ihr das Gespräch zu suchen - dafür bin ich wirklich sehr dankbar. Wenn es auf Dauer immer wieder zu so was kommt, werde ich meinem Gefühl folgen und dazwischen gehen.

Danke auch für Eure lieben Wünsche, mir gehts schon viel besser jetzt.

Bardo
ndskp01
Beiträge: 2874
Registriert: 9. Feb 2008, 19:34

Re: Depressive Ehefrau - Wie helfe ich den Kindern?

Beitrag von ndskp01 »

Lieber Bardo,

ich habe nur kurz drübergelesen, und möchte den Focus mal zum Thema Alkohol hin verschieben, denn 4 Gläser Wein in 40 Minuten, das hört sich sehr bedenklich an. Depressive versuchen oft unbewusst sich mit Alkohol selbst zu "medikamentieren". Das löst vermutlich die agressiven Verhaltensweisen deiner Frau aus. Und es wirkt kontraproduktiv, die Depressivität nimmt durch regelmäßigen Alkoholkonsum zu, nicht ab.

Ich weiß jetzt gar nicht, hast du geschrieben, ob deine Frau Medikamente nimmt und / oder eine Psychotherapie macht? Das wäre, wenn es nicht bereits stattfindet, sicherlich der wichtigste Schritt.

Übrigens gibt es auch für Kinder depressiver Eltern "Literatur", bei meiner Psychiaterin lag mal ein ganz nettes Bilderbuch aus, in dem die Depression eines Elternteils für Kinder erklärt wurde, leider weiß ich die Bezugsquelle nicht mehr. Auf jeden Fall ist auch da Aufklärung hilfreich, auf einem möglicherweise weniger komplexen Level geht das auch.

Viele Grüße, deine Puk
Anne Blume
Moderator
Beiträge: 1684
Registriert: 7. Dez 2006, 13:25

Re: Depressive Ehefrau - Wie helfe ich den Kindern?

Beitrag von Anne Blume »

Lieber Bardo, liebe Forianer,

dies sind einige (Vorlese)Bücher zum Thema, die meine Kollegin auf http://www.fideo.de empfielt:

Homeier, Schirin (2006): Sonnige Traurigtage: Illustriertes Kinderfachbuch für Kinder psychisch kranker Eltern und deren Bezugspersonen. Frankfurt a.M.: Mabuse-Verlag.
Mosch, Erdmute von (2011): Mamas Monster: Was ist nur mit Mama los?. Bonn: Balance Buch + Medien.
Worringer, Ulla (2013): Hasenmama, die Heulsuse, und die beste Möhrensuppe der Welt. Charleston, SC: CreateSpace Independent Publishing Platform.
Wunderer, Susanne (2010): Warum ist Mama traurig?: Ein Vorlesebuch für Kinder mit einem psychisch erkrankten Elternteil. Frankfurt a.M.: Mabuse-Verlag.

Herzliche Grüße
Anne Blume
.
Bardon
Beiträge: 8
Registriert: 15. Mai 2014, 12:43

Re: Depressive Ehefrau - Wie helfe ich den Kindern?

Beitrag von Bardon »

Liebe Puk,

ja, das mit dem Alkohol macht mir auch Sorgen, mit der Aggressivität gebe ich Dir recht, ich denke auch, es liegt dann stark daran - auch, weil sie selbst es immer als Niederlage empfindet, wenn sie zuviel trinkt. Momentan ist es etwa so normalerweise: so ab 18 Uhr trinkt sie ein Glas Wein oder Sekt und je nachdem, ob es ihr gut geht oder nicht, kommt mehr dazu. Oft bleibt es bei 2 Gläsern, aber wenn am Tag selbst irgendwas nicht gut gelaufen ist und es ihr schon nicht gut geht, weil sie vielleicht aus Konzentrationsmangel etwas vergessen hat, werden es eben 3 oder im schlimmsten Fall (so alle 4-6 Wochen vielleicht) auch 4, mehr allerdings auch nicht. Das geschieht immer im kurzen Zeitraum, eben ab 18 Uhr und dann bis wir die Kinder ins Bett bringen (halb 8/8). Danach trinkt sie nichts mehr, eigentlich nie - seltsam, aber so ist es seit einigen Monaten. Meistens geht es ihr dann abends wieder besser, selten kommt dann es eben zur echten Krise.

Medikamente nimmt sie noch nicht, wahrscheinlich hast Du recht und sie versucht unbewusst, sich selbst eine "stimmungsaufhellende" Wirkung zu verschaffen. Sie macht aber seit ein paar Monaten eine Psychotherapie. Ihre Therapeutin hat Medikamente bereits ins Spiel gebracht, aber sie haben gemeinsam beschlossen, es erstmal ohne zu versuchen, weil meine Frau ihre Probleme (Wechsel des Arbeitsplatzes, einige Umstellungen im Leben) gerne unverblümt "sehen" und daran arbeiten möchte. Mittlerweile ist das aber wieder ein Thema: gestern hat sie mir gesagt, dass sie diese Woche einen Termin beim Psychiater hat wegen Medikamentenverschreibung. Sie ist ein sehr stolzer Mensch und schämt sich, diese Themen mit mir zusammen durchzukauen, aber sie arbeitet auch sehr gewissenhaft daran, dass es ihr besser geht.
Für die Buchtipps danke ich Dir sehr, Anna, ich wäre gar nicht darauf gekommen, dass es auch solche Bücher gibt.

Was den Alkoholkonsum angeht, bin ich auch sehr unsicher, wie ich mich dabei verhalten soll: ich trinke manchmal nichts mit, manchmal aber auch ein Glas oder mal 2, mehr aber niemals. Ich weiss, dass sie eine tolle Therapeutin hat und selbst ihr schärfster Kritiker ist, das heisst, sie weiss selbst, wie %&§&/( es ist, so viel zu trinken - deshalb sage ich es ihr nicht auch noch ständig. Ausser manchmal, wenn sie sich selbst dazu äussert, dass sie zu viel getrunken hat und so enttäuscht von sich selber ist, sage ich, dass ich das gut verstehen kann und ihr gerne dabei helfen würde, das in den Griff zu bekommen. Aber dann sagt sie eher so was wie "mir kann keiner helfen und schon gar nicht mein eigener Mann". Das verstehe ich wiederum gut, sie schämt sich vor mir, die Balance unserer Ehe ist verschoben; sie hatte immer alles im Griff und jetzt merkt sie, dass sie plötzlich Termine verpasst und ausgerechnet ich, der sonst Vergessliche, erinnere sie dran...
Schwer zu sagen, was ich ihr helfen kann mit dem Alkoholproblem, was meint Ihr? Ich habe mal versucht, mit ihr eine Art Abmachung zu treffen, wann wir Alkohol bewusst nicht kaufen, um gar keinen da zu haben immer, aber sie hat das recht eindeutig zurückgewiesen; sie müßte das auf eine andere Weise für sich selbst lösen mit Hilfe ihrer Therapeutin. Und ich lese ja auch immer wieder, man soll als Ehemann auf keinen Fall Therapeut spielen. Also einfach hoffen, dass sie es mit ihrer Therapeutin in den Griff bekommt? Erfreulicherweise merke ich im Generellen durchaus, wie sich die Therapie schon positiv auswirkt, seit einigen Wochen ist meine Frau wieder viel zugänglicher geworden, umarmt mich sogar oft von sich aus und ist oft sehr lieb. Der schlimme Abend war nach ihren eigenen Aussagen ein "Rückfall" - aber trinken tut sie eben trotzdem fast jeden Abend, um sich in bessere Stimmung zu bringen.

Jetzt hab ich wieder sehr ungeordnet geschrieben, ich hoffe das klingt nicht zu verworren.

Liebe Grüße,

Bardo
Anicca
Beiträge: 120
Registriert: 19. Mai 2014, 10:45

Re: Depressive Ehefrau - Wie helfe ich den Kindern?

Beitrag von Anicca »

Hallo lieber Bardon,

Hilfe könntst du auch in einer Selbsthilfegruppe vor Ort finden.

Zum Beispiel bieten die "Al Anon Familiengruppen" Hilfe für Angehörige an. Die Meetings arbeiten mit dem Zwölf Schritte Programm.

http://www.al-anon.de/" onclick="window.open(this.href);return false;" onclick="window.open(this.href);return false;" onclick="window.open(this.href);return false;


LG Anicca
Bardon
Beiträge: 8
Registriert: 15. Mai 2014, 12:43

Re: Depressive Ehefrau - Wie helfe ich den Kindern?

Beitrag von Bardon »

Danke Anicca,

für den Hinweis, schau ich mir gleich mal an.

Liebe Grüße,

Bardo
ndskp01
Beiträge: 2874
Registriert: 9. Feb 2008, 19:34

Re: Depressive Ehefrau - Wie helfe ich den Kindern?

Beitrag von ndskp01 »

Hallo Bardo,

die Schuldgefühle sind ein wichtiger Indikator dafür, dass deine Frau ein ernsthaftes Alkoholproblem hat.

Ich habe auch lange Zeit täglich etwa eine Flasche Wein getrunken, das hört sich erstmal nach maßvoll an, aber ich bin mir sicher: Ich bin Alkoholiker. Für mich ist es heute nur möglich, abstinent zu bleiben, wenn ich ganz auf Alkohol verzichte.

Mir hat die Selbsthilfegruppe geholfen. Und die Tatsache, dass ich es gewagt habe, meiner Therapeutin das Problem anzuvertrauen und sie es ernst genommen und jede Woche wieder neu in den Vordergrund gestellt hat.

Als ich begonnen habe, ein Antidepressivum zu nehmen, habe ich zunächst Alkohol gar nicht vertragen können, doch es dauerte nicht lange, bis ich wieder angefangen habe.

Ich glaube, es wäre besser, wenn du nicht mittrinkst. Für dich. Und für die Kinder, denn die brauchen jetzt vermehrt deine Aufmerksamkeit.

Viele Grüße, Puk
Bardon
Beiträge: 8
Registriert: 15. Mai 2014, 12:43

Re: Depressive Ehefrau - Wie helfe ich den Kindern?

Beitrag von Bardon »

Hallo Puk,
danke für Deinen Rat. Was das nicht mittrinken angeht, habe ich etwas Angst, dass mich meine Frau, wie auch in anderen Dingen, hier als "Mr.Perfect" sieht bzw ich die Rolle des supercleanen Ehemanns annehme, der alles besser macht und alle Probleme lösen kann und meine frau sich nur noch schlechter fühlt. Es ist eh schon ein grosses Problem und wahrscheinlich Mitauslöser für ihre Depressionen sogar, dass ich in Vielem "äußerlich" erfolgreicher bin als sie. Ich bin ziemlich erfolgreich in einem tollen, kreativen Job, sie nicht so, ich bekomme viel äußere Anerkennung, sie zu wenig (sie vergleicht sich leider oft mit mir darin), ich bekomme auf die Reihe, regelmässig Sport zu treiben, sie nicht, ich pflege meine Freundschaften, sie nicht so... Ich selbst sehe das gar nicht so schwarz-weiss, weil sie auch vieles auf die Reihe bekommt, worin sie mir haushoch überlegen ist, aber sie selbst sieht es nun mal so und sie sieht sich da überkritisch - obwohl sie daran momentan arbeitet und es schon viel, viel besser geworden ist mit ihrem Selbstwertgefühl, da merke ich, wie die Therapie schon anschlägt, zum Glück. Aber wie gesagt, bei ihr spielt das immer eine gewisse Rolle, wenn es um ihre Depressionen geht: sie hat mal irgendwann in einer krassen Krise gesagt: "ich gehe kaputt an Deinem Erfolg" - was soll ich da machen? Für mich ist klar, dass ich zwar nicht darauf rumreite, dass es mir gut geht im Job und so, aber dass ich auch nicht mich kleinmachen möchte und so tun, als würde es mir auch schlecht gehen - das hab ich jedenfalls so "gelernt", das man damit ja auch nicht hilft.

Jedenfalls, wenn ich jetzt noch beim Alkohol plötzlich derjenige bin, der es ihr "vormacht", wie man plötzlich abstinent wird und alles unter Kontrolle hat, hätte ich Sorge, dass es wieder zu erneutem Frust ihrerseits führt. Momentan trinke ich mal ein Gläschen mit, bin damit authentisch und zufrieden und eben auch nicht perfekt, andererseits bin ich nicht betrunken und habe Aufmerksamkeit für die Kinder. Ich hoffe eben darauf, dass meine Frau mit Hilfe ihrer Therapeutin es schafft, zu reduzieren statt mit meiner Hilfe - dann wäre es sozusagen "Ihr Erfolg", was ihr sicherlich besser gefallen würde.
Ausserdem wäre es nicht so "offensichtlich", wenn sie reduziert; ich stelle mir das so vor, dass sie vielleicht schafft, irgendwann nur noch ein Glas zu trinken und es würde gar kein so grosses Thema sein zwischen uns. Meine Frau leidet nämlich auch sehr darunter, die "Kranke" zu sein und zu spüren, wie ich auf ihre Fortschritte hoffe. Also wäre der Fortschritt und auch ein eventueller Rückfall nicht gleich so offen auf dem Tisch und meine Frau hätte die Möglichkeit, sich mit Hilfe ihrer Therapeutin selbst aus dem Sumpf zu ziehen. Das kommt mir zumindest ganz vernünftig vor - oder sehr Ihr in diesem Verhalten Gefahren? Ich bin auch hier sehr dankbar für andere Ideen oder Warnungen.

Vielleicht ist es ja auf jeden Fall sinnvoll, wenn ich mir da nochmal professionellen Rat suche - auch ich spiele mit dem Gedanken, eine Therapie zu machen.

Liebe Grüße,
Bardo
Anicca
Beiträge: 120
Registriert: 19. Mai 2014, 10:45

Re: Depressive Ehefrau - Wie helfe ich den Kindern?

Beitrag von Anicca »

Hallo lieber Bardon,

du schreibst:

"Es ist eh schon ein großes Problem und wahrscheinlich Mitauslöser für ihre Depressionen sogar, dass ich in Vielem "äußerlich" erfolgreicher bin als sie. "

Wenn deine Frau hier schreiben würde, dann würde ich ihr wahrscheinlich empfehlen, mal die Selbsthilfegruppen von CoDA zu besuchen.

Co-Abhängige müssen lernen, die eigene Stärke innerhalb von Beziehungen geltend zu machen.

http://www.coda-deutschland.de/" onclick="window.open(this.href);return false;" onclick="window.open(this.href);return false;" onclick="window.open(this.href);return false;

LG Anicca
Bardon
Beiträge: 8
Registriert: 15. Mai 2014, 12:43

Re: Depressive Ehefrau - Wie helfe ich den Kindern?

Beitrag von Bardon »

Danke für den Hinweis, Anicca!

Bardo
ndskp01
Beiträge: 2874
Registriert: 9. Feb 2008, 19:34

Re: Depressive Ehefrau - Wie helfe ich den Kindern?

Beitrag von ndskp01 »

Lieber Bardo,

wir haben beim Kreuzbund auch mit Co-Abhängigen zu tun.
Der Rat, nicht mitzutrinken, ist aus der Instrumentekiste für diese Gruppe.

Wenn du versuchst, der Abhängigen das Gefühl zu geben, dass es normal ist (mal ein Glas) zu trinken, dann deckst du damit die Sucht. Du hilfst ihr dabei, weiterzutrinken. Damit lügst du dir und ihr in die Tasche, und schadest dir auch selbst. Alkoholabhängige können nicht kontrolliert trinken (mal nur ein Glas), sie können nur ganz aufhören oder eben so weitermachen wie bisher. Reduktion ist der falsche Weg. Jedes Glas ist der Einstieg in den Rückfall, auch wenn es erstmal nicht so ausschaut. Durch das erste Glas wird das Suchtgedächtnis akiviert und wir sind ganz schnell wieder bei den Mengen, bei denen wir in der schlimmsten Zeit waren. Und es wird immer mehr.

Viele Menschen können nach einem Glas mit dem Trinken aufhören. Wir Alkoholiker können es nicht. Das ist nicht schlimm. Es ist nicht nötig, Alkohol zu trinken, um ein schönes, erfülltes Leben zu haben.

Das ist meine Erfahrung und Einsicht nach jahrelangen Selbstversuchen.

Herzliche Grüße, deine Puk
Bardon
Beiträge: 8
Registriert: 15. Mai 2014, 12:43

Re: Depressive Ehefrau - Wie helfe ich den Kindern?

Beitrag von Bardon »

Liebe Puk,

danke sehr für die Erklärungen, Du triffst damit natürlich auch ein paar wunde Punkte bei mir - ich muss mir über dieses Thema nochmal Gedanken machen. Ich habe immer noch das Gefühl, das nicht ich derjenige sein sollte, der sie da "belehrt" und auf den "richtigen Weg" führt. Zudem gibt es momentan so viele positive Entwicklungen bei meiner Frau, die sie sich selbst "erarbeitet" hat (sie macht wieder regelmäßig Sport, ich kann es kaum glauben und freue mich für sie), dass ich das Gefühl habe, hier am besten etwas abzuwarten.
Aber ich kann mir auch vorstellen, dass ich nur Angst vor einer "Konfrontation" habe und dass Du generell wahrscheinlich recht hast.

Liebe Grüße,

Bardo
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