Die Depression geht nicht weg, wie weiter vorgehen?

FrauRossi
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Die Depression geht nicht weg, wie weiter vorgehen?

Beitrag von FrauRossi »

Hallo Zusammen,

Ich frage mich derzeit wie es weiter gehen soll? Gestern Abend war ich noch kurz am Büdchen und habe dort ein kurzes lustiges Gespräch mit ein paar "Vatertags-Jungs" gehabt. Nichts über das man nachdenken müsste. Ich jedoch fing schon auf dem Weg in die Wohnung an zu weinen und in der Wohnung heulte ich haltlos. Warum? Keine Ahnung!

Ich war in Behandlung, machte Therapie. Änderte mein Leben komplett. Es ging mir stetig besser und ich dachte wenn ich alles geschafft habe dann würde es mir wieder richtig gut gehen.

Auch zur Zeit. Ich liege eigentlich seit 2 Monaten nur noch im Bett. Habe mir dennoch eingeredet dass es mir soooo schlecht nicht geht. Weil ich als Vergleich immer die Zeit des Zusammenbruchs heranziehe.

Gestern Abend zeigt mir aber dass das so nicht stimmt. Denn derzeit muss ich nicht arbeiten und habe keine Finanziellen Sorgen (für eine Weile) daher werden auch keinerlei Anforderungen an mich gestellt. Ich vermute wenn ich jetzt auch noch einen geregelten Altag bewältigen müsste, wäre es durchaus wieder so schlimm wie am Anfang.

Nur gehen mir jetzt die Ideen aus. Alles was irgendwie im Argen lag wurde beleuchtet, besprochen, geändert. Traumatherapie erfolgreich abgeschlossen. Und das schreibe ich nicht nur so dahin, das ist wirklich so. Es lässt sich schwer erklären, aber diese Dinge aus der Vergangenheit belasten mich nicht mehr.

Aber was ist es dann? Wie soll ich jetzt weiter vorgehen?

Weniger machen, gesünder Ernähren, mach ich alles schon. Dadurch dass ich nichts weiter zu tun habe ist auch die Wohnung immer schön und regelmäßiges Wellnessprogramm mache ich auch. Ich achte also soweit auf mich.

Dennoch fehlt mir jede Kraft, jeder Antrieb. Ich bin so unendlich müde ohne im eigentlichen Sinne müde zu sein.

Was sind eure Strategien? Wie soll es weiter gehen?

LG FrauRossi
timmie2002
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Re: Die Depression geht nicht weg, wie weiter vorgehen?

Beitrag von timmie2002 »

guten morgen liebe frau rossi.

dein posting bewegt mich sehr. vor dieser frage, wie es weitergehen soll, stehe ich auch häufig.

du hast wirklich viel gemacht und sehr viel erreicht. du bist schon viel weiter als ich. d weiß ich auch gar nicht, ob ich dir einen rat geben kann oder vorschläge machen.

erschöpfung und müdigkeit sind auch meine ständigen begleiter, antrieb fehlt mir auch. ich bemühe mich, das mit gelassenehit zu nehmen und soviel normalität wie möglich im alltag aufrecht zu erhalten. da schaffst du schon mehr als ich.

ich hätte auch gerne ein rezept gegen die ständige müdigkeit. schlaf habe ich genug. trotzdem. weiß auch nicht.

ich will jetzt mal vita-sprint ausprobieren.

vielleicht solltest du die ursachen nochmal ärztlich untersuchen lassen? aber es kann eben auch an der depri liegen, die ja noch da ist, auch wenn wir uns besser fühlen.

ich habe auch die erfahrung gemacht, dass das zu hause "herumgammeln" eigentlich gar nicht so gut ist. war ja durch meine erkrankungen dazu gezwungen und musste feststellen, dass ich dadurch wieder mehr in die antriebslosigkeit gerutscht bin, miene tagesstruktur fast völlig verloren gegangen ist. seit ich wieder arbeite, geht es mir dahingehend besser, wobei ich noch lange nicht im grünen bereich bin.

als letzten ansatz möchte ich folgende frage nochmal aufgreifen: was fehlt dir in deinem leben? wenn man wie du so viel meistert, selber wahrnimmt und anerkennen kann, was man leistet und trotzdem irgendwie eine unzufriedenheit vorhanden ist, muss es noch irgendetwas geben, was dir zum glücklichsein oder zur zufriedenheit fehlt. etwas wichtiges und vielleicht existentielles. ich habe auchschon eine ahnung bei dir.

ach ich bin jetzt direkt, frau rossi. liegt ja in diener hand, wie du damit umgehst. kannst ruhig sagen: final spinnt.
aber ich denke, dass es bei dir an der zeit wäre, mal beziehungsmäßig etwas anzugehen und zu ändern. :-)

wir sind doch als menschen soziale wesen und eigetnlich nicht dafür geschaffen, allein zu leben. ich vermute, dass du an einem punkt bist, an dem du dieses alleinsein stark spürst und als defizit empfindest.

wie soll es bei dir weitergehen? ich habe kein rezept. aber vielleicht liege ich mit meiner vermutung richtig und dann hättest du doch einen ansatz.

glg final
zittrig
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Re: Die Depression geht nicht weg, wie weiter vorgehen?

Beitrag von zittrig »

hallo frau rossi,

ich mache auch alles und es ist heute so schlimm wie lange nicht - neues medikament, das noch nicht wirkt(vermutlich ist mein erwartungsdruck zu groß) therapie - heute abend wieder eine stunde, ich habe einen schönen arbeitsplatz und arbeite wieder seit 4 wochen (war wegen schwerer depressionen krank geschrieben) und merke, dass ich die ablenkung brauche, musste mich heute aber schwer zusammen reißen, ins büro zu fahren und hoffe, dass ich nicht anfange zu heulen.

diese sch... depressionen, ich bin es so leid, es ist soviel lebenszeit, die verloren geht, und draußen scheint die sonne. ich habe langsam auch keine kraft mehr.

ich habe auch keine strategien mehr - ich werde jedoch in der nächsten woche hypnotherapie ausprobieren, akupunktur hat mir auch eine zeitlang geholfen.

lg, zittrig
Mim
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Re: Die Depression geht nicht weg, wie weiter vorgehen?

Beitrag von Mim »

Liebe Frau Rossi,

nach wie vor bin ich der Ansicht, dass es bei dir nicht darum gehen kann "weniger" zu machen, sondern genug von "dem richtigen". was das ist, kannst Du nur nach und nach für Dich herausfinden. Ob Du das alleine schaffst oder dafür nochmal jemanden zu Rate ziehen musst (Therapeut, Coach, etc.) weiß ich nicht (ich selber sträube mich derzeit da auch).

Ich glaube auch, dass Dein derzeitiger Zustand nicht ungewöhnlich ist - dass das aber nicht mehr unbedingt für die "klassische Depression" sprechen muss. Du tust nach wie vor Dinge, weil sie "getan werden müssen", bzw. weil man sie tut, um der Depression entgegenzuwirken. Ich habe das Gefühl, das Herz ist wenig mit dabei - kann es vielleicht auch noch nicht, denn eigentlich bist du dabei eine Leere zu füllen, die JETZT da ist. Die vorher bedeckt war - durch Arbeit, Sorgen, Nöte ...

Irgendwann, hast Du mal in einem alten Thread geschrieben, wie fremd dir Dein Beruf ist. Du fühltest Dich der Natur näher, Arbeit mit Kindern (ich erinnere das nicht mehr genau). Wäre jetzt der richtige Zeitpunkt sich in diese Richtung zu orientieren? Ohne Zwang. Ehrenamlich, freiwillig, oder wie auch immer sich das schimpft. Nicht um "schon wieder was Neues zu machen" sondern um zu schauen, ob sich hier eine echte Alternative auftut, etwas das Du gerne machst.

Gehst Du wieder zum Yoga?

Im Moment (ich weiß nicht wie ich das schreiben soll, ohne dass es zu hart klingt) habe ich das Gefühl, dass Du noch immer den Möglichkeiten ausweichst, die Dir guttun könnten. Ich lese heraus, dass Du Dich nach Beziehungen sehnst. Klar ist sowas nicht von Heute auf Morgen da. Was tust Du im Moment um da für Dich weiter zu kommen? (Oh man, das liest sich jetzt doch vorwurfsvoll ...)
Was spricht gegen einen Urlaub? Nicht um sich von Erschöpfung zu erholen, sondern um bewusst Neues kennen zu lernen. Neue Impulse zu bekommen. Vielleicht neue Menschen zu treffen.

Deine Tränen, Deine Trauer - ach Mensch Frau Rossi *umärmel* - ich würd so gern was tröstliches sagen. Du wischst das irgendwie so weg - aber da wird doch was ganz essentielles in Dir berührt. Mit Einsamkeit umgehen ist ne Lebensaufgabe glaube ich. Und bei Dir habe ich noch immer das Gefühl, Du bewegst Dich als Einzelkämpferin. Ja, Du möchtest Kontakt, Du möchtest Menschen. Aber - wie kannst Du es schaffen, die in Dein Leben zu holen die dich nähren?
(Wenn ich so drüber nachdenke, dieser Wunsch, den Du hattest mit Kindern zu arbeiten (oder bild ich mir das nur ein?) - hat der nicht auch ganz viel mit dir zu tun?

Ich glaube, dass das Thema (MIt-) Menschen gerade sehr wichtig für Dich ist - und dass Du das in Angriff nehmen solltest. Langsam, so wie es gut für dich ist.
Und ich habe die Idee, dass Du weiter mit Deinem Körper arbeiten solltest - von Yoga, über Massagen, über ... alles, wo Du Dich spürst - und vielleicht auch etwas, wo Du NICHT alleine bist.

Liebe Grüße,

Mim

Edit: witzig ;) Final und ich hatten irgendwie den richtigen Riecher *umärmel*
timmie2002
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Re: Die Depression geht nicht weg, wie weiter vorgehen?

Beitrag von timmie2002 »

zumindest den gleiche riecher, phoenia. dann muss ja was dran sein, oder frau rossi?
FrauRossi
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Re: Die Depression geht nicht weg, wie weiter vorgehen?

Beitrag von FrauRossi »

Hallo,

Hallo Zittrig, Hypnotherapie hab ich auch gemacht und damit in Hinblick auf das Trauma, gute Ergebnisse erzielt. Also kann ich dir dazu nur raten. Eine Besserung hat es in jedem Fall gebracht.

Mim und Final,
Ja ich schätze ihr denkt in die richtige Richtung. Ich weis eben nur nicht wie ich das ändern soll.

Auch Job mäßig. Zweifelsfrei würde ein Job und damit geregelter Tagesablauf einen Teil der Leere überdecken. Aber ich weiß eibfach nicht was ich machen soll oder könnte. Mit Kindern arbeiten ja, ich habe mich halbherzig informiert und alles was ich da finde wird nicht ausreichend bezahlt um meinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Ich habe mit spitzem Bleistift gerechnet.

Ich hatte ja ein Vorstellungsgespräch. Allerdings in meiner alten Branche und es lief auch ganz gut. Aber ich bin unentschlossen, weil ich eigentlich in der Branche nicht mehr arbeiten will.
Es wäre ein Notnagel, weil ich nicht ewig zuHause sitzen kann ohne etwas zu verdienen.

Also stehe ich jetzt vor zwei Dingen wo ich keine Ahnung habe wie ich die angehen soll.

Urlaub. Ja Urlaub wäre toll. Ich frage mich aber ob ich mir das nicht auch nur einrede, denn alleine in Urlaub zu fahren? Hmm dann würde ich auch nur herumhängen. Dann wäre es auch irgendwie herausgeworfenes Geld.
Aber mal abgesehen davon, habe ich zwei Katzen und ich weis nicht wohin mit ihnen in der Zeit.

Aber insgesamt wäre neuer Input nicht schlecht.

LG FrsuRossi
zittrig
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Re: Die Depression geht nicht weg, wie weiter vorgehen?

Beitrag von zittrig »

hallo frau rossi,

ich habe übrigens 3 katzen. an urlaub habe ich auch schon gedacht, bin aber die letzten jahre immer mit meinem ex gefahren, aufgrund der trennung von ihm bin ich in diese krise gestürzt und kann mir nicht wirklich vorstellen, alleine zu fahren, das ist ein weiter weg und ich weiß nicht, ob ich das je schaffe. ich mache viel allein - aber fremdes land und dann morgens nicht aus dem bett kommen? da stürzt man sich vermutlich irgendwann ins meer.

und schwer depressiv im urlaub geht gar nicht - leider. da lieber die vertraute umgebung. vielleicht gibt es ja depri-reisen oder das sollte mal jemand organisieren ...

hypnotherapie wird ausprobiert!
Nachtflug
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Re: Die Depression geht nicht weg, wie weiter vorgehen?

Beitrag von Nachtflug »

Bist du denn medikamentiös gut eingestellt?

Bei schweren Depressionen kann man oft so viel ändern wie man will, es funktioniert ganz ohne Medis nicht immer.

Es wäre zwar schön, wenn du in einen Beruf könntest, der dir mehr Erfüllung gibt - aber nicht immer ist das möglich. Es gibt ja viele Menschen, die machen einen Brotberuf und erfüllen sich z.B. in ihrer Freizeit. Aber die sind trotzdem nicht alle depressiv.
Andere Möglichkeit wäre auch Arbeitszeitreduzierung oder Suche einer Stelle, die weniger Anforderungen hat.

Ich meine ja nur, Trauma, Kindheit und soziale Faktoren spielen sicherlich eine große Rolle bei Depressionen. Aber eben auch die Hirnchemie und wenn da mal über längere Zeit eine stärkere, längere negative Entwicklung da ist, immer wiederkehrende depressive Phasen, ist eine Rückfallprophylaxe ratsam. Denn dann hat sich ja im Gehirn auch schon was verändert.

Ich bin bipolar, da ist eine Rückfallprophylaxe Standard. Ich will demnächst auf Lamotrigin (ein Antiepileptikum) dafür umsteigen, weil ich hauptsächlich unter schweren depressiven Episoden leide. Das wird aber auch bei unipolaren depressiven z.T. zur Rückfallprophylaxe eigesetzt oder eben auch Antidepressiva. Sprich doch mal deinen Arzt darauf an, auf eine Rückfallprophylaxe.
Die ist bei unipolar Depressiven bei immer wiederkehrenden depressiven Episoden genauso wie bei Bipolaren ratsam.

Achja: Ich habe vor meiner Erkrankung mich "nur" auf einen Beruf fokussiert, bei dem man kaum Geld verdient, der mich aber total erfüllt hat. Ich bin trotzdem krank geworden. Mit den Medis mache ich jetzt ein Studium, dass ein Kompromiss aus "Brotfach" und "Interessenfach" ist. Genau wegen der Krankheit, weil ich weiß, dass ich in dem unsicheren Beruf durch meine geringere Belastbarkeit Probleme bekommen kann - gerade auch finanziell.

Was ich damit sagen will: Depressionen brauchen oft keinen bestimmten Grund. Selbst, wenn man viel zum Positiven verändert garantiert das alleine keine Heilung. Deswegen spielen ja auch Medikamente in der Behandlung bei schweren (wiederkehrenden) Depressionen eine Rolle. Vielleicht hättest du deine Depressionen genauso, wenn du mit Kindern arbeiten würdest. Trotzdem kannst du es ja mal versuchen, ob dir ein Berufswechsel gut tut. Denn die Krankheit verändert einen. Mich hat sie etwas mehr nach Sicherheit schielen lassen und ich bin jetzt zufriedener mich dieser Veränderung (die durch die Krankheit kam) angepasst zu haben.

Alles Gute
Nachtflug
FrauRossi
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Re: Die Depression geht nicht weg, wie weiter vorgehen?

Beitrag von FrauRossi »

Hallo Nachtflug,

Ich wurde nicht wegen meinem Job krank. Zuträglich war er aber auch nicht. Ich war (bin) Selbständig, habe 6 Tage 10-12 Stunden am Tag gearbeitet, je nach Job manchmal auch länger Musste dafür viel Reisen und war oft über Monate nicht zu Hause. Auch 30 Stunden Schichten kamen vor. Das alles machte mir anfänglich aber Spaß. Seit dem Zusammenbruch aber nicht mehr. Ich will nicht mehr dauernd "weg" sein. Die Unsicherheit der Selbständigkeit kann ich nicht mehr aushalten. Und auch körperlich schaffe ich diesen Job nicht mehr. Meine Knie haben stark gelitten und sind hin. Es gibt noch mehr Faktoren aber das sind die wichtigsten.

Früher habe ich mit Kids gearbeitet und das hat nur viel Spaß gemacht, allerdings war es ein Saisonjob und damit kam ich irgendwann nicht mehr über die Runden als der "Winterjob" wegbrach.
Ich bin da also nicht unerfahren und es ist auch nicht irgendeine irrationale Hoffnung auf mehr Erfüllung im Job, sondern ich blicke da auf einiges an Erfahrung zurück.

Generell ist es mir fast egal was ich arbeite. Hauptsache ich könnte davon Leben. Soweit die Theorie.

Ich muss sagen: ich nehme keine Medikamente. Habe ich auch nicht als es damals ganz schlimm war. Mittlerweile denke ich aber ob es nicht sinnvoll wäre Abtriebsteigernde Medis in Betracht zu ziehen. Aber ich stehe dem skeptisch gegenüber, für mich persönlich.

Ich weiß jetzt grad nicht mehr wer schrieb dass die es mit Vitasprint probieren will. Diesen Gedanken hatte ich auch. Habe mich dann informiert und dann wieder davon abgesehen. Man kann den Vitaminhaushalt über die Nahrung gut in Schuß halten. Besser vorher beim Hausarzt vorher einen Vitaminstatud im Blut anfertigen lassen und dann überlegen ob B12 (Vitasprint) tatsächlich das ist was fehlt und ob es nicht durch die Nahrung zugeführt werden kann (geht eigentlich ganz leicht) denn dieses Vitasprint ist nicht unumstritten und zudem sehr teuer. Also besser nochmal drüber nachdenken.

LG FrauRossi
Nachtflug
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Re: Die Depression geht nicht weg, wie weiter vorgehen?

Beitrag von Nachtflug »

Hallo FrauRossi,

Ok und was ist für dich so schlimm an Medikamenten? Ich meine wenn du chronisch krank bist, können sie ja auch viel Lebensqualität zurückgeben. Haben sie mir zumindest, auch wenn die Nebenwirkungen nicht immer angenehm sind.

Ich bin weiß Gott nicht dafür, jeden Medis zu verordnen. Aber bei schweren, wiederkehrende Episoden ist es nunmal eine chronische Krankheit und da können Medikamente die Tiefe der Phasen nehmen und die Länge.

Ich hatte leider keine andere Wahl als sie zu nehmen. Ich hatte in zwei Jahren ohne Medis mein Leben komplett gegen die Wand gefahren. Ich funktioniere momentan leider nur mit ihnen. Aber es ist okay, wenigstens hilft mir was. Es gibt Leute, denen hilft gar nichts.

Depressionen sind halt mehr als nur Befindlichkeitsstörung - schwere Depressionen sind auch eine Krankheit des Gehirnstoffwechsels (auch wenn das nicht heißt, dass das die alleinige Ursache ist).

Wenn du so leben kannst, ist das ja okay. Ich finde deine Einstellung zum Beruf (hauptsache leben können) auch realistisch und bodenständig.

Aber wenn du es noch überhaupt nicht mit Medikamenten versucht hast, kannst du es ja mal tun. Es steht dir ja frei sie wieder abzusetzen oder nur für einen gewissen Zeitraum zu nehmen. Manchmal muss man auch mehrere Präperate durchprobieren.
Ich meine ja nur: Wenn du schon sämtliche Verhaltensweisen geändert hast, Therapie usw. durch, dann ist das halt noch eine Schraube, an der man drehen kann.
Du musst halt selbst gucken: Ist der Leidensdruck groß genug das zu probieren? Oder ist es okay für dich auf Dauer so weiter zu leben?

Übrigens: Meine Ernährung und meine Werte sind top. Ändert nix an meiner Erkrankung. Genauso wenig wie Sport. Omega3 kann man gut durch z.B. Distelöl und bestimmte Fische zu sich nehmen.

LG
Nachtflug

Achja: Nicht alle Medikamente sind antriebssteigernd. Mein momentanes ist dämpfend - aber nimmt zugleich die depressiven Gefühle weg und fördert meinen Schlaf. Ich habe aber weniger Kraft. Macht aber nix, hauptsache ich kann klar denken, sortiert handeln und am Leben teilnehmen ohne die ganze Zeit depressiv in der Ecke zu liegen.
timmie2002
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Re: Die Depression geht nicht weg, wie weiter vorgehen?

Beitrag von timmie2002 »

ich kann nachtflug nur zustimmen. probieren kann man immer. nur ohne dem, wirs du nie wissen, ob du eine mögliche hilfe und verbesserung verpasst hast.

glg final
riverflow
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Re: Die Depression geht nicht weg, wie weiter vorgehen?

Beitrag von riverflow »

Aber Frau Rossi sagt doch, dass da noch "Baustellen" in ihrem Leben sind (Freunde, Beziehung, Arbeit).
Wahrscheinlich würde das die meisten Menschen belasten.

Warum sollte sie das mit Medikamenten "deckeln"?
Dafür ist doch auch noch Zeit, wenn in ihrem Leben alles in Ordnung ist und sie dann feststellt, dass es ihr noch immer nicht besser geht.

Dass eine Depression eine Gehirnstoffwechselstörung ist, ist übrigens niemals nachgewiesen worden und einige Fachleute kehren inzwischen auch davon ab.
FrauRossi
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Re: Die Depression geht nicht weg, wie weiter vorgehen?

Beitrag von FrauRossi »

Hallo Nachtflug,

Damals wollt ich keine Medikamente weil ich noch eine sehr unbedarfte und naive Vorstellung von Depression hatte und von der Wirkweise der Medis. Ich wollte mein "Bewusstsein" nicht verändern lassen und war / bin? der Meinung dass sich das Gehirn besser erholen kann, oder sich leichter animieren lässt die fehlenden Botenstoffe wieder selbst zu produzieren wenn ich sie nicht künstlich zuführe. Eine teils sehr unbedarfte Vorstellung. Ich weis.

Weiterhin, auch als ich damals nichts anderes geschafft habe als vor mich hinzustarren und zu denken dass ich lieber sterben möchte. War es so dass mir irgendwie klar war, dass ich nicht tot sein will, sondern dass ich mein Leben so nicht will. Es war eine schwere Zeit, aber ich habe sie überstanden.

Ich habe mich viel mit der Krankheit beschäftigt und klar ist eigentlich nur dass nicht besonders viel klar ist. Ich glaube immer noch dass die Gehirnareale die bei Depressiven verändert sind, sich regenerieren lassen oder vielleicht das die Funktion von anderen Bereichen übernommen werden kann. (Ähnlich wie bei Schlaganfallpatienten) (so in einfachen Worten in der Kurzversion dargestellt)

Nein, so wie es derzeit ist möchte ich es nicht auf Dauer weiter erleben. Glaube aber immer noch dass ich weiter Veräbderungen durchleben muss um die Depression zu besiegen. Ich denke dass trotz Therapie und Refektion noch etliche "alte" Verhaltensmuster mich bestimmen.

Ich habe auch in der Tiefe der Depression immer irgendeine Motivation gefunden um weiter zu machen und die nächste "Station" anzugehen. Derzeit gelingt es mir nicht. Aber ich glaube fest dass ich nur den richtigen Ansatz finden muss, damit es wieder vorwärts geht. Ähnlich wie wenn man beim Sport auf etwas hintrainiert, irgebdwann stagniert der Trainingsvortschritt. Legt man dann eine Pause ein, geht es danach wieder besser voran. Wobei dieser Vergleicj es nicht ganz trifft, denn es geht nicht im eigentlichem Sinne um Leistung.

Im Moment frage ich mich wieder ob ich nicht doch weg ziehen sollte, aufs Land. Ich hab das zu Beginn der Depri schon überlegt. Aber damals dann davon abgesehen, weil es ja heißt keine weitreichenden Entscheidung etc. Derzeit frage ich mich wieder intensiv: ich habe nur dieses eine Leben, warum soll ich mich nicht mit einem Ort umgeben der mich mehr berührt?

Es heißt: seine Probleme nimmt man mit.
Das ist richtig, aber ich glaube sagen zu können, dass es sich bei dieser Idee / Wunsch? nicht um eine Flucht handelt. Hier gibt es nichts was mich bindet, warum also nicht?

Aber so ganz aktuell fehlt mir der entscheidende Dreh die Lethargie zu durchbrechen.

Körperlich bin ich übrigens (von den verschliessenen Knien mal abgesehen) ebenfalls top in Ordnung. Das Blutbild ist gut und ich bin ausreichend mit Nähtstoffen versorgt. Der Blutdruck ist etwas niedrig, aber das ist er schon mein Leben lang. Daher kein Problem laut HA.

LG FrauRossi
timmie2002
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Re: Die Depression geht nicht weg, wie weiter vorgehen?

Beitrag von timmie2002 »

riverflow,

keiner hat gesagt, dass sie soll. sie könnte und da sie ja fragt, wie sie weiter vorgehen kann, hat nachtflug diese möglichkeit vorgeschlagen.

sorry, aber lies doch mal genauer, was hier geschrieben wurde. vor allem das eingangsposting von frau rossi.

glg final
FrauRossi
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Re: Die Depression geht nicht weg, wie weiter vorgehen?

Beitrag von FrauRossi »

UPS in der Zwischenzeit sind noch weitere Antworten eingegangen.

Leute Leute nicht zanken bitte :-)

Riverflow, genau da sehe ich einen Teil des Problems, so richtig erklären kann man die Krankheit noch nicht. Manche gehen ja sogar soweit zu sagen, dass es garkeinen Krankheit ist.

Final, ja da gibt es immernoch Baustellen in meinem Leben. Derzeit weiß ich aber nicht wie ich die angehen soll bzw. ob es eben nicht doch Zeit wäre es mal mit einen Medi zu versuchen.

Schlafprobleme habe ich nicht mehr, auch die Konzentrationsschwäche hält sich in Grenzen, auch habe ich nicht besonders viel Gedankenkreisen. Allerdings bin ich ja ausgewiesene Meisterin der Verdrängung.
Daher denke ich: vielleicht doch mal ein Antriebsteigerndes Medi probieren?
Aber ich bin unentschlossen.

Daher bin ich über verschiedene Vorschläge / Ideen / Erfahrungsberichte dankbar.

LG FrauRossi
Nachtflug
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Re: Die Depression geht nicht weg, wie weiter vorgehen?

Beitrag von Nachtflug »

Warum sollten die Medikamente sie daran hindern, an ihren Baustellen zu arbeiten?

Die Medikamente können lediglich die Depression lindern, sie machen aber weder glücklich noch setzen sie einem eine Rosa-Brille auf, sodass man dann mit allem zufrieden ist. Sie können einem im Gegenteil die Kraft dafür geben solche Veränderungen durchzuziehen.

Ich habe übrigens nicht gesagt, dass Depression eine reine Gehirnstoffwechselerkrankung sind, sondern AUCH.
Und ich rede von schweren Depressionen, nicht von leichten bis mittelschweren. Ich rede von wiederkehrenden, schweren Depressionen (wo durchaus auch mal leichte bis mittelschwere auch dabei sein können). Da findet auf jeden Fall auch eine Veränderung im Gehirn statt und in einer schweren Depression sind in gewissen Gehirnarealen dann auch erhebliche Aktivitätveränderungen messbar.
Das erklärt übrigens auch die massiven Denk- und Gedächtnisstörungen, die während so einer Episode auftreten (können). Ich habe mich zum Beispiel ständig verlaufen, hatte Übersprungshandlungen und konnte ein Jahr lang kein Buch mehr lesen.

Ich muss Medikamente nehmen, um überhaupt eine Therapie machen zu können oder meinen Alltag bewältigen zu können. Da FrauRossi davon spricht, dass ihre Depressionen nicht weggehen, sie viel verändert hat, sind Medikamente wirklich eine Option.

Meinst du etwa, bei gesunden Menschen ist alles perfekt? Die haben auch viele Baustellen und müssen immer an sich arbeiten. Die sind aber trotzdem nicht depressiv. Schwere, wiederkehrende Depressionen sind eine ernsthafte Erkrankung, ganz ohne Medikamente sind die so gut wie nie in den Griff zu bekommen. Ist leider so. Das heißt ja nicht, dass man nicht auch an den psychosozialen Dynamiken und seinen Denk- und Verhaltensweisen arbeiten kann, ganz im Gegenteil.

Wenn ich keine Medikamente nehmen würde, wäre ich jetzt ein Sozialfall. Mit 22. Mit kann ich wenigstens ein halbwegs geregeltes Leben führen. Klar, ich habe eine leicht andere Erkrankung, aber rezidivierende Depressionen werden mittlerweile zum Teil (Bsp. Phasenprophylaxe) ähnlich behandelt. Weil sie so zerstörerisch und gefährlich sind.

Wir haben wenigstens die Wahl, es gibt Medikamente die helfen. Andere Menschen haben überhaupt keinen Zugang dazu. Wenn das Medikament hilft, dann steht die verbesserte Lebensqualität im Vordergrund.

@FrauRossi: Also die kognitiven Symptome halten sich bei dir im Moment in Grenzen? Heißt das, du hättest die Kraft etwas zu verändern? Ich bin irgendwie davon ausgegangen, du hättest schwere Symptome (weil du auch von einem schweren Zusammebruch gesprochen hast, den du mal hattest).
Was hindert dich denn im Moment daran, die Veränderungen durchzuziehen?

Ich finde übrigens nicht, dass wir streiten :). Wir diskutieren kontrovers und das hat meiner Meinung nach auch seinen Platz in so einem Forum. Man muss ja nicht immer kuscheln. Ich halte die "Depression ist keine Krankheit"-These übrigens für eine Verharmlosung, die besonders schwer Erkrankte trifft. Für leicht bis mittelschwer Betroffene kann das ja vielleicht noch zutreffen, aber nicht für Leute die zum Teil monate oder jahrelang nichtmal mehr ihren Grundbedürfnissen nachkommen können.

LG
Nachtflug
timmie2002
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Re: Die Depression geht nicht weg, wie weiter vorgehen?

Beitrag von timmie2002 »

ganz bestimmt keinen streit frau rossi. :-)

ich finde sehr stark, wie du selber reflektierst. und ja, es lässt sich bestimmt auchwieder ein ansatz finden, wo du weitermachen kannst und wirst. mir hat irgendjemand vor kurzem geshcrieben, dass ich eine kämpferin bin. du bist das auch. und das sit gut so, weil wir der depri nur so die stirn bieten können.

lass dir die dinge in ruhe durch den kopf gehen. auch die idee, auf's land zu ziehen. ich würde das bei dir ebenfalls nicht als flucht sehen, eher als eine andere möglichkeit, lebensqualität zu gewinnen. ich lebe übrigens auf dem land und fühle mich sehr wohl.

die erfahrung, die nachtflug mit medis gemacht hat, kann ich selber teilen. ich arbeite ja auch an allen möglichen baustellen, weil mir klar ist, dass ich dinge verändern muss, damit ich aus der erkrankung herauskomme. aber ohne mein medikament wäre mir das so gar nicht möglich. hatte ja im vorigen hjahr einen versuch zur reduzierung gemacht, was voll gegen den baum lief. und nee- so schlecht muss es mir nicht gehen!

es wird immer für und wieder bei medikamenten geben und jeder muss für sich selber entscheiden. ich persönlich fände es nur schade, wenn man wegen der einwände nicht wenigstens mal probiert, ob man mit medis nicht besser zurecht kommt.

glg final
riverflow
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Re: Die Depression geht nicht weg, wie weiter vorgehen?

Beitrag von riverflow »

Hallo Frau Rossi,
ja, das Gehirn ist plastisch und lässt sich somit verändern. Es gibt verschiedene Wege, die zu neuroplastischen Veränderungen führen und somit verschiedene Wege, die zu einer Besserung beitragen können.

Hallo Nachtflug,
mit bildgebenden Verfahren ist es möglich, Veränderungen auf dem Bildschirm darzustellen. Was diese nun aber konkret für das Erleben und Verhalten bedeuten, ist oft nicht wirklich messbar, da das Gehirn viel zu komplex ist und da für bestimmte Prozesse verschiedene Areale genutzt werden. So kann eine veränderte Struktur für unterschiedliche Probleme stehen.

Die SSRI bewirken, wenn sie lange gegeben werden im Gehirn eine Art Rückkopplung.
Zu Beginn der Gabe steht mehr Serotonin zwischen den Nervenendungen im synaptischen Spalt zur Verfügung, weil die Wiederaufnahme blockiert wird. Die Serotoninkonzentration erhöht sich also. Darauf reagiert das Gehirn, indem es bei einer längeren Behandlungsdauer die Serotoninproduktion drosselt. Auch die Dichte der Rezeptoren nimmt ab. Somit kann sich der Verlauf der Krankheit langfristig verschlechtern.
Aus diesem Grund würde ich persönlich nur darauf zurückgreifen, wenn auch gar nichts mehr geht.

Natürlich haben auch Menschen, die nicht depressiv sind Probleme oder müssen kritische Ereignisse verarbeiten.
Auf der anderen Seite gibt es aber Risikofaktoren, die sich depressiogen auswirken können. Es ist z. B. gut untersucht, dass viele Arbeitslose depressiv werden (nein, nicht mal eben missgestimmt, sondern richtig depressiv) und dass soziale Beziehungen schützen können...
Nachtflug
Beiträge: 253
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Re: Die Depression geht nicht weg, wie weiter vorgehen?

Beitrag von Nachtflug »

Hallo riverflow
Hallo Nachtflug,
mit bildgebenden Verfahren ist es möglich, Veränderungen auf dem Bildschirm darzustellen. Was diese nun aber konkret für das Erleben und Verhalten bedeuten, ist oft nicht wirklich messbar, da das Gehirn viel zu komplex ist und da für bestimmte Prozesse verschiedene Areale genutzt werden. So kann eine veränderte Struktur für unterschiedliche Probleme stehen.
Dass das Gehirn plastisch ist stimmt, aber trotzdem weiß man, dass Gewisse Hirnareale meistens für gewisse Tätigkeiten zuständig sind (was nicht heißt, dass nicht manchmal auch andere Areale miteinspringen können). Wenn man bei schwer Depressiven eben weiß, dass die Hirnaktivität in bestimmten Bereichen verringert ist und gleichzeitig Gedächtnisstörungen, Antriebsschwäche bei einer großen Zahl von Menschen auftritt, lässt sich da schon eine Korrelation bzw. Wechselwirkung erkennen.
Kann das auch gut aus meinem eigenen erleben bestätigen: Ich hätte gerne was dagegen gemacht, ich wäre gerne aufgestanden und hätte weniger geschlafen, hätte mir gerne Sachen merken können. Ging aber absolut nicht. Hat mein Gehirn sozusagen im Akutzustand nicht hergegeben. Egal wie fest ich wollte und es versucht habe. Da kann man dann auch nicht anfangen zu therapieren in dem Zustand.
Die SSRI bewirken, wenn sie lange gegeben werden im Gehirn eine Art Rückkopplung.
Zu Beginn der Gabe steht mehr Serotonin zwischen den Nervenendungen im synaptischen Spalt zur Verfügung, weil die Wiederaufnahme blockiert wird. Die Serotoninkonzentration erhöht sich also. Darauf reagiert das Gehirn, indem es bei einer längeren Behandlungsdauer die Serotoninproduktion drosselt. Auch die Dichte der Rezeptoren nimmt ab. Somit kann sich der Verlauf der Krankheit langfristig verschlechtern.
Aus diesem Grund würde ich persönlich nur darauf zurückgreifen, wenn auch gar nichts mehr geht.
Finde ich okay die Aussage, aber ich glaube FrauRossi versucht schon seit einigen Jahren ziemlich viel, ist also sicherlich nicht so, dass es der erste Lösungsversuch wäre. Übrigens habe ich auch keine SSRIS empfohlen, sondern generell mit ihrem Arzt über eine Medikation zu sprechen. Ich nehme übrigens kein AD, sondern ein Medikament aus ner Gruppe mit nem viel schlechteren Ruf: ein Neuroleptikum (Quetiapin). Ganz böse und so. Aber mir hats es geholfen in niedriger Dosierung. Steige bald auf ein Antiepileptikum als Rezidivprophylaxe gegen depressive Phasen um (die hypomanen Phasen verschwinden dann hoffentlich auch mit).
Natürlich haben auch Menschen, die nicht depressiv sind Probleme oder müssen kritische Ereignisse verarbeiten.
Auf der anderen Seite gibt es aber Risikofaktoren, die sich depressiogen auswirken können. Es ist z. B. gut untersucht, dass viele Arbeitslose depressiv werden (nein, nicht mal eben missgestimmt, sondern richtig depressiv) und dass soziale Beziehungen schützen können...
Das sind aber eben auch nur Risikofaktoren. Damit die Erkrankung ausbricht, muss man auch eine gewisse Vulnerabilität bzw. seelische Verletzlichkeit mitsichbringen. Es läuft eben beides zusammen, weswegen bei anhaltenden, schwereren depressiven Erkrankungen nicht umsonst auf beiden Ebenen gearbeitet wird.

Wie auch immer, ich will FrauRossi nix aufquatschen, dass muss sie selbst wissen wie hoch ihr Leidensdruck ist und ob sie wirklich noch so viel über Veränderungen im Leben rausholen kann. Aber zumindest besprechen und abwägen kann man es ja mal mit dem Facharzt. Es gibt aber auch immer viele Graustufen zwischen Medikament oder kein Medikament, nämlich niedrige Dosierung und/oder begrenzte Einnahme über einen gewissen Zeitraum.
Für Schwerkranke ist aber eine Dauereinnahme oft das kleinere Übel im Vergleich zu einem vollkommen an die Wand gefahrenen Leben ohne Perspektive, Verlust des sozialen Netzwerks oder gar Suizid. Das war meine Botschaft und ich verteidige da bewusst auch die Medikamente. Nicht für jeden und nicht im Gießkannenprinzip, aber bei länger anhaltenden und schwereren psychischen Störungen auf jeden Fall.

LG
Nachtflug
riverflow
Beiträge: 535
Registriert: 4. Apr 2014, 11:30

Re: Die Depression geht nicht weg, wie weiter vorgehen?

Beitrag von riverflow »

Hallo Nachtflug,

aber SSRI sind doch genau die Medikamente, die gegeben werden, wenn eine Antriebssteigerung gewünscht wird.

Ja, Neuroleptika werden immer häufiger auch bei unipolaren Depressionen eingesetzt - ein Trend, der ja durchaus kontrovers diskutiert wird und in Anbetracht des Gefahrenpotentials dieser Medikamente durchaus hinterfragt werden darf.

Natürlich treten bei Depressionen oft Antriebsprobleme auf - aber die Forschung ist noch nicht so weit, sagen zu können, was genau im Gehirn passiert, wodurch diese Antriebsprobleme bedingt sind, wie sich Hirnveränderungen konkret auf das Erleben und Verhalten auswirken. Jahrzehntelang hat man die Serotoninmanglhypothese vertreten (und das nicht als Ergebnis von "Messungen", sondern nur aufgrund der Tatsache, dass SSRI, die zu einer Erhöhung des Serotonins im syn. Spalt führen, in irgendeiner Form, wenn auch oft unbefriedigend wirken), um jetzt langsam zurückzurudern.

Ich denke nicht, dass Faktoren von innen und außen zusammenkommen müssen - dafür werden zu viele Menschen depressiv, die einsam oder arbeitslos sind.
Ich denke, es stellt sich auch die Frage, ob das Diathese-Stress bzw. Vulnerabilitäts-Stress Modell nicht letztendlich heißt: "Genaues wissen wir nicht, daher nehmen wir erst mal alle möglichen Ursachen an."

Ich finde, in diesem Netzwerk wird sehr, sehr oft zu Medikamenten geraten - das war für mich der Grund, meine Kritik einzuwerfen.
Konform gehe ich aber damit, dass diese bei einer schweren Episode oft vonnöten sind.
Zuletzt geändert von riverflow am 31. Mai 2014, 09:42, insgesamt 1-mal geändert.
Selea

Re: Die Depression geht nicht weg, wie weiter vorgehen?

Beitrag von Selea »

Guten Morgen Frau Rossi. :)

Ich wage es einfach mal, mich mit einem Beitrag in diesen deinigen Thread einzuclincken.

Mein Beitrag ist konstruktiv gemeint, und wenn du meinst es passt nicht, dann vergiss es. Oder Ignore_Taste *lach*

Du hast in den Jahren schon viel über deine Lebensumstände geschrieben, deine Therapien, wie du dich aus schlimmsten Depressionen wieder herausgewurschtelt hast, auch ohne Klinikaufenthalt etc. etc.

Du hast aber auch geschrieben, dass die Trennung von deinem letzten Freund
parallel die Trennung von einer guten Freundin/Nachbarin um die Ecke bedeutet hat.
Jetzt sitzt du in einer wunderschön eingerichteten Wohnung, ein Auto steht vor der Tür, du kleidest dich anders, lebst gesünder, und bist trotzdem kreuzunglücklich.
Dir fehlt was. Liebe und soziales Miteinander. Du hast dir kein soziales Netz aufgebaut, dort wo du lebst.

Wie sollte das auch gehen. Dauernd beruflich an anderen Orten, auch dort schon Kontakte, aber halt flüchtiger, vorübergehender. Da lässt sich nichts aufbauen, was trägt, was hält.

Nun, du schriebst ja schon selber, dass du diese dauernden Einsätze an anderen Orten ätzend findest.
Aber, es war halt der nächste Auftrag, das verdiente Geld war verlockend und auch nötig, um finanziell endlich wieder auf die Ziellinie zu kommen.

Es fehlt dir ganz Wichtiges. Mitmenschliche Wärme, Liebe, Beziehungen, die die Chance haben zu wachsen, sich zu entwickeln.
Schreiben in einem Forum kann das nicht ersetzen. Nein. Leider.

Vielleicht will die derzeitige Depression dir sagen. Mir fehlt immer noch so Vieles.

Wir Menschen sind soziale Wesen und brauchen den Anderen, das Gegenüber, den Menschen.
Nun sind wir alle sehr verschieden. Für den Einen bricht schon die Welt zusammen, wenn der Partner nicht ununterbrochen um ihn herum ist. Oder er oder sie für eine Kur z.B. an einen anderen Ort soll. Da werden auch schon manche Menschen ganz krank.

Dann gibts die anderen. Diejenigen, die etwas mehr Freiraum brauchen um sich.
Warum nicht. Aber auch die brauchen Freundschaft, Nachbarschaft, Liebe, Mitgefühl, gesehen werden und Vieles mehr.

Es sind die Gedanken, die mich bei der Eröffnung deines Threads überkommen haben.
Nimm sie, oder lass sie.

Auf jeden Fall will ich dir nicht zu nahe treten.


Herzlich
Selas
riverflow
Beiträge: 535
Registriert: 4. Apr 2014, 11:30

Re: Die Depression geht nicht weg, wie weiter vorgehen?

Beitrag von riverflow »

Hallo Selas,

ich bin zwar nicht angesprochen, aber genau das habe ich auch gedacht.
Deinen Beitrag finde ich richtig gut.

Auch ich möchte Frau Rossi nicht zu nahe treten. Ich denke einfach, dass das Problem der Vereinzelung sich durch Individualität, Autonomie, die Erfordernis zur Mobilität, Schichtarbeit, veränderte Familienstrukturen in der späten Moderne ganz tief in die Gesellschaft eingegraben hat.
In einem Buch habe ich mal gelesen, dass Menschen sich oft scheuen, intensive Kontakte einzugehen, da gar nicht bekannt ist, wie lange sie an einem Ort verweilen. Daher wägen sie ab, ob es sich "lohnt", Gefühle zu investieren. Letztendlich führt das dazu, dass immer mehr Menschen von Einsamkeit betroffen sind. Eine Entwicklung, die vielen nicht gut tut.
Selea

Re: Die Depression geht nicht weg, wie weiter vorgehen?

Beitrag von Selea »

Frau Rossi,
ich hoffe jetzt sehr, du bist nicht böse, wenn ich den Thread sozusagen ein wenig missbrauche und riverflow direkt antworte.

Hallo riverflow :)
Was du allgemein über die gesellschaftliche Entwicklung geschrieben hast, das teile ich auch.
Es ist die Moderne, die den Menschen soviel abverlangt. Und dann manchmal einsam macht.
Und Einsamkeit erzeugt Depressionen.
Oder, wer dem mainstram nicht entspricht, zieht sich vielleicht immer mehr zurück___und wird depressiv.

In meiner Bad Herrenalb_Therapie, iss schon viele Jahre her, hieß es auch.
Es sind viele einsame Menschen hier in der Klinik.

Das konnte ich damals für mich auch so sehen. Für mich selber.
Meine derzeitigen Einbrüche führe ich auch auf zuviel Alleinesein, mich zuwenig Eingebundenfühlen, Verlusterlebnisse, drohende Verluste......zurück.
Z.B. leide ich sehr darunter, dass sich hier in meinem Haus und Nachbarschaft, nicht so richtig was aufbauen lässt.
Viele der neuen schönen Wohnungen sind sogenannte Durchgangswohnungen.
Alleine hier im Haus bei uns sind in den letzten dreieinhalb Jahren die Hälfte der MitbewohnerInnen wieder weggezogen.
So kann ich nichts aufbauen, es entsteht keine Geborgenheit.
Die ich, wie ich Selas halt gestrickt bin, brauche.
Andere brauchen das vielleicht nicht so.

Nun, ein interessantes Thema.


Soviel off_topic.
Sorry dafür. War nur meins.


Herzlich
Selas
riverflow
Beiträge: 535
Registriert: 4. Apr 2014, 11:30

Re: Die Depression geht nicht weg, wie weiter vorgehen?

Beitrag von riverflow »

Hallo Selas,

ja, ich kenne das auch. Meiner Erfahrung nach sind Bekanntschaften oft nur auf einen begrenzten Zeitraum, in dem man dieselben Erfahrungen teilt (Arbeit, Studium, Elternschaft) begrenzt. Nur selten kristallisieren sich davon Menschen heraus, die einen über einen längeren Zeitabschnitt begleiten.
Ich beobachte es schon bei Kindern, dass es diesen heutzutage viel schwerer fällt, Freundschaften zu schließen. Spontane Verabredungen sind beinahe unmöglich, der Tag ist terminplanmäßig durchstrukturiert.

Hallo Frau Rossi,
auch von mir an dieser Stelle eine Entschuldigung fürs Abschweifen.
Ich wollte einfach darstellen, dass es ein Problem ist, das wirklich sehr viele Menschen, auch sehr viele tolle und nette Menschen betrifft und somit vermeiden, dass Du das Ganze zu sehr auf Dich beziehst.
ndskp01
Beiträge: 2874
Registriert: 9. Feb 2008, 19:34

Re: Die Depression geht nicht weg, wie weiter vorgehen?

Beitrag von ndskp01 »

Liebe Frau Rossi,

ich möchte auf deine Umzugsfrage eingehen, denn Umzüge sind bei mir in den letzten Jahren mit Regelmäßigkeit vorgekommen, von einer Stadt in die nächste. Auf dem Dorf zu wohnen, war bisher keine Option für mich, obwohl es natürlich weniger kostet. Dafür braucht man ein Auto, das ich jetzt nicht habe, ich hatte noch nie eins, kann aber fahren und gelegentlich (sehr selten) benutze ich ein Teilauto.

Ich habe mir von anderen Oftumziehern einmal sagen lassen, dass man mindestens zwei Jahre braucht, um an einem neuen Ort echte Freunde zu finden. Bei mir dauerte es etwas länger. Ich würde sagen, es waren hier drei bis vier Jahre, und ich fühle mich jetzt hier in der kleinen Stadt sehr wohl, möchte nicht mehr weg (auch wenn die Depression noch immer manchmal vorbeischaut). Ich richte meine weiteren Berufsziele daraufhin aus. Aber leider habe ich keinen Lebenspartner, das fehlt mir. Den Alltag teilen. Ich brauche Freunde in der Nähe, die sich auch Zeit für mich nehmen. Ich war in den anderen Städten oft sehr einsam. Hier gefällt mir, dass ich auf der Straße Menschen begegne, die ich kenne, mit denen ich ein bisschen reden kann. Dass ich am Sonntag im Gottesdienst in den Gesichtern ein Lächeln des Wiedererkennens wahrnehme.

Auf dem Dorf ist es schwieriger. Es gibt weniger Menschen, und die Wahrscheinlichkeit, dass darunter welche sind, die genau zu mir passen, ist deshalb kleiner. Es gibt weniger Möglichkeiten fortzugehen. Weniger Sport- oder Musikangebote, weniger Cafes, weniger Events. Dafür aber wohl mehr Vereine. Aber das wichtigste sind meine wenigen guten Freunde, die hier leben und mit denen ich regelmäßig Zeit verbringe.

Das ist jetzt natürlich kein Rat an dich, sind nur Erfahrungen. Hast du eine konkrete Vorstellung, wo es dich hinzieht? Warum ländlicher Raum, willst du eine Landwirtschaft aufziehen, Hühner und Gänse halten und Kartoffeln und Bohnen anbauen? Oder wenigstens einen bunten Garten pflanzen? Brauchst du Platz für deine Motorräder oder ein anderes Bauprojekt? Willst du ein eigenes Haus bauen?

Wie geht es dir jetzt, am Wochenende? Gehst du raus? Hast du dir was vorgenommen?

Liebe Grüße, deine Puk
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