Therapie anfangen, obwohl ADs schon helfen?

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geekgirl
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Registriert: 21. Sep 2013, 17:07

Therapie anfangen, obwohl ADs schon helfen?

Beitrag von geekgirl »

Ich habe vor einer Weile schonmal hier geschrieben und wirklich hilfreiche Ratschlaege bekommen. Danke nochmal dafuer! Leider war mir nach dem letzten Posting fuer eine ganze Weile einfach nur noch nach Zurueckziehen. Sorry, dass ich mich nicht mehr gemeldet habe.

Ich bin seit Anfang Januar in Behandlung bei einer Psychaterin und nehme seitdem ein AD. Nach einigen Dosisanpassungen habe ich jetzt auch das Gefuehl, dass es tatsaechlich wirkt. Meine Konzentration ist wesentlich besser, ich habe mehr Energie, habe einige Hobbies wiederentdeckt und bekomme meinen Job und meinen Alltag geregelt und meistens fuehle ich mich auch stimmungstechnisch besser. Zumindest ab Nachmittags. Schlafen geht meistens auch wieder nahezu normal. Verpeilt und vergesslich bin ich immernoch und zwischendurch gibt es immernoch kurzzeitige "Abstuerze", aber ich hoffe, mit etwas Geduld werden auch die weniger.

Trotzdem merke ich, dass ich mit einigen Dingen nach wie vor Probleme habe, und frage mich, ob es sinnvoll waere, mich doch noch um eine Therapie zu kuemmern. Als es mir tatsaechlich schlecht ging, habe ich mich absolut nicht getraut, nicht daran geglaubt, dass das irgendwas bringen wuerde und hatte auch das Gefuehl, dass ich sowieso nicht in der Lage waere, zu reden. Mittlerweile denke ich, dass es mir gut tun wuerde manchmal ein Gegenueber zum "Gedanken sortieren" zu haben. Auf der anderen Seite habe ich Bedenken, ob die Therapeutin mich nicht gleich nach Hause schickt, oder mich nicht ernst nimmt, weil es mir schon wieder "zu gut" geht.

Meine Psychaterin ist hier wirklich nur fuer Medikamente zustaendig und es sind auch immer so viele Leute nach mir im Wartezimmer, dass ich nicht unnoetig Zeit fuer Fragen in Anspruch nehmen mag und nach 5 Minuten wieder draussen bin. Mit meinen Eltern kann ich zwar reden und sie wissen, dass ich in Behandlung bin, aber eigentlich moechte ich das Thema nicht ueberstrapazieren. Ansonsten weiss nur mein Chef davon (das hat sich unfreiwilligerweise so ergeben) und ich mag auch eigentlich nicht mit Freunden oder meinem Bruder darueber sprechen. Jemand, mit dem ich offen reden kann, ohne Bedenken zu haben, dass derjenige sich Sorgen macht, waere schon irgendwie gut, glaube ich, zumal reden oder auch schreiben darueber, wie es mir geht, mir grundsaetzlich schwer faellt.

Ich merke auch, dass ich wohl die ein oder anderen "schlechten Denkgewohnheiten" habe, glaube, dass andere Menschen mich grundsaetzlich nicht moegen, habe dauernd das Gefuehl, eigentlich nicht gut genug zu sein, fuer das, was ich tue, usw. Besteht da eine Chance, dass sich das durch das AD alleine noch verbessert? Ich glaube, frueher hatte ich diese Probleme zwar vielleicht auch, aber zumindest nicht so ausgepraegt.

Was mich am meisten nervt, ist dass ich immernoch total empfindlich bin, schnell anfange zu weinen, oder zumindest kurz davor bin, und mich immer gleich komplett in Frage gestellt fuehle. Kann eine Therapie bei sowas helfen? Vor allem dabei, dass einem nicht gleich die Traenen kommen, wenn man irgendwas ausdiskutieren moechte?

Ausserdem glaube ich, es waere wirklich gut, wenn mir jemand dabei helfen wuerde, herauszufinden, wie real mein Wunsch ist, aus Japan wegzugehen, doch noch versuchen, zurueck in die Wissenschaft zu gehen, oder ob das einfach nur "weglaufen" ist. Seit diese ganze Deprigeschichte angefangen hat, habe ich sehr haeufig das Gefuehl, hier nicht hinzugehoeren und nicht dazuzugehoeren... nicht in mein Team, meinen Freundeskreis, nicht in meinen Job, nicht in meine Firma, nicht nach Japan, gelegentlich auch gar nicht auf diesen Planeten. Ich bereue Entscheidungen, die ich getroffen habe und frage mich, ob ich damit dauerhaft ungluecklich sein werde, usw. Ich bin mir selbst total unsicher, in wie weit das "Depression" ist, und in wie weit ich tatsaechlich ueber Veraenderungen nachdenken sollte. Denkt ihr, bei sowas kann ein Therapeut helfen?

Prinzipiell kaeme fuer mich eigentlich nur (kognitive) Verhaltenstherapie in Frage. Zum einen, weil die einzige deutsche Therapeutin Verhaltenstherapie macht, und ich denke, dass der kulturelle Hintergrund bei sowas wichtig ist, zum anderen aber auch, weil mir das, was ich bisher darueber gelesen habe, sinnvoll erscheint. Denkt ihr, das waere der richtige Ansatz?

Ist die Wahrscheinlichkeit eines Rueckfalls geringer, wenn man eine Therapie gemacht hat? Sorry fuer die vielen Fragen, aber ich habe ueberhaupt keine Erfahrung mit dem Thema, weiss aber, dass es mir wahnsinnig schwer fallen wuerde, zu einem Erstgespraech hinzugehen und dann zu sagen "Ich glaube, das ist doch nicht so mein Ding". In so fern versuche ich, soviel wie moeglich vorab in Erfahrung zu bringen. Ach ja, falls das wichtig ist - bezahlen muesste ich das hier auf jeden Fall selbst und lange Wartezeiten gibt es grundsaetzlich nicht. Ich wuerde also niemandem einen Platz wegnehmen, der ihn dringend braucht. Das beruhigt auch mein schlechtes Gefuehl hinsichtlich der Frage, ob es in Ordnung ist, noch eine Therapie in Anspruch zu nehmen, ein wenig.
Zuletzt geändert von geekgirl am 27. Mai 2014, 20:15, insgesamt 1-mal geändert.
Salvatore
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Re: Therapie anfangen, obwohl ADs schon helfen?

Beitrag von Salvatore »

Hallo Geekgirl,

ich kann dir nur raten: mach die KVT! Studien konnten zeigen, dass eine Kombination aus Pharmako- und Psychotherapie bei Depressionen am besten und nachhaltigsten wirkt. Auch wenn es dir mit den Tabletten jetzt besser geht, sie behandeln letztlich nur die Symptome. Und sie können dir deine ungünstigen Denkgewohnheiten, die Unsicherheit, das Angegriffen-fühlen, die (Selbst-)Zweifel etc. nicht nehmen.

Ja, ich glaube schon, dass die KVT für dich der richtige Ansatz sein könnte. Und ja, das Rückfallrisiko wird durch eine Therapie gemindert. Probier's und schau, wohin es dich führt!

Alles Gute,
Salvatore
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Instagram: Oddysee@meine_oddyssee
ndskp01
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Re: Therapie anfangen, obwohl ADs schon helfen?

Beitrag von ndskp01 »

Liebe Geekgirl,

vielleicht willst du eine zweite Meinung hören:

Ja, mach unbedingt eine Therapie, wenn das irgendwie möglich ist. Von den Tabletten alleine wirst du nicht gesund, denn es steckt auch ein krankmachender Lebensstil hinter der Depression.

Die Entscheidung für eine Verhaltenstherapie war bisher wohl die beste in meinem ganzen Leben.

Puk
Zarra
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Re: Therapie anfangen, obwohl ADs schon helfen?

Beitrag von Zarra »

Hallo geekgirl,

ich sehe es so, daß Medikamente die physiologische Seite von u.a. Empfindlichkeit beeinflussen können; Denkhaltungen und tiefer Lebenshaltung und ausgefahrene Denkwege können sie nicht verändern.
Ich merke auch, dass ich wohl die ein oder anderen "schlechten Denkgewohnheiten" habe, glaube, dass andere Menschen mich grundsaetzlich nicht moegen, habe dauernd das Gefuehl, eigentlich nicht gut genug zu sein, fuer das, was ich tue, usw. Besteht da eine Chance, dass sich das durch das AD alleine noch verbessert? Ich glaube, frueher hatte ich diese Probleme zwar vielleicht auch, aber zumindest nicht so ausgepraegt.
Ich bin mir selbst total unsicher, in wie weit das "Depression" ist, und in wie weit ich tatsaechlich ueber Veraenderungen nachdenken sollte.
Ich empfinde das beides als die klassische Indikation für Psychotherapie.
Ist die Wahrscheinlichkeit eines Rueckfalls geringer, wenn man eine Therapie gemacht hat?
Ich würde schätzen: Ja.
Auf der anderen Seite habe ich Bedenken, ob die Therapeutin mich nicht gleich nach Hause schickt, oder mich nicht ernst nimmt, weil es mir schon wieder "zu gut" geht.
Das ist unwahrscheinlich. Zumal Du auch noch zeitgleich ein AD einnimmst. Und wenn Du Obiges erzählst, sicher nicht.

Ich kenne aber diese Angst - so ist es nicht!! ... vielleicht auch etwas Typisches ...

Wahrscheinlich ist schon, daß Du sie unsympathisch findest oder oder. Aber das weißt Du erst nach einem Kennenlernen.

Und vielleicht noch: Ja und, wenn sie Dich wegschickt, weißt Du wenigstens Bescheid und hast es zumindest versucht!

LG, Zarra
kormoran
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Re: Therapie anfangen, obwohl ADs schon helfen?

Beitrag von kormoran »

hallo geekgirl,

super, dass das medikament nun doch eindeutig wirkung zeigt. ich freue mich für dich!

ich kann dich nur darin unterstützen, jetzt zusätzlich eine psychotherapie zu machen. die kombination hilft dir am besten nachhaltig aus der depression raus bzw. hilft dir, damit besser umzugehen. all die gedanken und gefühle, die du jetzt äußerst, vom nicht-dazugehören, usw. wo du eigentlich hin willst. wo manche hindernisse her kommen und wie du dich davon verabschieden kannst. dabei kann dir jetzt die therapie helfen. ich wünsche dir, dass die deutsche therapeutin für dich passt - in einer anderen sprache und kultur therapie machen stelle ich mir sehr schwierig vor.

alles gute für dich
kormoranin
 http://www.depressionsliga.de
*** zurück ins leben!
Selea

Re: Therapie anfangen, obwohl ADs schon helfen?

Beitrag von Selea »

Guten Abend liebe geekgirl :)

Schön, einmal wieder von dir zu lesen. Hab ab und an mal daran gedacht, wie es dir so gehen mag, im fernen Japan.

Meine Vorposterinnen haben alle schon gute Dinge geschrieben.

Ein häufiger Therapie_Standard bei Depressionen sind Medikation kombiniert mit einer Psychotherapie.

Magst du vielleicht einmal folgendes Buch lesen?

Laura Smith und Charles Elliot:
Depressionen für Dummies
(So finden Sie weider Freude am Leben)

Hat mal unser Moderator Dr. Niedermeier empfohlen.

https://www.fuer-dummies.de" onclick="window.open(this.href);return false;" onclick="window.open(this.href);return false;

Schön finde ich, dass deine Eltern Bescheid wissen, und "ungewollt" dein Chef.
So musst du nicht eine andere vorgeben, als die, die du derzeit bist.

Kontaktiere diese deutschsprechende Therapeutin. Wasn Glück, dass die direkt vor der Haustür bei dir ist. ;)
Und dann kannst du weitersehen.

Viel Erfolg, viel Glück.


Herzlich
Selas
geekgirl
Beiträge: 23
Registriert: 21. Sep 2013, 17:07

Re: Therapie anfangen, obwohl ADs schon helfen?

Beitrag von geekgirl »

Vielen Dank fuer Eure Antworten! Ihr scheint Euch ja ziemlich einig zu sein. Ich habe mir vorgenommen, dieses Wochenende eine Mail an die Therapeutin zu schreiben und um einen Gespraechstermin zu bitten. Ich hoffe, danach bin ich schlauer...

Letztendlich ist es wohl wirklich das Beste es auf einen Versuch ankommen zu lassen. Ich moechte nicht dauerhaft Medikamente nehmen, und Der letzte "Absturz" dauert trotz AD auch schon wieder laenger, als ich mir das vorgestellt hatte und macht mir gerade ein wenig Angst, weil ich fuer meinen Job funktionieren muss. Das hat zugegebenermassen auch den Anstoss gegeben, das Thema "Therapie" doch noch in Betracht zu ziehen.

@Selas: Danke fuer den Buchtipp! Der Titel klingt nach genau dem Niveau, dass ich mir gerade zutraue. 8-) Ich habe mir vor einer Weile "Feeling Good" von David Burns (dem "Erfinder" der Verhaltenstherapie) bestellt, aber es fehlt gerade ein wenig die Motivation, das durchzuarbeiten.
Selea

Re: Therapie anfangen, obwohl ADs schon helfen?

Beitrag von Selea »

Guten Morgen geekgirl.

Ja, ich finde es ganz o.k. Probier es mal mit dieser Therapeutin aus.
Du musst nix. Kannst und darfst aber.

Du schriebst
Der Titel klingt nach genau dem Niveau, das ich mir gerade zutraue. :)
Dieses Buch ist wirklich klasse, und auf dem ganz neuesten Stand zum Thema Depressionen, die Behandlung, Vorbeugung, Vorsorge etc. etc.
Auch die verschiedenen Therapierichtungen werden gut beschrieben.

Es ist fast ein fröhliches Buch, und wirklich leicht zu lesen.
Ermutigend.

Vielleicht will dir die derzeitige Depression auch etwas sagen. Vielleicht, dass du so nicht weiterleben kannst, dass du vielleicht irgend etwas ändern solltest an deinem aktuellen Leben. ? Vielleicht.

Ich wünsche dir Glück und Erfolg beim Ausstieg aus der Depression.
Und vielleicht lässt du uns ein wenig daran teilhaben.


Herzlich
Selas
hier_und_jetzt
Beiträge: 66
Registriert: 26. Okt 2013, 00:15

Re: Therapie anfangen, obwohl ADs schon helfen?

Beitrag von hier_und_jetzt »

Liebe Geekgirl,

Ich war länger nicht im Forum, und habe mich nun bei meiner "Rückkehr" gefreut zu lesen, dass dir das Medikament hilft.
Ich halte die Therapie auch für eine gute Idee, würde an deiner Stelle aber auch nicht zögern einmal 10 Minuten länger bei der Psychiaterin zu bleiben und auch diese zu fragen, um zu sehen ob sie auch die KVT empfiehlt. Auch wenn sie "nur" Medis verschreibt, so ist sie deine Ärztin und kann dir vielleicht helfen eine Entscheidung zu treffen. Auch hat sie uns gegenüber den Vorteil, dass du sie nicht virtuell sind "richtig" triffst! ;)

Ich bin ja so wie du im fernen Ausland. Mache hier vor Ort eine Therapie mit einer Therapeutin, die nicht aus Deutschland stamm. Allerdings sehe ich den Kulturkreis und die Sprache nicht als Herausforderung. Mir ist es stattdessen wichtig, dass ich auf die Therapeutin menschlich klar komme. Ist aber von Fall zu Fall vermutlich unterschiedlich. Das erwähne ich nur, um dir ein wenig den Druck nehmen. Es ist nicht so, dass es du entweder mit der deutschen Therapeutin loslegst, oder gar keine Therapie machen kannst. Aber ich kann es gut verstehen, dass du es bei ihr zuerst versuchen möchtest! Viel Erfolg dabei...

Um noch eine weitere Sorge von dir an zu sprechen, oft wird empfohlen erst mit Medikamenten anzufangen, und dann, wenn die Symptome etwas nachlassen mit einer Therapie. Auf diese kann man und frau sich halt besser einlassen, wenn ausgeschlafen und nicht mehr ganz so aufgewühlt... in dem Sinne bist du gerade richtig, um die Therapie anzufangen WEIL die ADS helfen! Außerdem wird dich kein guter Therapeut ablehnen, wenn du ihm/ihr schilderst, wie es dir vor der Medikamenten Einnahme ging, nur weil es dir jetzt besser geht.

Ich bin nach dem mühseligen Erklettern eines steilen Depribergs, leicht und zufrieden so an die 3 Monate auf dem Gipfel verweilt um dann wieder böse in den Deprihang zu stürzen... Vielleicht bin ich noch nicht ganz unten aufgeprallt aber ich hänge an einem wackeligen Stein, nicht weit vom Abgrund. gerne würd ich dazu mal eigenen eigenen Thread schreiben... Aber ich weiß noch nicht so recht womit anfangen und wozu... Vielleicht fällt mir noch was ein!

Ich schicke dir jedenfalls eine Umarmung und hoffe, dass du deinen Mut sammelst um die Therapeutin zu kontaktieren.

Bis bald
Pia
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