Psychobetrug und Scharlatanerie: Ich kann nicht mehr

otterchen
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Re: Psychobetrug und Scharlatanerie: Ich kann nicht mehr

Beitrag von otterchen »

Hmja,

ich kann mich aus wütenden Zuständen oft relativ leicht lösen - aber ach, das sagt sich so leicht.
Andere Zustände gibt es, da komme ich nicht heraus, so sehr ich es mir auch wünsche, so sehr ich mich anstrenge.
Ich übertrage das jetzt einfach mal und reime mir zusammen, dass es Dir gerade ebenso geht: es geht einfach nicht.

Da hockst Du also, mit Deiner Wut und Deinem Frust, und was kommt, sind entweder die gleichen Antworten wie bisher (und Chapeau ob Deiner argumentativen Leistungen!) oder aber die Versuche, alles zu glätten, zu relativieren, einzulenken, zu erklären. Dass jemand wütend ist, ist schlecht zu ertragen. Da muss doch was helfen...

Aber nein. Es hilft wohl nichts - außer, dass Du gehört/gelesen wirst. Dass Du verstanden wirst. Dass man Deine Erfahrungen, Gedanken und Gefühle nachvollziehen kann.

Ich lass das einfach mal so stehen. Du hast recht, wütend zu sein.
mein gelerntes Sammelsurium: https://otterchenblog.wordpress.com/
Bigmac1,99

Re: Psychobetrug und Scharlatanerie: Ich kann nicht mehr

Beitrag von Bigmac1,99 »

@malike

Daß ich deine Situation sehr gut verstehen kann, wirst du mir hoffentlich glauben.
Ich denke die Resignation kommt bei mir bald als nächster Schritt, wenn ich die Wut gut genug unterdrückt habe.
Daher kann ich dir leider keine Tipps geben; außer dir sagen, daß ich weiß, wie es sich anfühlt.
Auch in bin gefangen in euren beschriebenen "Losigkeiten". Und das ist ja ein Teufelskreis: wie um etwas bemühen, wenn Kraft und Motivation fehlen? Theoretisch weiß ich auch, was man machen soll, um die Abwärtsspirale aufzuhalten (obwohl: wie weit nach unten ist noch Luft???) Unterstützt durch die durchaus gut gemeinten Ratschläge des Therapeuten, wie z.B. "Sie sollten spazieren gehen.", "Sie sollten unter Leute.". Das ist mir schon alles klar, aber ich kann nicht. Mir fehlen Kraft, Antrieb und vor allem Lust. Und da beginnt die Schwierigkeit für mich. Was in leichteren Phasen vielleicht noch funktioniert, klappt jetzt nicht mehr. Jeder weiß, dass es schon schwierig für einen gesunden Menschen sein kann, sich zu etwas aufzuraffen, zu dem er keine Lust hat. Wie funktioniert das, wenn man also in einer schweren Depression und eben voller dieser "Losigkeiten" steckt?????
Kann ich gut nachempfinden In solchen Zuständen fällt es einem unheimlich schwer, überhaupt irgendwas zu tun. Inzwischen wende ich mich in solchen Phasen an niemanden mehr. (Soviel zu deiner Frage nach vorhandener Unterstützung… Viele meinen es wirklich gut, sind aber nun mal überfordert, das ist leider traurige Tatsache). Weil ich diese Sprüche eben nicht mehr hören kann: daß ich doch unter Leute gehen soll, an die frische Luft, etc. Dann steigt Wut auf… Und Verzweiflung, sich nicht verstanden zu fühlen. Und Schuld und Selbstzweifel, daß einem diese Ratschläge nicht wirklich helfen. Dann bleibt man alleine und fühlt sich elend, aber es ist das geringere Übel im Vergleich zu diesen misslungenen Hilfe- und Kontaktversuche.
Wenn man sich dann aufrafft und ans Telefon setzt, beim 10. Therapeuten anruft und der AB angeht und sagt, daß er/sie auf absehbare keine Kapazitäten hat… Und dann bei einer Psychosomatik anruft, die 10 Monate Wartezeit hat. Zu allerletzt habe ich bei einem Krisen-und Depressionszentrum in meiner Stadt gewandt, die angeblich da sind, um solche Fälle abzufangen. Auch dort wurde mir gesagt, daß sie eine Wartezeit hätten und ich, wenn ich Interesse an einen Platz hätte, jeden Tag um 9 Uhr anrufen sollte um nachzufragen, ob was frei geworden ist.

Als ich auflegte hatte ich einen Heul- und Haßkrampf. Auch wenn es viele hier nicht hören wollen, es ist zum Schreien!

Ich hatte mich in diesem thread schon gefragt, wie es wäre, wenn ich mit einem gebrochenen Bein erstmal zig Einrichtungen abtelefonieren müßte, und dann täglich meine Motivation unter Beweis stellen müßte. Das wäre ein Skandal – aber bei psychisch Kranken kann man das so machen. Die faulen Säcke brauchen nur einen Tritt in den Allerwertesten und genug Leidensdruck, damit sie sich endlich aufraffen, ihrem Leid ein Ende setzen und basta.
Und selbst wenn ich mich zu irgendetwas aufraffe, entsteht leider nicht das vielfach umworbene Gefühl, dass man froh ist, es dann doch gemacht zu haben. Ich empfinde nichts als schön, alles ist nur Anstrengung und keine Freude und ich wünsche mir dann immer nur, schnell wieder nach Hause zu kommen.
Genauso geht es mir. Wenn es mir gelingt, mich aufzuraffen, raus zu gehen, etwas zu erledigen, vielleicht Sport zu machen und uch dennoch nur noch nach Hause heulen möchte. Und das verstecken muß, um mir nicht anhören zu müssen, ich sei selbst dran schuld... Teufelskreis von Traurigkeit und Einsamkeit.

Was in solchen Situationen der Verzweiflung hilft? Tja, wenn irgendjemand das wüßte... Ich weiß nur, was mir definitiv NICHT hilft: Nämlich mit Vorwürfen oder Sprüchen ("warum hältst du so daran fest?", "geh doch mal raus", "natürlich darfst du wütend sein, aber bitte nicht so heftig und nicht so viel", etc.) begegnet zu werden. Das ist das Beste, um die Verzweiflung wachsen zu lassen. Dementsprechend etwas hilfreich vielleicht Verständnis, echtes Verständnis, und Validierung. Dann brauch man auch nicht weiter dagegen kämpfen. Aber das ist leider meist zu viel verlangt.
Antiope
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Re: Psychobetrug und Scharlatanerie: Ich kann nicht mehr

Beitrag von Antiope »

Hallo bigmac,

es geht nicht darum, eine verniedlichende Sprache zu finden. Und ich gebe keine Erlaubnis, und schon gar nicht eine Pseudoerlaubnis.
Für mich ist das eine irgendwie schleichende Unterstellung - wenn ich falsch liege, entschuldige ich mich dafür.

Was ich meinte, war: "du willst es nicht verstehen", "Du kannst dir nicht vorstellen", "Du denkst wohl", ...

Auskotzen oder nicht - das war nicht die Frage. Es war eher die Frage des Absoluten: "alle Psychiater, alle Therapeuten, die Gesellschaft, die Kliniken, ...".

Aber vielleicht habe ich mich in allem getäuscht. Vielleicht hast Du vollkommen recht mit Deiner alles verzehrenden Wut, vielleicht ist es das Beste. Vielleicht ist es wirklich gut, auf die Umwelt draufzuhauen.

Ich bin dagegen einfach nur ein Versager. Und will nicht mehr kämpfen. Mir reicht es wohl.
Zuletzt geändert von Antiope am 20. Mai 2014, 14:23, insgesamt 1-mal geändert.
Bigmac1,99

Re: Psychobetrug und Scharlatanerie: Ich kann nicht mehr

Beitrag von Bigmac1,99 »

@otterchen
ich kann mich aus wütenden Zuständen oft relativ leicht lösen - aber ach, das sagt sich so leicht.
Andere Zustände gibt es, da komme ich nicht heraus, so sehr ich es mir auch wünsche, so sehr ich mich anstrenge.
Ich übertrage das jetzt einfach mal und reime mir zusammen, dass es Dir gerade ebenso geht: es geht einfach nicht.

Da hockst Du also, mit Deiner Wut und Deinem Frust, und was kommt, sind entweder die gleichen Antworten wie bisher (und Chapeau ob Deiner argumentativen Leistungen!) oder aber die Versuche, alles zu glätten, zu relativieren, einzulenken, zu erklären. Dass jemand wütend ist, ist schlecht zu ertragen. Da muss doch was helfen...

Aber nein. Es hilft wohl nichts - außer, dass Du gehört/gelesen wirst. Dass Du verstanden wirst. Dass man Deine Erfahrungen, Gedanken und Gefühle nachvollziehen kann.

Ich lass das einfach mal so stehen. Du hast recht, wütend zu sein.
Wenn du es ehrlich meinst: Danke.
Vielleicht bin ich auch einfach im falschen Forum.
Bigmac1,99

Re: Psychobetrug und Scharlatanerie: Ich kann nicht mehr

Beitrag von Bigmac1,99 »

@DocHolliday
Hallo Bigmac,

mir bist Du zu aufgeladen, ich halte es auch für sinnlos, Deine vielen Unterstellungen geradezurücken,
nichtsdestotrotz wünsche ich Dir alles Gute!

LG
DocHolliday
Genau, mir ist es auch zu anstrengend mit jemand „diskutieren“ zu müssen, dessen Bestreben es ist, meine (evtl. „verkorksten?“) „Unterstellungen“ (!!!) geradezurücken. Das führt zu nix und ist des Psychiaters Job in der Klinik. Also bleibt jeder von uns bei seiner Wahrheit/Wahrnehmung, da wir keinen Weg zueinander finden.
Malike
Beiträge: 13
Registriert: 9. Mär 2014, 09:36

Re: Psychobetrug und Scharlatanerie: Ich kann nicht mehr

Beitrag von Malike »

Hallo bigmac,

ich kann dich und deine Verzweiflung ja nachvollziehen. Und ich kann auch mit deiner (momentanen?) Wut umgehen. Allerdings habe ich das Gefühl, dass deine Wut hier auf die Forumsmitglieder übergreift und das finde ich in dieser Weise nicht gerechtfertigt. Per se solltest du davon ausgehen, dass dir hier niemand etwas böses will, sondern vielleicht hinterfragt, um besser zu verstehen etc. Es macht doch keiner, um dich zu ärgern.

Ich habe das Gefühl, dass du deine Wut nicht auf das Thema kanalisierst, sondern dass es jeder abbekommt, der vielleicht etwas äußert, das dich u.A. in diese Wut getrieben hat. Vielleicht ist es besser, einiges zu ignorieren und nicht darauf einzugehen, um die Wut nicht weiter anschwellen zu lassen? Oder geht es dir besser damit, wenn du es rauslässt? Wahrscheinlich... Aber je mehr du an dich ranlässt, umso wütender wirst du dann....

Es ist schon so, wie Antiope schreibt: "Du-Botschaften" kommen beim Gegenüber nicht gut an und werden oft als Vorwurf gesehen. Die Folge ist dann zumeist, dass abgeblockt wird. Du hast geschrieben, dass du Verständnis möchtest. Das erreicht man aber tatsächlich besser, wenn man z.B. schreibt: "Ich fühle mich missverstanden", "Ich kann nicht damit umgehen, wenn ich Sprüche, wie... höre. Das macht mich noch wütender, weil...."
Ja, warum eigentlich? Warum heizt hier so manches deine Wut noch an? Was erwartest du von den anderen? Was sollen sie dir antworten?

Ich hoffe, meine Antwort macht dich jetzt nicht noch wütender ;)

LG
Malike
Bigmac1,99

Re: Psychobetrug und Scharlatanerie: Ich kann nicht mehr

Beitrag von Bigmac1,99 »

@Malike
Liebe Malike,
ich fand Deinen Beitrag übrigens sehr gut formuliert.
LG, Zarra
Ich auch!
Malike
Beiträge: 13
Registriert: 9. Mär 2014, 09:36

Re: Psychobetrug und Scharlatanerie: Ich kann nicht mehr

Beitrag von Malike »

Ich danke dir bigmac :-)
otterchen
Beiträge: 5118
Registriert: 3. Jan 2007, 10:43

Re: Psychobetrug und Scharlatanerie: Ich kann nicht mehr

Beitrag von otterchen »

Hallo Bigmac,

natürlich meine ich es ehrlich - wer lügt, muss sich viel zu viel merken ;-)

Da Du von Neurasthenie geschrieben hast...
Neurasthenie -> Chronisches Fatigue-Syndrom -> Myalgische Enzephalomyelitis

Link: http://www.genuk-ev.de/cfs.html

Auszug:
In Deutschland dagegen werden die Ergebnisse der internationalen Forschung kaum zur Kenntnis genommen und fließen nicht in die ärztlichen Fortbildungen ein. Dies führt dazu, dass in den meisten Fällen ME/CFS als eine relativ harmlose psychische Erkrankung fehlinterpretiert wird, die mit Ausdauertraining und kognitiver Verhaltenstherapie gut behandelbar sei. Tatsächlich zeigen immer mehr Studien, dass diese Maßnahmen bei ME/CFS im Gegensatz zu psychisch bedingten Erschöpfungszuständen kontraindiziert sind und den Betroffenen in hohem Maße schaden können.
Die WHO klassifiziert ME/CFS im ICD-10 Code unter G93.3 als neurologische Erkrankung. Länder, die ME/CFS als psychiatrische oder psychosomatische Erkrankung einordnen, verstoßen damit gegen die Klassifikation der WHO.
Dies passiert in Deutschland. Die Ärztekammern halten sich nicht an die Einordnung von ME/CFS als neurologische Krankheit und stellen dabei in Frage, ob ME/CFS überhaupt eine organische Krankheit ist. Die zugrunde liegenden Richtlinien und Dokumente wurden seit Jahren nicht mehr überarbeitet und entsprechen nicht mehr dem neuesten Stand der Wissenschaft.
Interessant, nicht wahr?


Ich will damit nicht sagen, dass Du genau das hast, aber das zeigt doch, wie es um Diagnosen & co. bestellt ist.
mein gelerntes Sammelsurium: https://otterchenblog.wordpress.com/
Bigmac1,99

Re: Psychobetrug und Scharlatanerie: Ich kann nicht mehr

Beitrag von Bigmac1,99 »

@Malike
ich kann dich und deine Verzweiflung ja nachvollziehen. Und ich kann auch mit deiner (momentanen?) Wut umgehen. Allerdings habe ich das Gefühl, dass deine Wut hier auf die Forumsmitglieder übergreift und das finde ich in dieser Weise nicht gerechtfertigt. Per se solltest du davon ausgehen, dass dir hier niemand etwas böses will, sondern vielleicht hinterfragt, um besser zu verstehen etc. Es macht doch keiner, um dich zu ärgern.
Das unterstelle ich niemanden.
Ich habe das Gefühl, dass du deine Wut nicht auf das Thema kanalisierst, sondern dass es jeder abbekommt, der vielleicht etwas äußert, das dich u.A. in diese Wut getrieben hat.
Nicht auf das Thema kanalisiere??? Und ja, jede Infragestellung meiner Erfahrung und Wiederholung dummer Sprüche ärgert mich tatsächlich. Dich ärgert es vielleicht nicht, wenn du täglich hörst, du solltest an die frische Luft gehen und deine Depression loslassen. Hut ab, ich kann das nicht.
vielleicht ist es besser, einiges zu ignorieren und nicht darauf einzugehen, um die Wut nicht weiter anschwellen zu lassen? Oder geht es dir besser damit, wenn du es rauslässt? Wahrscheinlich... Aber je mehr du an dich ranlässt, umso wütender wirst du dann....
Wenn ich es rauslasse, kriege ich eins auf den Deckel, wie hier auch schon diplomatisch geschehen. Aber wahrscheinlich ist das auch nur meine verrückte Wahrnehmung. Also vielleicht doch besser ignorieren, runterschlucken und an Sonnenschein denken.

Ich habe mehrfach erklärt, was und wie es mich ärgert (zum letzen Mal, offensichtlich kann ich mich nicht klar ausdrücken):
... durch ein „Standardprogramm“ in Kliniken durchlaufen zu müssen, das nicht ansprechen zu dürfen, weil mir dann mangelnde Kooperation unterstellt wird;
... meinen Ärger darüber, daß Psychiater nicht ehrlich sagen können, daß sie vielleicht nicht weiterwissen oder ihre Klinik nicht das richtige Angebot ist, sondern ich dazu gezwungen werde (möchte ich keinen Entlassungsbericht, der meine „negative“ Haltung als Grund ausbleibenden Erfolgs beschreibt) bis zum Ende der KÜ an Atmen und Malen teilzunehmen.
... daß Alltags- oder VHS-Aktivitäten als „Therapie“ verklärt werden (Basteln heißt dann „Ergo“, Fahrradfahren ist „medizinische Trainingstherapie“, Spieleabende sind „Trainings sozialer Kompetenzen“, Pflanzengießen sind „Gartentherapie“) – und ich mich als Patientin vera… und betrogen fühle.

Nochmal: Ich kann damit umgehen, daß man momentan nicht weiß, oder man kein Angebot für chronische Depression hat, usw. Ich kann nicht damit umgehen, daß das verschwiegen wird und stattdessen als meine Schuld dargestellt wird.

Was ist daran so schwer zu verstehen? Warum ist das so schwer nachvollziehbar? Warum müssen so viele (auch in diesem Forum) das ganz schnell relativieren und darauf hinweisen, daß man „sich auch drauf einlassen muß“ auf die „Therapien“, daß es natürlich nicht funktioniert, wenn man „sich auf die Hinterbeine stellt“?

Und ich bin wütend auf mich. Weil ich depressiv bin. Und auf diese sch.Krankheit. Und darauf, daß man noch so wenig über die Krankheit weiß und die „Therapien“ (also meist Alltagsaktivitäten im stationären Rahmen unter medizinischer Betreuung) als „Behandlung“ verkauft werden. Und daß das alles nichtmal so gesagt werden darf.

Wir haben im Grunde alle keine Ahnung, und das muß man verdammt nochmal so sagen dürfen, und nicht sämtliche Patienten, egal ob Zwangs-, Angst- oder Depressionspatienten zu den schon erwähnten Maßnahmen zwingen unter Androhung von Schuldzuweisungen, sollten sie nicht dankbar mitmachen und Erleichterung verspüren.
Also muß sich jeder durchwurschteln und hoffen, irgendwie einen Weg aus der Misere zu finden. Sei es durch Aromatherpie, Basteln oder ADs. Und hoffen, daß man nicht zu den chronifizierten Fällen gehört, die frühverrentet werden.
Es ist schon so, wie Antiope schreibt: "Du-Botschaften" kommen beim Gegenüber nicht gut an und werden oft als Vorwurf gesehen. Die Folge ist dann zumeist, dass abgeblockt wird. Du hast geschrieben, dass du Verständnis möchtest. Das erreicht man aber tatsächlich besser, wenn man z.B. schreibt: "Ich fühle mich missverstanden", "Ich kann nicht damit umgehen, wenn ich Sprüche, wie... höre. Das macht mich noch wütender, weil...."
Das habe ich alles geschrieben, aber offensichtlich nicht deutlich genug.
Ja, warum eigentlich? Warum heizt hier so manches deine Wut noch an? Was erwartest du von den anderen? Was sollen sie dir antworten?
Ich erwarte nichts. Oder ich erwarte, gefragt zu werden, was das mit mir zu tun hat, warum ich denn nochmal in eine Klinik gegangen bin und warum ich nicht die Entscheidung treffe, nicht mehr wütend zu sein. Und wenn ich dann vor Verzweiflung nur noch schreien möchte erwarte ich von meinem Gegenüber die Anmerkung, daß das jetzt zu viel ist und mich gefälligst nicht so auskotzen soll. *Kopf gegen die Wand schlagend*
Ich hoffe, meine Antwort macht dich jetzt nicht noch wütender.
Nein, nur hoffnungsloser, daß ich mich offensichtlich nicht mitteilen kann.
Antiope
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Registriert: 10. Jan 2011, 21:38

Re: Psychobetrug und Scharlatanerie: Ich kann nicht mehr

Beitrag von Antiope »

Nicht "nicht auskotzen", sondern den Ärger gegen Mitglieder dieses Forums richten.
Die Wut kann ich verstehen, aber ich mag nicht in den Strudel hineingezogen werden, dadurch, dass die wütenden Verallgemeinerungen immer härter werden, dadurch, dass mir Gesagtes unterstellt wird, dadurch, dass alles, was geschrieben wurde, gegen die Personen selbst gewendet wurde.

Ich habe nicht gesagt, es ist zu viel, sondern MIR ist es zuviel.

Ich hatte Dir am Anfang ernstgemeinte Fragen gestellt. Keine Antwort darauf.
Zuletzt geändert von Antiope am 20. Mai 2014, 15:23, insgesamt 1-mal geändert.
Zarra
Beiträge: 5734
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Re: Psychobetrug und Scharlatanerie: Ich kann nicht mehr

Beitrag von Zarra »

Hi Ihr,

also ... ich wollte mich hier im Forum heute nicht rumtreiben (meine Sache) ... es scheint mich aber doch etwas persönlich irgendwie "notwendig" zu beschäftigen hinsichtlich dieses Threads ... ... und ich habe inzwischen auch auf vermutlich leicht zufällig rausgepickte Sachen (sozusagen Konzept-)Antworten geschrieben, ziemlich durcheinander, so daß ich mich teilweise fragen muß, was das bringen soll, auf was ich hinaus will ... und ich muß jetzt einfach an gute Therapieerinnerungen (da gab's ja auch eine z.T. intensive Gruppentherapie mit durchaus auch mal Heftigem) denken und was uns da jetzt (gute, erfahrene) Therapeuten "geraten", vorgeschlagen hätten; vermutlich: Erst mal was anderes tun. Denn die strukturierenden und leitenden Therapeuten haben wir hier nicht. Nein, Bigmac, nicht die Probleme vergraben! (Ich seh' Deine Wut-"Krallen" schon ;) ) Nur abkühlen. Und das hat auch nichts mit den von Dir benannten Strukturaktivitäten zu tun. ... und in ein paar Stunden oder morgen nochmals mit etwas Abstand draufschauen - zumindest ich mache das jetzt. Bis dann!

Zarra
Malike
Beiträge: 13
Registriert: 9. Mär 2014, 09:36

Re: Psychobetrug und Scharlatanerie: Ich kann nicht mehr

Beitrag von Malike »

Hallo bigmac,

ich finde, dass du dich klar ausdrückst. Das zeigt sich schon daran, dass ich dich doch verstehe und deine Aussagen ja auch nachvollziehen kann. Ich habe nur versucht, einen Weg zu finden, auf welche Weise du vielleicht mehr erreichst oder die anderen nicht so abblocken. Keine Ahnung - vielleicht sollte ich mich da nicht einmischen.

Du wirst sicher mehr negative Erfahrungen gemacht haben als ich. Da ich mich, auch aus Angst vor dem nicht verstanden werden, in solchen Phasen fast komplett zurückziehe, bekomme ich entsprechend auch wenig gut gemeinte Ratschläge.

Ich werde auch manchmal wütend, wenn ich jemanden meine Situation schildere, z.B. dass ich total schlapp und kraftlos bin und mir dann vorgeschlagen wird, dass ich mal Sport treiben soll. Hallo?! Mit Beinen aus Wackelpudding? Wütend macht mich daran, dass man mir anscheinend nicht glaubt, dass es derzeit nicht ansatzweise möglich ist.

Wenn ich dann aber darüber nachdenke, erscheint es mir verständlich, dass die Leute teilweise so reagieren. Selbst wenn sie sich näher mit der Krankheit und den Symptomen beschäftigen, sind diese Worte, die sie lesen, nicht mit Leben (und Leiden) gefüllt. Wie sollen sie es auch nachvollziehen können? Sie kennen es nicht und leiten dann wahrscheinlich Dinge ab, die ihnen helfen, wenn sie mal schlechte Tage haben.
Das habe ich wirklich schmerzlich erfahren müssen: sie können es wirklich nicht nachempfinden.

Nun sollten es Ärzte, Therapeuten etc. natürlich besser wissen, aber letztlich ist alles auch "nur" angelesen, ohne selbst die Erfahrung gemacht zu haben (zumindest wird es bei den meisten doch so sein?!)
Aber ich gebe dir recht: ein "Ich kann Ihnen nicht weiterhelfen" ist besser/ ehrlicher als z.B. Aussagen meiner damaligen entzückenden Therapeutin oder deine zahlreichen Erfahrungen.

Ich vermute mal, dass du anscheinend so viel in dieser Richtung erlebt hast, dass das Fass irgendwann übergelaufen ist. (Auslöser die Klinik ohne Psychotherapie? Der Hammer übrigens!).

Das Problem ist, dass wir das (Gesundheits-)System leider nicht ändern können... Oder hättest du da eine Idee?

Ich finde dein Eingangsposting anregend (wenn es mich auch etwas frustriert...) und werde es mal mit meinem Psychotherapeuten besprechen. Mal schauen, was er so dazu sagt ;)

Gibt es irgendwas, das dich ein bisschen von der Wut ablenkt? Sie ein bisschen runterschraubt?

Gerne würde ich dir etwas Hoffnung schicken, aber da bin ich gerade wohl die Falsche ;)

LG
Malike
Bigmac1,99

Re: Psychobetrug und Scharlatanerie: Ich kann nicht mehr

Beitrag von Bigmac1,99 »

@antiope
Nicht "nicht auskotzen", sondern den Ärger gegen Mitglieder dieses Forums richten.
Die Wut kann ich verstehen, aber ich mag nicht in den Strudel hineingezogen werden, dadurch, dass die wütenden Verallgemeinerungen immer härter werden, dadurch, dass mir Gesagtes unterstellt wird, dadurch, dass alles, was geschrieben wurde, gegen die Personen selbst gewendet wurde.

Ich habe nicht gesagt, es ist zu viel, sondern MIR ist es zuviel.

Ich hatte Dir am Anfang ernstgemeinte Fragen gestellt. Keine Antwort darauf.
Bevor du mir weiteres unterstellst: Auf deine, ich nennen es mal "Anregung", wie ich mir eine Therapie vorstelle, bin ich ein paar posts weiter, wenn nicht direkt an dich gerichtet, eingegangen. Aber vielleicht war es dir zuviel, es zu lesen. Und mir ist es zuviel, das zu wiederholen.

Allerdings würde mich wiederrum interessieren, wie du die eine erfolgreiche Therapie vorstellst, was dir helfen würde. Wie sollte eine Hilfe aussehen, wie sollte deine Depression geheilt werden, wenn dies bisher offenbar noch nicht geschehen ist? Und warum du dies noch nicht getan hast und stattdessen an deiner Krankheit festzuhalten scheinst und dich in diesem Forum treibst.
Bigmac1,99

Re: Psychobetrug und Scharlatanerie: Ich kann nicht mehr

Beitrag von Bigmac1,99 »

Hallo Malike,
Hallo bigmac,

ich finde, dass du dich klar ausdrückst. Das zeigt sich schon daran, dass ich dich doch verstehe und deine Aussagen ja auch nachvollziehen kann. Ich habe nur versucht, einen Weg zu finden, auf welche Weise du vielleicht mehr erreichst oder die anderen nicht so abblocken. Keine Ahnung - vielleicht sollte ich mich da nicht einmischen.

Du wirst sicher mehr negative Erfahrungen gemacht haben als ich. Da ich mich, auch aus Angst vor dem nicht verstanden werden, in solchen Phasen fast komplett zurückziehe, bekomme ich entsprechend auch wenig gut gemeinte Ratschläge.

Ich werde auch manchmal wütend, wenn ich jemanden meine Situation schildere, z.B. dass ich total schlapp und kraftlos bin und mir dann vorgeschlagen wird, dass ich mal Sport treiben soll. Hallo?! Mit Beinen aus Wackelpudding? Wütend macht mich daran, dass man mir anscheinend nicht glaubt, dass es derzeit nicht ansatzweise möglich ist.

Wenn ich dann aber darüber nachdenke, erscheint es mir verständlich, dass die Leute teilweise so reagieren. Selbst wenn sie sich näher mit der Krankheit und den Symptomen beschäftigen, sind diese Worte, die sie lesen, nicht mit Leben (und Leiden) gefüllt. Wie sollen sie es auch nachvollziehen können? Sie kennen es nicht und leiten dann wahrscheinlich Dinge ab, die ihnen helfen, wenn sie mal schlechte Tage haben.
Das habe ich wirklich schmerzlich erfahren müssen: sie können es wirklich nicht nachempfinden.

Nun sollten es Ärzte, Therapeuten etc. natürlich besser wissen, aber letztlich ist alles auch "nur" angelesen, ohne selbst die Erfahrung gemacht zu haben (zumindest wird es bei den meisten doch so sein?!)
Aber ich gebe dir recht: ein "Ich kann Ihnen nicht weiterhelfen" ist besser/ ehrlicher als z.B. Aussagen meiner damaligen entzückenden Therapeutin oder deine zahlreichen Erfahrungen.

Ich vermute mal, dass du anscheinend so viel in dieser Richtung erlebt hast, dass das Fass irgendwann übergelaufen ist. (Auslöser die Klinik ohne Psychotherapie? Der Hammer übrigens!).

Das Problem ist, dass wir das (Gesundheits-)System leider nicht ändern können... Oder hättest du da eine Idee?

Ich finde dein Eingangsposting anregend (wenn es mich auch etwas frustriert...) und werde es mal mit meinem Psychotherapeuten besprechen. Mal schauen, was er so dazu sagt ;)

Gibt es irgendwas, das dich ein bisschen von der Wut ablenkt? Sie ein bisschen runterschraubt?

Gerne würde ich dir etwas Hoffnung schicken, aber da bin ich gerade wohl die Falsche ;)

LG
Malike
Tja, ich glaube Depressive wissen zum Teil gut, warum sie sich in schwierigen Phasen zurückziehen...
Das hilft auch nicht wirklich und macht einsam, aber es ist eine Art Schadensbegrenzung, auf die ich auch zu meinem Schutz oft zurückgreife.

Natürlich kann ich oder du oder wir das Gesundheitssystem nicht ändern, aber es macht mich krank, vom selbigen dazu gedrängt zu werden, zu schlucken, zu schweigen, Mißstände abzustreiten und immer wieder die Schuld (oder Verantwortung, oder wie auch immer du es nennen willst) dem Patienten zuzuschieben. Also nichtmal offen darüber reden können, sich nicht mal empören dürfen, seinen kritischen Verstand ausschalten zu müssen, weil das dann sofort diagnosebestätigend ist. Oder einen eine weitere F-Diagnose einbringt. (Natürlich wird dann vom mündigen Patienten geschwafelt, was sich darin äußert, daß die Patienten einen Sprecher wählen dürfen und zwischen Malen/Ton/Seidenmalerei wählen dürfen).

Daß du mein Eingangspost mit deinem Therapeuten besprichst.... ich weiß ehrlich gesagt nicht, was das bringen soll. Auf der anderen Seite, wenn du es eher als die Meinung eines "anderen Verrückten" statt deiner zeigst, bist du auch vor den üblichen Disqualifizierungen als Antwort geschützt. Und ich höre ja nicht mit :-)

Ich lege mich jetzt hin, weil ich außer Heulen derzeit nichts Besseres tun kann; auch wenn ich vor Wut wahrscheinlich nicht schlafen kann. *Kopf gegen die Wand schlagend*

Dir wünsche ich alles Gute, daß du deinen Weg findest.
LG,
Bigmac
Bigmac1,99

Re: Psychobetrug und Scharlatanerie: Ich kann nicht mehr

Beitrag von Bigmac1,99 »

@Zarra
Gute Besserung, Zarra
Malike
Beiträge: 13
Registriert: 9. Mär 2014, 09:36

Re: Psychobetrug und Scharlatanerie: Ich kann nicht mehr

Beitrag von Malike »

Hallo bigmac,

ich war gerade bei meinem Therapeuten, aber wir waren an anderen Dingen hängengeblieben, sodass ich das nicht zur Sprache brachte.
Ich möchte den Grundgedanken aber auf jeden Fall nochmal ansprechen, da ich ja auch denke, dass mir irgendwie nicht geholfen werden kann.

Mein Therapeut gehört nun zum Glück nicht zu der Sorte, der solche negativen Dinge raushaut, und ich weiß auch, dass er sich kritisch damit auseinandersetzen wird. Letztlich komme ich in der Therapie nicht unbedingt weiter, aber ich fühle mich dort gut aufgehoben, weil ich das Gefühl habe, akzeptiert und angenommen zu werden. Und das finde ich, aufgrund der angesprochenen Probleme, schon eine Menge wert.

Das mag sich für dich vielleicht komisch anhören, aber ich würde gerne mal wieder so richtig heulen können. Zur Zeit ist an Gefühlen eher alles lahmgelegt :-(

Nun werde ich mich auch nur noch ablegen können....

Dir wünsche ich auch alles Gute!

LG
Malike
DocHolliday
Beiträge: 289
Registriert: 12. Jan 2014, 21:22

Re: Psychobetrug und Scharlatanerie: Ich kann nicht mehr

Beitrag von DocHolliday »

Hallo Bigmac,

jetzt ist mir doch noch ein guter Einfall gekommen.

Schreibe doch ein Buch über Deine Erlebnisse, wortgewaltig bist Du ja, eine Meinung und vielfältige Erfahrungen hast Du auch, was liegt da näher. Den Titel hast Du ja schon. Bischen mehr Struktur und ein Verlag würde noch fehlen.

LG
DocHolliday
...besser ein Onkel, der was mitbringt, als ne Tante die Klavier spielt.
Seele068
Beiträge: 16
Registriert: 13. Mai 2014, 12:00

Re: Psychobetrug und Scharlatanerie: Ich kann nicht mehr

Beitrag von Seele068 »

Hallo liebe bicmac
jetzt hab ich hier komplett mitgelesen , jetzt gebe ich hier auch einen kurzen Kommentar ab.
Ich gebe keine Ratschläge, denn wie heißt es so schön, auch Ratschläge sind im Endeffekt Schläge.
Deine Wut in Deiner Verzweiflung kann ich sehr gut verstehen. Wenn man Sch... kotzen muss, dann kotzt man sie halt auch mal.
Egal ob nun eine Symphonie, oder wie bei Dir halt ein Donnerwetter dabei heraus kommt.
Aber wenn ich Deine wütenden Aspekte so durch lese, merke ich,da steckt mehr dahinter ( mein Gefühl).
Ist es wirklich nur der Hass, auf diese Sch..Krankheit ?
Ist es wirklich nur Hass , den Du auf Dich hast ?
Klaro, man kann natürlich jetzt auch den Hass auf die Kliniken und das gesamte Gesundheitssystem noch ausweiten .
Ich merke, in Dir steckt viel mehr Traurigkeit als Wut. Traurigkeit auch darüber, das man Dir einfach nicht helfen will!
Ich glaube, das hier sicher , mich eingeschlossen , noch mehr Leute wütend sind, weil sie sich einfach im Stich gelassen fühlen.
Depressionen sind wirklich eine sch..Krankheit !
Was kann man tun, wie kann oder könnte man Dir helfen ?
Mit Basteln und Körbchen flechten garantiert nicht.
Wenn Ärzte über " Eigenverantwortung " sprechen, so denke ich mal, das der Patient einfach mal genauer hinschauen soll, wo das eigentliche Problem liegt.
Ich selber bin seit klein auf depressiv, habe auch schon einige Wege mit Kliniken und VT hinter mir.
Auch ich war so wütend, wie Du.
Aber es hat mir im Leben nur ein Satz eines sehr guten Freundes , den ich damals fast um Hilfe angefleht habe , geholfen
Dusch mich, aber mach mich bitte nicht nass !
Lasse Dir helfen, nimm die Hände, die man Dir reicht entgegen . Mach nicht zu, sondern versuche das Problem zu lösen, das wirklich dahinter steckt.
Du darfst mich gerne anschreiben, wenn Du wissen willst, was ich meine, aber ich denke , Du wirst es auch so verstehen.
Ich wünsche Dir einen tröstenden Schlaf und grüsse Dich lieb
Die Seele
Bigmac1,99

Re: Psychobetrug und Scharlatanerie: Ich kann nicht mehr

Beitrag von Bigmac1,99 »

Liebe Susanne,
HAllo Bigmac,
ich finde es gut, dass Du es gesagt hast, Deinem Unmut Luft gemacht hast - und ja auch einige Bestätigung erfahren hast! Du bist also nicht ganz alleine mit Deiner Wut!
Ich fühlte und fühle mich bestätigt durch Deine Worte und kann diese bekräftigen! Danke!

Aber, wenn Du Kraft hast, dann engagiere Dich doch in einem Verein oder werde anderweitig in Sachen
Aufklärung tätig!? So findet vielleicht Veränderung statt?!

LG,
Susanne
Weißt du, was es (auch) so schwierig macht? Daß man bis auf einige Ausnahmen wie dir (und ein paar, die ich persönlich bei der Freisetzung kreativer Potentiale und Ressourcenaktivierung durch die Arbeit mit Speckstein in Kliniken kennengelernt habe) alleine ist. Selbst hier, in diesem Forum ist mir mächtig Gegenwind um die Ohren geflogen: Daß Entspannung und Bewegung einigen hilft, daß Basteln und "Kunsttherapie" ganz verschiedene Sachen sind, daß die "eigene Mitarbeit" einen ganz wesentlichen Teil des Erfolgs ausmacht usw usw. - ich denke, die Sprüche sind bekannt.
Und das von Menschen, die zum größten Teil angeblich davon betroffen sind und bereits 3,4,5 Klinikaufenthalte hinter sich haben. Nach dem Motto (Glauben?): Mehr desgleichen wird's schon richten, wenn ich nur die "richtige" Einstellung dazu habe.

Ich fand es sehr anstrengend, mich hier sooft "erklären" zu müssen - wobei dann letzendlich oft doch gesagt wird, daß die aktuellen Angebote eher für Neuerkrankte sein und letzendlich jeder selbst suchen und wissen müsse, was einem guttut.

Zum letzen Mal: Ich sage nicht, daß die aktuellen (insb. stationären) Angebote niemandem helfen. Einigen helfen sie durchaus. Viele aber, und dazu zähle ich, fallen durchs Raster. Vor allem die, die nicht mal erschöpft sind und mal Abstand von Familie und Beruf brauchen, um in netter Atmosphäre, bei Nordic Walking, Tanzen und Atmen "zu sich zu kommen". Das ist alles schön und gut. Und klar, den meisten geht es nach 5-6 Wochen in so einer Klinik einfach durch die Erholung kurzfristig besser.
Ohne daß sich irgendwas in deren psychischen Strukturen wirklich geändert hätte.

Das ist aber nun mal kein wirkliches, gezieltes therapeutisches Angebot für schwere Angststörungen, Depressionen, Zwangsstörungen, oder Traumata. Dann sitzt man mit schwer Traumatisierten und Eßgestörten auf der Matte bei der Rückengymnastik und würde lachen, wenn es nicht so traurig wäre. Dann geht man morgens gemeinsam zu TaiChi, macht nachmittags gemeinsam Nordic Walking, dann läuft man schweigend durch den Wald ("meditatives Wandern"), legt noch ne Massage zwischendurch ein (obwohl man keine somatischen Beschwerden hat, aber Physio ist ja Teil des Angebots und will abgerechnet werden, also her mit dem Wellnessangebot - ach ist das anstrengend hier!) und spielt abends Romme - (oh ja, volles Programm!! Schließlich ist man ja nicht zum Spaß da, sondern um harrrrrt an sich zu arbeiten. Und das betonen Patienten gerne, daß es ja "voll hart" ist - vermutlich um nicht den Eindruck zu erwecken, daß sie diese Auszeit richtig genießen.)

Nicht nur "Gießkannenprinzip", wie du sagst (natürlich machen nicht alles das gleiche, nein! Entschuldige, daß ich wieder so verallgemeinere: Manche gehen zur Maltherapie, andere stattdessen nur zum Trommeln; bei einigen steht PMR als Entspannungsmethode, bei anderen Atemtherapie; bei einigen Nordic Walking, bei anderen stattdessen Wandern) - das hat jweweils einen total unterschiedlichen therpeutischen Effekt, und wird individuell auf den jeweiligen Patienten und seine Krankheit zugeschnitten.

Es wird auch unterstellt (und hier finde ich mich am meisten betrogen) daß all diese Aktivitäten irgendwas mit der Behandlung bereits genannter Krankheiten zu tun hat. Und DAS ist eine Schweinerei, daß solche schweren Fälle aufgenommen werden, als würde man sie auch tatsächlich behandeln. Und wenn sich nichts bessert, oder man unglücklich mit dem "Therapieplan" ist, weil er das Grundlegende und die eigentliche Problematik über einen Wellneneffekt nicht berührt und man sich unverstanden und verar****t fühlt, und nicht weiter weiß ... denn wenn das stationäre Therapie ist... was bleibt einem dann noch übrig?

Und wenn sich dann Psychiater in Talkshows oder Interviews zu irgendwas als "Experten" darstellen, möchte ich gerne dabei sein und sie ein wenig zur Rede stellen. "Experte" im Deskriptiven und Klassifizieren, denn wenn es um Heilung oder Therapie geht, wissen sie auch nix besseres zu "empfehlen" als TaiChi, Tanzen, Wandern, Malen, Atmen... du kennst die Liste. Und zwar für alle o.g. Krankheiten.

Ich mußte schon mal einen Spaziergang durch den Ort machen, welcher - kein Scherz - als "Terraintherapie" abgerechnet wurde. Und wer hat uns durch die Gegend geführt? Ja, der "Terraintherapeut". Auch kein Scherz.
Gerd Postel hat diese absurden Zustände am besten offen gelegt. Die paar Videos, die es von ihm auf youtube gibt, sind, bei aller Fassungslosigkeit, sehr unterhaltsam.

Was mich krank macht, ist wie gesagt, daß das nichtmal angesprochen werden kann, und daß man, nur weil man Patient ist, sofort deskreditiert ist. Der mündige Patient auf Augenhöhe, klar, der Therapieplan wird individuell mit jedem Patient abgesprochen; aber bitte stillhalten und alles toll finden. Sonst gibt's ne weitere F-Diagnose. Oder wir können über die Abwehr (des Patienten, ist klar, Psychiater/Therapeuten kennen so was nicht) reden.

Einigen Patienten hilft es. Vielen hilft es nicht. Die ducken sich und spielen das Spiel mit. Machen brav die Terraintherapie mit. Sagen nicht, wie sie sich wirklich fühlen und was in ihnen vor sich geht. Weil sie sich nicht trauen, weil sie keine "negativen" Kommentare im E-Bericht möchten, die sich in Zukunft vielleicht nachteilig erweisen könnten, weil sie Angst haben, für das nicht-Greifen der "Therapie" verantwortlich ("schul**g klingt ja so häßlich) gemacht zu werden.

Und so ducken sich alle, sagen nichts, schreiben an keinen Kostenträger, machen jeden Sch**** mit und verschweigen das wichtigste, nämlich die Rückmeldung über die "Therapie" und wie es ihnen dabei geht - wohl wissend, was das in solche einem Setting zur Folge haben kann. Und man will sich ja nicht alle Türen verschließen, falls man nicht "doch mal wieder kommen muß".

Und weil die meisten so reagieren und solange wir brav entmündigt alles mit uns machen lassen wird sich an den Zuständen nichts ändern. Auch nicht, wenn ich ein Verein gründe. Solange werden wir als Betroffene alle weiter den größten Teil der Zeit mit Atmen, Wandern und TaiChi verbringen - und total schöne Sachen mit Speckstein machen.

Als Alleinempörte(r) kann ich nun mal nichts ändern. Obwohl eine Talksendung mit mir und einem "Experten", also einem Psychiater, eine Traumquote erzielen würde, das mit Sicherheit.
Bigmac1,99

Re: Psychobetrug und Scharlatanerie: Ich kann nicht mehr

Beitrag von Bigmac1,99 »

@seele068

Liebe Seele,
danke für dein post.
Mir fällt auf die Schnelle nichts Gescheites dazu ein; ich lasse es also erstmal sacken.
LG,
BigMac
mime
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Registriert: 6. Sep 2013, 13:28

Re: Psychobetrug und Scharlatanerie: Ich kann nicht mehr

Beitrag von mime »

Hallo Bigmac,

wenn dich diese fragwürdigen Angebote so ärgern (das mit dem Terrain-Therapeuten ist wirlich ein starkes Stück), frage ich mich, was man dagegen tun könnte (das meine ich ernst). Wenn wir uns hier im Forum darüber unterhalten, triffst du auf ein paar Gleichgesinnte; ich denke nicht, dass du da der Alleinempörte bist.

Nochmal: Ich denke nicht, dass dir hier - so klingt es aber fast in jedem Beitrag an - mangelnde Mitarbeit oder Sonstiges unterstellt wird. Das steht uns gar nicht zu. Und es geht auch nicht unbedingt immer darum, durch Wiederholung des ein- und desselben "Klinikkonzepts" dich doch noch "rumzukriegen". Dass dir das wohl so passiert ist (du schriebst von mehreren Klinikaufenthalten usw.), ist bedauerlich, ägerlich, ermüdend.

Doch wer außer uns ist denn in der Lage, unsere inneren Strukturen zu ändern? Niemand. Kein Arzt, kein Therapeut, keine Klinik kann das, wenn nicht wir selbst. Damit sage ich nicht "selbst schuld, wenn es nicht klappt", sondern, dass uns eben kein anderer ändern kann. Nur wir selbst, und dann ist die nächste Frage, ob ich an meinen inneren Strukturen überhaupt etwas ändern will. Ich tue mir da z. B. depressionsbedingt oftmals sehr schwer.

Du hast nach Möglichkeiten gesucht, wie dir und deiner schweren Depression geholfen werden kann. Und bislang hat es nicht geklappt. Ich schätze trotzdem, dass du aufgrund dieser negativen Erfahrungen und mit deinem (verständlichen) Prass auf alles, einen ziemlichen Ballast mit dir trägst. Du hast vielleicht versucht, dir ein wenig Luft zu verschaffen, indem du hier geschrieben hast.

Gibt es denn eine (vielleicht mittlerweile eingrichtete) Fachstelle / Beschwerdestellen, an die du dich real wenden könntest (z. B. auf ein bestimmtes Ereignis [wie z. B. das mit dem Terraintherapeut])? Oder wo könntest du dir sonst noch Gehör verschaffen? Medien?

Wo gibt es tatsächliche (realisierbare) Handlungsmöglichkeiten?

Und was erhoffst du dir hier von diesem Forum? Deine Meinung über einige von uns war mehr als deutlich und schimmert auch immer wieder aufs Neue durch. Deine Einstellungen zu allem, was dir widerfahren ist, auch.

Wir können nichts für DEINE Wut. Wir können nur lesen, ggf. Anteil nehmen usw., antworten. Mehr nicht.

Gruß
Mime
Wir müssen lernen,
die Menschen weniger auf das, was sie tun und unterlassen,
als auf das, was sie erleiden, anzusehen.

(Dietrich Bonhoeffer)
Salvatore
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Re: Psychobetrug und Scharlatanerie: Ich kann nicht mehr

Beitrag von Salvatore »

Hallo BigMac,

ich habe nicht den ganzen Thread gelesen, nur hier und da mal - du sprichst ein Thema an, das mich in Teilen zwar auch tangiert, aber erstens kann ich im Moment nicht so viel und schnell lesen und zweitens mag ich mich damit auch gerade nicht auseinandersetzen.

Ich glaube aber ebenso wie einige Vorschreiber/innen, dass es etwas ist, das viele betrifft/beschäftigt. Hast du dir schon mal überlegt, ein Buch zu schreiben? Kritische und (teilw.) polemische Auseinandersetzungen mit dem Gesundheitssystem kommen zur Zeit ganz gut an und haben verhältnismäßig hohe Auflagen. Es gibt einen Markt dafür; aktuell ist der Titel "Gebrauchsanweisung für Ihren Arzt" von Gunter Frank in der Spiegel Bestsellerliste. Derselbe Autor, der selbst Arzt ist, hatte vor ein paar Jahren das Buch "Schlechte Medizin - Ein Wutbuch" veröffentlicht, das ebenfalls in der Bestsellerliste war.
Was dich persönlich vielleicht interessiert ist das Buch von Ulrich Buchner: "Wenn Irre Irrenärzte werden - Hinter den Kulissen der Psychotherapie" (was eindeutig ein Pamphlet ist).

Jedenfalls, vielleicht wäre es einerseits für dich ein Weg, deine Wut, Enttäuschung und Verzweiflung zu kanalisieren und strukturieren. Andererseits könntest du die Missstände auf diese Weise einer breiteren Masse vorstellen und möglicherweise (!) eine öffentliche Diskussion anstoßen.
Natürlich ist es nicht einfach, einen Verlag zu finden. Ich weiß berufsbedingt ein BISSCHEN was darüber, das ist aber hier der falsche Kontext und vielleicht interessiert es dich ja auch gar nicht. Wenn doch, kannst du mich gerne anschreiben.

Ist nur so eine Idee, die mir kam - wenn's nix für dich ist, bitte ignorieren.

Lg, Salvatore
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DocHolliday
Beiträge: 289
Registriert: 12. Jan 2014, 21:22

Re: Psychobetrug und Scharlatanerie: Ich kann nicht mehr

Beitrag von DocHolliday »

Hallo Bigmac,

Du hast ja nun Deinen Unmut umfangreich kundgetan und die Verhältnisse aus Deinem Erleben ausführlichst und wiederholt dargestellt.

Ich frage mich, warum Krankenkassen für etwas zahlen, was aus Deiner Sicht für gewisse Patientengruppen nicht sinnvoll ist. Die KKs haben doch Kontrollistrumente, Fachleute und Gutachter, die sich über die Wirksamkeit von Therapieinhalten auskennen sollten, oder siehst Du da "große Verschwörung", "Korruption" und Geldverschwendung?

Es gibt ganz sicher auch viele Erfolgsgeschichten, wie Patienten durch ambulante Psychotherapie ihre Krankheit bewältigt haben, nur haben diese eher keine Veranlassung sich (hier) zu Wort zu melden. Der Leidensdruck dafür, ist nicht mehr so vorhanden.

Du hast pauschal von "den Therapeuten" gesprochen, dabei gibt es himmelweite Unterschiede bei den Therapieverfahren und den Ausbildungswegen. Die Ausbildung zum Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, ist meines Wissens, eine der längsten und teuersten Ausbildung bei den Medizinern.

Eine sehr lange Ausbildung haben auch Psychotherapeuten der Fachrichtung "tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie", u.a. müssen sich beide Therapeuten einer umfangreichen und intensiven Lehranalyse unterziehen, mithin "selber auf die Couch", bevor sie so arbeiten dürfen.

Ich habe einige Semester Sozialpädagogik studiert und das dann erfolgrich abgebrochen, weil sich dort viele Theorien auf verhaltenstherapeutische und "kognitive" Ansätze stützen. Die Worthülsen und das, aus meiner Sicht, häufige substanzlose Gelaber von Kommilitonen und Professoren, fand ich schlichtweg
zum Kotzen. Also VT würde mich auch aggressiv machen. Es ist für mich nicht echt, nicht authentisch, eher nur angelernt. Und ich denke, dass diese von Dir beschriebenen Psycho-Kliniken mit ihren "Angeboten" eher aus der VT Ecke kommen...

....und Deine Wut daher rührt, dass Du eine Art "Unechtheit" bei Deinen Psychogesprächspartnern da gespürt hast, angelernte Worthülsen, die Dich nicht erreichen konnten, mit denen Du nichts anfangen konntest.

So, bei der TP kommt es ganz entscheidend auf ein Vertrauensverhältnis an, dass sich im Verlauf der Therapie erabeitet wird. Dabei entstehen auch Konflikte und es gilt diese zu bewältigen.

Wenn Du, Bigmac, schon von vornherein, aufgrund Deiner angestauten Negativerfahrungen, "auf Krawall gebürstet bist" und das Bedürfnis hast, zunächst mal Deine miesen Psycho-Begegnungen aufzuarbeiten, glaube ich, wird sich kein Therapeut darauf einlassen, denn Dein Blick ist wütend, reinsteigernd und anklagend nach außen gerichtet. Und das hat wenig mit "eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus" zu tun, sondern mit der Blickrichtung und Vertrauensaufbau.

Der Blick eines TP Patienten sollte zunehmend nach innen gerichtet sein, auch "Introspektion" genannt,
und der Therapeut ist dabei zurückhaltend und gibt aber entscheidende Denkangebote. Der Patient sollte bereit sein, verfestigte Sichtweisen über sich in Frage zu stellen und die Herkunft zu analysieren...Ursachenforschung in eigener Sache zu betreiben...und vieles mehr...eine hochsensible Zusammenarbeit unter "Laborbedingungen"... und "Draufdreschen" ist das Gegenteil davon...

Ich hoffe, dass ich nicht schon wieder etwas "übergebügelt" bekomme, ich habe mich bemüht, meine Ansichten, so sachlich, wie möglich zu vermitteln, in der Hoffnung, dass es Dir und vielleicht auch anderen, etwas helfen möge.

Guten Willen, kann man mir hoffentlich nicht absprechen.

LG
DocHolliday
...besser ein Onkel, der was mitbringt, als ne Tante die Klavier spielt.
Bigmac1,99

Re: Psychobetrug und Scharlatanerie: Ich kann nicht mehr

Beitrag von Bigmac1,99 »

@DocHolliday,

Nein, guten Willen kann man dir sicherlich nicht absprechen :D
Du hast viele Themen angesprochen. Ich versuche, der Reihe nach darauf einzugehen.
Das wäre der 1. Teil, ich arbeite mich diese Tage pö a pö weiter...
Hallo Bigmac,

Du hast ja nun Deinen Unmut umfangreich kundgetan und die Verhältnisse aus Deinem Erleben ausführlichst und wiederholt dargestellt.

Ich frage mich, warum Krankenkassen für etwas zahlen, was aus Deiner Sicht für gewisse Patientengruppen nicht sinnvoll ist. Die KKs haben doch Kontrollistrumente, Fachleute und Gutachter, die sich über die Wirksamkeit von Therapieinhalten auskennen sollten, oder siehst Du da "große Verschwörung", "Korruption" und Geldverschwendung?
Ach, nein, ich sehe da keine große Verschwörung.
Bei allem Respekt, du scheinst mir zuviel „Ehrfurcht“ vor der vermeintlichen Expertise dieser Branche zu haben.

Ich bin selber von Fach, von daher kann man mir mit Basteln als „Arbeitserprobungsmaßnahme“ nicht kommen, sorry. Und diesen Glauben, oder Ehrfurcht, will ich dir gar nicht nehmen. Die braucht man, um Hilfe zu spüren. Ich glaube auch an die professionelle Zahnreinigung als Prophylaxe, obwohl der Nutzen, soweit ich weiß, nicht 100% belegt ist. Aber ich denke, es wird meinen Zähnen schon gut tut, und diese Frau im Kittel und mit Mundschutz weiß sicher, was sie tut.

Aber „Glauben“ hat bei mir auch seine Grenzen, wenn gefühltes Nichts dahinter steckt. Nehmen wir das Beispiel der – hier sind wir uns wahrscheinlich fast alle hier im Forum einig – katastrophalen ambulanten psychotherapeutischen Versorgung. Wie kann es sein, dass ein so offensichtlicher Mißstand nicht behoben wird, daß Kassen weiterhin behaupten, der Bedarf sei gedeckt? Letztendlich - es sei denn, du glaubst Ärzte sind allgemein alles altruistische Gutmenschen, und das Gesundheitswesen orientiert sich ganz objektiv am Bedarf - geht es im die Verteilung des Kuchens.

Und in der KV - und was es sonst noch an Entscheidungsgremien gibt – sind Mediziner nunmal am besten vertreten, oder am lautesten. Wenn du dich ein bißchen informierst (vieles darüber wird offen in der Presse berichtet, z.B. wenn ein KV-Vorsitzender entnervt seinen Posten räumt – habe leider die passenden links auf die Schnelle nicht parat) kannst du auch erfahren, was die verschiedenen Fachrichtungen gegeneinander für einen Krieg um Budget führen. Radiologen gewinnen, Hausärzte ziehen eher den Kürzeren. Da bleibt für ein paar psychologische Psychotherapeuten, die eine kleine Minderheit sind und vermutlich von Medizinern eher milde belächelt werden, nicht viel übrig, bzw. sie können sich nicht durchsetzen.

Und daß man mit Kontrollmechanismen, Gutachtern und Fachleuten alles, und das Gegenteil sowie das Gegenteil davon beweisen kann, weißt du sicherlich: Da rechnen irgendwelche Gesundheits- und Wirtschafts-„Schreibtischexperten“, die nie wirklich krank waren oder verzweifelt einen Therapieplatz gesucht haben, aus, wieviele Therapeuten pro Einwohner (auf der Grundlage einer dafür günstigen epidemiologischen Studie über die Inzidenz von psychischen Störungen in Deutschland; viele werden eh nicht diagnostiziert und dadurch reduziert sich die Zahl).

Dann wird berechnet wieviele Kapazitäten so ein Therapeut durchschnittlich hat, und wie lange die Wartezeit dann theoretisch ist („3 Monate“ laut meiner Krankenkasse – vorausgesetzt natürlich, jedes Erstgespräch ist erfolgreich, die Chemie zwischen den Beteiligten stimmt und führt tatsächlich zu einer Behandlung).

Psychiater müssen dann in diesem „Spiel“, in dem es wie gesagt um die Verteilung des Budgets geht, für sich sorgen. Wenn ein Patient so krank ist, daß er diese „drei Monate“ nicht überbrücken kann, dann wird er natürlich psychiatrisch versorgt – die nehmen, wenn örtlich zuständig, immer schnell und unkompliziert auf. Was sie als „Therapie“ anbieten, möchte ich hier nicht näher beschreiben, durfte ich aber leider 2x erleben. (Inzwischen weiß ich, daß ich nie wieder freiwillig irgendeine Psychiatrie betreten werde, aber das ist ein anderes Thema).

Und daß, trotz dem von Krankenkassen wie der DAK bestätigtem Zuwachs an psychischen Krankheiten, die ambulante Versorgung nicht ausgebaut wird, dafür aber "Kliniken für Psychosomatik und "Psychotherapie"" wie Pilze aus dem Boden zu wachsen scheinen und weiter anbauen, spricht auch dafür, und man fragt sich, wo sich all die Experten bei dieser Entscheidung verstecken. Es gilt das Primat "stationär vor ambulant", obwol alle "Experten" in der Öffentlichkeit natürlich vorgeben, eine ambulante, wohnortnahe Versorgung sei erstrangig, nur wenn das nicht ausreiche oder es gar nicht anders geht, sollten stationäre Maßnahmen eingeleitet werden. Mmh, komisch.... ich kann jederzeit bei mir in die Psychiatrie, für viele Wochen oder Monate, kriege in einem 10' Gespräch vom Hausarzt eine Einweisung in die Psychosomatik, aber ambulante Psychotherapie? Oh, ganz schwierig...

Vielleicht ist es bei dir anders, meiner Erfahrung nach spielt Psychotherapie (also sozusagen „echte“ Therapie, von Medikamenten mal abgesehen) in der Psychiatriewelt keine Rolle: In einer Klinik durfte eine Auszubildende einmal die Woche mit mir üben (vermutlich, weil es ein Uni-KH ist), im anderen „Krankenhaus für Psychiatrie und Psychotherapie (!!!) war Psychotherapie kein Bestandteil der Behandlung. Meine 3. Erfahrung ist mit dieser in älteren posts auf affektive Störungen spezialisierten Klinik, bei der ich mich telefonisch erkundigt habe.

Natürlich wird jeder Psychiater sagen, daß Psychotherapie "ein wichtiger Bestandteil" der Behandlung ist. Letztendlich sind sie aber Mediziner und behandeln vorrangig mit Medikamenten – das ist ihre Spezialität – und meiner Meinung als Ergänzung zur Therapie, und nicht umgekehrt, wie sie es tun, auch manchmal durchaus sinnvoll. In der Realität ist Psychotherapie dann aber letztendlich nur eine nette Dreingabe, die aufgrund nicht zu bestreitender Studien nicht von der Hand zu weisen ist, und sie nicht abstreiten können.

Wie ehrlich gemeint diese Floskel und was der Stellenwert von Therapie für sie wirklich ist, ist anhand der „Konzepte“, über die ich mich hier schon genug geärgert und, wie du sagst, ausführlich beschrieben habe, ersichtlich: In der Regel gleich null, in psychosomatischen Kliniken sogar ganze 50' wöchentlich. Und selbst DAS kannst du mit psychiatrischen Worthülsen (oder „psychiatrischen Sprachakrobatik“, wie Postel sagt – ich kann dir die Videos nur ans Herz legen) so „begründen“, daß es fachlich und wissenschaftlich fundiert ist und Laien und fachfremde Entscheidungsträger beeindruckt sind und danach entscheiden.
Dann sagt man einfach z.B., daß es in der Therapie nicht um Quantität sondern Qualität geht, daß diese 6 Tage zwischen den Sitzungen gewollt ist, damit das Erarbeitete weiter vom Patienten im Rahmen der therapeutischen Gemeinschaft verarbeitet werden kann und innerhalb weiterer „therapeutischer“ Maßnahmen integriert und vertieft werden kann – oder so.

Ich habe mich mal zufälligerweise, als ich krank war und der Internist des Bereitschaftsdienstes bei mir war, darüber mit einem Arzt unterhalten. Ich wußte (ich glaube, es stand auf diesem Zettel, den sie ausfüllen und dir dalassen, ich weiß es nicht mehr genau), daß er Mitglied in der KV war. Ich sprach ihn darauf an, daß es mich wundert, daß die Anzahl an Kassenzulassungen für Therapeuten begrenzt wird, obwohl bekannt ist, daß er den Bedarf nicht deckt, aber es in meiner Gegend es alle (gefühlte) 100 m eine schicke Zahnarztpraxis gibt, und im letzten Jahr zwei neue dazu. Da meinte er ganz direkt, daß es bei Zahnärzten halt leichter sei, die berechnen nur ein paar Füllungen, alles andere wird sowieso privat in Rechnung gestellt.

Es geht also niemals um den tatsächlichen Bedarf, sondern um das Budget und wer wieviel davon abkriegt. Und Psychotherapien sind nun mal kostspielig, und wie gesagt, Therapeuten haben keine so machtvolle Stellung innerhalb der KV um ihre „Zunft“ zu vertreten.

„Gutachterlich“ und „expertentechnisch“ läßt sich ALLES belegen, insbesondere im Bereich der Psychiatrie.

Ich weiß, in wie weit über den Fall Mollath informiert bist?
Um es stark vereinfacht, unvollständig und kurz zu sagen: Ein psychiatrischer Gutachter, also ein „Experte“ deiner Meinung nach, befand, auf Grundlage von alten Akten, Berichten von anderen Beteiligten usw. (da Mollath sich geweigert hat, mit ihm zu sprechen) daß er paranoid und allgemeingefährlich sei. Natürlich „greifen“ dann die "Kontrollinstrumente", wie du sagst, die vor Willkür schützen und Objektivität garantieren sollen.

Niemand kann einen so schnell gegen seinen Willen einsperren. Also wird ein zweiter Gutachter bestellt. Der Patient redet aber auch mit ihm nicht, und so schreibt der 2. renommierte Gutacher von seinem ebenfalls renommierten Kollegen mehr oder weniger ab, „untermauert“ mit „klinischen Observationen“ der Klinik, in der der Patient schon war. Und in der natürlich alles was er tut oder läßt als diagnosebestätigend ausgelegt wird. Dann kommt der Richter, der zu entscheiden hat, und mit einigen der Gutachter per Du ist, selber vom Fach keine Ahnung hat und sich natürlich dem psychiatrischen „Befund“ anschließt.

Übrigens: In einem 7-minütigen Interview bei Beckmann beschreibt eine Psychiaterin sehr schön, wie „unabhängig“ Gutachter sind, und warum sie sich nicht begutachten lassen würde:

http://www.youtube.com/watch?v=IcBlL0wMrA0" onclick="window.open(this.href);return false;" onclick="window.open(this.href);return false;" onclick="window.open(this.href);return false;" onclick="window.open(this.href);return false;

Wurde bei dir eine psychische Störungen „gefunden“ und diagnostiziert, dann versuche mal den Experten zu beweisen, daß du das NICHT hast. Das ist dann natürlich deine mangelnde Einsicht!

Damit möchte ich nicht sagen, daß alle Diagnosen falsch sind, sondern auf deinen Glauben an die Expertise und den Kontrollmechanismen in der Psychiatrie eingehen und warum ich – mit Verlaub –finde, daß du das mit einem etwas naiven Blick siehst.

Um nochmal auf deine Frage, warum KK etwas zahlen sollten, was nicht wirksam ist, bei all den Gutachtern und Experten an Bord: Manche Kassen übernehmen alternative Therapien, wie Homöopathie. Die aktuelle Studienlage ist so, daß eine Wirksamkeit nicht bewiesen ist (bevor ein shitstorm losgetreten wird: Was nicht heißt, daß sie nicht bei einigen Patienten aus welchen Gründen auch immer zu helfen scheint). Ich glaube, es war mal eine Sprecherin der DAK, die sich diesbezüglich mal verplappert hat (link leider nicht parat, aber du mußt es mir auch nicht glauben) und sinngemäß erklärte, Homöopathie als solche sei zwar umstritten, aber man nehme sie trotzdem freiwillig in den Leistungskatalog auf, weil man damit die eher gebildeten, jungen, Vegetarier als Mitglieder anzieht, die bekannterweise eher gesund sind und die Kasse trotz Inanspruchnahme solcher Leistungen wenig belasten.
Es gibt ganz sicher auch viele Erfolgsgeschichten, wie Patienten durch ambulante Psychotherapie ihre Krankheit bewältigt haben, nur haben diese eher keine Veranlassung sich (hier) zu Wort zu melden. Der Leidensdruck dafür, ist nicht mehr so vorhanden.
Du hast pauschal von "den Therapeuten" gesprochen, dabei gibt es himmelweite Unterschiede bei den Therapieverfahren und den Ausbildungswegen. Die Ausbildung zum Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, ist meines Wissens, eine der längsten und teuersten Ausbildung bei den Medizinern.
Das ist mir so nicht bekannt, aber selbst wenn, ändert das wenig an deren – meiner Meinung/Erfahrung nach – Ratlosigkeit. AD aus den verschiedenen Kategorien kann, wie gesagt, jeder Hausarzt verschreiben. Der fängt auch bei Citalopram 10 mg an und wartet und sieht dann weiter. Ich habe mit auch meist die Rezepte bei meinem Hausarzt geholt. Aber wie gesagt, ich möchte dich nicht, schon gar nicht „mit Gewalt“, überreden. Wenn du glaubst, daß Psychiater ein geheimes, oder tiefes oder whatever- Wissen über „die Psyche“ haben, dann ist das echt OK für mich. (Du siehst, ich habe heute meine Wut soweit etwas mehr unter Kontrolle).
Und ja, sicher hilft Psychotherapie vielen Menschen, das streite ich auch nicht ab! Im Gegenteil, ich finde, es müßte im psychiatrielastigen und von medikamentöser Therapie geprägten Versorgungssystem etwas mehr Raum dafür geschaffen werden, und nicht nur so ein bißchen, alibimäßig.
Eine sehr lange Ausbildung haben auch Psychotherapeuten der Fachrichtung "tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie", u.a. müssen sich beide Therapeuten einer umfangreichen und intensiven Lehranalyse unterziehen, mithin "selber auf die Couch", bevor sie so arbeiten dürfen.
Ich weiß.
Ich habe einige Semester Sozialpädagogik studiert und das dann erfolgrich abgebrochen, weil sich dort viele Theorien auf verhaltenstherapeutische und "kognitive" Ansätze stützen. Die Worthülsen und das, aus meiner Sicht, häufige substanzlose Gelaber von Kommilitonen und Professoren, fand ich schlichtweg zum Kotzen. Also VT würde mich auch aggressiv machen. Es ist für mich nicht echt, nicht authentisch, eher nur angelernt. Und ich denke, dass diese von Dir beschriebenen Psycho-Kliniken mit ihren "Angeboten" eher aus der VT Ecke kommen...
Oh, da öffnest du ein großes Faß. Das schaffe ich heute nicht mehr. Ich werde aber versuchen, diese Tage darauf einzugehen.
....und Deine Wut daher rührt, dass Du eine Art "Unechtheit" bei Deinen Psychogesprächspartnern da gespürt hast, angelernte Worthülsen, die Dich nicht erreichen konnten, mit denen Du nichts anfangen konntest.
So, bei der TP kommt es ganz entscheidend auf ein Vertrauensverhältnis an, dass sich im Verlauf der Therapie erabeitet wird. Dabei entstehen auch Konflikte und es gilt diese zu bewältigen.
Das ist in der VT nicht anders. Mittlerweile geben alle zu, und es gibt Studien, die auch dies belegen, daß unabhängig vom therapeutischen Ansatz der wichtigste Wirkungsfaktor einer Therapie die therapeutische Beziehung ist.
Wenn Du, Bigmac, schon von vornherein, aufgrund Deiner angestauten Negativerfahrungen, "auf Krawall gebürstet bist" und das Bedürfnis hast, zunächst mal Deine miesen Psycho-Begegnungen aufzuarbeiten, glaube ich, wird sich kein Therapeut darauf einlassen, denn Dein Blick ist wütend, reinsteigernd und anklagend nach außen gerichtet. Und das hat wenig mit "eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus" zu tun, sondern mit der Blickrichtung und Vertrauensaufbau.
Das ist mir klar, leider. Auch in der Therapie gibt es Tabus und das ist wohl eins. Hast du mal Patienten getroffen, die im Rahmen ambulanter Therapien durch Behandlungsfehler schwer traumatisiert wurden (nachweislich!), und nie wieder einen Therapeuten finden, die ihnen helfen, diese letztendlich nichts anderes als eine Form von traumatisierender Erfahrung aufzuarbeiten? Weil sie gebrandmarkt sind, eine „heiße Kartoffel“, „schwierig“? Weil man höchstens dazu bereit ist, zu sprechen, wie sie dazu beigetragen haben? (Hier nochmal das Beispiel der Vergewaltigten, die „auch alleine nachts unterwegs war“, und es „vielleicht unbewußt gewollt hat“.) Ich schon.

Das hat sehr wohl mit Krähen zu tun. Obwohl es letztendlich nicht so sein bräuchte. Letztendlich passieren in der somatischen Medizin auch manchmal Fehler. Aber Patienten durch so eine Erfahrung zu helfen, ja, das überhaupt zu hören und vielleicht sogar zu validieren ist pfui und scheint gegen einen irgendwie-gearteten Zusammenhalt oder Solidarität unter Krähen zu verstoßen.

„Vertrauensaufbau“ ist ein gegenseitiger Prozeß, und wenn ein Therapeut mit sowas überfordert ist, oder es nicht hören kann, dann kann kein Patient Vertrauen zu diesem Therapeuten aufbauen (mit Recht.)

Wie auch immer… Ich weiß wohl, daß Kritik unerwünscht ist, und ich diese Erfahrungen und meine Wut schlucken muß und in keiner Therapie erwähnen darf (außer ich stelle es als „nur meine Verantwortung“ dar, dann wäre es nicht wirklich meine Erfahrung). Ich werde mich auch hüten, das ggf. in Erstgesprächen zu erwähnen.

Traurig für eine Zunft, die ja eine so lange Ausbildung durchläuft und mit Menschlichem am besten vertraut sein sollte.

Ich mache für heute erstmal Schluß... Gute Nacht.
Zuletzt geändert von Bigmac1,99 am 22. Mai 2014, 00:02, insgesamt 2-mal geändert.
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