Der nächste Neuling - Angst um meinen Freund

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Akki
Beiträge: 2
Registriert: 7. Mai 2014, 08:14

Der nächste Neuling - Angst um meinen Freund

Beitrag von Akki »

Hallo, liebes Forum!

Ihr bekommt diese Texte sicher sehr häufig zu lesen, aber dennoch möchte ich mich als Neuling hier auch erst einmal vorstellen.

Meine Geschichte ist ein bisschen holperig und chaotisch – ich versuche mal, es hinzubekommen.
Ich bin 25 Jahre alt und hier, weil mein Freund an einer Depression erkrankt ist und die letzten Wochen und Monate für uns beide wahnsinnig schwer waren. Wir sind noch nicht lange zusammen, erst seit Anfang des Jahres, wir kennen uns aber schon länger und hatten während des letzten Dreivierteljahres engen und intensiven Kontakt. So habe ich von Beginn an mitbekommen, wie es ihm immer schlechter ging.
Anfangs habe ich es noch geschafft, ihn einigermaßen aufzufangen und wir glaubten beide, dass es „nur“ ein vorübergehendes Tief war aufgrund der ganz, ganz schwierigen Situation, in der er steckte und auch noch immer steckt (er lebt in Scheidung und hat zwei kleine Kinder, die er zwar regelmäßig sieht, aber wahnsinnig vermisst; er ist in eine neue Wohnung gezogen, in der er sich nicht wohl fühlt; vor 3 Monaten hat er eine neue Stelle angetreten, die ihm sehr viel abverlangt; letztes Jahr ist nach langer Krankheit seine Mutter verstorben, um die er sich während der ganzen Zeit gekümmert hat; jetzt gibt es einen ekelhaft fiesen und kräftezehrenden Streit wegen des Hauses und angeblich noch ausstehender Gelder… es ist wahnsinnig viel, und das war nur die Kurzfassung). Es ging ihm phasenweise sehr schlecht, dann aber auch immer wieder besser.

Dagegen, sich Hilfe zu suchen, hat er sich erst sehr gewehrt, doch als psychosomatische Beschwerden hinzu kamen (Herzprobleme, Erstickungsgefühle, undefinierte Schmerzen) ging er zum Glück zum Arzt. Die Diagnose war schnell klar und auch, wenn er sich erst unheimlich vor dem Gedanken versperrt hat, „krank“ zu sein und sich auch jetzt noch schwer damit tut, hat er es doch irgendwann eingesehen und akzeptiert. Im Moment versuchen wir, einen Therapieplatz zu bekommen, doch die Wartezeiten sind unheimlich lang und mit jedem Tag, der vergeht, sinkt sein Mut, schwindet seine Hoffnung und sein Wille.

Jeden Morgen rappelt er sich auf, geht zur Arbeit, besucht seine Kinder, so oft er kann, kümmert sich um sie und entlastet sogar seine (Noch-)Frau, indem er ihr den Einkauf abnimmt, Schriftkram für sie erledigt usw., er schlägt sich mit Anwälten herum und versucht, es für alle gut zu machen. Und trotzdem hat er das Gefühl, auf ganzer Linie zu versagen, nicht gut genug zu sein und nichts wert.

Es ist so unendlich schwer, zu erleben, wie er leidet, es frisst mich auf. Gestern war ein ganz schlimmer Tag, er war so am Boden, so absolut hoffnungslos… ich wollte nichts lieber, als ihm zu helfen und für ihn da zu sein, doch er wollte mich nicht sehen. Ich stand schon vor seiner Tür (allerdings ohne zu klingeln oder Druck zu machen; er weiß gar nicht, dass ich da war), weil ich bis zuletzt gehofft habe, dass er mich noch zu sich lässt. Aber er konnte nicht. Er wollte allein sein, wollte nicht, dass ich ihn so sehe. Es war ein ganz schrecklicher Tag, ich habe es kaum ausgehalten und bin vor Angst und Sorge halb wahnsinnig geworden. Zu wissen, dass es ihm so schlecht geht und nichts tun zu können, zumindest fühlt es sich so an - das ist das Allerschlimmste.

Ich liebe ihn sehr und ich will ihn auf keinen Fall verlieren. Es ist mir egal, dass es im Moment wahnsinnig schwer ist, dass er nicht mehr der Alte ist, dass ich auf ganz viel verzichten muss – ich will bei ihm bleiben, ich will das mit ihm zusammen schaffen und ihn nicht im Stich lassen. Ich wünsche mir nichts sehnlicher, als dass es wieder gut wird.
Doch seit einiger Zeit sagt er immer wieder, dass ich besser aufhören solle, ihn zu lieben, weil ich mit ihm nicht glücklich werden könne und dass er nicht verstehe, was ich noch an ihm fände. Er habe ja schließlich nichts mehr zu geben, gar nichts mehr, und ich bräuchte so viel mehr. Er sagt zwar auch, dass er mich immer noch liebt, aber dass es nicht mehr so klar ist, nicht mehr so stark, dass er sich einfach leer fühlt. Das ist typisch für die Depression, das weiß ich, aber es tut so ungeheuer weh. Und ich habe Angst. Angst davor, dass es ihm immer schlechter geht, dass er mich gar nicht mehr bei sich haben will, dass ich nichts tun kann und es nie wieder gut wird…
Ich bin bereit, alles für ihn und für uns zu tun, alles. Aber ich weiß nicht weiter, ich weiß nicht, wie ich ihm zeigen kann, dass er nicht allein ist, dass wir das zusammen durchstehen können. Denn das sieht er nicht. Er stößt mich weg und fühlt sich gleichzeitig elendig einsam. Es ist so schwer…

Das ist meine kleine Geschichte. Recht klassisch, glaube ich, wenn ich mich hier so umschaue.
Es hat mir auf jeden Fall schon mal gut getan, all das aufzuschreiben und ich hoffe, dass ich hier bei euch im Forum etwas Hilfe, Kraft und Zuversicht finden kann.

Vielen Dank für's Lesen und ich freue mich auf die Zeit bei euch!

Ganz liebe Grüße,
Akki
MUT65
Beiträge: 448
Registriert: 18. Jan 2013, 11:59

Re: Der nächste Neuling - Angst um meinen Freund

Beitrag von MUT65 »

Willkommen Akki,

auch ich fand durch die Depression meines Freundes hierher.
Inzwischen geht es über zwei Jahre - im ersten Jahr der Erkrankung waren wir noch zusammen,
vieles von dem was Du schilderst erinnert mich an unserer Zeit der Missverständnisse,der Veränderungen und vorallem an die große Angst, die mir alles gemacht hat.

Trennung Ende 2012 - weil er allein sein wollte, Nichts und Niemanden mehr ertragen hat.
Ähnliche Umstände wie bei Euch, nur dass wir Beide 47 und 49 Jahre alt sind.

Zu Therapie und Klinik war er leider erst Mitte 2013 bereit, als so gut wie gar nichts mehr
ging. Völliger Zusammenbruch.
Zu dieser Zeit hatten wir noch losen Kontakt - auch ich hätte mir ein Bein ausgerissen, wenn
es ihm geholfen hätte.........

In der Klinikzeit brach der Kontakt ab - 4 Monate lang.
Mir ging und geht es wie Dir - ich liebe diesen Mann sehr und so tat sich das, was mein Herz mir sagte.......schickte ihm immer wieder kleine Grüße oder Mut-mach-Gedichte.

Seit Nov.2013 haben wir wieder Kontakt - können aber zur Zeit keine Beziehung führen, weil es ihm noch immer schlecht geht.

Ich möchte Dir keine Angst machen, aber so eine Depression kann dauern - wird sie verschleppt, dauert es halt noch länger und sehr oft geht mir die Puste aus.......

Horche gut in Dich hinein - hast Du diese Kraft wirklich ? Mir ist es viele Monate nicht gelungen mich genügend abzugrenzen und auch ich wurde krank. Schaffte zwar noch meinen Job, aber mehr ging nicht........kaum noch Freude am Leben, war immer nur traurig.
Ein Antieoressiva half mir wieder auf die Beine, inzwischen kann ich meist ganz gut mit den Umständen leben und die Hoffnung, dass irgendwann alles wieder besser wird, trägt mich.

Es hat hier im Forum mal jemand ein ganz gutes Bild beschrieben ( Metapher)

Wir Angehörigen stehen mit unserem Partner an einem reißenden Wasserfall
sehen, dass der Partner hineinfällt und wollen ihn natürlich retten.

Können wir ihn retten, wenn wir mit in's Wasser stürzen,oder springen....?
Nein - dann gehen Beide unter.

Wir können vom Ufer aus Hilfe holen, einen Stock reichen - aus dem
Wasser muss der Partner allein finden.........

Mich hat dieses Bild damals so unendlich traurig gemacht- auch heute noch
merke ich beim Schreiben, dass mir Tränen kommen.

Wir können DA sein, verstehen und mit Information über diese Krankheit
uns stärken, damit wir nicht alles was sehr weh tut, auf uns beziehen.
Und wir müssen so sehr auf uns aufpassen - das eigene Leben leben -
raus gehen, Freunde treffen, Sprot machen.......damit wir die stabile Stütze
am Uferrand bleiben können.........

Schreib hier weiter - mir hat es sehr geholfen. Informiere Dich, sei gut zu Dir.

Ich denke man kann es schaffen - aber zu einem hohem Preis und auch heute
nach über zwei Jahren merke ich wie sehr mich das Ganze fordert.

Wünsche Dir Mut, Gelassenheit, Kraft und dass Deine Liebe reicht
Mache alles was Dir auch ohne ihm
gut tut - schwer, ich weiß........

Lieber Gruß
von
Mut
Wenn du einen Menschen glücklich machen willst, dann füge nichts seinem Reichtum hinzu, sondern nimm ihm einige von seinen Wünschen.
Epikur von Samos
Akki
Beiträge: 2
Registriert: 7. Mai 2014, 08:14

Re: Der nächste Neuling - Angst um meinen Freund

Beitrag von Akki »

Hallo MUT,

vielen, vielen Dank für deine Antwort. Ich habe beim Lesen gerade geheult wie ein Schlosshund, weil alles, was du schreibst, einfach so furchtbar wahr ist. Diese ganze Situation macht mir wahnsinnige Angst und meine Gedanken kreisen nur noch um ihn, darum, wie er leidet und wie machtlos ich daneben stehe. Die Vorstellung, dass es Jahre dauern kann, bis es wieder besser wird, ist einfach schrecklich...
Du hast ganz bestimmt recht damit, dass man in so einer Zeit auch besonders gut auf sich selbst aufpassen muss. Ich neige sehr dazu, mich völlig aufzuopfern. Das ist natürlich gar nicht gut. Daran werde ich arbeiten - zumindest versuche ich es.

Ich kann gerade gar nicht viel schreiben, ich bin einfach immer wieder so überwältigt von allem.
Ich danke dir auf jeden Fall wirklich sehr!

Ganz liebe Grüße
mell
Beiträge: 2
Registriert: 14. Mai 2014, 23:42

Re: Der nächste Neuling - Angst um meinen Freund

Beitrag von mell »

Mein freund leidet auch an depprisionen hàtte gerne rat...er zieht sich zurück. ...macht i.mer mehr allein ...launisch....er sagt in der wohnung schnürt es ihm den hals zu fühl mich aufs abstellgleis gestellt...wie geh ich mit um...ich liebe ihn
M1971
Beiträge: 731
Registriert: 26. Apr 2014, 17:39

Re: Der nächste Neuling - Angst um meinen Freund

Beitrag von M1971 »

Hallo,
ich bin in einer ähnlichen Situation. Lernte letztes Jahr eine Frau kennen die unter Depressionen litt. Die ersten Monate waren traumhaft. Sie sagte, dass sie an meiner Seite so gut fühle wie noch nie. Wir planten unsere gemeinsame Zukunft. Vor ein paar Wochen war sie wieder bedrückt und ihr alles zu viel. Ich habe alles für sie getan und dabei mich selbst vergessen. Dann hat sie ohne Erklärung den Kontakt abgebrochen. ich liebe sie immer noch, aber habe sie wohl verloren. Werde nun wohl selber ärztliche Hilfe suchen, da ich inzwischen Schwierigkeiten habe den Alltag zu bewältigen.
Es sagt sich so einfach, dass man sich als Partner eines Depressiven abgrenzen soll. Ich konnte mich nicht abgrenzen und meine eigenen Dinge verfolgen. Die Liebe war zu groß. Und nun schmerzt die Liebe so sehr.

LG
julcas
Beiträge: 569
Registriert: 11. Mär 2011, 17:57

Re: Der nächste Neuling - Angst um meinen Freund

Beitrag von julcas »

Hallo Akki,

willkommen hier im Forum. Ich war jetzt länger nicht hier, weil bei meinem Freund eine bipolare Störung diagnostiziert wurde.

Dennoch, ich möchte dir und den Anderen Mut machen. Ich bin mit meinem Freund jetzt knapp 6 Jahre zusammen. Wir hatten schwere Zeiten (2 jährige Depression, anschließend Manie, nun wieder depressiv. Ich war wie du, völlig überfordert und hilflos. Doch inzwischen kann ich gut mit der jeweiligen Situation umgehen, kann mich gut auf mich besinnen, kümmere mich gut um mich.

Wenn dein Freund dich momentan nicht sehen möchte, musst du das wohl akzeptieren. Ich habe von 2011 zu 2012 meinen Freund auch viele Wochen nicht gesehen. Ich wußte das es ihm sehr schlecht geht und das er keine Kraft für nichts hat. Ausserdem hat er sich sehr geschämt, für seinen Zustand. Ich schrieb ihm ab und an eine sms, oder auch einen Brief. Ich erwartete keine Antwort, das hätte er nicht geschafft. Ich hab ihm trotzdem immer mal wieder geschrieben. Irgendwann als es ihm besser ging, sagte er mir das meine kleinen Grüße für ihn so wichtig waren und er sich sehr darüber gefreut hat.

Ich war zu vielen Gesprächen beim sozial psychiatrischen Dienst und lange zu Gesprächen in der Diakonie. Das hat mir sehr geholfen, den richtigen Weg für mich, für uns zu finden.

Ich wünsche dir viel Kraft, auf dich zu schauen und für dich den richtigen Weg zu finden.

lg julcas
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