Darueber reden....

geekgirl
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Darueber reden....

Beitrag von geekgirl »

Sorry, irgendwie weiss ich gerade nicht so recht, wie ich anfangen soll. Ich habe vor ein paar Monaten schonmal hier geschrieben, mir vorgenommen, etwas an meiner Situation zu aendern aber bei dem Vorsatz ist es dann auch geblieben.

Ich frage mich, bin ich die einzige, der es so wahnsinnig schwer faellt, mit irgendjemandem zu reden, egal ob Familie, Freunde oder Aerzte? Damals haben mir mehrere Leute geschrieben "Wenn es Dir schlecht genug geht, willst Du auch Hilfe". Das Problem ist nicht, dass ich nicht will, sondern dass ich mich so sehr dafuer schaeme, mir nicht selbst helfen zu koennen, dass ich einfach nicht weiss, wie ich darueber reden soll. Das kann wahrscheinlich niemand wirklich nachvollziehen, aber aber fuer das letzte Posting habe ich Stunden gebraucht, und mich danach tagelang nicht ueberwinden koennen, es auch abzuschicken. In der Zeit habe ich gefuehlte 100 Mal das Wort "Depression" hingeschrieben und wieder geloescht, weil es mir vorkommt, wie eine faule Ausrede fuer fehlende Selbstdisziplin, den Ton nach "so neutral wie moeglich" korrigiert, alle nicht unbedingt notwendigen Details geloescht usw. mit dem Erfolg, dass sich die ein oder andere wohl gedacht hat, "Was will die eigentlich hier?".

Vor einer Weile war ich beim Arzt, um meine Schilddruese ueberpruefen zu lassen, und hatte mir eigentlich fest vorgenommen, mein Problem anzusprechen. Erzaehlt habe ich am Ende was von Uebergewicht und Haarausfall, war freundlich, habe gelaechelt und zu Hause dann nur noch geheult, weil koerperlich mit mir anscheinend alles in Ordnung ist, und die Liste der moeglichen "akzeptablen" Erklaerungen damit langsam ziemlich kurz wird.

Eigentlich haette ich allen Grund dazu, gluecklich und vor allem dankbar zu sein. Ich habe in meinem ganzen Leben immer mehr Gutes abbekommen, als fair gewesen waere. Wenn man Glueck haben konnte, hatte ich welches. Ich bin beruflich und auch sonst in einer so privilegierten Situation und ich komme mir so undankbar vor, weil ich das alles nur noch "zur Kenntnis nehme", aber weder Sinn noch Befriedigung noch sonst irgendwas empfinde. Ich will nicht, dass das von meinen Freunden/Bekannten/Kollegen jemand mitbekommt und erst recht nicht diejenige sein, die andere schon mit ihrer puren Anwesenheit runterzieht (ehrlich gesagt kann ich solche Leute auch nicht besonders leiden). Ich moechte nicht, dass andere sich Gedanken machen, oder sich irgendwie verpflichtet fuehlen, sich mit mir abzugeben und zugegebenermassen finde ich andere Menschen zur Zeit meistens eher anstrengend und mag auch deswegen keine unnoetige Aufmerksamkeit auf mich ziehen.

Zu meinen Eltern habe ich eigentlich ein sehr gutes Verhaeltnis. Wir sehen uns selten, aber telefonieren viel und ich erzaehle ihnen ansonsten fast alles, aber ich will nicht, dass sie enttaeuscht sind oder sich Sorgen machen - gerade weil ich mehrere Flugstunden weit weg lebe, mal abgesehen davon, dass sie es wahrscheinlich auch nicht wirklich nachvollziehen koennten, und von Psychologen, unnoetigen Arztbesuchen, "Modediagnosen" etc. sowieso nicht besonders viel halten.

Ich mache letztendlich allen etwas vor, und die einzige Person, die eine Ahnung haben koennte, dass es mir nicht so gut geht, wie ich vorgebe, ist (ausgerechnet!) mein Chef, weil ich dummerweise vor ein paar Monaten mal in einem Gespraech wegen einer albernen Belanglosigkeit losgeheult habe. Ich konnte mich irgendwie rausreden, aber es macht den unbefangenen Umgang nicht unbedingt leichter, denn er ist natuerlich so ziemlich die letzte Person, bei der ich einen schlechten Eindruck hinterlassen moechte, zumal die Kultur hier generell sehr darauf ausgelegt ist, in jeder Situation das Gesicht zu wahren und ich mir nur vage vorstellen kann, wie unangenehm das fuer ihn gewesen sein muss.

Irgendwie ist das alles ziemlich verfahren. Ich weiss, dass es so nicht weitergehen kann, aber sobald ich auch nur in Gedanken durchspiele, mit jemandem zu reden, egal ob Familie, Freunde oder Arzt, habe ich das Gefuehl, "ich kann das einfach nicht", als waere da eine Wand zwischen mir und dem Rest der Welt. Ich weiss nicht, wie ich mich erklaeren soll - schon gar nicht jemandem, der nicht meine Muttersprache spricht. Ich kann das ja auf Deutsch schon kaum beschreiben - sinnlos, perspektivlos, muede, schwer, gleichgueltig, alleine, unsicher, dumm, nicht wirklich traurig aber irgendwie das Gegenteil von gluecklich - das trifft es aber auch alles nicht wirklich. Ich habe Angst, dass es negative Auswirkungen auf meinen Job haben kann, wenn irgendwer was mitbekommt, dass wenn ich mit jemandem rede, wir danach vermutlich nicht mehr normal miteinander umgehen koennen, weil ich Mitleid oder sich Sorgen machen usw. nicht wirklich gut ertragen kann, und dass mich ein Arzt womoeglich krank schreiben wuerde, oder mir umgekehrt sagt, dass ich ueberhaupt nichts habe und nur eine faule Ausrede fuer meine Fehler suche. Realistisch betrachtet weiss ich, dass ich dass diese Denkweise Teil des Problems ist, aber trotzdem fuehlt sich einfach alles an, wie mein persoenliches Versagen.

Sorry, ich weiss auch nicht, was ich mir von diesem Posting erhoffe, ausser vielleicht, dass ich nicht die einzige bin, dass irgendwer einen guten Ratschlag hat, oder dass mir das dem Reden leichter faellt, wenn ich hier den Anfang gemacht habe. Trotzdem Danke fuer's "Zuhoeren", falls irgendwer bis hierhin gekommen ist.
hier_und_jetzt
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Re: Darueber reden....

Beitrag von hier_und_jetzt »

Liebe Geekgirl,

Hey, das ist ganz normal, dass du es schwer findest darüber zu reden, und du dich schämst und Schuldgefühle hast. Es geht den meisten so!
Ich denke auch oft, dass es eine Ausrede ist, ist es aber nun mal nicht!

Mir ist es am Anfang auch sehr schwer gefallen Leuten zu erzählen, wie ich mich fühle. Als es dann irgendwann ging, war es eine riesige Erleichterung. Auch weil mir viele berichteten, dass auch sie selbst oft Probleme haben und nicht klar kommen.Unter meinen Freunden waren dann auch welche dabei, die wegen Depressionen in Therapie sind. ich hatte keine Ahnung! Es half sehr mit Ihnen zu reden und ich fühlte mich weniger "Alien"mäßig ...

meine Schilddrüse habe ich auch am Anfang checken lassen und war total wütend, dass sie ok war! Kann ich so gut verstehen...

Als ich es allerdings irgendwann meinem Hausarzt erzählte, ich schilderte die Symptome ohne das Wort Depression zu erwähnen, und er dann sagte ich hätte eine schwere Depression, da hätte ich ihn am liebsten umarmt, dabei war er so unbeteiligt als würde er eine Ohrenzeuginnen diagnostizieren... Irgendwie war es erleichternd, ich habe dann auch geweint bei ihm. Das war gut, statt immer alleine zu weinen.

Ich lebe auch im Ausland, und kann auch sehr gut nachvollziehen, dass es dadurch nicht leichter wird sich Leuten an zu vertrauen. Bei mir im Job ist es ähnlich und Performance heißt Leistungsbereitschaft und immer fit sein.

Wegen deines Chefs würd ich mir jedenfalls nicht zu viele Sorgen machen, der erinnert sich an den Vorfall bestimmt viel weniger als du! Und wäre er ein sensibler Chef, dann hätte er vielleicht mal nach gehackt, ob bei dir alles ok ist.

Also, es ist super, dass du hier den Anfang machst, und doch auch ok, dass du den Thread damals umgeschrieben hast, bis er fuer dich ausreichend neutral war. Das Schreiben ist ein guter erster schritt bei dem dir klar machen kannst, was du wirklich fühlst. Wobei ich finde, dass man seine Gefühle dann auch nicht unnötig neutralisieren muss. Sie sind nun mal da!

Depression ist sehr weit verbreitet, (http://www.zeit.de/wissen/gesundheit/20 ... n-therapie" onclick="window.open(this.href);return false;" onclick="window.open(this.href);return false;" onclick="window.open(this.href);return false;)
und eigenartig stigmatisiert...

Arme und Reiche, privilegierte und Menschen mit weniger "Glück" haben Depressionen, gleichzeitig gehört es leider zur Krankheit, dass man sich Vorwürfe macht... es ist ein Symptom, das behandelt werden kann.

Du sagst, dass du nicht möchtest, dass es von deinen "Freunden/Bekannten/Kollegen jemand mitbekommt" Aber gleichzeitig möchtest du ja darüber reden, und dir Hilfe holen oder?

Gibt es nicht einen Freund oder Freundin dem du 100 % vertraust und dich entsprechend anvertrauen kannst, da du weißt dass er/ sie es fuer sich behalten wird?

Willst du es vielleicht doch noch mal beim Arzt versuchen? Oder kannst du da wo du arbeitest gleich zu einer Psycho-sozialen Beratungsstelle hingehen, wo man dir erklären könnte welche Therapiemoeglichkeiten es Vorort gibt?

Und wenn das alles noch nicht geht, dann lasse dir Zeit und schreibe hier weiter, wenn es dir hilft dich aufs reden vor zu bereiten!

Viele liebe Grüße
Pia




MaritaT
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Re: Darueber reden....

Beitrag von MaritaT »

Hallo Geekgirl, Deine Zeilen berühren mich sehr. Es spricht soviel Unsicherheit aus Deinen Worten und auch Verzweiflung. Ich denke aber, wir Neuerkrankte haben es wahrscheinlich viel leichter mit dem Outing als diejenigen hier, die schon seit jungen Jahren damit konfrontiert worden sind. In den letzten Jahren wurde sehr viel Aufklärungsarbeit geleiset.
Ein bischen Hoffnung kann ich Dir also machen´. Mir ging es so schlecht, daß ich garnicht mehr drumherum reden konnte, es hat sowieso jeder mitbekommen. Ich kam in eine Akutklinik und mein Nachbarssohn war auf der gleichen Station. Genauso wie die Frau eines Vereinskameraden. Und als mein Mann mit einem Kollegen, den er vertraut sprach stellte sich heraus, daß auch dessen Frau schon einmal auf dieser Station war. Nur Zufall? Nein ich glaube nicht. Jede Familie hat sein Päckchen zu tragen. Wir sehen das nur nicht, weil sichimmer alles hinter verschlossenen Türen abspielt.
Langer Rede kurzer Sinn: Ich habe kaum schlechte Erfahrungen gemacht beim outen, ganz im Gegenteil, ich bekam sehr viel Hilfe.
Dir würde ich raten, sprich doch mal mit Deinem Hausarzt. Meiner war für mich auch der erste Ansprechpartner. Du wirst sehen, wenn Du einmal angefangen hast darüber zu reden, dann fällt es Dir das nächste Mal viel leichter. Außerdem ist ja garnicht gesagt, daß Du wirklich an einer Depression leidest, es kann ja auch reine Überforderung sein z.B., aber das muß natürlich von einem Arzt untersucht werden.
Alles Liebe für Dich, ich wünsche Dir, daß Du Dich traust.
Liebe Grüße Marita
Die beste Zeit einen Baum zu pflanzen war vor 20 Jahren. Die nächstbeste Zeit ist: Jetzt.
afrikanische Weisheit
Hygeia
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Re: Darueber reden....

Beitrag von Hygeia »

Hallo geekgirl,

natürlich bist du nicht die Einzige, die so große Probleme damit hat, über die Depression zu sprechen. Und die tollen Vorsätze, die man sich nimmt, sind auch bei den meisten erstmal nur Gedanken. Ich selbst hatte mir vor ca. 3 Jahren das erste Mal überlegt, mir professionelle Hilfe zu suchen und bin erst jetzt soweit, dass ich mir konkretere Pläne gemacht habe, was ich tun werde.

Bei mir selbst ist es so, dass ich bisher nur betrunken (oder zumindest angetrunken) mit Freunden darüber gesprochen habe. Da ich betrunken auch viele Dinge tue, die man nicht ernst nehmen sollte, haben meine Freunde darauf (fast) nicht reagiert, aber ich hab mich danach immerhin ein klein wenig besser gefühlt.
Ist natürlich keine langfristige Lösung, aber vllt kann man so besser üben, als in einem Internetforum zu schreiben.
Und komisches Verhalten oder so kommt von anderen Leuten für gewöhnlich nicht, da solltest du dir keine Sorgen machen.

Depressionen sind eine Krankheit, die keine konkreten Ursachen haben muss. Bei Kopfschmerzen findet man manchmal auch keine körperliche Ursache, aber das macht sie nicht weniger real und evtl behandlungsbedürftig. Akzeptiere die Krankheit, wie sie ist und verschwende deine Energie nicht für Schuldgefühle und Selbstzweifel.

Mein Leben ist ähnlich wie deines nur von guten äußeren Einflussen geprägt: liebevolle Familie, die mir genug Geld gibt, dass ich mir mein Studium leisten kann, ohne einen Nebenjob haben zu müsssen. Wenn man dann andere Leute sieht, die neben dem Studium noch an den Wochenenden und in den Semesterferien arbeiten müssen, fragt man sich immer, womit man ein besseres Leben als andere verdient hat. Und dann kann man es nicht mal wertschätzen :/
Aber wie Pia schon sagte, die Schuldgefühle sind ein Symptom und das ist behandelbar.

Wie ich mit meiner Familie darüber sprechen soll, ohne dass die sich dann Sorgen um mich machen weiß ich auch noch nicht so genau. Ich warte wrs damit, bis ich mir professionelle Hilfe gesucht habe und schon sagen kann, es ging mir schlecht, aber ich tue was dagegen und es ist nicht eure Verantwortung.
Wenn man mit Freunden reden kann, kann man das so machen, aber irgendeine nicht-digitale Ansprechperson braucht man zum reden. Ich hoffe du findest da schnell jemanden.

Ärzte und andere Beraungsstellen kennen die Probleme mit Depressionen auch genau genug. Sie werden die Krankheit nicht kleinreden und dir keine Behandlung aufzwingen, solange du keine Gefahr für dich selbst oder andere bist.

Also, finde den Mut, dir die Hilfe zu holen, die du brauchst und verdienst,
liebe Grüße
Hygeia
EinJemand
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Re: Darueber reden....

Beitrag von EinJemand »

Hey du,

ich kenn das alles auch. Das Gefühl, die Situation sein festgefahren, haben wir wohl alle hier. Und mir ist das auch unglaublich peinlich, zuzugeben, Depressionen zu haben. Ich habe mich vor drei Monaten für eine Therapie angemeldet und was meinst du, wie lange ich daran gesessen habe, auf den Bogen zu schreiben, dass ich Depressionen habe?
Ich denke, dass so viele sich dafür schämen, weil diese Krankheit trotz ihrer Häufigkeit nicht wirklich akzeptiert wird. Sie sagen alle "Hol dir Hilfe", aber wer hört einem schon wirlich zu? Ich hab das Thema mal bei meinem Hausarzt angesprochen. Und was meinte der dazu? "Du hast keine Depressionen, du hast nur keine Ziele im Leben. Setz dir Ziele, dann geht es dir besser." und das hat er behauptet ohne zu fragen, wie es mir geht oder sonst was. Und danach hat er mir erzählt, dass er seine Garage aufgeräumt hat. Da hab ich mich auch vera***** gefühlt. Man wird einfach nicht ernst genommen. Ich meine, ich glaube schon, dass ich unterscheiden kann, ob ich Depressionen oder eine Spätpubertäre Phase habe. Aber das will niemand wissen. Ich glaube schon, dass man mit dieser Krankheit, was auch immer andere sagen, alleine ist. Mir kommt das auch immer vor wie eine faule Ausrede, aber nur, weil die anderen das für faule Ausrede halten. Andere verstehen nicht, dass gewisse Dinge nicht tun kann. Man ist einfach nicht in der Lage in die Schule, zur Uni oder sonst wohin zu gehen. Das interessiert aber niemanden. Man muss in dieser Gesellschaft funktionieren. Das Einzige, das uns übrig bleibt, ist die Depression zu bekämpfen und wieder am Leben teil zu nehmen, schätze ich...
Aber wir alle fühlen uns wohl so, wie du es beschrieben hast, du bist ganz sicher nicht die einzige!

lG
geekgirl
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Registriert: 21. Sep 2013, 17:07

Re: Darueber reden....

Beitrag von geekgirl »

Danke fuer Eure Antworten. Irgendwie beruhigend, dass andere das aehnlich erleben bzw. erlebt haben. Sorry, dass ich mich nicht eher gemeldet habe. Es ist albern, aber ich bringe es tatsaechlich fertig, stundenlang vor diesem bloeden Eingabefenster zu sitzen, und einfach nicht zu wissen, was ich antworten soll, zu schreiben, zu loeschen, und es am Ende nicht abzuschicken. (Keine gute Voraussetzung, um sich an einem Internetforum zu beteiligen. Ich weiss... :roll: )

Enge Freunde, mit denen ich ueber persoenliche Themen reden koennte, habe ich hier keine - eher Bekannte, die aber mittlerweile wohl denken, dass ich sowieso kein Interesse an Kontakt habe, weil ich Mails nicht beantworte, nicht ans Telefon gehe, und mich von mir aus auch nicht melde. Ziemlich daemlich, ich weiss, aber ich bin in den letzten paar Monaten regelrecht "sprachlos" und mir faellt nichts ein, worueber ich reden koennte.

Immerhin habe ich fuer Samstag morgen einen Termin beim Facharzt gemacht - Per Online-Formular um 4 Uhr nachts und zugegebenermassen ziemlich uebermuedet und verzweifelt, weil ich die letzten Tage kaum schlafen konnte. Gestern Morgen haette ich einiges darum gegeben, das wieder rueckgaengig machen zu koennen, aber mittlerweile denke ich wahrscheinlich war es richtig so, auch wenn es sich gerade ganz und gar nicht so anfuehlt und ich quasi minuetlich schwanke zwischen "Hoffentlich bekommst Du ueberhaupt ein Wort raus und faengst nicht gleich an, loszuheulen" und "Du redest Dir das alles nur ein" bzw. "Du musst Dich nur ablenken und zusammenreissen" oder auch "Wahrscheinlich sitzt Du da freundlich laechelnd, und der fragt sich "Was will die hier?"" Kann mir bitte mal wer die Daumen druecken, dass ich weder gleich weggeschickt noch krankgeschrieben werde oder Medikamente bekomme, die vielleicht gar nicht noetig waeren? Gibt es irgendwas, das ich beachten sollte? Was kann ich tun, damit der mich wirklich realistisch einschaetzen kann? Irgendwie traue ich mir da wohl selbst nicht ueber den Weg.

Ich habe da zugegebenermassen noch eine etwas merkwuerdige Frage, die mich im Hinblick auf den Arztbesuch gerade beschaeftigt: Ich weiss, dass ich mir ganz sicher nichts antun wuerde und das auch noch nie ernsthaft in Betracht gezogen habe, aber das hindert mich dummerweise nicht wirklich daran, ueber diese Dinge relativ detailliert nachzudenken. (Keine Ahnung, warum - vermutlich einfach zuviel Phantasie, zuviel hier im Forum gelesen oder so - Es hat definitiv keine Bedeutung und ich verstehe das selbst nicht wirklich...) Ich habe Bedenken, dass mein Gegenueber das missverstehen koennte und dann alles fuer schlimmer halten koennte, als es ist, und frage mich, ob ich das einfach weglassen kann, falls ich gefragt werde. Wie ehrlich sollte man bei sowas sein?

Liebe Gruesse und nochmal vielen Dank fuer Eure Antworten.
hier_und_jetzt
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Re: Darueber reden....

Beitrag von hier_und_jetzt »

Liebe Geekgirl,

Hey, du hast einen Termin gemacht, super! Gehst du zu einem Psychiater oder zu einem Psychotherapeuten? Es ist egal, beide können dir weiter helfen.
Ich drücke dir die Daumen, ganz doll!
mache dir nicht zu viele Sorgen. Ein guter Arzt weiß, dass es dir nicht leicht fallen wird zu reden. Das ist o. k. Und wenn dir nach weinen ist, dann weine. Die Idee mit dem Arzttermin ist ja jemanden davon zu berichten, dass es dir nicht so gut geht. Zusammen reißen ist also nicht notwendig!

Deine Sprachlosigkeit kenne ich gut, ein guter Arzt weiß damit umzugehen. Und wenn du Zeit brauchst, um im Forum zu schreiben, dann ist es doch auch in Ordnung. Vielleicht hilft es dir, in einem Word Dokument vorzuschreiben, in Ruhe durchzulesen und zu ändern, und er ist erst dann in das Eingabefenster zu Posten?

Ich rate dir auf jeden Fall zum Arzt Termin hinzugehen. Du warst jetzt lange stark und hast versucht dir selber zu helfen, aber irgendwie klappt es nicht. Da beweist es doch auch Stärke, dir von außen Hilfe zu holen.
Du hast ja auch nichts zu verlieren, es kann nur besser werden!
Und dass du Zweifel hast und am liebsten gar nicht hingehen möchtest, ist auch ganz normal. Vielleicht nimmst du diese Zweifel einfach hin?

Ich an deiner Stelle wäre ehrlich. Auch in Bezug auf die Selbstmordgedanken, auch wenn diese nur sehr theoretisch sind. Auch das kannst du dem Arzt ja erklären. Als es mir sehr schlecht ging, hatte ich solche Gedanken übrigens auch. Sie erschienen mir total surreal, aber trotzdem waren sie da. Die Therapie die ich mache hat mir darüber hinweg geholfen. Deine Frage, ob du es für dich behalten solltest, kann ich jedenfalls gut nachvollziehen.

Vielleicht macht es dir ein wenig Hoffnung, mir ging es lange, monatelang, ähnlich wie dir. Nach gut zwei MonatenTherapie, eine Sitzung pro Woche, fühle ich mich viel besser.

Was auch immer der Arzt vorschlägt, sei es eine Behandlung mit Medikamenten oder eine Therapie, vielleicht auch eine Mischung aus beiden, es wird ein Vorschlag sein. Entsprechend wird die Entscheidung bei dir bleiben.

Ich finde es sehr gut das du dir Hilfe holst!
meld dich mal nach dem Termin, wenn dir danach ist!

Also, ich drücke dir alle Daumen!
Liebe Grüße
Pia
geekgirl
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Registriert: 21. Sep 2013, 17:07

Re: Darueber reden....

Beitrag von geekgirl »

Danke fuer Deine Antwort. Ich habe mich tatsaechlich ueberwinden koennen, da hinzugehen. Allerdings bin ich kein bisschen schlauer, wenn ich ehrlich sein soll.
Im Prinzip hatte ich ja schon vermutet, dass es so ablaufen wuerde, aber letztendlich habe ich einen Zettel ausgefuellt, wo ich angeben sollte, was ich fuer Symptome habe, dann hat sie sich ein paar Minuten mit mir ueber meinen Job unterhalten, meinte, dass einheimische Frauen auch haeufig depressiv werden, wenn sie nur mit Maennern zusammenarbeiten muessen :? (Nee, oder???) Irgendwie war die ganze Situation seltsam. Sie hat mir dann gleich Antidepressiva und Schlafmittel verschreiben wollen. Letztere habe ich abgelehnt. Will sowas nicht im Haus haben und habe auch Bedenken, dass man davon abhaengig wird. Erstere liegen jetzt hier rum, und ich weiss nicht, ob ich das wirklich will, aber sehe auch nicht wirklich eine Alternative. Sie meint, wenn ich wolle, dass es mir besser geht, solle ich die nehmen, aber sie koenne mich natuerlich zu nichts zwingen. Hat mir dann erstmal die halbe Dosis aufgeschrieben wegen meiner Bedenken, aber ich habe immernoch das Gefuehl, ich haette der im Prinzip alles erzaehlen koennen, und haette ohne grosses Nachfragen die passende Pille dafuer bekommen und weiss immernoch nicht, ob ich das wirklich brauche, oder nicht.

Psychotherapie ist hier Alternativmedizin, nicht wirklich anerkannt und teuer. Ich meine, wenn es was nuetzt und zeitlich begrenzt ist, wuerde ich das ja zahlen, aber ich weiss auch nicht, ob das die bessere Loesung waere und da ist es wahrscheinlich noch wichtiger, dass man demjenigen vertraut und auch und vor allem nicht nur sprachlos rumsitzt.

Sorry, bin gerade etwas ratlos...
Selea

Re: Darueber reden....

Beitrag von Selea »

Guten Morgen geekgirl.

Deinen Thread habe ich verfolgt. Und dachte schon auch, in einem anderen Land, weit weg, ist es sicherlich schwieriger, sich die richtige ärztliche oder psychotherapeutische
Hilfe zu suchen, zumal vielleicht im Emotionalen doch die eine oder andere Hürde
im Sprachgebrauch sein könnte.

Jetzt schreibst Du
..ich habe immernoch das Gefuehl, ich haette der im Prinzip alles erzaehlen koennen, undhaette ohne grosses Nachfragen die passende Pille dafuer bekommen...
und
Psychotherapie ist hier Alternativmedizin, nicht wirklich anerkannt und teuer. ...
Wärst Du in Deutschland, so hätte ein Psychiater als Erstanlaufstelle Dir sicherlich auch zu einem Antidepressivum geraten. Es hilft ja erst einmal, es ist wie das Pflaster auf die verletzte Seele.
Erst einmal.
Aber hier hättest Du in der Tat eine Auswahl an Psychotherapie, stationär oder auch ambulant, und auch von den Krankenkassen finanziert.

Leider geht das da, wo Du derzeit lebst und arbeitest nichts.
Nun kenne ich ja Deine finanzielle Situation nicht.
Aber vielleicht wäre es eine Chance, wenn auch nur begrenzt, einmal Deinen Seelenbalast, also was Dich quält, etc zu besprechen....
Aber das wirklich Dir jetzt zu raten, das kann ich nicht, da ich noch viel zu wenig von Deiner aktuellen Situation weiß.

Hast Du denn Freunde vorOrt, mit denen Du Dich austauschen kannst, vielleicht auch über Deine Seelenprobleme, vielleicht gleichsprachige Freunde???

Oder, was ich so ganz spontan denke. Hast Du vielleicht auch sehr Heimweh nach Deutschland??? Einem Land, in dem alle Deine Sprache sprechen, in denen Strukturen am Arbeitsplatz vielleicht durchschaubarer sind, für Dich , weil Du halt Deutsche bist?

Iss nur so ein Gedanke.

Du musst hier auch nicht antworten auf das, was ich gepostet habe.
Es soll lediglich als Anregung dienen.

Ganz herzliche Grüße in die "andere Zeitzone".
Selas
geekgirl
Beiträge: 23
Registriert: 21. Sep 2013, 17:07

Re: Darueber reden....

Beitrag von geekgirl »

Danke fuer Deine Antwort. Ich weiss auch nicht, letztendlich wusste ich, worauf ich mich einlasse, aber irgendwie fuehlt es sich einfach, wie Versagen auf ganzer Linie an, Tabletten einzuwerfen statt an der Loesung des Problems zumindest irgendwie noch beteiligt zu sein. Ich habe das Gefuehl, ich haette einfach so weitermachen sollen, wie bisher. Ging doch irgendwie.

Der Aerztin heute morgen bin ich wohl auch ziemlich auf die Nerven gegangen, weil ich auf die Haelfte ihrer Fragen mehr oder weniger mit "Weiss ich auch nicht so genau" geantwortet habe. Ganz ehrlich gesagt weiss ich nichtmal ob ich Deutschland vermisse. Meine Eltern, klar, aber sonst? Das hat die mich heute morgen auch gefragt. Ich habe in letzter Zeit eigentlich ueberall das Gefuehl, das ich da, wo ich bin, nicht hingehoere und aussen vor bin, aber ich befuerchte, das wuerde mir in Deutschland genauso gehen. Und nach 8 Jahren sollte ich mich ja doch langsam eingelebt haben...

Freunde habe ich hier nicht wirklich... Eine Freundin vielleicht, ansonsten ein paar Bekannte. Nach dem Erdbeben 2011 sind viele Auslaender gegangen und nicht wiedergekommen und generell bleiben die meisten Leute eben nur fuer begrenzte Zeit und fuer die Einheimischen bleibt man letztendlich doch immer die Fremde. Meinen Eltern habe ich gestern von dem Termin erzaehlt, weil ich ein schlechtes Gewissen dabei hatte, ihnen etwas vorzuluegen. Haette ich nicht tun sollen. Jetzt machen sie sich unnoetig Sorgen und meinen, sie muessten mir mit gutgemeinten Ratschlaegen helfen, und ich kann mich nicht mehr zurueckziehen und einfach mal nicht ans Telefon gehen, ohne dass sie sich Gedanken machen.

Sorry, ist einfach ein bloeder Tag heute. Wie auch immer - liebe Gruesse nach Deutschland!
Selea

Re: Darueber reden....

Beitrag von Selea »

Hi geekgirl. :)

Wo steckst Du eigentlich, in den USA, in China, in Japan.....und Dein Nickname, zeigt der was über Deinen Job. Hochdotierte Akademikerin, so schätze ich einmal, viel am PC ;) __und in ner Männerdomne, Mathematik, Informatik.....*lach*

Du hast mich jetzt einfach neugierig gemacht.

Und seit Jahren lebst Du dort. Dort in der Ferne. Bist vielleicht Mitte 30 oder Ende 30.

Und steckst in einer Krise fest. Aber ganz gewaltig.

Du fühlst Dich sehr verloren derzeit, meinst, Du würdest Dich auch verloren in Deutschland fühlen, und meinst, nach Jahren hättest Du Dich jetzt in Deinem Anders_Land längst eingelebt haben müssen.

Das Verlorenheitsgefühl ist eindeutig einer Depression zuzuschreiben. Es ist eines der Symptome einer Depression.
Und dann die Selbstvorwürfe, sind ja einige in Deinen Beiträgen. Auch Depressionsbrille.....

Antidepressiva sind eine Stütze, eine Hilfe, wenns arg ist. (mit dem arg sagt man bei uns im SChwäbischen so).
Eine Psychotherapie kann sehr hilfreich sein, die Ursachen zu erkennen, entgegenzuwirken, Pfadsuche sozusagen.
Iss ja aber ganz schwierig in Deinem Land.

Dass Du Deinen Eltern reinen Wein eingeschenkt hast, finde ich gut. Wass soll denn das Kasperletheater von Verstellung bei Deinen Eltern, zu denen Du ja ein gutes Verhältnis hast. So habe ich es Deinen Beiträgen entnommen.
O.k. jetzt sorgen sie sich halt mehr.
O.k. auch etliche ihrer Ratschläge wirst Du nicht annehmen wollen. Bei Gott nicht :)
Aber es ist ein Anfang gemacht, mal über Deine Befindlichkeiten zu reden.

Bei Deinen Eltern, bei der Ärztin......hier im Forum.

Sich gar nicht mehr zu öffnen, alles nur noch mit sich alleine ausmachen wollen, verstärkt Einsamkeitsgefühle, führt in der Depressionsspirale nach unten.

Weißt Du, Du bist derzeit in einer Krise. Vielleicht will Anderes oder Neues in Dein Leben rein. Vielleicht stehen innere Veränderungen an.
Lass es zu.
Das Brodeln in dir hat einen Sinn.

Und nach einer gewissen Zeit hast Du auch wieder das besagte Licht am Ende eines langen Tunnels. Glaub mir.

Ganz herzliche Grüße
Selas
geekgirl
Beiträge: 23
Registriert: 21. Sep 2013, 17:07

Re: Darueber reden....

Beitrag von geekgirl »

Hi Selas,

Danke fuer Deine liebe Antwort. Eigentlich wollte ich hier nicht zuviel ueber mich verraten, weil ich nicht moechte, dass mich hier vielleicht irgendwer kennt und wiedererkennt. Wenn ich mir Deine Zusammenfassung so ansehe, ist es dafuer aber vermutlich eh schon zu spaet und vieles, was ich schreibe, kann man vermutlich nicht verstehen, wenn man nicht weiss, um welches Land es geht.

Ich lebe in Japan und eigentlich habe ich mich hier immer wohlgefuehlt und will eigentlich nur meinen Eltern zuliebe irgendwann zurueck. Kulturunterschiede fand ich spannend und um Erdbeben und andere Naturkatastrophen habe ich mir zwar schon Gedanken gemacht, als ich hier hergezogen bin, aber irgendwie vertraut man darauf, dass schon nichts passiert. Nach dem Erdbeben und dem ganzen Chaos in Fukushima hat sich das irgendwie geaendert. Ich habe die Japaner und ihr "business as usual" nicht mehr verstanden, Freunde und Kollegen sind weggezogen, weil sie Angst vor der Strahlung hatten, ich habe meinen beruflichen Kindheitstraum aufgegeben, weil ich mich nicht festlegen wollte, laenger hier zu bleiben, und bin haeufig erst schlafen gegangen, wenn es draussen wieder hell war, weil es einfach fies ist, im Dunkeln davon geweckt zu werden, dass das Haus wackelt. Ueber Monate hatte ich staendig das ungute Gefuehl, dass in der naechsten Sekunde alles vorbei sein kann und verschwinden tut das wahrscheinlich, so lange ich hier bin, nicht. Der Unterschied ist nur, dass es mir im Moment irgendwie egal ist. (... und das ist auf irgendeine voellig bescheuerte Art und Weise beruhigend...)

... und irgendwie denke ich, ich habe nicht das Recht dazu, mich schlecht zu fuehlen. Da sind mehr als 15.000 Leute gestorben, was-weiss-ich wie viele haben ihre Existenz verloren und ich bin eine von ein paar Millionen, denen realistisch betrachtet eigentlich nichts passiert ist, und habe beim Gedanken, mir Hilfe zu suchen, bzw. anzunehmen oder auch nur darueber zu reden, ein wahnsinnig schlechtes Gewissen gegenueber den echten Opfern und denen, die das gleiche erlebt haben, aber nicht solche "Weicheier" sind.

Was meine Eltern angeht - eigentlich bin ich ja auch fuer Ehrlichkeit, aber die muessen eh schon mit meiner Entscheidung leben, so lange hier zu bleiben - trotz der Risiken. Nach dem Gespraech gestern haben sie mir gesagt, ich solle doch so langsam endlich darueber nachdenken, zurueckzukommen, und dass ich abnehmen muss, dass ich rausgehen soll und Dinge tun, die mir Spass machen, zu vernuenftigeren Zeiten schlafen... und Yoga... und Sonne... und Vitamin D... und und und... alles nett gemeint und es ist aus den ganzen Ratschlaegen klar rauszuhoeren, dass sie sich einfach nur Sorgen machen, machen, aber alles Dinge, die ich gerade nicht will, nicht schaffe und ueberhaupt, aber jetzt irgendwie auf die Reihe bekommen muss - oder zumindest so tun - um sie nicht weiter zu beunruhigen. Fuer das eine Mal Ehrlichkeit darf ich jetzt also erst Recht "Kasperltheater spielen"... (Nette Umschreibung... 8-) )

Sorry, dass das alles so negativ klingt. Ich bin eigentlich nicht so, aber irgendwie hatte ich mir wohl erhofft, nach dem Arztbesuch und dem Gespraech mit meinen Eltern zumindest erleichtert zu sein, obwohl mir natuerlich klar war, dass sich dadurch nicht von jetzt auf gleich irgendwas aendert. Wie auch immer - ich brauche wohl einfach ein wenig mehr Geduld, auch wenn das noch nie meine Staerke war... ;)

Liebe Gruesse!
ndskp01
Beiträge: 2874
Registriert: 9. Feb 2008, 19:34

Re: Darueber reden....

Beitrag von ndskp01 »

Liebe Geekgirl,

mein erster Gedanke, als ich dein letztes Posting las: Du hast die traumatische Erfahrung der Erdbeben und der Atomkatastrophe nicht verarbeiten können. Kein Wunder eigentlich, vor allem, wenn um dich herum das business as usual weitergeht, und deine Ängste nichts sind im Vergleich mit dem grossen Leid der Todesopfer und ihrer Angehörigen, der Schwerverletzten und derer, die ihre Wohnungen verloren haben. Trotzdem ist es auch für dich ein Trauma gewesen, und es wäre gut, wenn du jemanden hättest, der das mit dir professionell bearbeitet. Könnte dort schwierig sein, wegen der Grundhaltung, einen Psychiater oder Therapeuten zu finden, der das tut. Vielleicht kannst du dich krank schreiben lassen, in Deutschland behandeln lassen und danach zurückkehren?

Ich wünsche dir von Herzen alles Gute!

deine Puk
Selea

Re: Darueber reden....

Beitrag von Selea »

Guten Tag geekgirl :)

PUK :) spricht mir aus der Seele, wenn sie sagt
Du hast die traumatische Erfahrung der Erdbeben und der Atomkatasrophe nicht verarbeiten können.......Trotzdem ist es auch für dich ein Trauma gewesen,..
Ich dachte heute Morgen, als ich Deinen Beitrag gelesen hatte, geekgirl, auch sofort an eine PTBS_an eine Posttraumatische Belastungsstörung.

Der Tsunami und die Reaktorkatastrophe, das war ja wirklich lebensbedrohlich und grauenvoll.
Sicherlich war dann danach für Dich auch schwer, wenn Freunde, das Land verlassen haben. Freunde, mit denen Du Dich hast/hättest austauschen können.

So ist Dir Einiges weggebrochen, das Sicherheitsgefühl, da wo wir leben, dieses Sicherheitsgefühl brauchen wir ja alle. Selbst nach Wohnungseinbrüchen kriegen die Menschen Angstzustände, weil ihre Wohnung nicht mehr der sichere Hort ist.
Und Freunde sind Dir weggebrochen.

Dann in der Tat die gänzliche andere Mentalität der Japaner, immer die freundliche Maske, keine Gefühle zeigend.
Vielleicht auch die andere Mentalität, seit Generationen, eben mit Naturkatastrophen oder Atomaren Unglücken umzugehen.

Ich kann es mir sehr gut vorstellen, wie Du Dir nicht zugestehen kannst, dass es Deiner Seele sehr schlecht geht derzeit.
Wo Du ja in der Tat priviligiert bist, durch Deine Bildung, Mehrsprachigkeit, durch einen gewiss interessanten Job, Du durftest trotz Katastrophen vor 2 Jahren am Leben bleiben, u.s.w.

Die Idee von Dir, PUK, sich vielleicht in Deutschland Therapeutische Hilfe zu suchen, finde ich grandios.
Wir haben hier ja Kliniken die auf Traumata spezielisiert sind.
Ich denke noch, geekgirl, hast Du noch Freunde in Deutschland, mit denen Du regelmäßig in Kontakt stehst, vielleicht auch solche, die Du in Japan kennengelernt hast???
Vielleicht könntest Du da mal das Gespräch suchen, oder mailen , oder skypen.
Und Dich austauschen.

Du solltest nicht alleine bleiben mit dem, wie es Dir "berechtigterweise" gerade geht.


Ganz ganz herzlich
Selas
geekgirl
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Re: Darueber reden....

Beitrag von geekgirl »

Nach Deutschland zu gehen, ist auch voruebergehend gerade keine Option und ganz ehrlich auch nicht notwendig. Das Wochenende war einfach kein besonders Gutes, aber normalerweise bin ich nicht so.

Ich bin nicht so wirklich ueberzeugt, dass ihr mit Eurer "Ferndiagnose" richtig liegt, zumindest nachdem ich mir den Wikipedia-Artikel durchgelesen habe. Das Risiko fuer ein schweres Erdbeben hier ist nunmal ganz realistisch betrachtet hoch. Zu dem genauen Risiko und dazu, welchen Einfluss das Tohoku Erdbeben darauf hatte, gibt es Studien und dessen ist sich hier jeder bewusst - nicht nur ich - und damit muessen hier auch alle leben. Wenn ich gerade irgendwo im Ausland unterwegs bin, wo das Risiko fuer Erdbeben gering ist, denke ich auch nicht daran. Eigentlich war ich damals waehrend der ganzen Zeit relativ ruhig, und Flashbacks oder Traeume davon habe ich auch nicht. Es ist auch nicht so, dass ich nicht darueber reden kann, was passiert ist und wie ich das erlebt habe, oder dass mir Angst machen wuerde, mir die Situation vorzustellen. Diese Geschichten werden hier eigentlich dauernd ausgetauscht. Ich glaube, ich weiss von so ziemlich jedem in meinem Bekanntenkreis, was er am 11. gemacht hat, und umgekehrt. Ich finde es nur unangebracht, ueber die Veraenderungen fuer mich zu jammern oder mich schlecht zu fuehlen, waehrend andere wirklich Schlimmes erlebt haben und gerade wenn man mit Japanern redet, hat fast jeder irgendwelche persoenlichen Verbindungen in die Katastrophenregion.

Es hat sich danach einfach eine Menge veraendert, privat und vor allem beruflich. Vielleicht ein bisschen zuviel. Was mich subjektiv am meisten beschaeftigt, ist dass ich wegen diesem sch*** Erdbeben und meiner Verunsicherung danach, meine beruflichen Traeume und eine leider einmalige Chance auf deren Verwirklichung aufgegeben habe, und das auch nicht wieder rueckgaengig zu machen ist. Ich dachte, ich werde auch mit dieser Entscheidung gluecklich - nur mit weniger Risiko, denn wahrscheinlich haette ich irgendwann sowieso aufgeben muessen, da die Konkurrenz zu gross ist. Andere beneiden mich um meinen aktuellen Job. Meine Kollegen meinen, sie koennten die Welt veraendern, aber mir kommt er ehrlich gesagt einfach nur sinnlos vor.

Einige Dinge sind mir klarer geworden, wie z.B. die grossen Mentalitaetsunterschiede, dass man als Auslaender ohne Familie vor Ort im Zweifelsfall alleine ist, und es ist noch greifbarer geworden, dass sich eben wirklich von einer auf die andere Sekunde alles aendern kann - sei es durch Katastrophen, Krankheiten, Unfaelle oder sonst irgendwas... Ich habe mir aber auch vorher schon zu viele Gedanken um diese Dinge gemacht. Das ist nicht wirklich das erste Mal dass es mir nicht gut geht. Nur das erste Mal, dass ich mir Hilfe gesucht habe statt alles mit mir selbst auszumachen, weil ich eben beruflich funktionieren muss und damit gerade so meine Probleme habe. Frueher hatte ich vor allem Angst davor, dass meiner Familie etwas passiert oder ich krank werde. Das ist jetzt nicht wirklich anders. Erdbeben sind einfach nur ein weiteres, moegliches Szenario.

Vielleicht sollte ich mir tatsaechlich jemanden suchen, mit dem ich reden kann. Danke, ihr beiden... Zumindest das ist mir gerade klar geworden.
Zuletzt geändert von geekgirl am 9. Feb 2014, 15:32, insgesamt 1-mal geändert.
ndskp01
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Re: Darueber reden....

Beitrag von ndskp01 »

Liebe Geekgirl,

was du schreibst, hört sich alles sehr vernünftig an.

Aber: Wo bleibst du selbst, bei deiner Bewertung deines Lebens, deiner Ziele und Bedürfnissse, deiner Gefühle. In deinem Posting lese ich, dass du dich selbst klein machst, deine Selbstwahrnehmung für vernachlässigbar hältst:

"Ich finde es nur unangebracht, ueber die Veraenderungen fuer mich zu jammern, waehrend andere wirklich Schlimmes erlebt haben ... meine beruflichen Traeume und eine leider einmalige Chance auf deren Verwirklichung aufgegeben habe, und das auch nicht wieder rueckgaengig zu machen ist. Ich dachte, ich werde auch mit dieser Entscheidung gluecklich ... andere beneiden mich um meinen aktuellen Job. Meine Kollegen meinen, sie koennten die Welt veraendern, aber mir kommt er ehrlich gesagt einfach nur sinnlos vor."

Auch deine Angst machst du künstlich klein. Sie ist aber, wie du auch selbst sagst, da. Du erlaubst dir nur nicht, sie ernst zu nehmen. Die Angst ist nicht deswegen weg, weil sie oft schon da war. Nimm sie ernst, auch wenn du nicht verstehst, woher sie kommt. Manche große Angst ist ererbt, beruht auf Erfahrungen der Eltern. Das Kleinmachen der eigenen Angst kann auch ererbt und erlernt sein. Meine Flüchtlingseltern haben es nach dem 2. Weltkrieg gelernt, das eigene Erleben hinter dem vielen noch viel Schlimmeren, das in den Jahren passiert war, zurückzustellen, zu relativieren. Die Gefühle dazu, die Angst, die sie hatten, haben sie an uns Kinder weitergegeben.

Was für mich selbst schlimm ist, können andere gar nicht unbedingt wissen, sie kennen ja nicht alle Details, die mich beschäftigen und belasten, nicht die Intensität meiner Träume und die Bedeutung, die die Hoffnungen für mich hatten. Mein Erleben ist auch beeinflusst durch die unausgesprochenen Erfahrungen, und auch die Geschichten, die in meiner Kindheit erzählt wurden. Dagegen geht es mir ja heute gut. Dass ich dennoch Angst vor jedem Knall hatte (seit der Therapie habe ich die nicht mehr), und bei tief fliegenden Flugzeugen an Bombenalarm dachte, können andere, gesunde Menschen kaum nachvollziehen.

Und eine neue schlimme Erfahrung kann alte Ängste hochkommen lassen.

Das meine ich mit einer traumatischen Erfahrung, die nicht aufgearbeitet werden konnte. Ein Erleben, das Schrecken auslöst, schockiert, und das deswegen zu einer erhöhten Grundangst führt. Es glaubt mir niemand, dass ich Angst vor Bombenangriffen haben, alle lachen nur darüber. Aber diese Angst ist real, auch wenn ich nicht im Krieg war. Es ist meine Angst, mein Gefühl, und mein Körper, der auf dieses Gefühl reagiert.

Den muss ich ernst nehmen. Weil ich es mir wert bin. Weil ich eine Verantwortung dafür habe, mein Leben als gutes Leben zu führen.

Viele Grüße zur Insel, deine Puk
hier_und_jetzt
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Re: Darueber reden....

Beitrag von hier_und_jetzt »

Liebe Geekgirl,
Schade, dass der Arztbesuch nur mittelmäßig war, aber ich finde es super, dass du hingegangen bist!
Also Trauma hin oder her, dir geht es nicht gut und du bist bereit eine Therapie zu machen.
Vielleicht gibt es ja doch auch gute Therapeuten Vorort?
Weißt du, wie du es rausfinden könntest, ein paar Nummern aus den gelben Seiten anrufen?
ich bin ja auch im Ausland und zwar in einer Millionenstadt, und trotzdem gibt es hier wenig geeignete Therapeuten. meine Therapeutin habe ich über einen bekannten gefunden und sie ist super! Also einen Versuch ist es wert.
hast Du dich schon über verschiedene Therapieformen informiert, damit du Vorort gezielter suchen könntest?
da wo ich bin, sind die meisten leider Old School, a ala Freud, Psychoanalytiker, also nur analysieren und auf der Couch liegen, das ginge fuer mich gar nicht. ich mache nun eine Mischung aus Gesprächstherapie und Verhaltenstherapie, das gefällt mir ganz gut.
was auch ne Möglichkeit sein könnte, Therapiesitzungen online via Skype zu machen, ich glaube das bieten in Deutschland inzwischen einige Therapeuten an. Vielleicht kannst du online schauen, wenn du dir das vorstellen konntest.
Wenn du eine Europa oder Deutschland Dkype Abo könntest du auch umsonst die Telefonseelsorge anrufen. (So ein Abo kostet glaub ich nur 5 Euro pro Monat)

Wenn du auslandskrankenversichert bist, sollte die Versicherung die Kosten einer Therapie zumindest teilweise tragen. ein Antrag auf Erstattung muss jedenfalls vertraulich behandelt werden ohne Infos an deinen Arbeitgeber weiter zu geben usw.

ich bezahle meine Therapie zur Zeit noch selbst, aber es ist hier halb so teuer wie in Deutschland und das Geld ist mir meine bessere Lebensqualität allemal wert.
wenn Du keine Geldsorgen hast, würde ich finanzielle Bedenken auch eher zur Seite schieben.

Wegen des Antidepressivums, vielleicht magst du dich auch online informieren wie es wirkt? Und da du dich deinen Eltern ja anvertraut hast, vielleicht könnten sie sich bei einem Arzt in Deutschland erkundigen, ob das Medikament geeignet ist?

Wenn du den Wirkstoff googelst würdest auch die entsprechenden Medikamentnamen in Deutschland finden und könntest zu den Erfahrungen der anderen in dem Forum fuer medikamentöse Behandlung nach lesen.

noch kurz zu meinen Parallelen zu dir ;) ich war auch immer wieder leicht depressiv und dann irgendwann kam es ganz heftig. das war ein halbes Jahr nach dem Tod meines Vaters, den ich beim Sterben begleitet hatte. Auch ich war damals ganz stark gewesen und das Trauma kam erst Monate später hoch und setzte sich in ner Depression fest. muss bei dir ja nicht so sein. Aber da würde dir ein Therapeut helfen, es heraus zu finden. vielleicht gibt es auch andere Gründe.

jedenfalls sehe ich rückblickend so, dass die Sterbezeit meines Vaters ein so heftiges Erlebnis war, dass ich mir monatelang später endlich erlaubte traurig anstatt stark zu sein. dass es dann in ner depri ausartete, war natürlich nicht so toll.

Inzwischen möchte ich die depri jedoch nicht missen! mir hat sie geholfen zu sehen, dass mein Job -ähnlich wie bei dir- sich oft sinnlos anfühlt, und es mir nicht gut gehen kann, wenn ich fast mein gesamtes ich darauf fokussiere (geht vermutlich auch bei erfüllenden Traumjobs nicht gut, he, he!) seitdem ich mich um meine Freizeit bemühe, habe ich mehr Lebensenergie und und weiß wofür ich sonst noch so lebe. Auch habe ich mehr Abstand zum Job entwickelt. ich nehme diesen vermutlich immer noch zu ernst, aber immerhin etwas weniger zu Herzen ;)
in dem Sinne hat mir die Depression geholfen zu sehen was ich brauche um mehr bei mir zu sein usw.

was doch schon mal super ist, ist dass du mehr im Forum schreibst!

ganz liebe Grüße
Pia

Sorry fuer Tippfehler! Meine Hand ist immer noch chronisch sehnenentzündet...das Leiden eines Schreibtischtäters halt.
Zuletzt geändert von hier_und_jetzt am 15. Feb 2014, 16:39, insgesamt 1-mal geändert.
ndskp01
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Re: Darueber reden....

Beitrag von ndskp01 »

Liebe Pia,

ich stimme dir in allem zu, waren wir bei derselben Therapeutin???? Oder ist es einfach nur allgemein menschlich?

Ich mochte den folgenden Verschreiber: "Wenn du den Wirkstoff vögelst ..." - schreibst du auf einem Smartphone, das das Wort googeln nicht kennt, oder was wolltest du wirklich sagen?

Puk
geekgirl
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Re: Darueber reden....

Beitrag von geekgirl »

@Puk: Ich verstehe, was Du meinst und so, wie Du es schreibst, klingt es auch sehr nachvollziehbar. In wie fern davon etwas auf mich zutrifft, kann ich aber nicht wirklich sagen. Ich halte meine Selbstwahrnehmung und meiner eigenen Bewertung von Situationen eigentlich nicht fuer vernachlaessigbar. Ich traue ihr nur im Moment nicht ueber den Weg. Ich schreibe irgendwas, und denke mir im naechsten Moment "Ist das nicht totaler Unsinn/voellig uebertrieben?", "Kommt das jetzt vielleicht ganz anders an, als es gemeint ist?", usw. Das klingt dann vielleicht wie "klein machen", aber ich bin mir einfach nur unsicher und hinterfrage staendig alles. (Geht mir nicht nur hier so und ist ehrlich geasgt das, was mich im Moment auch am meisten an mir nervt, weil ich das zumindest so extrem nicht gewohnt bin und auf der Arbeit ja nicht staendig andere Leute nach ihrer Meinung fragen kann. Mir hat letztens sogar mein Praktikant gesagt "Solltest Du das nicht eigentlich entscheiden?" :oops: )

Mal ganz naiv gefragt: Ist eigentlich wirklich irgendwas verkehrt daran, unangenehme Dinge klein zu machen und ihnen moeglichst wenig Platz einzuraeumen, statt sie allzu ernst zu nehmen? Das Gegenteil klingt doch eigentlich viel eher wie ein Problem. Gerade wenn man mit realen Risiken leben muss - und das tun hier eben alle - bleibt einem doch eigentlich nichts anderes uebrig, als sie als gegeben hinzunehmen und nicht uebermaessig zu beachten.

@hier_und_jetzt: Offensichtlich sinkt die Hemmschwelle tatsaechlich, wenn man erstmal angefangen hat, zu reden. Ich wundere mich da gerade selbst. Vielleicht ist mir aber auch einfach nach dem Termin am Samstag gar nichts mehr peinlich. ;) Ich hatte nicht mitbekommen, dass es schneien sollte, war viel zu spaet dran um noch zu laufen oder mit dem Zug zu fahren, bin dann mit dem Rad durch den heftigsten Schneesturm seit 20 Jahren, ein paar Mal wegen dem vereisten Boden fast langgelegt, dann wie ein halber Schneemann und mit total eingefrorenen Haenden, weil ich ohne Handschuhe das Navi nicht bedienen kann, in der Praxis aufgetaucht, und von den Sprechstundenhilfen angesehen worden, als sei ich sicher zumindest leicht verrueckt. :lol: Konnte mir ob der absurden Situation dann ein Grinsen auch nicht wirklich verkneifen, was meinen Versuch, zu erzaehlen, dass es mir gerade nicht wirklich gut geht, sicher nicht unbedingt glaubwuerdiger gemacht hat.

Eine deutsche Verhaltenstherapeutin gibt es hier tatsaechlich. Die Webseite habe ich schon vor einer Weile rausgesucht, aber mich bisher nicht getraut, da anzurufen. Die Kosten sind letztendlich nicht das Hauptproblem, da die Dauer ja normalerweise begrenzt ist. Irgendwie bin ich einfach skeptisch, weil ich befuerchte, bei sowas den Mund nicht aufzubekommen oder nur Unsinn zu erzaehlen, aber wahrscheinlich hilft da nur Ausprobieren. Dein Bericht klingt ziemlich ermutigend. Ehrlich, ganz lieben Dank, dass Du Dir so viel Muehe gibst, mir zu antworten. Wenn man hier liest, hat man irgendwie haeufig den Eindruck, es gibt kein "danach", sondern man experimentiert den Rest seines Lebens mit irgendwelchen Medikamenten oder Therapien herum, die dann letztendlich doch nichts bringen. Nach dem, was Du schreibst, habe ich das Gefuehl, dass es auch anders geht und das ist besonders beruhigend, da wir offensichtlich einige Gemeinsamkeiten haben. Danke dafuer... :)

Was das Medikament angeht - ist ein SSRI und wird in Deutschland unter dem Namen Cipralex verschrieben. Was ich bisher dazu finden konnte, klingt eigentlich ganz vernuenftig und ich habe mich mittlerweile entschieden, es auszuprobieren. Die Nebenwirkungen halten sich bisher in Grenzen. Irgendwie fuehlt es sich verkehrt an, nicht alleine klarzukommen und "mit Kanonen auf Spatzen zu schiessen", aber ich habe mir vorgenommen, meine Zweifel jetzt einfach mal fuer eine Weile beiseite zu schieben.

Ich glaube, diese Art von "Krankheit" passt einfach nicht in mein Weltbild. Ich bin sonst eigentlich jemand, der Dinge mit sich selbst ausmachen kann, und denke mir immer "Man muss nur wollen...". In so fern frage mich die ganze Zeit, ob ich mir da nicht irgendwas einrede. Ich fuerchte, das klingt total bescheuert, aber ich habe in den letzten Monaten bestimmt 20 verschiedene Online-Tests gemacht, und jedes Mal erst gedacht "Ok, du hast offensichtlich einen Grund, Hilfe anzunehmen", und dann Gruende gefunden, wieso es ja eigentlich trotzdem so schlimm nicht sein kann bzw. ich beim Antworten einfach uebertreibe (... War da nicht doch dieser Freitag abend vor zwei Wochen, wo ich mit Leuten zusammengesssen habe, und Spass hatte? Rede ich mir dies oder jenes nicht nur ein? Will ich mich womoeglich gar nicht wirklich gut fuehlen? Koennte ich nicht, wenn ich wollte, und einfach ein bisschen weniger ueber mich nachdenken und mich nicht so haengen lassen wuerde? Habe ich wirklich kein Selbstbewusstsein oder erlaube ich mir nur keins?...bla... bla... bla...). Am Samstag hatte ich das Gefuehl, dass auch die Aerztin auf mich "hereingefallen" ist, aber mit ein paar Tagen Abstand verstehe ich, dass die ihren Job gemacht hat, und sicher anders reagiert haette, wenn sie mich fuer eine Simulantin hielte.

Liebe Gruesse!
Selea

Re: Darueber reden....

Beitrag von Selea »

Hallo liebe geekgirl.

Deine ganzen Grübeleien, Deine inneren Selbstzerfleischungen, etc. sind so eindeutige Symptome von Depressionen.....und dann auch immer der innere Antreiber, Du müsstest müssen..... :oops:

Ich habe mich sehr gefreut, als ich gelesen habe, dass es bei Dir in Tokio tatsächlich eine Deutsche Verhaltenstherapeutin gibt.

Wäre das nicht derzeit die beste Lösung, bei der vorstellig zu werden???? :?:
Bezahlbar, entstammt Deinem Kulturkreis, wäre auch keine unendliche Psychoanalye.
Eben mal vorerst mit der zu arbeiten, sodenn Du es möchtest.

Es scheint mir die praktikabelste Lösung für Dich im Winter Japans.
*lach*
Hier bei uns ist es so lau. Der deutsche Winter ist dieses Jahr ausgefallen.

Du sprichst von dem Medikament Cipralex.
Vor Jahren sagte eine Fachärztin zu mir, das sei das Beste, was es derzeit auf dem Markt gebe.
Ich selber habe es aufgrund der immensen Übelkeit gar nicht vertragen.

Und bleibe bei meinem Johanniskraut hochdosiert. Ab und an mal Chemie zum Schlafen, Homöopathie, etc. etc.

Und wenn Du jetzt _______________endlich__________________Dich getraust zu erzählen, zu schreiben_________dann ist das ganz große Klasse.


Alles Gute auf Deinem weiteren Weg
wünscht Dir
Selas
hier_und_jetzt
Beiträge: 66
Registriert: 26. Okt 2013, 00:15

Re: Darueber reden....

Beitrag von hier_und_jetzt »

Hey Geekgirl!
Gibts was Neues? Alles gut? Hast du schon Lust und Zeit gehabt die Therapeutin zu kontaktieren?
LG
Pia
geekgirl
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Registriert: 21. Sep 2013, 17:07

Re: Darueber reden....

Beitrag von geekgirl »

Danke fuer Deine Nachfrage, aber es gibt nicht wirklich etwas Neues und ich habe mich ehrlich gesagt noch nicht getraut, Kontakt zu der Therapeutin aufzunehmen. Sorry, erst hier rumjammern und dann nichts tun ist bloed, ich weiss.

Morgen frueh fliege ich mit der Firma fuer 1 1/2 Tage nach Hokkaido zum Skifahren und aergere mich gerade ueber mich selbst, weil ich mich schon beim Gedanken an den Flug und Party und gemeinsame Uebernachtung, ohne mich mal fuer 5 Minuten alleine irgendwo zurueckziehen zu koennen, usw. total ueberfordert fuehle. Ich will mich ja gar nicht noch weiter isolieren und weiss, dass ein gutes Verhaeltnis zu den Kollegen wichtig ist, aber irgendwie ist diese Art von Veranstaltungen einfach nur anstrengend...

Sorry, mir gehen gerade 1000 Sachen durch den Kopf, aber zu erzaehlen habe ich trotzdem nichts.

Liebe Gruesse!
ndskp01
Beiträge: 2874
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Re: Darueber reden....

Beitrag von ndskp01 »

Liebe Geek,

du brauchst dich hier nicht für dein Verhalten zu entschuldigen. Ich glaube jeder hier kennt dieses Sich-schlecht-fühlen und Nichts-dagegen-tun. Die Vorstellung, nicht stark zu sein, ist für viele Depressive nicht akzeptabel. Ich bin viele Jahre lang nicht zum Facharzt gegangen und nicht zur Therapie, habe mir alle möglichen Gründe ausgedacht:

"So krank bin ich gar nicht."
"Andere brauchen den Therapieplatz nötiger als ich."
"Ich kann doch nicht einfach bei der Arbeit fehlen."
"Heute geht es wirklich überhaupt nicht, ich muss dringend diese Aufgabe fertig machen."
"Vom Büro aus kann ich nicht anrufen, das kriegen dann ja die Kollegen mit."
"Wenn ich den Betriebsausflug nicht mitmachen, geht es mir in Zukunft bei der Arbeit noch schlechter, als es ohnehin jetzt schon ist."

und so weiter. Alles Ausreden. Aber sehr wirkungsvoll.

Zu dem Betriebsausflug nach Hokkaido, wie du es schilderst, fällt mir ein: Wenn dir jetzt schon davor graust, wirst du damit das Verhältnis zu den Kollegen nicht verbessern, dass du dort hingehst. Du musst das nicht mitmachen. Du kannst dich morgen früh (oder wie spät ist es dort jetzt?) einfach krankmelden, zu Hause bleiben, und für deine Bedürfnisse sorgen. Könntest ja auch eine Grippe oder einen Blinddarmdurchbruch haben, oder einen Unfall oder so.

Mach was du willst!
Der Satz hört sich so einfach an, ist aber für depressive Menschen unendlich schwer zu befolgen.

Ich mag dich.

Puk
Gerbera
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Registriert: 31. Mär 2013, 00:24

Re: Darueber reden....

Beitrag von Gerbera »

Hallo Geekgirl,

auch ich habe Deinen Thread verfolgt und versuche es mal mit einer wissenschaftlichen Erklärung, um Dir die Scheu vor Deiner Krankheit und den Tabletten zu nehmen:
Depressionen sind im Grunde genommen eine Stoffwechselerkrankung des Gehirns so wie Diabetes eine Stoffwechselerkrankung der Bauchspeicheldrüse ist. Im schlimmsten Fall werden das "normale" logische Denken und die Fähigkeit, Verknüpfungen herzustellen blockiert, man vergisst Dinge, nimmt manches gar nicht erst wahr. Das sind sogenannte kognitive Störungen, die auf mangelnder Reizleitung im Gehirn basieren. Hierzu gibt es ganz gute und auch für Laien verständliche Bücher, z.B "Die Seele heilen", in dem eine Betroffene ihr Erleben während der Depression und ihren Heilungsprozess schildert. Begleitet wird das Ganze von wissenschaftlichen Erklärungen und Schaubildern eines Professors, der an der Uni Leipzig in der Depressionsforschung tätig ist. Wenn Du Interesse hast, suche ich die Namen der beiden Autoren heraus.

Vereinfacht dargestellt bedeutet das, dass Antidepressiva den fehlerhaften Gehirnstoffwechsel ausgleichen so wie Diabetes-Medikamente (z.B. Insulin) den fehlerhaften Zuckerstoffwechsel ausgleichen. Aus eigener Erfahrung kann ich Dir nur zuraten, dem Medikament (welches hat Dir die Ärztin denn verschrieben?) eine Chance zu geben. Ehe Du eine Wirkung bemerkst, können allerdings zwischen 2 und 6 Wochen vergehen. Ideal wäre eine begleitende Therapie (z.B. Gesprächstherapie), aber wenn ich Dich richtig verstanden habe, wird die dort, wo Du lebst, nicht angeboten.
Meine Therapeutin ist Psychiaterin und Psychotherapeutin. Ich nehme seit 2 Jahren Citalopram, komme gut damit klar, und wenn nötig, nehme ich die Tabletten für den Rest meines Lebens. Ohne das Antidepressivum wäre ich gar nicht therapiefähig gewesen. Für Schlafprobleme hat mir meine Thera Baldriantabletten (aus dem Supermarkt) empfohlen. Die machen nicht süchtig, und einen Versuch sind sie allemal wert. Vielleicht genügen sie Dir ja.

Fazit: Du leidest an einer Krankheit, für die Du genauso wenig kannst wie für eine Blinddarmentzündung. Die Krankheit verschwindet nicht von selbst durch Zusammenreißen. Bei mir wurde sie über mehrere Monate immer schlimmer bis ich eines Morgens komplett zusammengeklappt bin, nicht mehr ein noch aus wusste, hilflos in der Wohnung stand, unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen.
Dass Ärzte, die keine Spezialisten sind, mit Deinen Symptomen wenig bis nichts anfangen können, ist verständlich. Ging mir (lebe in Deutschland im Speckgürtel einer Großstadt) genauso. Es hat 8 Monate gedauert ehe ein Endokrinologe erkannt hat, dass ich (auch) psychotherapeutische Behandlung brauche. Mit einem Knochenbruch, Bänderriss oder so geht man zum Orthopäden, weil der Hausarzt da auch ganz schnell überfordert ist. Und mit einer Depression eben zum Psychiater oder Psychotherapeuten. Das ist normal!!!

Viele liebe Grüße und toi, toi, toi für Deine Genesung
Gerbera
ndskp01
Beiträge: 2874
Registriert: 9. Feb 2008, 19:34

Re: Darueber reden....

Beitrag von ndskp01 »

Hallo Geekgirl,

wie war es eigentlich in Hokkaido? Bist du gefahren?

viele Grüße, Puk
Antworten