Kraft, Angst und Zweifel

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Odeon2084
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Kraft, Angst und Zweifel

Beitrag von Odeon2084 »

Hallo zusammen,

ich habe lange überlegt ob und ich wie ich mich in einem Forum äußern möchte - aber mittlerweile bin ich an dem Punkt, wo ich glaube, dass ich Tipps von Menschen benötige, die vielleicht Ähnliches erlebt haben.

Ich bin seit über 4,5 Jahren mit meiner Freundin (34, geschieden) zusammen und habe sie damals in der Zeit direkt nach ihrer Trennung kennengelernt. Vor ca. 8 Monaten sind wir in eine andere Stadt gezogen - und damit fing eigentlich alles erst richtig an.

Wir haben auch vorher schon viel Mist zusammen durchgemacht und es alles überstanden und es hat uns immer mehr zusammengeschweißt.

Sie hat über Jahre in ihrem Beruf viel Mobbing und unsagbar viele Rückschläge erlitten und, wie sich mittlerweile herausstellte, auch einige Dinge aus ihrer Kindheit noch nicht wirklich verarbeitet. So zeigten sich dann also im Mai die ersten depressiven Anzeichen, die sich hinterher noch um Panikstörungen erweiterten.

Ihr ist dies früh aufgefallen und so hat sie sich selber recht schnell in Behandliung begeben wollen. Nach viel Bürokratiekram und Arztbesuchen stellte sich dann heraus (wie es ja typisch für ländliche Gebiete ist), dass die Wartezeit mindestens 12 Monate beträgt, bis sie einen Therapieplatz bekommen könnte.
Aufgrund dessen entschied sie sich für eine Reha Maßnahme, die auch recht schnell bewilligt wurde und auch verhältnismäßig schnell stattfand (Ende August bis Ende September). Den Nutzen dieser Reha Maßnahme will ich mit 3 auf einer Skala von 1 bis 10 beschreiben.
Ihr sind zwar einige Dinge bewusst geworden, aber mehr auch nicht. Weitere Hilfe in der Nachsorge dauere mindestens wieder 3 Monate - unabhängig vom Therapieplatz.
In den ersten Tagen war es für mich eine Qual. Seit wir zusammen sind, waren wir nie mehr als eine Nacht getrennt.

Ich habe mich in der Zeit sehr viel mit der ganzen Thematik befasst. Viele Berichte und Artikel gelesen um sicher zu gehen, wie ich sie richtig unterstützen kann, was ich tunlichst unterlassen sollte und worauf ich für mich achten sollte. Ich wollte und will ihr die größtmögliche Stütze und ihr Rückhalt sein und ich glaube, dass ich dies bislang auch recht gut gemeistert habe, auch wenn ich mittlerweile merke, dass ich nach und nach immer mehr Fehler mache, weil es mir einfach unbeschreiblich weh tut sie so zu sehen und ich möchte, dass es möglichst schnell vorbei ist.

In den ersten Tagen nach der Rückkehr ging es ihr auch recht gut, was sich aber im Alltag sehr schnell wieder legte. Daraufhin wurde sie vom Arzt zur stationären Behandlung eingewiesen.

Es gab im gesamten Verlauf immer wieder große Rückschläge mit Ämtern, Krankenkassen etc. was sie immer wieder deutlich zurück warf.

Die stationäre Behandlung läuft nun seit etwas über 4 Wochen, ein Ende ist aktuell noch nicht abzusehen. Sie war schon für einen Tag am Wochenende zu Hause und auch am letzten Wochenende sogar schon über Nacht. Die Klinik liegt deutlich näher, so dass wir uns durch die Woche auch mal sehen können. Das machte es mir deutlich leichter.

Soviel zur grob umrissenen Vorgeschichte.

Mein Problem ist nun, dass mir persönlich die Kraft ausgeht. Ich habe einen Beruf, der mich täglich gesitig sehr stark fordert. Dazu kommt dann die Ungewissheit wie es weitergeht, was in der Zukunft passiert, wann mit einem "Ende" zu Rechnen ist.
Da das ganze nach dem Umzug begann bin ich mittlerweile an einem Punkt, dass ich mir (ich weiß, ich soll es nicht) eine Mitschuld an allem gebe. Dazu kommt momentan die totale Angst sie zu verlieren. Nach den letzten 4,5 Jahren eigentlich total unbegründet, aber ich habe momentan einfach das Gefühl, dass nach fast 10 Wochen kontinuierlicher Trennung die Distanz größer wird, auch wenn wir uns unter der Woche mal sehen.
Sie meldet sich weniger und kürzer und erzählt mir einfach immer weniger.

Das vergangene Wochenende war jedoch wieder das genaue Gegenteil. Wir hatten 2 schöne Tage. Waren Essen, haben gebacken, haben was gespielt, viel geredet, waren Einkaufen und hatten einfach nur Zeit für uns und auch viel Nähe. Es war toll und auch unglaublich entspannend und Kraftgebend für mich.

Es tut mir jedoch weh, dass ich nicht wirklich weiß, wie es die Tage in ihr aussah. Ob es wirklich alles besser war, oder ob es ein wenig gespielt war von ihrer Seite. Objektiv hat sie jedenfalls seit langem mal wieder vernünftig geschlafen und deutlich mehr gegessen als die Tage zuvor.
Es ist bei ihr aktuell ein totales auf und ab. Sie hatte vergangene Woche einige echt gute Tage, dass sie schon darüber nachdachte nach Hause zu gehen - das ist nun wieder Geschichte.
Vergangene Nacht konnte Sie wohl wieder nicht richtig schlafen, machte sich Gedanken und zweifelte (ich weiß nicht woran) und meinte ich könne ihr dabei nicht helfen.

Dazu muss gesagt werden, dasss sie Aufgrund der Krankheit arbeitslos ist und ihren jetzigen Beruf nicht mehr weiter ausüben möchte und kann (sowohl Körperlich als auch geistig) und sie nun vermehrt über ihre Zukunft nachdenkt und hier momentan keine Perspektiven hat, weil keiner aktuell weiß wie es weitergeht. Umschulung ja oder nein - Rentenverischerung oder AA, übernimmt es überhaupt wer? Werlcher Beruf soll es überhaupt werden, etc.

Ich habe die letzten 10 Wochen alles versucht um sie in allen Punkten zu unterstützen. Bin hunderte Kilometer gefahren, hab sie in allen Problemen unterstützt und war für sie da.
Ich bin vor Beginn der Rehabilitation nachts mit ihr aufgestanden und habe bei ihr gesessen, wenn sie nicht schlafen konnte oder sie gehalten, wenn sie komplett zusammengebrochen und in Tränen aufeglöst neben mir saß.
Dazu kommt, dass ich aktuell die einzige Person bin, mit der sie, abgesehen von einem neuen Bekannten aus der Reha und einer sehr guten Freundin (arbeitet selber in diesem Bereich), aktuell überhaupt spricht. Der Kontakt zu Familie etc. ist ansonsten sehr eingeschränkt momentan.

Durch den Umzug habe ich viele wichtige Beuzugspersonen verloren und somit aktuell auch niemanden, mit dem ich wirklich ernsthaft sprechen kann.

Seit mehreren Tagen fühle ich mich jeden Morgen total nervös und angespannt und habe das Gefühl, ich könnte jede Sekunde auf Knopfdruck das Heulen anfangen. Ich habe momentan keine Ahnung, wie es weitergehen wird, ich habe wahnsinnige Angst sie zu verlieren und weiß nicht, was ich jetzt noch tun soll.
Meine Kraft ist am Ende und das obwohl ich immer versucht habe mir noch Zeit zu geben und mich selbst nicht zu kurz kommen zu lassen. Ich schaffe es auch nicht mehr meine Gefühle und Ängste vor ihr zu verstecken oder sie ihr nicht zu sagen - auch wenn ihr das sicher alles andere als hilfreich ist. Ich schlafe recht schlecht, bin total angespannt und auch mein Hunger ist entweder gar nicht da oder in riesigen Attacken.

Ich hoffe ihr könnt mir irgendwelche Tipps geben, wie ich die nächsten Tage oder Wochen noch einigermaßen überstehe, ohne selber der nächste Patient zu werden.

Vielen Dank!
Calla40
Beiträge: 20
Registriert: 13. Aug 2013, 13:55

Re: Kraft, Angst und Zweifel

Beitrag von Calla40 »

Hallo Odeon,

willkommen im Forum.
Es war eine gute Entscheidung, dass Du Dich hier angemeldet hast.
Ich habe am Anfang nur viel hier gelesen, musste aber dann auch irgendwann feststellen, dass ich mal meine Geschichte erzählen muss und mir ein Feedback von Leuten, die diese Geschichten in vielfachen Varianten kennen und selbst erlebt haben, gut tun würde.
Das ist auch eingetreten, dieses Forum hat mir durchaus sehr geholfen. Das wünsche ich Dir ebenfalls.

Nun zu Deiner Geschichte. Es gibt sie hier in vielen Variationen und doch ist einiges in den Geschehnissen der Angehörigen immer gleich. Die Selbstaufgabe.
Man will helfen. Man will da sein. Der andere ist einem so wichtig. Der Punkt ist nur, man gerät in einen Strudel. Am Anfang ist man damit beschäftigt, die aktuellen Probleme zu lösen. So wie man im täglichen Leben auch die anstehenden Dinge und Probleme angeht.
Problem erkannt: der Partner ist krank. Problemlösung: Therapieplatz muss her, Arzt-Besuche, Überweisungen, Termine, Telefonate mit Kliniken, wann und wo gibt es einen Platz in welcher Klinik, Krankenkasse etc
Das sind die praktischen Dinge. Damit kann man umgehen. Das ist "real".
Aber es gibt ja da noch den Partner und seine Krankheit. Mit Reaktionen, die man nicht versteht. Diese Traurigkeit, die Hilflosigkeit, die Zweifel des Partners an sich selbst - es überträgt sich irgendwann (schleichend) auf einen selbst.
Und das ist die Gefahr.

Du wirst es wahrscheinlich noch oft hören/lesen/gesagt bekommen:
Achte auf Dich! Es bringt keinem etwas, wenn Du auch krank wirst!
Wichtig ist die Zeit für Dich selbst. Ruhe finden. Mach etwas, was Dir Spaß macht. Hast Du ein Hobby? Gehst Du gerne in die Sauna? Irgendwas?
Das Problem dabei wird sein, dass Du mit Deinem schlechten Gewissen kämpfen wirst, wenn Du "Deine Zeit" in Anspruch nimmst.
So darfst Du das aber nicht sehen! Mit dieser Auszeit hilfst Du nicht nur Dir, sondern auch Deiner Freundin. Klingt seltsam, ist aber so.
Depressive nehmen durchaus war, dass es ihrem Gegenüber nicht gut geht. Und dann kommen da wieder die Schuldgefühle, die Zweifel an allem. Und die Spirale dreht sich.
Wenn es Dir mental besser geht, dann kannst Du auch besser mit den Stimmungen Deiner Freundin umgehen.
Leicht wird es nicht, das ist mal klar. Aber ein wenig leichter.

Deine Gesundheit ist wichtig! Du bist wichtig. Du musst Dir unbedingt ein wenig Egoismus bewahren! Klingt hart, ist aber super wichtig.

Du kannst auch Hilfe in Anspruch nehmen. Such Dir einen Therapeuten oder geh zum SPD in Deiner Stadt. Vielleicht gibt es doch noch "alte" Freunde, die Du kontaktieren kannst? Du solltest unbedingt mit jemandem reden. Nicht nur in diesem Forum, sondern auch in Deinem "realen Leben".

Soviel für's Erste.

Ich wünsche Dir Stärke und Kraft. Und bleib trotz allem bei Dir.

Viele Grüße

Calla
Odeon2084
Beiträge: 31
Registriert: 4. Nov 2013, 08:01

Re: Kraft, Angst und Zweifel

Beitrag von Odeon2084 »

Hallo Calla,

vielen Dank für die Worte.

Ich bin mir der Situation Gott sei Dank bewusst, habe aber alleine Aufgrund der Arbeit etc. eh kaum Zeit für wirkliche Hobbys und kriege auch wirklich keinen dreh dazu, wenn ich zu Hause bin.

Ich habe auch ein schlechtes Gewissen weil sie glaube ich schon deutlich mitbekommen habe, dass es mir auch nicht mehr so gut geht wie noch vor ein paar Wochen.

Ich kämpfe wirklich jeden Morgen mit mir um Überhaupt zur Arbeit zu gehen. Würde die ganze Zeit am liebsten "wegschlafen", damit das alles vorbei ist.

Da komm ich auch noch so einigemrßane mit klar und krieg mich da wieder herausgezogen. Was mir jedesmal wieder einen Tritt versetzt ist die Angst vor dem Verlust und der Unterschied bei ihr zwischen "ich bin da" und "ich bin nicht da".

Es kommt außerdem noch ein wenig Eifersucht hinzu im Moment, was ich von mir sonst auch eigentlich gar nicht kenne.

LG
Quappe
Beiträge: 107
Registriert: 23. Apr 2012, 16:03

Re: Kraft, Angst und Zweifel

Beitrag von Quappe »

Hallo Odeon!

Erst einmal herzlich willkommen im Forum. Gut dass Du hier bist!

Ich möchte den Beitrag von Calla so unterschreiben. Am Anfang steht immer die "Selbstaufgabe" - schön formuliert und absolut treffend.

Du bist nachts mit Deiner Freudin aufgestanden, hast ihre Schlaflosigkeit geteilt, warst bei Ihr um sie zu trösten - und bist anschließend wahrscheinlich früh aufgestanden und zur Arbeit gegangen.

Dort bist Du unkonzentriert, die Gedanken kreisen ständig um Deine Freundin und Du fühlst Dich schlecht, nicht leistungsfähig und überfordert? Dein anspruchsvoller Job fordert Deine Aufmerksamkeit, Du hast Sorge ihm momentan nicht gerecht zu werden? Falls es Dir so geht - dann wären wir schon zwei.

Bzw. es ging mir im ersten halben Jahr so, als mein Mann unter Depressionen litt. Ich war nervlich am Ende. Man fühlt sich für alles verantwortlich. Man will helfen, dem Partner alles abnehmen und ermöglichen, für alles eine Lösung finden und alles tun, damit er/sie schnell wieder gesund werden kann. Das ist schließlich selbstverständlich und man würde es sich umgekehrt auch wünschen.

Und DANN passiert in den meisten Fällen genau das, was nicht passieren darf: man verliert sich selbst und existiert ab einem gewissen Punkt nur noch als Teil der Depression des Partners. Man teilt sie, nimmt sie als Bestandteil des gegenwärtigen Lebens mit ins Boot und plötzlich liegt man zu dritt im Bett. Die Depression sitzt morgens mit am Tisch, drängt sich auf dem Sofa zwischen Euch und sie flüstert selbst dann, wenn man vielleicht einmal ein paar Minuten allein fernsieht oder ein Buch lesen möchte unentwegt alles Mögliche in das eigene Ohr und irgendwann tut sie das auch beim Einschlafen und hält Dich wach.

Warum kann sie das? Weil es in ihrer Natur liegt - sie ist schließlich ansteckend. Wenn man sie lässt!

Ich habe das Ganze jetzt vielleicht ein wenig überspitzt dargestellt, aber genauso ist es. Und das ist der sicherste Weg in ein Doppelzimmer!

Ab einem gewissen Punkt war ich nicht mehr leistungsfähig genug, um arbeiten zu gehen. Nach einem Telefonat mit meinem völlig aufgelösten Mann habe ich eines Montags einfach meine Tasche gepackt, hab den Kollegen gesagt dass ich jetzt nach Hause gehen muss und bin gegangen. Und zwar zum Hausarzt. Ich konnte einfach nicht mehr denken und arbeiten konnte ich auch nicht mehr. Mein Hausarzt hat derzeit noch meinen Mann behandelt und mir ins Gewissen geredet. Er hat mir ein paar Tage Schonzeit verpasst, hätte mich auch noch länger krank geschrieben und mir weitere Telefonnummern und Ansprechpartner gegeben, die wir um ein Therapeuten zu finden ansprechen sollten.

Es tat gut, ein paar Tage durchzuatmen. Im Job hätte ich nichts Gutes mehr zustande bringen können. Nach ein paar Tagen war das schlimmste Tief erstmal grob überstanden, ich habe mal gründlich ausgeschlafen und konnte mich dann dem Job wieder stellen. Es hat trotzdem noch Monate gedauert, bis wir zu dem Punkt gekommen sind, ab dem es für uns beide wieder bergauf ging.

Was hat sich geändert? Wir hatten einen ziemlichen Streit und uns ein paar unschöne Dinge mal gesagt. Oder eher: wir haben beide unserer Hilflosigkeit, den ohnmächtigen Gefühlen über die verfahrene Situation und in meinem Fall auch einer gewissen Wut darüber Raum gegeben. Denn es war einfach wahnsinnig verfahren. Wir beide wollten das Beste füreinander und waren dabei, uns gegenseitig in Sorge umeinander zu ertränken.

Dann beschlossen wir, uns gegenseitig einfach erstmal "in Ruhe" zu lassen. Jeder war wieder für sich selbst verantwortlich und der Andere hatte sich herauszuhalten. So merkwürdig es klingt: es hat funktioniert. Zwar war die erste Zeit merkwürdig, aber es hat uns gut getan wieder etwas Distanz zum Partner zu haben.

Distanz zum Partner bedeutete zumindest für mich: mehr Nähe zu mir selbst. Anfangs hab ich mich schwer getan damit, mich selbst wieder zu strukturieren. Dann habe ich angefangen, mir wieder eigene Termine zu machen. Ich habe morgens zuhause angerufen und gefragt, was heute für meinen Mann so auf dem Plan steht und ihm mitgeteilt, was ich mir so für mich überlegt habe. Wenn es ging, haben wir uns quasi miteinander verabredet.

Das gab mir... ja was gab es mir? Das Gefühl, wieder ich selbst zu werden. Mit meinen guten und schlechten Seiten, mit Dingen die ich gut kann und die ich gerne tu. Und zwar mit einem guten Gewissen. Um meinen Partner stützen zu können, muss ich mit mir selbst gut zurecht kommen. Wenn sich zwei Blinde gegenseitig stützen möchten, fallen nämlich anschließend Beide.

Selbst ohne ausgeprägte Aktivitäten mit Freunden war das möglich, ich musste nur den Anfang wieder finden. Was tut mir gut? Die Frage hätte ich zu dem Zeitpunkt nicht so einfach beantworten können. In erster Linie hätte es natürlich gut getan, wenn der Partner wieder gesund gewesen wäre. Da hatte ich allerdings keinen Einfluss drauf!! Darum mussten sich mein Mann und seine Therapeutin kümmern. Ich hätte ebenso gut versuchen können, Einfluss auf das Wetter zu nehmen. Was also sonst?

In der Zeit habe ich viel an die Vergangenheit gedacht, in der ich auch einige Jahre alleine gelebt hatte. Ich habe einige Aktivitäten wieder aufgenommen; bin zum Friseur gegangen, schwimmen, spazieren, habe stundenlang in der Badewanne gelesen oder im Garten gesessen, während mein Mann sich in der dunklen Wohnung verschanzt hat.

Bin ich nach Hause gekommen habe ich gefragt, wie sein Tag war. War er gut, habe ich mich für ihn gefreut. War er nicht gut, habe ich ihm aufrichtig gesagt dass ich das schade für ihn finde und mich weiter davon nicht beeindrucken lassen...

Klingt das alles nicht furchtbar?? Aber es tat mir so gut! Und das tut es heute noch.

Ein Doppelzimmer in der Psychiatrie kam für mich nie in Frage, denn eigentlich bin ich ein fröhlicher, tatkräftiger Mensch mit einem eigenen Kopf. Nur hatte sich die Depression so zwischen uns und in unsere Köpfe gedrängt, dass ich es irgendwann einfach vergessen hatte. Heute mag ich mich wieder. Meinem Mann geht es viel, viel besser und wir haben beide eine Menge aus der Zeit gezogen. Ich weiß, dass es ein Leben neben der Partnerschaft geben kann und dass ich in der Lage wäre, es auch ohne ihn zu bewältigen. Die Angst vor dem Alleinsein hat abgenommen und neuen Platz geschaffen, um den Partner und das gemeinsame Leben wieder zu genießen. Mit zwei Füßen fest auf dem Boden.

Das war jetzt echt viel Text und ich weiß nicht, ob Du viel daraus ziehen kannst. Sicher hätte man das kürzer formulieren können. Selbstfürsorge ist (auch wenn es Dir im Augenblick völlig abwegig vorkommt) das Einzige, was Du für Deine Partnerin tun kannst. Sei Du selbst. Sorge für Dich. Lass sie ihren Weg gehen und geh Deinen! Denn der ist genauso wichtig für Euch. Sie bekommt Unterstützung und fachmännische Hilfe. Du musst Dich um Dich selbst kümmern.

Liebe Grüße
Quappe
Blümli
Beiträge: 782
Registriert: 18. Jan 2011, 18:41

Re: Kraft, Angst und Zweifel

Beitrag von Blümli »

Liebe Quappe,

... ich habe großen Respekt vor Dir und dem was Du alles "begriffen" hast

Und... Dein Beitrag für Odeon: "große Klasse!"

Herzliche Grüße

vom Blümli
^^ Vielleicht muss man die Liebe gefühlt haben, um die Freundschaft richtig zu erkennen^^ Nicolas Chamfort
tine2476
Beiträge: 20
Registriert: 1. Dez 2013, 13:03

Re: Kraft, Angst und Zweifel

Beitrag von tine2476 »

Ich finde das toll von euch beiden, Quappe und Odeon, wie ihr das beschrieben habt. Ich bin auch so ziemlich an diesem Punkt und habe jetzt beschlossen für mich selbst Hilfe zu suchen, sowohl bei meinem Hausarzt -> mal schauen welche Tipps er für mich hat, und bei einer Selbsthilfegruppe für Angehörige (falls da mal jemand ans Telefon geht). Ich denke es ist wichtig dass man merkt wenn man selbst nicht mehr weiterkommt und droht an der Krankheit des Partners zu zerbrechen. Ich habe zum Glück auch tolle Freunde die im Moment (mein Partner ist angeblich in einer Klinik) sehr für mich da sind, aber das reicht irgendwie nicht aus.
Anna648
Beiträge: 5
Registriert: 1. Dez 2013, 21:14

Re: Kraft, Angst und Zweifel

Beitrag von Anna648 »

Hallo,
dem kann ich mich auch nur anschließen!!!! So in etwa wie bei Odeon, geht es mir auch, nur konnte ich es nicht so zutreffend formulieren wie er...
Und Quappe, wie wahr wie wahr!!! Ich danke dir jetzt schon, obwohl ich noch ganz am Anfang bin, für diesen unheimlich guten Rat.
Wenn wir es schaffen das so umzusetzen, da kann es ja nur noch besser werden!
Vielen Dank!!!!
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