Die Sache mit dem "Verstehen"

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naicheben
Beiträge: 8
Registriert: 9. Sep 2013, 11:47

Die Sache mit dem "Verstehen"

Beitrag von naicheben »

Hallo,

vielleicht kennt auch ihr es, wenn eure Partnerin/euer Partner sich (gerade in akuten Phasen der Depression) nie so richtig verstanden fühlt und sehr oft das Gefühl hat mit seinen Gefühlen alleine zu sein und daraus einen Vorwurf formuliert ("z.B. nie kannst du mich verstehen"). Oft höre ich stundenlang bei jeglichen Problemen zu, fühle mit, mache mir Gedanken und sobald ich dann ein 'falsches' Wort sage - z.B. einen ganz realistischen Lösungsvorschlag mache oder die Situation beleuchte - wird daraus die Schlussfolgerung gezogen, dass ich nicht verstehe ... Auch dann, wenn ich das Gefühl habe absolut zu verstehen ... Oft reicht es in einem klitzekleinen Punkt anderer Meinung zu sein und meine Partnerin fühlt sich alleine gelassen. Wie geht ihr mit solchen Situationen um? Macht ihr es euch zur Aufgabe euren Partner zu verstehen? Ist es bei ein ähnlich?
Peterbond
Beiträge: 20
Registriert: 26. Aug 2013, 09:51

Re: Die Sache mit dem "Verstehen"

Beitrag von Peterbond »

Hallo Ann-Katrin,
Ich kann dich nur zu gut verstehen, bei mir ist das auch noch nicht so ausgereift das ich immer weiß wie ich mich zu verhalten habe.

Momentan versuche ich die Zuhörer Position zu verstärken, erwische mich aber immer wie ich Ratschläge geben will.

Diese versuche ich aber immer Positive aussehen zu lassen. Das gute Korn zu finden ist nicht leicht, aber für mich soll es der weg sein.
Würde gerne mehr schreiben, bin froh das es geschafft dir zu antworten.

Ann-Katrin fühl dich von mir gedrückt, sei stark und pass auf dich auf.
Du wirst es brauchen.

Liebe Gruße
Peter
julcas
Beiträge: 569
Registriert: 11. Mär 2011, 17:57

Re: Die Sache mit dem "Verstehen"

Beitrag von julcas »

Hallo Ann Katrin,

ja, auch ich kenne das sehr gut, wobei mein Freund gerade in keiner akuten Phase ist.

Ich versuche mich auch aufs Zuhören zu beschränken. Das Lösungsangebot geht bei uns immer nach hinten los, weil mein Freund dann meint, ich wäre für die Anderen und würde ihn kritisieren. (wenn er Konflikte mit anderen hat) Ich versuchte in der Vergangenheit ihm den Blick zu erweitern, die Situation zu entschärfen, doch ich habe endlich begriffen, das er seine Konflikte selbst lösen muß, eben auch auf seine Art.

lg julcas
Lulu2013
Beiträge: 3
Registriert: 17. Aug 2013, 15:54

Re: Die Sache mit dem "Verstehen"

Beitrag von Lulu2013 »

Hallo Ann Kathrin,

ich denke, jeder kennt das Problem mit dem Verstehen. Nur kann man den anderen gar nicht 100%ig verstehen, wenn man nicht selbst eigene Erfahrungen mit der Erkrankung hat. Man weiß vielleicht, was der andere für ein Problem hat, aber richtig nachvollziehen kann man es nicht. Auch ich habe die Erfahrung gemacht, dass Lösungsvorschläge eher bevormundend oder kritisch oder verärgert oder oder oder ankamen.
Zwar ist es schwierig, sich zurückzuhalten und manchmal muss es einfach raus, schließlich können wir als Angehörige nicht raus aus unserer Haut und müssen unsere Meinung abgeben.
Aber meist ist es sinnvoller, einfach nur da zu sein und zuzuhören.
Bubbletea
Beiträge: 58
Registriert: 8. Mai 2013, 21:42

Re: Die Sache mit dem "Verstehen"

Beitrag von Bubbletea »

Liebe ann-kathrin,

wow, da gibst du wirklich unheimlich viel, es gibt wohl keinen größere Liebesbeweis, als stundenlang einem Depressiven während seiner Akutphase zuzuhören.

Liebe ann-kathrin, ich weiß ehrlich gesagt gar nicht, ob es "möglich" ist, einen Depressiven "auf dem Trip" mitten in der schlimmsten Phase wirklich zu verstehen, vielleicht kann er das nicht mal selbst. Aber vornweg, mag jetzt keinen Betroffenen diskriminieren, möglicherweise gibt es welche, die auch in Akutphasen klar "bei sich" bleiben können. Viele dagegen können das wohl nicht, der "Schleier" verändert die Wahrnehmung, verändert die Gewichtung von Problemen und ein paar Tage später kann schon wieder alles ganz anders sein. Ist sicher wahnsinnig schwer zu sagen, was ist die Krankheit, was die geänderte Wahrnehmung, was vielleicht Verdrängtes, was der Mensch selber.
So leichtfertig das jetzt klingt, bitte lass dich nicht zu sehr herunter-und mit hereinziehen und liebe ann-kathrin, bitte pass gut auf dich auf.

Dass du ihn nicht fallen lässt, sondern bei ihm bleibst, dass du ihm helfen und ihn sogar in dieser bestimmt sehr schweren und anstrengenden Zeit verstehen und mit ihm an einer Lösung arbeiten möchtest, bekommt er ganz sicher mit-spätestes, wenn es ihm wieder ein bisschen besser geht und vielleicht bedeutet ihm das sogar deutlich mehr als wirklich vollständiges Verstehen.

Viele Grüße und einen schönen Tag
MissSummerlove
lae
Beiträge: 188
Registriert: 14. Feb 2012, 12:37

Re: Die Sache mit dem "Verstehen"

Beitrag von lae »

Hallo Ann-Katrin,

ich habe an dieser Stelle schon mehrfach auf ein "Psychospiel" hingewiesen, das deutlich macht, dass es ein wirkliches Verstehen zwischen Menschen gar nicht gibt.

(Spiel: 3 Personen bilden eine Gruppe aus einem Fragenden, einem Antwortendem und einem Beobachter.

Aufgabe: bevor der Frager fragt bzw. der Antworter antwortet, muss er das Gesagte seines Vorredners wiederholen. Der Beobachter soll darauf achten, ob der Wiederholer das Gesagte auch genau so wiedergibt wie es der Aussager gemeint hat.

Ergebnis: Jeder Aussager fühlt sich nicht ganz richtig wiedergegeben. Die Wiederholer haben das Gefühl, dass sie mit ihrer Wiederholung genau das wiedergeben, was der Aussager gesagt hat. Der Beobachter sieht die Sache wieder ganz anders egal um welches Thema es sich handelt.)

Dass unsere normale Kommunikation eigentlich eine Aneinanderreihung von Missverständnissen ist, spielt im normalen Leben fast keine Rolle. Es funktioniert ja meistens irgendwie.

Schwierig wird es bei jeder Form von Abhängigkeitsbeziehungen und bei (psychisch) Kranken, die auf wirkliches Verständnis existentiell angewiesen sind.

Für dieses Paradoxon habe ich als Betroffene und als Angehörige noch keine Lösung gefunden und kenne auch niemanden, der es hätte.

Was mir seit fast zwei Jahrzehnten als Kranke und Angehörige (Vater, Bruder, Tochter) hilft, ist ein "akzeptierendes" Umgehen miteinander, was ich - Gott sei Dank - auch in meinem näheren Umfeld finde.

Es ist was es ist

laetitia
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