Freund hat Depressionen wegen Zusammenziehen

Antworten
p-dani
Beiträge: 2
Registriert: 8. Sep 2013, 14:38

Freund hat Depressionen wegen Zusammenziehen

Beitrag von p-dani »

Hallo miteinander!

Ich hoffe hier, als Angehörige, etwas Hilfe zu bekommen, da ich einfach nicht weiter weiß.

Ich versuche mich so kurz wie möglich zu halten um was es geht.

Mein Freund (29) und ich (27) sind seit 10 Jahren zusammen, wohnen aber beide noch bei unseren Eltern, da wir es uns bis jetzt nicht leisten konnten zusammenzuziehen (zwecks Studium).
Nun sind wir beide fertig und haben beide auch einen festen Job seit März diesen Jahres.
Für uns stand schon immer fest, dass wir zusammenziehen, wenn wir beide einen Job haben. Im Juni fingen wir dann an uns nach einer Wohnung umzusehen. Ende Juli hatten wir dann eine tolle Wohnung gefunden, in die wir eigentlich im September hätten einziehen können.
Da wir keine Möbel haben, die wir mitnehmen möchten, musste alles recht schnell gehen mit der Möbelsuche.
Von da an fing eigentlich alles richtig an. Mein Freund hat sich kaum dafür interessiert nach Möbel zu schauen. Wenn wir dann doch mal geschaut haben, dann war er genervt.
Wir haben zwar schon alles zusammen ausgesucht, aber am Ende hatte ich immer das Gefühl, dass er ihm eigentlich egal war, hauptsache wir konnten wieder aus dem Möbelhaus raus.

Vor einem Monat hat er mir dann gesagt (an meinem Geburtstag), dass es ihm psychisch total schlecht geht und er aber auch nicht weiß warum. Seitdem ist es wirklich schlimm. Er weint ständig und ist total depressiv.
Er war jetzt auch schon beim Psychiater und der meinte, dass das vielleicht dieses Jahr alles ein bisschen viel war (Studium abgeschlossen, Arbeit, Ausziehen), aber das nicht so dramatisch ist und man das wieder hinbekommt. Nun muss er für einige Zeit Antidepressiva nehmen.

Ich habe aber die Vermutung, dass es am Ausziehen von daheim liegt, dass er so depressiv wurde. Vom Zeitpunkt her kommt es hin und auch sein Verhalten spricht dafür: Er interessiert sich null für die Wohnung. Nur einige Beispiele: Ich habe die Tapeten ausgesucht und einen Tapezierer arrangiert - das war vor 2 Wochen --> er hat bis heute noch nicht nachgefragt was es denn überhaupt für Tapeten sind, geschweige denn er hätte sie sich angesehen.
Zur Schlüsselübergabe musste meine Mutter mitfahren, weil er angeblich bei einem Fußballspiel zuschauen musste.
Wir bräuchten noch ein paar wichtige Dinge für die Wohnung, außerdem müssen einige Entscheidungen getroffen werden zwecks Stromanbieter, Internet usw. Es interessiert ihn alles nicht und ich muss mich um alles kümmern.

Ich fühle mich einfach total allein gelassen von ihm. Ich komme mir so vor, als ob ich alleine in diese Wohnung ziehen würde. Wenn ich ihn darauf anspreche blockt er ab und sagt immer, dass er es nicht weiß woran es liegt. Ich bin mir aber 100%ig sicher, dass es an dem Umzug liegt.
Unsere Beziehung leidet natürlich auch extrem unter dem Ganzen.
Eigentlich sollten wir in zwei Wochen umziehen, aber was soll ich machen, wenn er nicht will? Ich will ihn auch nicht unter Druck setzen, aber es kann doch nicht sein, dass man mit 29 Jahren Depressionen bekommt, weil man daheim auszieht???

Ich weiß einfach nicht was ich machen soll!

Es wäre schön, wenn mir hier jemand Tipps geben könnte oder sich vielleicht jemand in einer ähnlichen Situation befunden hat?

Vielen Dank im Voraus!

Gruß, Daniela
dm67
Beiträge: 25
Registriert: 5. Sep 2013, 03:19

Re: Freund hat Depressionen wegen Zusammenziehen

Beitrag von dm67 »

Hallo Daniela,

erstmal Willkommen hier im Forum. Du hast hier schon über 70 Klicks, doch noch keine Antwort bekommen, was wohl an deiner aussergewöhnlichen Geschichte liegt. Ich werde es mal versuchen und hoffe die richtigen Worte zu finden.

Ich schreibe dir hier aus der Sicht eines Depressiven, der seine eigenen Probleme stetig bearbeitet und verarbeitet. Auch teilweise hier im Forum, beim Lesen von ähnlichen Fällen. Dies kann ich aber nur machen, weil ich mich nicht in einer schweren, depressiven Phase befinde und es mir zur Zeit relativ gut geht. Also.

Dein Freund befindet sich zur Zeit in einer mittelschweren, depressiven Phase. Das wurde, wie du schreibst, vom Arzt bestätigt und er bekam ja auch Antidepressiva. Ich gehe davon aus, das diese Krankheit bei deinem Freund zum erstenmal auftaucht. Er zwar merkt, das es ihm nicht gut geht, aber nicht weiss, was grad mit ihm passiert. Im häufigsten Fall zieht sich der Depressive zurück, geht auf Distanz zu allem. Kann kaum erklären, was ihm fehlt. Lässt Nähe nicht zu. Hat Schwierigkeiten zu fühlen und zu spüren. Kann kaum Entscheidungen treffen. Schlichtweg eine Hülle ohne Inhalt. Interesse an nichts. Diese Defizite sind bei jedem Depressiven in unterschiedlicher Stärke mehr oder weniger ausgeprägt und von Tag zu Tag unterschiedlich.

Was bedeutet das für dich. Du must in erster Line die Depression deines Freundes als eine schwerwiegende Krankheit akzeptieren. Er kann dir nicht mehr Folgen. Es hilft auch nicht, wenn du (gefühlte) 10 Schritte vorausgehst. Andernfalls ziehst du wirklich alleine ein. Was eventuell auch heißen könnnte, dieses Projekt "zusammenziehen" für die jetzige Zeit aufgeben zu müssen.

Was kannst du tun. Informiere dich zum Thema "Depression" in Selbsthilfegruppen für Angehörige, beim sozial-phychatrischen Dienst oder Diakonie bzw. Caritas in deiner Umgebung. Das hilft dir mit dieser Situation besser umzugehen.

Dabei solltest du in erster Linie auf dich achten, damit du dich nicht selbst mit runterziehen lässt. Tausch dich aus mit vertrauenswürdigen Freunden und Familienmitgliedern. Unternehme Dinge, die dir Kraft und Energie geben. Denn du wirst sie brauchen.

Wünsche dir viel Mut, Kraft und Energie.
Lieben Gruß Dirk

------------------------------

Wer die Musik der Seele hört, beherrscht die Melodie des Lebens.
p-dani
Beiträge: 2
Registriert: 8. Sep 2013, 14:38

Re: Freund hat Depressionen wegen Zusammenziehen

Beitrag von p-dani »

Erst mal vielen Dank für die Antwort!

Das was du geschrieben hast trifft auch absolut auf meinen Freund zu. Er fühlt sich schlecht und weiß nicht warum. Er geht auf Distanz und weiß nichts mehr mit sich anzufangen.

Es ist einfach nur so schwierig zu verstehen und damit umzugehen, wenn man nicht selbst betroffen ist.
Ich versuche ihm schon Zeit zu geben, ihn nicht zu drängen und Rücksicht zu nehmen, aber das funktioniert halt auch nicht immer.
Vor allem in der jetzigen Phase. Das Projekt "Zusammenziehen" können wir auch nicht mehr rückgängig machen, da die Möbel bereits bestellt wurden und die nächsten Wochen geliefert werden. Der Mietvertrag ist auch unterschrieben, sowie die erste Miete gezahlt. Es geht hier leider auch um viel Geld, das wir in die Wohnung gesteckt haben.

In den letzten Tagen scheint es ihm etwas besser zu gehen und er meinte auch, dass er schon mit einziehen werde, aber ich merke ihm einfach an, dass er eigentlich nicht bereit dafür ist. Ich denke (und hoffe) aber, dass es nicht an mir liegt, sondern wirklich an der Tatsache, dass jetzt ein neuer Lebensabschnitt beginnt und er einfach Angst davor hat.

Ich hoffe außerdem wirklich, dass er es wenigstens versucht dort mit einzuziehen und er dann vielleicht nach ein paar Wochen merkt, dass es doch gar nicht so schlimm ist.

Aber der Tipp sich an eine Selbsthilfegruppe für Angehörige zu wenden ist sicherlich nicht schlecht. Es ist doch nochmal besser mit Betroffenen zu reden, als mit Familie und Freunden, die die Situation auch nicht nachvollziehen können.

Schöne Grüße
ooo
Beiträge: 11
Registriert: 4. Sep 2013, 10:37

Re: Freund hat Depressionen wegen Zusammenziehen

Beitrag von ooo »

Hallo auch von mir!
Auch ich habe deinen Beitrag einige Male gelesen aber nicht wirklich gewusst, wie ich dir antworten soll.

Das Problem: Ich kenne eure Situation überhaupt nicht.

Es mag schon sein, dass die ganze Angelegenheit für deinen Freund sehr schnell kommt. Immerhin ist das Studium vorbei, die Arbeit hat begonnen,... und jetzt, durch die Wohnung, werdet ihr bald komplett auf eigenen Beinen stehen.
Ich kann mir schon vorstellen, dass das ziemlich viel auf einmal ist.

Wie bereits vom Vorredner erwähnt, in einer depressiven Phase verliert man an so ziemlich allem das Interesse. Die kleinsten Entscheidungen stellen eine richtige Herausforderung dar.

Ich kann dir leider nicht sagen, wie du reagieren oder was du tun sollst, aber ich würde gerne wissen, wie sich die Situation entwickelt.

Ich wünsch euch erstmal alles Gute!
dm67
Beiträge: 25
Registriert: 5. Sep 2013, 03:19

Re: Freund hat Depressionen wegen Zusammenziehen

Beitrag von dm67 »

Hallo Daniela,

melde mich nochmal bei dir. Versuche auf deine Fragezeichen einzugehen.

Ja es richtig, wenn du schreibst, das dies eine verdammt schwere Situation vor allem für DICH ist. Diese Krankheit deines Freundes erstmal zu verstehen und dann noch Verständnis daraus zu entwickeln. Denn im Grunde des Herzens möchte man ja helfen. Hier im Forum kannst du lesen, wie Angehörige teilweise verzweifelt und andererseits mit viel Kraft und Herzenswärme versuchen mit dieser Situation umzugehen. Aber auch immer wieder mit Rückschlägen zu kämpfen haben, weil der Depressive halt nicht "NORMAL" reagiert oder garnicht reagiert.
Ich selbst war zu meiner schlimmsten Phase zu garnichts in der Lage, obwohl ich es gerne gewollt hätte. Aber es ging nicht. Ich konnte mich nichtmehr auf meiner Arbeitsstelle konzentrieren, machte ohne Ende Fehler, obwohl ich es eigentlich besser wusste. Ich hatte keine Kraft für nichts. Es ging nichts mehr. Ich fühlte mich wie eine leere Hülle, ein NICHTS, noch nichtmal ein Sandkorn, so klein und unwichtig (und das bei einer Größe von 197 cm ). Ich konnte nicht weinen, nicht fühlen, teilweise nicht antworten. War in einer Blase in Einzelhaft. Dies ist nur MEIN Beispiel, aber jeder Depressive reagiert anders.
Dieser Zustand ist eine KRANKHEIT und hat mit dir persönlich nichts zutun. Die Seele sagt hier "STOP" bis hierhin und nicht weiter. Die Gründe dafür können sehr vielschichtig sein. Der Auslöser dieser Depression könnte auch mit dem Umzug zusammenhängen, aber im häufigsten Fall sind es Begebenheiten, die in der Vergangenheit nicht aufgearbeitet wurden. Die verdrängt wurden. Aber auch hier sind die Gründe so individuell, wie die Menschen verschieden sind. Dies herauszufinden, wäre die Aufgabe eines/r Therapeuten/in.
Wie du schreibst ist dein Freund schon in Behandlung. War das nur ein Neurologe oder Hausarzt? Oder ist er schon in einer regelmäßigen ambulanten Therapie? Wenn nein, kann dies der nächste Schritt sein, aber nur, wenn dein Freund diesen Schritt WIRKLICH SELBER möchte. Du kannst ihm diese Möglichkeit der Hilfe nur anbieten. Ohne Druck. Denn Druck ruft nur noch mehr Distanz hervor.
Nun nochmal zu DIR. Ich bitte dich, in erster Linie auf DICH zu achten. Denn es gibt viele Beispiele, wo die Angehörigen selbst in eine Co-Depression abgerutscht sind und dadurch auch nichtmehr Hilfe anbieten konnten, sondern selber Hilfe brauchten. Also eine sehr schmale Gradwanderung.
Ich hoffe, ich habe dich nicht zusehr erschreckt. Mit Hilfe meiner Frau, die unter meiner Depression sehr gelitten hat, habe ich es geschafft, da rauszukommen. Ob ich geheilt bin? Ich weiss es nicht. Depressionen können auch schneller wieder da sein, als einen lieb ist. Aber ich habe gelernt besser auf mich aufzupassen.

Pass bitte auch auf dich auf.

Wünsche dir viel Mut, Kraft und Energie.
Lieben Gruß Dirk

------------------------------

Wer die Musik der Seele hört, beherrscht die Melodie des Lebens.
Antworten