Zeit und Stärke

Antworten
Ebab

Zeit und Stärke

Beitrag von Ebab »

Hallo!
Wie fängt man nun so etwas an?
Ich habe mich vor einiger Zeit (vor drei Monaten) mit dem Thema Depression beschäftigt, um irgendwie wieder ein Bild zusammen zu bekommen. Ich hatte vor 13 Jahren auch mal eine sehr schwere Depression, mit allem drum und dran...Suizidgedanken und konkreter Plaunung. Es ist lange her und ich habe vielleicht phasenweise ein zwei Tage auch noch depressive Verstimmungen...allerdings kann ich diese Zustände heute, klar auf PMS schieben, was es teilweise erträglicher macht. Ansonsten habe ich viel gelernt in den letzten Jahren und hatte zumindest nicht wieder eine solch schlimme Phase wie vor 13 Jahren. Aber darum geht es auch nicht.

Ich habe es tatsächlich mal Anfang des Jahres ein Internetdatingportal ausprobiert...Ich habe es immer ausgeschlossen, weil ich meinte, dass der Typ Mann auf den ich stehe, dort nicht zu finden ist. Ich verliebe mich sehr, sehr selten. Es muss sich einfach irgendwie richtig anfühlen und das tut es selten

Nun haben in der Tat mich die meisten Männer im Portal nicht angesprochen. Bis auf einen und das war auch der berühmte Zufall. Wir haben uns sehr gut verstanden, will ich meinen. Gleicher Humor und ähnliche Ansichten. Zumindest über das Schreiben steigerte sich da eine Anziehungskraft. Schließlich stand ein baldiges Treffen vor der Tür. Die Telefonnummern wurden ausgetauscht. Alles immernoch über SMS und Email. Doch dann just war er verschwunden...von heute auf morgen. Zumindest gab es keine Emails mehr, keine SMS...nichts. Und davor hat er sich immer bemüht sich zu melden oder zumindest seine Abwesenheit erklärt...auch wenn ich es nie gefordert habe.

Ich wusste, dass ein Familienmitglied bei ihm schwer krank wurde. Über eine SMS erklärte er mir noch, dass es ihm nicht gut ginge wegen der Sache mit dem Familienmitglied. Ich habe da eine Email geschrieben und deutlich gemacht, dass das natürlich wichtiger ist und er sich die Zeit nehmen soll (ich kenne mich leider etwas aus, da meine Mum vor drei Jahren verstarb...das habe ich aber nicht thematisiert, da es dabei nicht um mich ging). Darauf kam nie etwas zurück.

Nach zwei Wochen habe ich sein Profil im Portal gelöscht...weil ich es nicht verstanden habe was los ist und diese plötzliche Funkstille mich völlig im Unklaren ließ. Nach 6 Wochen habe ich mich dann nochmal per SMS gemeldet und ihm Grüße geschickt und erklärt, dass ich hoffe, dass es ihm gut geht. Darauf kam die nicht erwartete Antwort: Dass er im März wegen einer Depression in eine Klinik ist, aber es schon besser ginge. OK! Das erklärte mir alles.
Ich habe ihm gute Besserung gewünscht und meine Freude verdeutlicht, dass er noch da ist. Was macht man denn da???? da steht man so mit leeren Händen. Ich kenne ihn nicht...habe ihn nie getroffen. Aber er ist sehr spannend und das gleiche war bei ihm mir gegenüber, wie er mir in seinen wirklich toll geschriebenen Emails im Portal verdeutlichte. Doch alles ist nur Phantasie...das ist klar.
Man versucht natürlich nicht zu nerven, hält sich zurück und hofft, dass alles gut wird. Es geht also um Respekt und Geduld.
Ich habe ihm dann ab und zu eine SMS geschickt mit besten Wünschen...Habe aber auch nicht immer fragen wollen wie es läuft, weil ich nicht die Depression in den Mittelpunkt stellen wollte. Daher habe ich auch ab und zu von mir geschrieben, meinen "Panikausbrüchen" wegen meiner Abschlussarbeit (wer hat die nicht . Darauf hat er auch reagiert, zwei dreimal. Das war Mitte Ende April. Allerdings hat er meist nur das wiederholt was ich schrieb oder ist darauf eingegangen...doch was bei ihm passiert hat er mir nicht geschrieben.

Er wollte mich da auch noch irgendwann treffen und erklärte mir, dass er meine schreiberischen Ausbrüche mag. Ich weiß aber nicht, ob er da noch in der Klinik war oder schon raus. Zumindest bin ich dann vorgestoßen und meinte, dass ich SMS-Geschreibe nicht sonderlich mag oder auch gern wissen möchte wie es ihm geht.

Seitdem kam nichts mehr....ich habe zwar im Abstand von ca. anderthalb Wochen noch ein oder zwei SMS geschickt...aber nichts kam zurück. Anrufen wollte ich nicht, da ich finde, dass er das entscheiden sollte. Vor dem Hintergrund seiner Erkrankung erachte ich einen Anruf von mir als Überforderung für ihn. Klingt etwas wirr und auch etwas verrückt, vor allem, weil wir uns nie getroffen haben. Das gebe ich gern zu. Allerdings diese Emails...hach und Freunde von mir fanden auch, dass diese Mails zwischen uns super passen. Das kann sich alles innerhalb in Sekunden klären...das ist klar und das schreckt mich nicht ab...vielmehr wünsche ich mir Klarheit. Sicherlich entscheide ich auch selbst und verbieg mich nicht komplett....gewisse Dinge muss man ja auch akzeptieren. Doch im Moment habe ich noch nicht abgeschlossen.
Ist aber ein schwerer Start geworden....wenn es überhaupt ein Start ist und nicht vielmehr ein Ende. Ich mache nun natürlich einfach weiter...treffe auch andere Männer....aber: ja ja so selten, dass es sich irgendwie passend anfühlt. Aber meine Frage, falls man das irgendwie beantworten kann: Habe ich mit meiner Aussage, dass ich SMS-Geschreibe nicht mag und dass ich gern wissen möchte, wie es ihm geht bei ihm die Alarmglocken läuten lassen? Ist das im Moment zuviel für ihn und selbst das kann er mir nicht sagen?
Ich stecke nicht in seinem Kopf...sollte ich auch nicht. Ich bin nun auch nicht sofort auf Heirat und Kinder aus...aber wie soll man das denn verdeutlichen ohne das Gegenteil zu bewirken? Ich bin neugierig und offen, weil er eben so spannend ist....einer seit langem mal wieder.
Wie lange braucht man denn um halbwegs wieder auf die Beine zu kommen und Kontakte mit anderen wieder aufzunehmen? oder gibt es Rückschläge kurz nach der Akutphase?
Ich will nicht Therapeut spielen, aber ich kann da sein...sofern es passt.
Ich lass ihn in Ruhe...klar...ich werde da sein, klar....aber wird er sicht nochmal melden? Hmmm. Zumindest habe ich ihm signalisiert, dass er sich nicht unter Druck setzen soll..Das ist blöde, weil ich nun gar nichts mehr weiß. Zumal ich nur noch seine Telefonnummer habe. Ich bedanke mich für Ratschläge und Antworten. Ich rechne mit dem Wort Geduld
Shay
Beiträge: 357
Registriert: 5. Jan 2007, 14:06

Re: Zeit und Stärke

Beitrag von Shay »

Guten Morgen Ebab,

jetzt erst mal ein großes Sorry dafür, dass Du hier tatsächlich eine geschlagene Woche auf eine Antwort warten musstest - ich hoffe, mit dem, was ich Dir hier jetzt schreibe, kannst Du was anfangen.

Eingangs hast Du ja schon angemerkt, dass Du vor einiger Zeit selbst Depressionserfahrungen sammeln musstest. Wie war das damals für Dich? Hast Du Dich damals als präsentabler Mensch, als Wunschkandidat für andere Menschen gesehen? Konntest Du Dich gut, sicher und dauerhaft für einen Weg entscheiden oder hast Du Ewigkeiten gebraucht, weil Du immer wieder neue Facetten einer möglichen Entscheidung gesehen hast, die Dir ein klares Ja oder Nein unmöglich gemacht haben?

Also, in gewisser Weise kann ich den Mann ganz gut verstehen - nein: ich kann nachvollziehen, warum er sich so unglaublich zögerlich verhält. Es scheint ihm schlicht nicht möglich, sich zu entscheiden. Wobei es da diverse potentielle Gründe gibt, warum er auf Deine Nachrichten nicht reagiert. Es könnte sein, dass er große Zweifel daran hat, ob er schon in der Lage ist, neue Bindungen einzugehen. Es könnte sein, dass er es nicht schafft, Dir eine Absage zu erteilen, weil er Angst hat, Dich zu verletzen - und versucht, das Problem auszusitzen. Es könnte auch sein, dass er sich tatsächlich so unsicher fühlt, dass er es nicht fertigbringt, den Kontakt mit Dir aufrecht zu halten.

Du solltest Dir vor Augen halten, dass depressive Menschen oft nicht mit der gleichen Ratio handeln wie nichtdepressive. Die Entscheidungsfindung und die Entschlussfreude sind oftmals wirklich erheblich eingeschränkt.

Vielleicht hilft Dir das, das Verhalten dieses Mannes für Dich zu bewerten und Dir selbst eine Entscheidung zu erleichtern.
Gruß: Martin





„A ship is safe in harbour - but this is not what a ship is made for."
Ebab

Re: Zeit und Stärke

Beitrag von Ebab »

Hallo Martin,

vielen Dank für deine Antwort. Zunächst ist die verstrichene Zeit kein Grund für eine Entschuldigung. Vor allem schildert mein Beitrag im Vergleich zu all den anderen, die ich gelesen habe, eine Situation, welche fast in ein Singlebörsenforum gehört und nicht hierher.
Nun habe ich mich natürlich durch viel Literatur gegraben, eigentlich das erste Mal so richtig. Dieses Forum gibt einen wichtigen Einblick für alle Beteiligten. Die Frage nach meinen Befindlichkeiten zu der Zeit meiner Depression sind mir durchaus auch aufgekommen. Es ist keine eindeutige Antwort: die vage Erinnerung und meine Sicht einer Person, die ganz anders ist als damals. Die aufkeimenden Empfindungen im Zuge der Erinnerung sagen mir deutlich, dass da gar nichts geht...nicht heute oder in naher Zukunft und dass es lange dauert, schmerzt, man aufgeben will, weil selbst das Licht am Ende des Tunnels keine Freude bringt.
Und ja, du hast Recht, da ist eine Person, welche eine unbekannte Größe darstellt, absolut unwichtig oder gar aus dem Gedächtnis verschwunden. Vielleicht war dein Anstoß, mich daran nochmal aktiv zu erinnern, doch sehr hilfreich. Danke!

Die Person von heute, also ich, kann das auch tragen und akzeptieren. Ich kann sagen, dass meine Depression ein richtiges Arsc..och war, aber wohl auch sehr entscheidend für MEINEN weiteren Lebensweg. Ich hatte aber auch Glück, da sich in der Zeit Dinge fügten, die mich genesen ließen. Meine Selbstsicherheit und mein Selbstwert oder gar die Frage danach, habe ich im Zuge dieser Talfahrt gesucht und mithilfe einer absolut kompetenten Therapeutin aufbauen können (aber das dauerte).

Ich gehe nicht von einem Ideal eines gesunden Geistes aus, sondern von individuellen Gegebenheiten, die sich mal gut mal weniger gut entwickeln. Will heißen, das ist jetzt sein Weg (auf der Stelle treten gehört auch dazu) und aus der Ferne wünsche ich ihm Alles Gute und Glück. Das wünsche ich natürlich jedem.

Ich wäre gern da gewesen, so verrückt das nochmal klingen mag. "Da sein" bedeutet für mich aber nicht, therapeutisch unterwegs zu sein... dass es zum "da sein" nicht kam ist in Ordnung. Sein Können und Wollen bzw. Nicht-Können und Nicht-Wollen ist die Grenze meines Handelns, und mir bleibt die Einsicht Und das lese ich immer wieder in diesem Forum in der einen oder anderen Form.

Danke für deine Antwort Martin, nochmal , und weiterhin hat mir dieses Forum tatsächlich die Augen geöffnet und eben ein evtl. Andersdenken bzw. Anderswahrnehmen eines Depressiven klar gemacht. Da soll man mal über einen Gegenstand kommunizieren aus verschiedenen Perspektiven...hmmm. Ich wünsche auch Dir ALLES GUTE!!! und viel Kraft (auch die Stärke schwach sein zu dürfen) für jeden von hier.
dichterin
Beiträge: 19
Registriert: 24. Jul 2013, 07:07

Re: Zeit und Stärke

Beitrag von dichterin »

Hallo Ebab! Habe gerade Deinen Beitrag gelsen, der sehr interessant geschrieben ist.Also, ich denke so wie auch Martin, aber vergiss Dich nicht selbst, denk an Dich und versuche nicht zuviel an diesen Mann zu denken, nicht, dass Du Dich irgendwie verzettelst. Das Leben ist schön und endlich....das muss einem immer bewusst sein. Pass auf Dich auf, eine gedankliche Umarmung und alles erdenklich Liebe und Gute für Dich! dichterin

Ruhe bringt Gleichgewicht und Leichtigkeit. Gleichgewicht und Leichtigkeit bringen inneren Frieden! Tschuang Tse
Antworten