Immer nur ich ich ich

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lorbeer
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Immer nur ich ich ich

Beitrag von lorbeer »

6 Wochen ist er nun in der Klinik, Bis auf eines, jedes Wochenende zuhause. Direkt am Anfang hatten wir die Verabredung das er sich zu Sonntags den Wecker stellt, um mir, nach gut anderthalb Jahren, auch die Möglichkeit zu bieten einen Tag mal nicht um 6 aufzustehen und mich um alles zu kümmern. Ebenso war klar dass wir an einem der beiden Tage etwas unternehmen und er sich überlegt was. Um wieder zueinander zu finden. Aber auch, weil ich schon vor seinem Aufenthalt merkte wie sehr ich an meinem Grenzen angelangt bin.

Dort unterhält er sich viel mit Mitpatienten und Therapeuten über seine Beziehung. Reflektiert unheimlich gut, wie viel bei uns schief lief. Ich fand es toll dass ihm durch die vielen Gespräche auch bewusst wurde was diese Krankheit für den Angehörigen bedeutet, wie viel er zusätzlich leistet.

Tja, aber was setzt er von seinem Wissen um? NICHTS!
Bisher wurde kein Wecker gestellt, nur Ausreden gefunden. Wie z.B. vergessen, wollte mich nicht durch sein Aufstehen wecken, nicht stören wenn er im Haus rum läuft…
Wir haben bisher nichts alleine unternommen. Für dieses Wochenende hatte ich ihn explizit drum gebeten, entweder Samstagabend oder Sonntag etwas zu machen. Sein Therapeut hat ihm erklärt wie wichtig es für eine Partnerschaft ist und er war bis Freitag hochmotiviert. Die Ideenfindung wollte er natürlich auf mich abschieben, aber er muss auch mal selbst aktiv werden. So nannte ich ihm 1 Beispiel für Samstagabend und 1 für Sonntag und bat um eigene Ideen.

Was soll ich sagen, auf meine Frage am Samstag was die denn wären wiederholte er lediglich meine Beispiele, tat die Ausrede man müsse erst sehen wie das Wetter wird dazu, er könne ja nicht über meinen Kopf hinweg bestimmen…
Der Samstag verlief wieder mit von ihm geschlossenen Verabredungen. Traf Verabredungen für Sonntag mit seinem Vater und seiner Tochter. Am Abend kam keine Initiative, er schlief vor dem Fernseher ein
Heute Morgen schlief er aus.
Ich kam von der Hunderunde zurück, auf Frühstück war mir der Appetit vergangen und hatte keine Lust eine gemeinsame Zeit zwischen den Verabredungen bei seinem Vater und seiner Tochter quetschen zu lassen und ging Unkraut zupfen.

Er offerierte mir das er zurück in die Klinik fährt und ich bat ihn nicht zu bleiben. Sagte ihm aber so in etwa, dass ich es nicht mehr ertrage wie er die 2 Wünsche von mir penetrant übergeht, ich nicht immer nur machen kann sondern auch mal was brauche.
Später schickte ich ihm eine lange Sms, verdeutlichte das ich am Ende meiner Kräfte bin und keine weiteren Lippenbekenntnisse ohne Taten möchte.
Antwort: fragst du mal wie es mir geht, wie ich mich fühle?

Ich könnte platzen, vor Wut schreien und ihm mal so richtig in den Hintern treten. Immer wenn was nicht so läuft wie er es gerne hätte ist seine Devise Totschweigen und flüchten.
2-mal am Tag ruft er mich seit 6 Wochen an und es geht hauptsächlich nur um ihn. Unterstütze ihn, mache ihm diese Auszeit in gewisser weise auch möglich. Täglich frage ich wie es ihm geht, wenn es schlecht läuft mache ich ihm Mut, freue mich deutlich für ihn wenn etwas gut war, versuche alles aus den Augen eines depressiven zu betrachten. Vielleicht weil ich mich durch meine eigene psychische Belastung hinein versetzen kann. Nehme ihm seit Jahren unendlich viel ab, gehe über meine Grenzen.

Neuerdings erzählt er mir ständig wie wenig Achtung er mir doch in den letzten Jahren durch sein Nichtstun und nur reden entgegenbrachte. Wie achtlos er mit mir umging, wie sehr er mich doch liebe und er sei voller Tatendrang, voller Energie. Auch wenn es kein Zuckerschlecken sei, so sei er dort doch völlig unterfordert. Was er alles bei uns, mit mir usw. machen will…blablabla.
Am Ende höre ich doch eigentlich nur ICH ICH ICH und mehr folgt nicht.

Ich bin so sauer und dadurch sind auch meine Gedanken ihm gegenüber sicher wenig verständnisvoll bis ungerecht. Aber irgendwie hab ich manchmal auch das Gefühl das er mich mit seiner Depression emotional erpresst und ihn drauf hingwiesen.
Bin ich mit was unzufrieden und sage es noch so vorsichtig, sitzt er da wie ein Häufchen Elend oder sagt direkt das es ihm wegen mir nun wieder gar nicht gut geht. Oder er bekommt das Gefühl sterben zu müssen und lebt es dann aus. Bekommt Panik oder wie heute, steht schwer leidend vor mir und sagt er fährt und leidet noch mehr weil keine gewünschte Gegenreaktion erfolgte.
Immer nach dem Motto: Sieh her wegen DIR geht es mir schlecht. DU BIST SCHULD!!

Ich habe ihn um eine Kontaktsperre für die kommende Woche gebeten. Er soll sich um sich kümmern und ich brauche davon eine Auszeit.

Und genau das bringt mich wieder in dieses blöde ambivalente denken.
Ich für mich weiß dass ich diese Auszeit brauche und doch mache ich mir, trotz meiner Wut Sorgen das es für ihn nicht gut ist.
Er hat massive Verlustängste, reagiert auf sowas mit sehr heftigen Panikattacken und psychischen Zusammenbrüchen. Es vielleicht für seine Therapie kontraproduktiv ist.
Oder ist es gut, weil er da jetzt einfach mal durch muss und sie ihn in der Klinik sowieso auffangen?

Ihr lieben, habt dank fürs lesen und noch mehr das man sich hier mal alles von der Seele schreiben kann.
Claudi
Amrey
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Registriert: 14. Apr 2013, 19:27

Re: Immer nur ich ich ich

Beitrag von Amrey »

Hallo Claudi,

meine tochter ist auch krank u schon viele wochen im krankenhaus.
habe 13 wochen bei ihr in der wohnung gewohnt,
habe ihre beiden kinder versorgt,
wenn sie gekommen ist, war sie nicht so gut auf mich zu sprechen, hatte manchmal das gefühl alles falsch zu machen u zum schluss war es ganz schlimm für mich, sie war wie eine fremde zu mir, habe das nicht mehr aushalten können.
habe die kids abgegeben, und nun haben wir fast keinen kontakt mehr.
fühle mich manchmal schlecht,denke das ich hätte nicht aufgeben sollen, aber ich konnte nicht mehr schlafen,war nur müde, wenn die kids etwas laut waren, habe ich nur geschimpft, war nicht gut drauf.
hoffe das es meiner tochter bald wieder gut geht.

wünsche dir viel kraft, das ganze zu überstehen. lieben gruss petra
Amrey
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Registriert: 14. Apr 2013, 19:27

Re: Immer nur ich ich ich

Beitrag von Amrey »

Hallo Claudi,

meine tochter ist auch krank u schon viele wochen im krankenhaus.
habe 13 wochen bei ihr in der wohnung gewohnt,
habe ihre beiden kinder versorgt,
wenn sie gekommen ist, war sie nicht so gut auf mich zu sprechen, hatte manchmal das gefühl alles falsch zu machen u zum schluss war es ganz schlimm für mich, sie war wie eine fremde zu mir, habe das nicht mehr aushalten können.
habe die kids abgegeben, und nun haben wir fast keinen kontakt mehr.
fühle mich manchmal schlecht,denke das ich hätte nicht aufgeben sollen, aber ich konnte nicht mehr schlafen,war nur müde, wenn die kids etwas laut waren, habe ich nur geschimpft, war nicht gut drauf.
hoffe das es meiner tochter bald wieder gut geht.

wünsche dir viel kraft, das ganze zu überstehen. lieben gruss petra
SucheAustausch
Beiträge: 257
Registriert: 15. Aug 2012, 12:35

Re: Immer nur ich ich ich

Beitrag von SucheAustausch »

Liebe Claudi,

ich habe Dein Posting schon gestern abend gelesen, konnte aber nicht mehr antworten und heute morgen funktionierte das Forum nicht so richtig.

Ganz ehrlich? Ich glaube, Deine Erwartungen sind zu hoch. Dein Mann ist gerade an einem extremen Punkt in der Depression. Ein Klinikaufenthalt ist kein "Zuckerschlecken" und 6 Wochen sind noch nicht viel.

Wenn Dein Mann eine schwere Depression hat, wovon ich mal ausgehe, dann kann er nichts planen, keine Aktitivitäten in die Beziehung stecken.

Dass er sich mit seinem Vater und seiner Tochter verabredet, kann ich mir nur so erklären, dass er entweder ein schlechtes Gewissen hat oder dass diese Beziehungen unverfänglich für ihn sind.

In Beziehung zu Dir muss er sich mehr mit sich und seiner Rolle auseinander setzen.
Du forderst vielleicht mehr als sein Vater oder seine Tochter. Kann das sein?

Ich glaube ganz ehrlich, dass man in der Klinikzeit und sicher auch noch eine ganze Weile danach kaum bis gar keine Anforderungen stellen darf.

Ich ich ich. Ja, genau darum geht es jetzt nun mal. Und ich habe auch gelitten darunter, dass mein Mann mir und der Beziehung keinerlei Interesse gezollt hat, in den letzten 2 Jahren.

Sein Klinikaufenthalt ist jetzt schon etwas mehr als 1 Jahr her und jetzt erst wird es besser. Jetzt erst fängt er an, sich wieder ein bisschen auf mich zuzubewegen. Mein Mann war 14 Wochen stationär und dann noch mal 10 oder 12 Wochen in der Tagesklinik.

Leider kam mein Mann auch jedes Wochenende nach Hause. Ich fand das schrecklich und habe keines dieser Wochenenden wirklich genießen können. Wir haben auch so gut wie nichts gemacht in dieser Zeit. Da war nichts möglich.

Mein Fehler in dieser Zeit war, dass ich nicht gut genug für mich gesorgt habe und mal alleine was unternommen habe.

Ich habe nur in Wartestellung da gesessen und funktioniert.

Mein Leben ist an mir vorbeigerauscht und ich merke jetzt erst, dass ich in den letzten 2 Jahren gar nichts mehr richtig gefühlt habe. Es fällt mir jetzt so schwer, mich zu fühlen.

Ich möchte Dir damit sagen: habe Geduld und sorge für Dich. Versuche, Deine Erwartungen an Deinen Mann herunterzuschrauben. Aber bitte nicht in derart, dass Du Dir ausrechnest, was für "Schulden" er bei Dir dadurch aufbaut und was er alles wieder gut zu machen hat.

Diese Gedanken sind in mir auch noch verhaftet, aber ich merke immer und immer mehr: ich bin selbst für mein Glück verantwortlich. Ich muss für mich sorgen. Mein Mann wird in Zukunft hoffentlich lernen, für sich zu sorgen. Und dann (hoffentlich!) können wir wieder aufeinander zu gehen.

Claudi, Dein Mann ist krank. Und er ist im Moment in Behandlung, einer Klinik, die ihm hoffentlich helfen kann. Du hilfst ihm sher, indem Du ihm das ermöglichst. Aber denke daran, dass Du nicht nur für ihn da sein solltest, sondern in erster Linie für Dich.

Wenn Dein Mann gut auf die Therapie anspringt, dann kommen auch wieder Zeiten, in denen Du ausschlafen kannst. Und vielleicht ist es für Deinen Mann auch mal ganz gut, wenn er nicht 2 mal am Tag anruft.

Ich habe in der Klinikzeit zu wenig auf mich geachtet und viel zu viel gehofft, dass er es schafft.

Über seine verdammte Krankheit habe ich mich selbst verloren. Aber auch dafür bin ich verantwortlich und nicht die Krankheit.

Aber ich kann Deine Wut so gut verstehen, und frage mich nur allzu oft, was das Thema Verantwortung für sich selbst bei Depressionen betrifft.
Ich wünsche Dir sehr viel Geduld, viel Liebe zu Dir selbst und Gespür für Dich und Deine Grenzen!

Alles Liebe

Austausch

PS. Für Dich sorgen heißt dann vielleicht auch mal versuchen, jemanden zu finden, der sich morgens um 6 um den Hund kümmert (das ist ja wenn ich es richtig verstanden habe, der Grund, warum Du Sonntags so früh raus musst, oder?)
Scheinbar ist ja seine Tochter und sein Vater in der Nähe, vielleicht kann ja einer von denen mal einspringen, wenn Du niemanden von Deiner Seite hast. Oder eine Freundin? Wenn Du ihr von Deiner Situation erzählst und sagst, wie k.o. Du bist, kann sie vielleicht den HUnd mal nehmen...
lorbeer
Beiträge: 15
Registriert: 8. Mai 2013, 15:10

Re: Immer nur ich ich ich

Beitrag von lorbeer »

Danke liebe Petra, Danke liebe Austausch für eure Antworten.
@Petra, es tut mir so leid für Dich und ich kann in etwa nachempfinden wie es dir gehen muss. Ich wünsche dir von Herzen das deine Tochter irgendwann gesundet und dann wieder auf dich zugehen kann. Auch wenn ich mich selbst von meinem Mann verletzt fühle, ich glaube das deine Tochter dir zur Zeit einfach nicht das zeigen kann was du brauchst. Aber sie wird für sich wissen das du ihr eine große Stütze warst.

@ Austausch ich bedanke mich besonders bei dir, denn Deine Worte haben mir in Erinnerung gebracht was durch meine immernoch vorhandene Wut verdeckt war. Ich weiß, meine beiden Wünsche sind zu hoch. Er ist nicht dazu in der Lage und da er weiß wie sehr auch ich diese Auszeiten brauche setzt es ihn so unter Druck das er nicht handeln kann. Jedenfalls mein Eindruck.

ABER, warum kann er dann dieses ständig (seit Jahren) bei anderen? Warum sieht er dort immer die Bedürfnisse, kümmert sich, ist in der Lage dafür sehr agil zu werden, zu jeder Tag und Nachtzeit? Warum vergisst er bei anderen nichts?
Ja er will gefallen. Ja er bekommt dadurch eine andere Aufmerksamkeit, wird in den Himmel gehoben. „ Dein Mann ist ja so ein lieber, fleißiger, hilfsbereiter…“ Mittlerweile könnte ich ko.. wenn ich diese Sätze höre!!!

Leider habe ich hier, bis auf meine Mutter niemanden der mir da helfen kann. Meine Mutter nimmt den Hund schon 2 mal die Woche.
Seine Eltern sind weit über 80 und gebrechlich, wollen ihn jedes Wochenende sehen weil er dann Rasen mähen oder Hecke schneiden oder einkaufen et cetera soll. Obwohl sie genug Geld für ne externe Hilfe hätten weigern sie sich strikt.
Seine Tochter…oh man das ist auch so ein Fall für sich. Ein liebes Mädel aber sehr verwöhnt. Es war ein Akt von 2 Wochen Überredung das sie wenigstens einmal bei ihren Großeltern mäht. Ansonsten kommt sie mit ihrem verzogenen Köter (sorry aber das ist er nun mal), setzt sich und bleibt da sitzen. Und das jedes Wochenende. Das macht sie auch gerne täglich wenn sie weiß einer von uns ist da. Sie ist sein Engel und da sie ihn damals in die Entziehungsklinik brachte (für mich selbstverständlich) ist er ihr auf ewig dankbar.
Also Thema Hilfe von außen kann ich abhaken!
Leider bleibt mir auch nur das Wochenende um hier mehr als nur Kleinigkeiten zu machen. Ich geh um 8 aus Haus und bin frühestens 20 Uhr zuhause. Und Er…er zieht sich in der Klinik 3-4 mal tgl um und kommt mit nem Koffer voll Wäsche heim.
Diesmal konnte er sie alleine waschen und aufhängen. Und er fühlte sich auch deswegen zurückgesetzt.

Um mal auf den Punkt zu kommen…Ja, ich spüre intensiv dass ich dringend etwas für mich machen muss. Spaß haben muss, hier raus und etwas anderes erleben. ABER WANN DENN??? Er ist doch jedes WE hier und das wäre die einzige Zeit wo ich das könnte. Er würde sich doch gleich wieder sowas von schlecht, zurückgesetzt, ungeliebt von mir fühlen wenn ich das in der Zeit täte wo er hier ist.
Ich weiß nicht mal wie ich ihm klar machen kann das er endlich aufhören muss das Geld mit vollen Händen auszugeben. Er bekommt nun mal (durch seine Schuld) etwa 1000 € weniger. Er weiß aber das wir jetzt sparen müssen.
Ich glaube beim schreiben wird mir gerade klar was wohl mein Problem grade ist.
Dort kann er seit dem 1. Tag fröhlich sein, dort kann er wie ein Wasserfall über ALLES reden, dort kann er kreativ sein, dort kann er abends weg gehen, dort ist er gerne unter Menschen, dort kann er freiwillig morgens aufstehen und kein Mittagsschläfchen machen, dort wird er für seine Ordnung gelobt, dort kocht und backt er für andere, dort macht er mit Freude jede Aktivität mit und sei sie noch so blöde, plant sogar eigene und setzt sie um….ABER hier kann er nichts. Hier habe ich ein Häufchen Elend mit plötzlich leiser Stimme, hängenden Schultern, todmüde, möchte wie ein Kind umsorgt werden. Er hat mich Samstag tatsächlich gefragt ob er sich eine Bratwurst holen darf.
Ich bin fast aus den Latschen gekippt! Zumal er geschafft hat innerhalb von 4 Wochen 300€ dort auszugeben.

Das ist wohl mein wirklicher Knackpunkt den ich nicht verstehe. Warum da und nichts hier?
Cloud59
Beiträge: 488
Registriert: 17. Mai 2013, 21:43

Re: Immer nur ich ich ich

Beitrag von Cloud59 »

Hallo Claudia,

kann es vielleicht sein, dass Du für Deinen Mann zu dominant bist? Zu fordernd? Dass er bei Dir das Gefühl hat, er muß das und das tun?

Bei anderen macht er es freiwillig, bei Dir empfindet er es vielleicht als zu großen Druck, als Pflicht, die er momentan nicht erfüllen kann.

LG
Cloud
Quappe
Beiträge: 107
Registriert: 23. Apr 2012, 16:03

Re: Immer nur ich ich ich

Beitrag von Quappe »

Hallo Claudia

Ich kann Dich gut verstehen. Die Agilität, die der Partner bei Anderen außerhalb der Familie an den Tag legen kann, ist verstörend. Und verletzend ist sie außerdem. Ich konnte das derzeit nicht einordnen. Ich fühlte mich zurück gesetzt, ausgenutzt, allein gelassen und ich war eifersüchtig. Warum kann jemand mir am Telefon erzählen, dass er mit Anderen dies und das macht (während ich im Büro saß und geschaut habe, dass unser Geld heran kommt) - und abends, wenn ich heimkam, fand ich ein Häufchen Elend vor, welches mit allem überfordert war? Wie fühlt man sich dann?

"Nicht gut" ist freundlich formuliert, denn irgendwann ist die eigene Geduld am Ende. Ich hab das eine Weile geschluckt und mir immer weiter hinein gefressen. Und irgendwann ist der Knoten geplatzt. Mein Mann sagte damals, dass er die Aktivität und die Gesellschaft brauche, um nicht mit sich allein sein zu müssen und die Tage mit Sinn zu füllen. Dass man nicht nur zuhause herumsitzen kann konnte ich noch schweren Herzens nachvollziehen. Dass aber die wenige Zeit, die ich nach Feierabend noch für mich / uns hatte, mit einem langen Gesicht, leisen Stimmchen und Leid gefüllt war, konnte ich dann irgendwann nicht mehr akzeptieren. Dafür bin ich zu ungeduldig.

Mein Gatte erklärte mir, er wolle Abends niemanden mehr sehen oder hören - außer eben mich. Und zuhause bräuchte er sich nicht mehr zu verstellen. Na - vielen Dank auch. Da hab ich mich aber gefreut, dass ausgerechnet mir allein die Ehre zuteil wurde, das Leid teilen zu dürfen... (Bitte entschuldigt an dieser Stelle meinen Sarkasmus, aber manchmal hab ich mich tatsächlich so gefühlt.)

Wir haben diese Phase überstanden. Im Gegensatz zu vielen Anderen war es eine halbwegs leichte Episode und mit Therapie ging es wieder bergauf. Ein Jahr AU, Anlaufschwierigkeiten bei der Rückkehr in den Job und auch heute noch eine gewisse Unsicherheit sind geblieben.

Was aber auch sein musste, war dass ich wieder begonnen habe, für mich selbst zu leben. Wenn man das Elend abends nicht mehr sehen kann, dann schaut man irgendwann im Optimalfall weg. Ansonsten wäre ich untergegangen.

Das hört sich böse an, ist aber effektiv. Man ist kein Therapeut und kann den Partner nicht heilen. Egal wie groß die Liebe ist - sie leidet in solchen Zeiten. Das heißt aber nicht, dass man sie begraben muss. Wie schrieb hier jemand kürzlich so treffend: "Ich liebe Dich, aber ich liebe nicht alles, was Du tust."

Aber "ich ich ich" ist in der Zeit meine Devise geworden, denn anders ging es einfach nicht. Ansonsten kann man sich umgehend ein Doppelzimmer reservieren. Ich habe meinen Mann auf die Schwierigkeiten hingewiesen, die ich mit seinem (und damit auch unserem) neuen Lebensstil hatte. Viel Geld ist in der Zeit auch drauf gegangen - Angelschein samt kompletter Ausrüstung, Wohnung umdekorieren, Ausstattung fürs Fahrradfahren... ich kam kaum hinterher und wir knapsen heute noch daran. Man möchte dem Partner in solchen Zeiten ja auch nicht alles versagen. Irgendwann musste aber einfach mal ein offenes Wort gesprochen werden, egal wie sehr man den Partner schonen möchte.

Ich bin froh, dass es ihm wieder besser geht und wir führen wieder eine harmonische und ruhige Beziehung. Einfach war der Weg dahin nicht. Aber die Auseinandersetzung mit der Krankheit und demzufolge auch mit unserer Beziehung hat sich gelohnt. Auch wenn sie teilweise unbequem war und mich wütend gemacht hat.
lorbeer
Beiträge: 15
Registriert: 8. Mai 2013, 15:10

Re: Immer nur ich ich ich

Beitrag von lorbeer »

hier nur eine kurze Antwort an Cloud.
Quappe möchte ich gerne morgen, in Ruhe antworten, danke aber jetzt schon für diesen, für mich wichtigen Beitrag.

@ Quappe du fragst nach ob ich zu dominant bin und zuviel fordere, ihm zuhause nur Druck mache.
Ehrlich gesagt finde ich das gerade ziemlich anmaßend. Kann aber sein das ich es falsch interpretiere.
Seit 3 Jahren wünsche ich von meinem Mann nichts weiter als wenigstens alle 6 Wochen einen gemeinsamen Tag, den er aber vor lauter Verpflichtungen BEI ANDEREN nicht schaffen kann.

Ich habe seit 2 Jahren keine Unterstützung von ihm in und am Hausbau, in und am Garten, bei den Tieren, seit 3 Jahren keine Intimität, ich bin chronisch krank und bin ich außer Gefecht gesetzt kann er mich nicht unterstützen und ich mache für ihn dann gerne weiter, ich bin nun mal der Hauptverdiener und nehme hin mir keine Extras erlauben zu dürfen auf Grund seiner Bedürfnisstillung, ich akzeptiere Urlaubstage alleine zu hause zu verbringen, Freunde helfen mir unentgeltlich bei kleineren Hausreperaturen weil ansonsten kaum was funktioniert, ich erledige alle Ämter-und Finanz-Postangelegenheiten, erledige ohne großes murren den Haushalt,ich schiebe Urlaubstage, tausche Dienste oder lasse mich krankschreiben wenn es ihm schlecht geht und er nicht alleine sein kann, kümmere mich um alle familiären Dinge wie Geburtstage, Verwandschaft und so könnte ich noch ein paar Dinge aufzählen wie auffangen, zuhören, Mut machen, negatives fern halten...
Um es mal sehr grob auszudrücken, mein Mann schafft hier seit langer Zeit nichts, garnichts außer überall alles stehen und liegen zu lassen, Sachen an den unmöglichsten Orten zu verteilen oder durch achtlosigkeit zu zerstören.

Ich bitte sehr selten um etwas, weil er es sowieso nicht schafft und es mich dann nur traurig macht.


Ich habe großes Verständnis für meinen Mann und freue mich so sehr das er den Weg in die Klinik geschafft hat.
Aber ich denke auch das ein depressiver nicht dumm ist. Das auch ein depressiver Grenzen achten darf. Soll ich ihn in Watte packen? Soll ich alles klaglos hinnehmen und fragen "was darf ich dir noch abnehmen?"
Cloud59
Beiträge: 488
Registriert: 17. Mai 2013, 21:43

Re: Immer nur ich ich ich

Beitrag von Cloud59 »

Liebe Claudia,

ich nehme mal an, dass Deine Rüge an mich gerichtet war .

Ich wollte Dich nicht verletzen. Natürlich ist mir klar, dass Deine Situation mit Deinem Mann über Deine Kräfte geht. Da hast Du auch mein vollstes Verständnis. Und ich bin auch nicht der Meinung, dass Du Deinen Mann in Watte packen sollst.

Es war lediglich eine Anfrage meinerseits. Ich dachte eigentlich an meine Situation und daran, wie es mir geht, wenn mein Sohn (bin nicht verheiratet) mich am Wochenende besucht und sieht, was ich alles liegen gelassen oder immer noch nicht erledigt habe. Er sagt zwar nichts, aber ich sehe es seinem Gesichtsausdruck an und das ruft jedesmal Schamgefühle bei mir hervor und verstärkt mein Gefühl, ein Versager zu sein, obwohl er nichts sagt. Aber ich kann halt einfach nicht immer so, wie ich gern wollte. Und so fühle ich mich z.B. unter einem gewissen Druck vor jedem Wochenende, wenn ich weiß, er kommt mich wieder besuchen.

Deshalb dachte ich, vielleicht empfindet es Dein Mann auch als Druck.

Tut mir leid, wenn es Dich gekränkt hat.

Auf jeden Fall mußt Du schauen, dass Du Dich irgendwie erholen kannst und aufbauen. Wenn es Dir gut geht, provitiert ihr beide davon. Für mich wäre es sehr schlimm, wenn ich merken würde, dass ein mir nahestehender Mensch unter meiner Depression leidet. Und das wird bei Deinem Mann nicht anders sein. Mehr dazu will ich aber nicht schreiben, denn ich kann mich in die Situation eines depressiven Ehepartners nicht hineinversetzen.

Hoffe, ich konnte jetzt Deinen Unmut etwas besänftigen. Es war nicht anmaßend von mir gemeint.

LG
Cloud
Tabarka1
Beiträge: 267
Registriert: 10. Feb 2013, 13:34

Re: Immer nur ich ich ich

Beitrag von Tabarka1 »

Hi Claudi,

Meinen Mann scheints zweimal zu geben

Die gleichen Worte hätte ich Dir vor drei Jahren genauso geschrieben (nur Hund musst Du durch Kind ersetzen).

Seitdem ist viel passiert. Und sehe das auch bei Dir. Lass ihm seine Wäsche. Es passt nicht, wenn er nichts oder wenig für Dich tut und Du aber bis zum Umfallen für ihn schufftest. Weiter so! (In der Klinik gibt's sicher auch ne Maschine, er kann die Wäsche sicher auch da waschen)

Ja sein Bedürfnis ist, dass er umsorgt wird. Ja Dein Bedürfnis ist Gesellschaft, Freude, Lachen, Tanzen...
Und dann werdet ihr eine Absprache finden, wie z.B. Heute Abend gehe ich mit Freunden raus und Morgen Abend schauen wir einen Film. Nimm Dein Bedürfnis ernst, er kann es nicht. Er lernt ja gerade erst, seine eigenen zu entdecken.

Das mit meinem Supermann, von dem alle begeistert sind, kenne ich auch. Und heute weiß ich, dass er zu all diesen Menschen nur wenig Vertrauen hatte und hat. Er hat da ne Show abgezogen. Bei mir ging das nicht und es ist heute die Grundlage auf der wir unsere Beziehung versuchen neu aufzubauen - Vertrauen. Und geschmerzt hat es trotzdem.

Mein Weg war, genau das zu tun, was ich von Deinem Mann lese. Den Blick auf mich zu richten. Was fühle ich, was brauche ich und zunächst mal selbst dafür zu sorgen, dass ich es bekomme. Ohne ihn. Und es hat Druck rausgenommen. Je zufriedener ich war und und bin, desto leichter ging was zwischen uns. Und heute, so glaube ich, habe ich ihn längst überholt. Ich sorge heute besser für meine Bedürfnisse, als er. Ich fahre jetzt am Wochenende weg. Ganz alleine. Und er hat hat Kind, Haushalt... an der Backe. Vor Jahren völlig unvorstellbar. Und mir geht es gut damit. Und ihm offensichtlich auch - er beschreibt es als eine große Entlastung, dass er sich um mein Glück nicht kümmern MUSS. Sondern hier freiwillig etwas tun kann.

Und wir sind auch noch auf dem Weg, vieles läuft noch nicht wirklich gut, aber ich habe Zuversicht und das ist mehr als ich mir in Deiner Situation vorstellen konnte.

Sei lieb zu Dir
Tabarka
Wann, wenn nicht heute... ?
SucheAustausch
Beiträge: 257
Registriert: 15. Aug 2012, 12:35

Re: Immer nur ich ich ich

Beitrag von SucheAustausch »

Super Tabarka! Ich wusste, dass Du dazu etwas gutes sagen kannst!

Aber ich will auch noch mal zu Wort kommen, liebe Claudi. Das was Du schreibst kommt auch mir sehr bekannt vor. Alles zu stemmen, wenn der andere nicht mehr kann und sich damit selbst zu verlieren, auszupowern und eine Art Konto zu füllen, was der andere später bitte ausgleichen soll, ist allerdings nicht die Lösung!

Du brauchst Freiräume, Du brauchst Dich und die Möglichkeit, für Dich zu sorgen!

Setze ihm Deine Grenzen.

Wäsche? Soll er selber waschen. Zeit für Dich, wenn er da ist? Na klar! Wenn es gerade dann geht, dann los! Er schläft doch sowieso auf dem Sofa ein, oder? Und selbst wenn nicht. Warum musst Du ihm am Wochenende zur Verfügung stehen?

Lass ihm sein Gefühl, sich ungeliebt zu fühlen. Sage ihm, dass es nichts damit zu tun hat und gehe hinaus. Mit seinem Gefühl muss er selber klar kommen, Claudi. Genau wie Du mit Deinen selber klar kommen musst.

Er kümmert sich doch auch nicht drum, was all das mit Dir macht. (Vielleicht innerlich schon mit lauter Schuldgefühlen, wie mein Mann das super gut kann, aber ändern kann er wahrscheinlich jetzt nichts dran).

Mein Mann hatte/hat übrigens auch eine gesellige Fassade. Was konnte er lustig sein! Und auch heute kann er zwar einigermaßen über seine Krankheit sprechen, aber eben nur, wenn er die "Schuld" auf seinen Arbeitgeber schiebt, der ihn in den Burnout getrieben hat!
Und niemand, der ihn nicht besser kannte, hätte bei ihm eine Depression vermutet. Es hat alle umgehauen und alle haben gleich reagiert: er? eine Depression? Er war doch immer so lustig.

Lustig war er auch noch in der Klinik, hat sogar Freundschaft mit einem anderen lustigen Patienten geschlossen. Die Therapeuten haben aber rasch gemerkt: das Lustigsein ist Krankheitsbild.

Liebe Claudi, begib Dich nicht in eine derartige Abhängigkeit zu Deinem Mann. Du brauchst Freunde und Freude im Leben. Auch wenn es ihm schlecht geht. Das wird noch eine Weile andauern. Auch wenn er in der KLinik alles kann, zu Hause wird er es erst mal nicht machen. Denn hier sind die eingefahrenen Muster eben noch zu eingefahren.

Ich wünsche Dir, dass Du Dich auf den Weg zu Dir machst. Suche Dir Freunde und Bekannte, gehe ins Kino (ich bin auch schon alleine gegangen) und lass Dich von Deinem kranken Mann nicht am Leben hindern.

Ich weiß, dass das leicht gesagt ist, aber auch ich arbeite daran...
Du bist damit also nicht allein.

Alles Liebe und Gute

Austausch
bigappel
Beiträge: 1488
Registriert: 10. Dez 2010, 08:10

Re: Immer nur ich ich ich

Beitrag von bigappel »

Liebe Quappe,
hallo Claudia,
hallo @ all,

da musste ich aber fett grinsen, liebe Quappe!

Ist eigentlich nicht wirklich ein Grund dazu: aber wie gut ich diese Gefühle, die Du so anschaulich beschrieben hast, nachempfinden kann und erstmal die - nennen wir es mal dezent - Verwunderung darüber.

Konnte mein Mann doch mit seinen Mitpatienten prima Wandern gehen, für uns reichte es nicht mal um den Hausblock rum.

Mensch, war ich enttäusch, verletzt, wütend..... vor vielen Jahren.......

Mein Mann ist schon über 30 Jahre krank, die Vorstellung, wielange eine etwaige Genesung dauert..... naja.

Viel hat sich getan, vieles ist noch im argen.

Aber auch ich habe die allergrößten Wattebällchen weggepackt.
Verständnis ja. Achten auf mich: ja, ja, ja, ja und nochmals ja; besonders in den grausigen Akutphasen.

Ansonsten bemühe ich mich meinen Mann so zu behandeln, wie es einem annähernd 50 jährigen gebürt: wie einen erwachsenen Mann, phasenweise eingeschränkt, ja, aber erwachsen.

Krankenschwesternhäubchen, ehrenamtliche Pflegerin, Raumpflegerin: der Job ist frei....

Bei uns rappelt es immer wieder: aus den unterschiedlichsten Gründen; aber irgendwie unterscheidet sich das nicht zu den Ehen meiner Freundinnen.

Claudi: mir kommt es so vor, dass Du noch Vieles, was Dein Mann sagt oder tut, persönlich nimmst.

Kann ich gut verstehen; hilft aber keinem.

In Akutphasen kannst Du Deinen Mann anquengeln, Deine Bedürfnisse anmelden, motzen, schreien, oder was weiß ich: das erscheint mir alles nicht der Weg.

In Akutphasen geht nichts.
Ist so. Nicht, weil der Betroffene das so möchte, sondern, weil es ist, wie es ist.

Die Unterscheidung der Phasen ist für mich oft nicht leistbar; also habe ich mir einen egoistischeren Weg für mich erarbeitet: ich schaue auf mich, tue, was mir gut tut, frage meinen Mann, ob ich helfen kann, ob er ggf. Unternehmungen mitmachen möchte und es liegt an ihm, dies zu entscheiden.

Keine Entscheidung ist auch eine.......

Meine absoluten Grenzen hat mein Mann gerade aufgezeigt bekommen; bleibt abzuwarten, wie er damit umgehen kann und will.

Und ich habe gelernt, wegzuschauen.
Mein Mann war schon depressiv, als ich noch keine Rolle in seinem Leben spielte; er wird es ggf. auch noch sein, sollten sich jemals unsere Wege trennen.

Mir ist es nicht möglich, ihn zu "heilen", etwas zu beschleunigen auf dem Weg; mir ist es nur möglich immer wieder auf mich zu schaun, um besagtes Doppelzimmer nicht doch noch zu buchen *nein, danke!*.

LG
Pia
Ein Tier zu retten, verändert nicht die Welt, aber die ganze Welt ändert sich für dieses Tier.
SucheAustausch
Beiträge: 257
Registriert: 15. Aug 2012, 12:35

Re: Immer nur ich ich ich

Beitrag von SucheAustausch »

Hallo Tabarka,

ich habe noch eine Frage.

>>Mein Weg war, genau das zu tun, was ich von Deinem Mann lese. Den Blick auf mich zu richten. Was fühle ich, was brauche ich und zunächst mal selbst dafür zu sorgen, dass ich es bekomme. Ohne ihn. Und es hat Druck rausgenommen. Je zufriedener ich war und und bin, desto leichter ging was zwischen uns. Und heute, so glaube ich, habe ich ihn längst überholt. Ich sorge heute besser für meine Bedürfnisse, als er. Ich fahre jetzt am Wochenende weg. Ganz alleine. Und er hat hat Kind, Haushalt... an der Backe. Vor Jahren völlig unvorstellbar. Und mir geht es gut damit. Und ihm offensichtlich auch - er beschreibt es als eine große Entlastung, dass er sich um mein Glück nicht kümmern MUSS. Sondern hier freiwillig etwas tun kann.
<<

Kannst Du ungefähr sagen, wie lange das alles gedauert hat? Du schriebst glaube ich mal an anderer Stelle, dass Ihr an einem Wendepunkt wart: entweder ganz neu anfangen oder Beziehung beenden.

War das der Moment, in dem Du begonnen hast, richtig für Dich zu sorgen? Und wie lange hat es gedauert, bis Du so weit warst, das alles zulassen zu können?

Ich denke mal, dass DU auch immer noch ab und an Schwierigkeiten damit hast, oder? Aber es trat ja wahrscheinlich irgendwann eine spürbare und nachhaltigere Verbesserung ein, eine Gewöhnung daran, für sich selbst da zu sein.

Es hört sich so wunderbar an, was Du schreibst.

Danke und ganz liebe Grüße

Austausch, die diesen Augenblick so sehr herbei sehnt, dass wahrscheinlich der dadurch aufgebaute Druck schon wieder alles hinfällig werden lässt!

Ach ja, noch ganz kurz: Schön, dass man Dich hier doch noch manchmal liest, Pia!
lorbeer
Beiträge: 15
Registriert: 8. Mai 2013, 15:10

Re: Immer nur ich ich ich

Beitrag von lorbeer »

Ihr lieben, ihr ahnt nicht wie gut mir eure Antworten tun. Wie sehr ich seit Tagen mit einem, doch sehr begrenzten Blickwinkel dachte, fühlte und handelte. Mich dabei hilflos, planlos und alleine fühlte.
Ihr alle helft mir wieder Abstand zu mir, zu ihm und der ganzen Situation zu bekommen, mich von meinem „hohen Ross“ runterzuholen.

Cloud, mir tut es heute leid dass ich dich als anmaßend einschätzte. Ich war nicht fähig deine Antwort von verschiedenen Seiten aus zu betrachten, gefangen in meiner Verletztheit. Dafür möchte ich mich bei dir entschuldigen. Danke dass du mir eine Erklärung und deine Sichtweise geschrieben hast. Und du hast recht…mein Blick…ich kenne ihn zwar selbst nicht, doch ich weiß durch Erfahrungen das man mir jede meiner Gefühlsregungen deutlich ansehen kann. Und ich bin ein Mensch dem es unendlich schwer fällt sich zu verstellen, sein eigenes Schneckenhaus dann zu verlassen. Damit übe ich so einen immensen Druck aus, ohne es zu wollen.
Durch den Druck den wir beide an diese Wochenenden haben (er gegenüber meinen Bedürfnissen, ich gegenüber seinen)kann keiner dem anderen geben was er braucht.
Danke, danke, danke mir auch die Sichtweise des betroffenen zu schildern, die mir so oft fehlt und doch so wichtig ist.

Huhu Tabarka und Austausch, ihr glaubt nicht wie oft ich hier bei einigen Schilderungen denke diejenige hat gerade meinen Mann beschrieben.
Theoretisch weiß ich dass ich mehr für mich sorgen muss. Wenn bloß diese verfluchte Praxis nicht wäre!!! In diesem Punkt muss ich echt umdenken und über 20 Jahre erlernte Verhaltensweisen abbauen. Freunde und Freude schaffen, Dinge auch mal liegen lassen und Verantwortung abzugeben.
Eigentlich muss ich, genau wie er lernen, lernen auf mich zu achten, Druck abzubauen. Mir professionelle Hilfe suchen. Und dieses „aber wann denn, ich hab doch keine Zeit“ irgendwie beiseiteschieben. Lernen nicht für andere zu leben. Mal sehen ob ich das irgendwie, irgendwann hibekomme.

Liebe Pia…..verfluchter Mist, ich nehme wirklich ganz, ganz viel persönlich. Mir fehlt die Gelassenheit, zu sagen das es nichts mit mir zu tun hat, wenn er woanders kann und bei mir nicht. Aber ich weiß nicht wie ich sie bekommen kann. Wie ich aus meiner eigenen Gefühls- und Denkstruktur ausbrechen kann.


Ich bin so froh dieses Forum, euch gefunden zu haben.
julcas
Beiträge: 569
Registriert: 11. Mär 2011, 17:57

Re: Immer nur ich ich ich

Beitrag von julcas »

Hallo claudiavk,

auch ich kann dich gut verstehen. Klar, theoretisch wissen wir alle, das wir viel für uns selbst tun müssen, gut für uns selbst sorgen müssen.

Mein Freund war letztes Jahr in der Klinik. Es geht ihm deutlich besser, doch es ist bei weitem nicht alles in Ordnung. Er setzt sich nicht mit mir auseinander, aber er steht morgens auf um den Frühstückstisch zu decken, räumt den Geschirrspüler aus und mäht den Rasen. Dies alles macht er stumm. Zärtlichkeiten gibt es nicht, Gespräche gibt es nicht, denn ich führe Monologe. Das hat nichts mit mir zu tun, sagt er. Alles was er tut sei nicht genug, sagt er. Dann schließt sich sein Mund und der Blick verändert sich in Richtung Tunnelblick und dann herrscht Stille. Einzige Ausnahme zur Zeit: Wenn wir zur Tanzstunde sind. Da fast er mich ständig an und da gibt es Küßchen und da kann er sogar lachen. Ich fühle mich in der Beziehung wie in einer Sackgasse. Es geht nicht vorwärts und nicht zurück. Mein Freund sagt von sich selbst er sei stabil. Gut, das ist wie es ist. Mein Leben besteht nicht nur aus Beziehung.

Was tue ich für mich?

Wenn ich Sonntagmorgen mit den Hunden gelaufen bin, krieche ich schon auch nochmal ins Bett. Dann lasse ich Haushalt Haushalt sein und schlafe noch ein bißchen. Oder ich gönne mir am Sonntagmittag ein Verwöhnbad. Herrlich. Manchmal mache ich Sonntags auch Mittagsschlaf.

Bei schönem Wetter vergnüge ich mich im Garten. Das hat mir schon immer viel Spaß gemacht. Ich erfreue mich an jeder Knospe die aufgeht. In meinem Fischteich sind ganz viele Fischbabys. Die könnte ich stundenlang beobachten.

Ich war vor 4 Wochen beim Friseur und habe die Haare kurz schneiden lassen. Ich fühle mich so sauwohl mit kurzen Haaren, auch das für mich ganz allein.

Heute abend gehe ich zum 85. Geburtstag zur Mama meiner Freundin. Die alte Dame hat keine Bekannten, sie wird sich über unseren Besuch sehr freuen und mir wird gerade das sehr gut tun.

Ich unternehme viel mit meiner besten Freundin, manchmal sitzen wir auch einfach da und quatschen.

Am Samstag kommt meine Tochter für ein paar Tage zu Besuch, darauf freue ich mich riesig.

Jetzt, nach fast einem Jahr ist meine Zahnarztbehandlung fast abgeschlossen. Ich habe endlich wieder ein gutes Mundgefühl und bin sooo sehr stolz auf mich.

Ja, es geht mir gut und ich werde aufpassen, das es auch so bleibt.

lg julcas

PS: Hey Pia, schön das du da bist.
sunshine45
Beiträge: 685
Registriert: 16. Sep 2008, 14:26

Re: Immer nur ich ich ich

Beitrag von sunshine45 »

Hallo Claudia,

ich zieh den Hut vor Deinem letzten posting!

Liebe Grüße
von der koboldin
Love it, leave it or change it!
medusa
Beiträge: 243
Registriert: 22. Mär 2013, 19:16

Re: Immer nur ich ich ich

Beitrag von medusa »

liebe claudi,

nun habe ich schon mehrere versuche gestartet hier zu antworten. immer wieder habe ich es gelöscht...

mein mann ist nun schon 3,5 monate in der klinik - hinter mir liegt all das, was so vielen von uns hier begegnet ist - und noch ein bisschen mehr.

an dieser stelle möchte ich das nicht alles wiederholen, was ich schon erwähnte.

ich möchte dir vielmehr sagen, wie sehr deine worte den punkt treffen, wie sehr sie mich berühren, mich - wieder einmal - sehr nachdenklich stimmen, mich fühlen lassen, dass ich trotz der langen zeit immer wieder - und seltsamer weise - immer mehr das gefühl habe, auf dem seil zu sein - ohne netz, ohne doppelten boden und selbst die reißleine ist nicht vorhanden.

das hier schon fast mantramäßig erscheinende "kümmere dich umd dich, das ist wichtig und das einzige, was hilft" (überspitzt gesagt), bringt mich an positiveren tagen weiter. derer gibt es leider viel zu wenige. mich drückt die verantwortung - nicht gewollt übernommen - für kinder, haus, hund, garten, job - oft so nieder, dass ich nur noch schreien möchte.

dem gegenüber steht dann die selbstfindung des mannes, seine selbstverwirklichung, seine verbesserte situation, sein fröhlich sein dort in der klinik, die immer wieder kehrenden geschichten über die mitpatienten/innen, die ihn so sehr bewegen und mitnehmen.

da setzt bei mir das denken und verstehen aus. und ja, ich bin selbst in therapie, habe da also gute unterstützung - mental, wenn man davon absieht, dass ich zu wenig esse, zu viel rauche, wohl auch zu viel wein trinke - an den we - , zu viel arbeite und alles alleine stemmen muss. und ich habe schon reduziert, lass oft 5 gerade sein, wenn ich merke, es geht nicht.

ich bin hier im forum immer darum bemüht, sachlich zu sein, zu verstehen, beide seiten - und doch stolpere ich gedanklich immer wieder über die worte, die ich hier irgendwann mal gelesen habe - klar, jetzt aus dem zusammenhang gerissen, aber dennoch - "komfortzone depression"!

ich möchte an dieser stelle erneut darauf hinweisen, dass ich nicht wertend wirken möchte - ich schreibe das, was ich fühle, wie ich mich fühle.

und wenn ich dann so manch andere/anderen hier lese, die schon sehr viel länger angehörige/r sind, macht mir das manchmal angst.

dagegen steht dann immer und immer wieder, dass ich meinen mann liebe - und es mir scheinbar nicht gelingt, mich zu distanzieren.

gerade heute wäre es dringend nötig gewesen, da ich ihm - es geht ihm seit ca. 3 wochen besser und die entlassung steht bevor - heute früh per sms mitgeteilt habe, dass ich einfach am ende bin, platt, müde, ausgelaugt - von allem.

reaktion - er war kurz hier - heute - kein wort zu meinem persönlichen befinden, zu meiner sms, keine frage, nichts - einfach nur nichts.

da stellt sich mir die frage, was werden soll, wenn er wieder daheim ist.

ich bin sehr ratlos!

und - entschudlige liebe claudi, dass ich deinen thread jetzt dafür nutze -

@pia - gut, dass du doch ab und zu wieder da bist!

lg
eiskristall
lorbeer
Beiträge: 15
Registriert: 8. Mai 2013, 15:10

Re: Immer nur ich ich ich

Beitrag von lorbeer »

Ich hatte vorhin Fahrschule, in 2 Wochen Prüfung. Am Ende wertete mein Lehrer wieder die Fehler aus, eigentlich normal und nix schlimmes. Und plötzlich fing ich an zu heulen.
Und seitdem rollt eine Träne nach der anderen und ich kann nicht aufhören.
Vielleicht ist es gut, ich hab seit Ewigkeiten nicht mehr geweint.
Tabarka1
Beiträge: 267
Registriert: 10. Feb 2013, 13:34

Re: Immer nur ich ich ich

Beitrag von Tabarka1 »

Hallo Ihr Alle!

Boah, eine Menge Stoff zum Nachdenken und Nachspüren.

@Claudi: Viel Kraft und Mut wünsche ich Dir. Habe erst beim Abschicken Deine Tränen gelesen - darf ich eine dicke Tüte Verständnis und kenne ich auch schicken?

@Austausch: du fragst wie lange es gedauert hat? Ich blicke heute zurück. Dies ist ein deutlich anderer Blick, als mittendrin - dies nur als Vorwarnung. Zunächst war uns beiden vor etwa 4 Jahren klar, dass wir ein richtig dickes Problem haben. Mein Mann nur noch aggressiv unterwegs und ich wusste nicht mehr weiter. Ich habe dann eine Familientherapeutin ausgegraben zu der wir gegangen sind, die nach ca. 4 Monaten (2 Tage vor Weihnachten) zunächst mir (nach Weihnachten meinem Mann) eröffnete, dass er ihrer Meinung nach eine Depression hat und dringend der Behandlung bedarf.

Eine Psychiaterin, die ihn untersuchte, sagte dann, dass er super aufpassen müsse, denn die ersten Anzeichen wären da. Bei mir hat das ausgelöst, dass ich hier quasi alles übernommen habe, trotz meines Wahnsinnsjobs. Und meiner Freundin, die im Sterben lag. Und es wurde trotzdem immer schlimmer und ich habe noch mehr getan, ihm in seinem Job geholfen, ihn an Termine erinnert... Und es wurde noch schlimmer. Er war quasi kurz davor seinen Job zu verlieren. Krankheit war die einzige Chance. Da ist er in die Klinik - also vor drei Jahren. Und danach war schnell wieder alles beim Alten. Ich dachte - er ist gesund, dann können wir ja so weitermachen. Er macht ja Therapie.

Ein Jahr später war es wieder unerträglich für mich. Und dann starb meine Mutter von einem Tag auf den anderen. Sie war meine einzige Unterstützung in dieser Zeit. Und mein Mann war in einer Tagesklinik zum Vorstellungsgespräch, zu dass ich ihn begleiten sollte. Die Klinik brüstet sich mit Angehörigenarbeit und mein Mann hatte es gefragt und auch gewünscht.

...Und ich bin behandelt worden als ob ich ein Eindringling wäre, meine Fragen wurden überhaupt nicht angehört, geschweige denn Antworten gegeben.
Und das war zuviel für mich. Ich bin vor der Klinik zusammengebrochen. Ende, nichts ging mehr. Mein Mann hat sich gegen die Klinik entschieden, weil er auch bei sich keinen wertschätzenden Umgang feststellen konnte.

1 Woche drauf wieder ein Vorstellungsgespräch in einer anderen Klinik für meinen Mann. Wir beide im Gespräch und die Psychiaterin sagt: ich habe den Eindruck, ihre Frau braucht viel dringender Hilfe. Und ich wurde aufgenommen - nicht er. Posttraumatische Belastungsstörung nach dem ersten Kliniktermin und Erschöpfung.

Also vor zwei Jahren. Es war schon ein Wendepunkt, aber so ganz klar war es immer noch nicht. Mein Mann war danach noch zweimal in der Klinik, ohne dass es wirklich weiterging bei ihm. Aber bei mir war ein zartes Pflänzlein eingesetzt worden: "Kümmere Dich um Dich"

Aber so richtig verstanden habe ich erst jetzt seit etwa einen halben Jahr und etwa 2 Jahren Übung vorher. Ich sage heute: Ich bin Co-Abhängig und möchte geheilt werden. Und dies war in der Beziehung der Wendepunkt. Nicht nur er hat ein Problem - ich auch. Ich gehe zu Selbsthilfetreffen und möchte mein Problem loswerden - meins. NICHT seins!! Und ich habe ihn gebeten auszuziehen, weil ich genug mit mir zu tun habe und mich nicht um ihn kümmern kann.

Und erst dann sind wir beide wach geworden. Also so hatten wir beide uns das nicht vorgestellt. Beide krank und keiner kann dem anderen helfen. Und wir haben es mit Kommunikationstrainings probiert. Und haben beide gemerkt. O.k. da geht was.

Und ich lerne - ich darf darum bitten, dass meine Bedürfnisse befriedigt werden. Völlig merkwürdig - ich merke: das kann ich nicht. Das kann ich von meinem Mann lernen.

Und er lernt - wenn ich es nicht tue, dann tut es keiner. Habe heute wieder zwei 10er Packs Socken für das Kind und mich gekauft, da er mit der Wäsche nicht hinterherkommt. Da kann er was von mir lernen.

Ich weiß wirklich nicht, ob es so einfach bei euch sein wird, wie es sich jetzt liest. Aber es war nicht einfach, ich war der Verzweiflung oft näher als der Lösung. Und bin es heute auch noch manchmal.
Liebe Austausch, danke für Deine Nachfrage. Es hat meine Gedanken noch einmal geordnet das aufzuschreiben, auch wenn ich Dir nicht genau sagen kann, wann es besser wurde.

@ eiskristall: mir fällt es am Schwersten meinen Mann um etwas zu bitten. Auch wenn es einfaches Zuhören ist. Und gleichzeitig weiß ich, dass genau da meine Veränderung wichtig ist. Hast Du denn Deinen Mann um etwas gebeten? Mir geht's nicht gut - würdest Du mich in den Arm nehmen?

Sorry für die Länge, ich gelobe Besserung.

Einen guten Abend euch allen!
Tabarka
Wann, wenn nicht heute... ?
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