Was kann ich tun?

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Zauberland

Was kann ich tun?

Beitrag von Zauberland »

Hallo Ihr Lieben,

ich habe die letzten Monate mitgelesen und selbst nichts geschrieben.
Mein Freund(?) ist seit Monaten in einer schweren depressiven Phase. Er verlässt kaum mehr das Haus und ist völlig überfordert mit allem.
Über den Winter ist er entlassen worden und so wie es aussieht wird er auch nicht mehr eingestellt.(hat sein Chef ihm letzte Woche mitgeteilt)
Er hält den Kontakt zu mir, wir telefonieren mehrmals die Woche.
Ich wohne eine Stunde von ihm entfernt und habe einen Sohn, den ich nicht mehr total involvieren möchte. Mein Freund lebt dort in einem absoluten Chaos. In den letzten Monaten unserer Beziehung hatte ich jedes Wochenende seine Bude in Ordnung gebracht (einigermaßen), aber zwei Haushalte und seine Depression waren auf die Dauer zu belastend für mich. Ich schaffe das nicht mehr.
Mein Freund ist zunehmend aggressiver und verzweifelt in den letzten Monaten, er weint auch viel, und zum zweiten Mal kam jetzt von ihm eine Sms, dass er es nicht mehr alleine schafft, dass er Hilfe braucht, heute Nacht kam eine Sms: dass er es nicht mehr lange schafft...
Ich mache mir große Sorgen, dass er sich etwas antut, weil er die Situation nicht mehr aushält. Ich kann auch nicht meinen Sohn mit in das Chaos nehmen. Manchmal fahre ich hin um ihn aus seinem Loch zu holen, eine Runde raus zu gehen, doch auf der Rückfahrt zu sich nach Hause fängt er wieder an zu zittern und zu weinen. Er will auch nicht mit hierher zu mir. Hier könnte ich eher für ihn da sein. Er sagt, das bringt doch alles nichts.
Er wehrt sich mit Händen und Füßen gegen eine Akutklinik, den Platz in der Tagesklinik hat er abgesagt, weil er mit dem täglichen Fahren überfordert sei. Medikamente lehnt er ab, weil die letzten Medikamente ihm nicht geholfen haben.
Heute morgen habe ich mit seinem Freund telefoniert, der sieht seine Situation auch als kritisch, ist aber auch überfordert.
Seit wenigen Wochen hat er Probesitzungen bei einer Therapeutin, ich weiß nicht ob er regelmäßig hingeht.

Ich habe Angst um ihn.
Meine Therapeutin ist nun bis Mittwoch weg und ich frage mich, was ich tun soll.
Wenn ich ihn zwangseinweisen lasse, (was sowieso nicht einfach ist) wird er mir das sehr übel nehmen und ich glaube nicht, dass das eine gute Vorraussetzung zur Heilung ist.
In seiner jetzigen Situation sieht er keine Lösung mehr für sich. (Es hilft eh alles nichts`). Aber ich kann über seine Hilferufe nicht einfach hinweg sehen.
Ich habe heute überlegt seinen Vater anzurufen, mein Freund wäre wahrscheinlich sauer, aber ich muss doch etwas tun?

Ich bin dankbar für jeden Ratschlag...
Liebe Grüße
F.
Zen
Beiträge: 201
Registriert: 5. Jul 2010, 11:31

Re: Was kann ich tun?

Beitrag von Zen »

Hallo Federleicht,

das ist eine schwierige Situation in der du da steckst.
Wenn dein Freund gerade in einer Depressiven Phase steckt, kann man mit Worten am Telefon nicht viel erreichen.
Mal eben vorbei fahren geht auch nicht, alleine schon wegen deinem Kind und der Entfernung.
Wie ich es so raus lese, fängt er an zu verwahrlosen.

Das wichtigste für einen depressiven Menschen, ist ein geregelter Tagesablauf. Eine Aufgabe die ihm aus seinen Grübelzwang raus reißt.
Sicher sind die Aussichten auf Arbeitslosigkeit nicht gerade förderlich. Aber besser einen eventl. 400 Euro Job, als eine Leben mit einer Depression und keinen Lebenswillen mehr.

Du solltest versuchen, ihm in einem 4 Augengespräch klar zumachen, das es so wie er sich das vorstellt nicht weitergeht.
Frage ihn, ob er dir vertraut.
Wenn er ja sagt, dann sage ihm das Du versuchst in seinem Sinne zu handeln.

Das es ohne Profi Hilfe nicht geht, und sich kein Mensch schämen muss, wenn er in so einer Lage ( Arbeitslosigkeit / Zukunftsangst )in ein tiefes Loch fällt.

Er ist soweit, das er für sich keine klaren Entscheidungen treffen kann, also muss jemand anders diese Entscheidungen in seinem Sinne treffen.

Gibt es bei Euch in der Nähe eine Psychologische Ambulanz ? Wenn ja könntest Du dich da hin wenden.
Oder versuche mit seinem Hausarzt zu reden.

Eine Zwangseinweisung bekommst du nicht hin, das kann ich mir nicht vorstellen.
Den Vater anrufen, halte ich auch für keine gute Idee, außer er hat ein gutes Verhältniss zu seinem Vater.
Obwohl gerade die ältere Generation nicht so das Fingerspitzen hat für diese Krankheit. ( Kenne ich jedenfalls von meiner Familie )
Aber das muss du entscheiden.

Ich weiß nicht wie energisch und selbstsicher du gegenüber ihn auftreten kannst. Je selbstsicherer du dich jetzt verhällst, desdo besser ist es.

Mache ihm klar, das er sich auf dich verlassen kann, und du ihn nicht abschieben willst, sondern dir große Sorgen machst wenn er alleine ist.

Sollten alle Stricke reißen und du findest ihn in einem für dich erschreckenden Zustand vor, wenn du bei ihm bist, dann ruf ohne große Diskussion die 112.
Soll man ja nur anrufen, wenn Lebensgefahr besteht wie Herzinfarkt oder Schlaganfall, aber wer gibt dir die Garantie das er sich nichts antut, wenn du auf dem Weg nach hause bist?

Mache den Leuten dann klar, das du die Verantwortung nicht mehr übernehmen kannst.
Sollte der Notarzt dann kommen und dein Freund sagt nein, ich gehe nicht mit, das wäre natürlich sch....ße. Aber vielleicht ist er ja auch froh, das endlich gehandelt wird. Oft ist es so, das Erleichterung zu spüren ist, das endlich eine Entscheidung getroffen wurde.

Das letzte Wort hat natürlich immer noch er, darauf sollte auch Rücksicht genommen werden.

Besteht die Möglichkeit, dass du dir jemand mit ins Boot holst. Einen Arbeitskollegen, Geschwister, netten Nachbarn usw. der Dich unterstützt und auch auf ihn positiv einwirken kann. Wenn ja dann tue es.

Lass dich nicht einlullen, wenn er sagt, laße uns noch warten, vielleicht wird es ja morgen, übermorgen, nächste Woche usw. besser.
Es wird nicht besser, sondern schlimmer. Ich habe mich auch viel zu oft von meinem Mann überreden lassen, wenn er mir sagte, ach lass uns warten, morgen wird es bestimmt besser.

Ich hoffe ich konnte dir ein paar Denkanstöße geben, es kommt natürlich auf den Einzelfall an.

Ich habe damals viel zu lange gewartet, auch aus Unwissenheit, auf meinen Mann einzuwirken Profi Hilfe anzunehmen.
Das war ein Riesen Fehler.

Ich wünsche Dir viel Kraft und Energie für die nächsten Tage und Wochen.

Gruß
Sammie
Tabarka1
Beiträge: 267
Registriert: 10. Feb 2013, 13:34

Re: Was kann ich tun?

Beitrag von Tabarka1 »

Hallo Federleicht,
Wie schade und traurig für Dich!
Hast Du Angst, dass er sich das Leben nimmt? Hat er das gesagt? Oder hast Du ihn danach gefragt? Falls er das gesagt hat, würde ich seinen Arzt informieren. und trotzdem bist Du nicht verantwortlich, auch wenn Du es nicht tust. Und es ist verdammt schwer das auszuhalten.
Wenn er in einer Klinik war könnten die mit ihm einen Notfallplan gemacht haben. Gibt es den? Wie sieht der aus? Dann wüsstest Du was der gesunde Anteil sich gewünscht hat, wenn er wieder depressiv wird.
Gibt es außer Dir noch jemand der Kontakt hält? Zu dem er Vertrauen hat?
Ich selbst bin mit depressivem Mann und Kind unterwegs und lerne meinen Blick vor allem auf das Kind zu richten. Und es fällt mir soooh schwer.
Ich bin in Gedanken bei Dir und wünsche Dir viel Unterstützung für Dich
Ferne23
Wann, wenn nicht heute... ?
Zauberland

Re: Was kann ich tun?

Beitrag von Zauberland »

Danke für Eure Antworten Sammie und Ferne, ich fühl mich schon nicht mehr ganz so allein mit der Situation.

Ein Freund von ihm steht mit ihm in gutem Kontakt und unterstützt ihn, wo er kann. Mit dem habe ich heute morgen telefoniert.
Er meldet sich heute auf jeden Fall bei ihm.
Seine Nachbarn sind liebe Menschen und versuchen für ihn da zu sein, helfen ihm, laden ihm zum Essen und zum Kaffee ein.

Ich glaube, dass diese Sms´e ein Hilferuf von ihm sind. Er ist im Grunde ein sehr stolzer Mensch und das ist ganz untypisch für ihn, zu sagen, dass er das nicht mehr lange schafft und Hilfe braucht.
Ich werde auch die Ambulanz in seiner Nähe anrufen und fragen, was ich tun kann, evtl. auch mit seinem Hausarzt sprechen, der von seiner Krankheit weiß.

Leider hat mich jetzt eine Erkältung mit Fieber erwischt, mein Kopf ist ganz wuschig.
Wenn es mir morgen besser geht, fahre ich vorbei und rede mit ihm. Es ist schon so, dass er Angst hat man wolle ihn "abschießen" oder ruhigstellen mit den Medikamenten. Das ist so schade.

Sein Vater ist Arzt, dennoch auch sein Vater.
Auch er wohnt über eine Stunde entfernt.Ich überlege noch, ihn mit ins Boot zu holen. Dass sein Sohn große Schwierigkeiten hat seinen Alltag zu bewältigen weiß er und versucht ihn zu unterstützen. Finanziell und auch mit seiner direkten Hilfe beim handwerklichen Dingen und Wäsche waschen...
vielleicht wäre er sogar froh, wenn mit ihm jemand redet, er macht sich sicher Sorgen.

Ich habe oft versucht zu vermitteln, dass mein Freund sich ihm gegenüber öffnet und das ich glaube, dass sein Vater verstehen würde, aber mein Freund wollte das nicht. Es kamen früher wohl oft Sätze wie "reiß Dich doch zusammen".

Danke für Eure Ideen, ich versuche meinen Kopf zu ordnen und ruhig zu handeln....

F.
Zen
Beiträge: 201
Registriert: 5. Jul 2010, 11:31

Re: Was kann ich tun?

Beitrag von Zen »

Hallo Federleicht,

na siehst Du, sind ja doch noch Menschen in deiner, und seiner Umgebung auf die man sich verlassen kann.
Als mein Mann das erste mal in die Klinik kam, sagte er mir " Jetzt bin ich auch in der Klappsmühle gelandet ".
Viele haben ja noch im Hinterkopf, Psychiatrie, gleich doof.
Männer haben es, finde ich besonders schwer sich mit diesem Thema aus einander zu setzen.
Man(n) will ja nicht als Weichei da stehen.

Aber die heutige Arbeitswelt, auch familiäre Erwartungen ( Vater Arzt, möchte natürlich auch mit seinem Sohn glänzen ) und natürlich die eigenen Vorstellungen, wie man sein Leben gestalten und leben will, setzen uns Menschen viel zu sehr unter Druck.

Mit " reiß dich doch mal zusammen " ist es nicht getan. Ein Depressiver kann sich nicht zusammen reißen.
Um das zu verstehen und zu begreifen,dafür habe ich Jahre gebraucht.
Und auch nur mit Profi Hilfe.

Ich glaube, du schaffst das. Rede vernünftig mit ihm und mache ihm klar, wie wichtig es jetzt ist Hilfe anzunehmen.

Vergesse dabei aber nicht deine eigene Gesundheit.

Einen Tip möchte ich dir noch geben, kaufe dir das Buch von der Stiftung Warentest " Depressionen überwinden "
ISBN Nr. 978-3-86851-132-1
Sehr gut geschrieben, klar und einfach dargestellt, mit vielen Hilfsmöglichkeiten, nicht nur für den Betroffenen sondern auch für Angehörige und Freunde.

Lieben Gruß von
Sammie
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