Wie kann ich ihm helfen - ohne mich selbst zu verlieren

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Emma77
Beiträge: 6
Registriert: 7. Dez 2012, 18:30

Wie kann ich ihm helfen - ohne mich selbst zu verlieren

Beitrag von Emma77 »

Guten Abend,
ich habe mich in diesem Forum angemeldet, in der Hoffnung, hier Antworten auf meine Fragen zu bekommen und mich mit anderen Angehörigen auszutauschen.

Mein Mann leidet seit längerem an Depressionen, die ihre Ursache schon in früher Kindheit haben. Seitdem wir zusammen sind, war sein "Zustand" jedoch stabil und wir haben doch normal und glücklich zusammengelebt. In diesem Jahr hat eine Reihe von sehr unschönen Auseinandersetzungen auf seiner Arbeit seinen Zustand doch sehr verschlechtert. Er ist nun seit einigen Wochen krankgeschrieben und konnte nun relativ kurzfristig eine Reha antreten.

Seit fast zwei Wochen bin ich nun allein zu Hause und stelle fest, dass ich mit der Situation doch schlechter umgehen kann, als ich anfangs gedacht hatte. Es kreisen einfach so viele Gedanken in meinem Kopf:
Was kann ich tun um ihm zu helfen? Was muss ich vielleicht in Zukunft verändern?

Dann ist da aber auch die andere Stimme in meinem Kopf, die sich fragt:
Was passiert mit mir? Was ist mit meinen Wünschen und Plänen?
Wann immer ich mit Familie und Freunden spreche, alle sind sehr um meinen Freund bemüht und besorgt. Ist es selbstsüchtig, dass ich möchte, dass sich auch jemand um mich sorgt?

Ich bin dankbar für alle Tipps und Hilfestellungen.
sunshine45
Beiträge: 685
Registriert: 16. Sep 2008, 14:26

Re: Wie kann ich ihm helfen - ohne mich selbst zu verlieren

Beitrag von sunshine45 »

Hallo Emma,
herzlich Willkommen hier.
Ich wünsche Dir hier den Rückhalt den Du suchst und einen guten Austausch mit anderen Angehörigen.
Ich finde es überhaupt nicht selbstsüchtig, dass Du Dir erhoffst, dass andere Menschen auch mehr Anteil an DEINEM Leben nehmen.
Bei den Angehörigen von depressiven Menschen ist es manchmal so, dass man sich selbst viel zu sehr zurückgenommen hat und der Focus komplett auf dem erkrankten Menschen liegt.
Dass Du Dich fragst was mit Deinen Wünschen und Träumen ist, dass ist ein gutes Zeichen, denn es zeigt, dass Du Dich selbst auch noch wahr nimmst.
Versuch Deinen Partner eine Stütze zu sein, aber das geht nur, wenn Du selbst für Dich auch Kraft tanken kannst.
Es hilft ihm nicht, wenn Du Dich aufgibst und es Dir dann auch noch schlecht geht. Es gibt so einige Angehörige, die irgendwann selbst depressiv werden, weil sie zu wenig auf sich geachtet haben.
Wenn Dein Mann einige Dinge nicht machen kann, weil er depressiv ist, so heißt das nicht, dass Dein Leben in dieser Zeit brach liegen muss.
Du darfst und solltest ruhig Dinge tun, die Dir gut tun. Das ist kein Verrat an Deinem Mann.

Achte auf Dich ohne schlechtes Gewissen. Damit hilfst Du auch Deinem Mann, denn wenn er das Gefühl hat, dass es Dir schlecht geht, weil er depressiv ist, so belastet ihn das noch zusätzlich.

Liebe Grüße und eine gute Nacht
von der Koboldin
Love it, leave it or change it!
jep

Re: Wie kann ich ihm helfen - ohne mich selbst zu verlieren

Beitrag von jep »

Hallo Emma,
Als selbst Betroffene ist es mir wichtig, das mein Mann sich um sich kümmert- nichts fände ich schlimmer, als wenn es ihm wegen mir schlecht ginge oder er seine Hobbys vernachlässigen würde. Ich weiss nicht wie ich das schaffen würde, wenn er auch noch depressiv werden würde.

Sicher, wie es mir sehr schlecht ging, hat er mir einiges abgenommen, und mich unterstützt. Und hat mich ernstgenommen.
Aber mit der Krankheit muss letztendlich ich klarkommen, und das bedeutet unter anderem, das ich meine Bedürfnisse ernstnehme. Es wäre nicht gut, wenn er dafür seine nicht mehr sehen würde.

Also sorge für dich, und sei bei den Sachen unterstützend (nicht alles abnehmend!) für ihn da, die er krankheitsbedingt gerade nicht alleine auf die Reihe bekommt. Mehr kann ein Angehöriger meiner Meinung nach nicht leisten.

Sei gut zu Dir- du bist die, die am besten für dich sorgen kann!
Emma77
Beiträge: 6
Registriert: 7. Dez 2012, 18:30

Re: Wie kann ich ihm helfen - ohne mich selbst zu verlieren

Beitrag von Emma77 »

Lieben Dank für Eure guten Wünsche und Tipps. Mein Kopf sagt mir auch, dass ich nach mir selbst schauen muss und mein Leben normal weiterleben sollte.
Mein Herz hat jedoch Angst, dass wir uns dadurch beide in unterschiedliche Richtungen entwickeln, dass wir unsere Gemeinsamkeiten verlieren.
Momentan kann ich mir nur schwer vorstellen, wie ich diese Gratwanderung schaffen soll.

Ich weiß, dass er mich liebt - das kann ich in seinen Augen lesen - aber wird mir das, was er mir geben kann, auf Dauer genügen? Ich mag ihn auch nicht mit meinen Sorgen belasten, finde jedoch, dass ich von Zeit zu Zeit auch das Recht haben sollte, meinen Standpunkt klarzumachen.
Jaipriya
Beiträge: 24
Registriert: 17. Nov 2012, 22:05

Re: Wie kann ich ihm helfen - ohne mich selbst zu verlieren

Beitrag von Jaipriya »

Liebe Emma,

mein Mann ist auch seit einigen Wochen (Anfang November) stationär in Behandlung und ich vermisse ihn sehr. Andererseits versuche ich die Zeit zu nutzen, um alles zu erledigen, was sonst liegen bleibt und um mir etwas Gutes zutun. Wir haben uns 2x sehen, so alle 2 bis 3 Wochen und am Sonnabend hole ich ihn über Weihnachten und Silvester nach Hause. Ich bin gespannt, wie es uns geht. Er wird dann nochmals 6 Wochen in Therapie sein.
Ich habe auch manchmal das Gefühl, dass seine Schwierigkeiten uns die Zukunft verbauen und das Gefühl, dass sich nichts bewegt ist unerträglich.
Aber ich liebe ihn und weiß, was ich an ihm hab. Ich unternehme viel, ob mit oder ohne ihn. Mir tun "normale" Menschen gut, die unbeschwert sind. Zum Glück haben wir noch einige Freunde, mit denen wir gute Zeiten verbringen können.
Ich wünsche dir alles Gute beim Herausfinden, was dir gut tut - unabhängig von seinen Stimmungen. Unsere Partner wollen dassselbe, was wir uns auch für sie wünschen: Dass der andere glücklich ist. Leider können unsere Partner oftmals nichts dazu tun...
Die größten Menschen sind jene, die anderen Hoffnung geben können. Jean Jaurès
Emma77
Beiträge: 6
Registriert: 7. Dez 2012, 18:30

Re: Wie kann ich ihm helfen - ohne mich selbst zu verlieren

Beitrag von Emma77 »

Liebe Jaipriya,

sich selbst etwas Gutes - ich habe festgestellt, dass dies leichter gesagt als getan ist. Ich ertappe mich doch immer wieder dabei, mich in Selbstmitleid zu verlieren. Aber das ist sicher etwas, an dem ich arbeiten muss.

Letztes Wochenende konnte ich meinen Mann in der Klinik besuchen. Es war gut zu sehen, dass es ihm schon besser geht. Am Sonntag kann er auch für die Weihnachtstage nach Hause kommen und er freut sich schon auf die ganze Familie. Dann haben wir Halbzeit bei der Reha.

Sehr schwer ist für mich immer noch, dass er sehr wenig mit mir redet. Ich wüsste manchmal schon gerne, was in seinem Kopf vorgeht. Und den - vielleicht abwägigen - Gedanken, dass man ihm in der Klinik etwas "einredet", was ich nachher zu Hause "ausbaden" darf, den bekomme ich einfach nicht aus meinem Kopf.

So sehr ich mir wünsche, dass er wieder hier ist, so sehr habe ich auch vor dem neuen Zusammensein Angst.
Omnia
Beiträge: 230
Registriert: 5. Aug 2011, 13:14

Re: Wie kann ich ihm helfen - ohne mich selbst zu verlieren

Beitrag von Omnia »

Hallo!

>Mein Herz hat jedoch Angst, dass wir uns dadurch beide in unterschiedliche Richtungen entwickeln, dass wir unsere Gemeinsamkeiten verlieren.


Also ich bin zwar keine Angehörige, sondern wie man es hier nennt "Betroffene" , aber ich will dir trotzdem etwas dazu schreiben.
Ich bin schon mehrere Jahre mit meinem Freund zusammen. Und mein Freund kann mir immer klar, sagen, was für ihn tragbar ist, was nicht, wo er mal Gespräche mit anderen Menschen braucht, um sich zu entlasten usw.
Er hat mir seinen Standpunkt immer klar gemacht. Also mehr als klar. Er hat mir auch gesagt, dass er sich manchmal hilflos fühlt, dass ihn das belastet usw.
Und birgt das nicht gerade die Möglichkeit, dass man sich in die gleiche Richtung entwickelt: wirkliche Offenheit?
Was meinst du damit genau "in verschiedene Richtungen" entwickeln?
Klar, das kann man immer, aber was hat das mit der Depression zu tun?

Ich kann gerade so wirklich offen sein zu meinem Freund, weil ich weiß, dass er einen gesunden Egoismus hat. Ich habe dann keine Angst ihn zu sehr zu belasten, weil ich weiß, dass er es mir offen sagt, wenn es so ist. Das ist ja auch eine Entlastung für mich. Natürlich war seine Direktheit auch manchmal etwas hart :-s , vor allem, wenn man eh gerade in einer etwas instabilen Phase ist. Aber anderseits ist es denke ich ganz gut, weil ich mich dadurch irgendwie trotzdem aufgefangen fühle und ich nicht immer denke muss, überfordere ich ihn jetzt, ist er unglücklich mit mir usw. Halt vor allem in den Phasen, wo es mir mal nicht so gut ging.
Aber ich meine, man ist ja auch nicht immer depressiv. Zumindest ich nicht. Die meiste Zeit bin ich ja ganz "normal" mit einem etwas melancholischen Einschlag.

>Ich weiß, dass er mich liebt - das kann ich in seinen Augen lesen - aber wird mir das, was er mir geben kann, auf Dauer genügen?
So ein ähnliches Gespräch hatte ich mit meinem Freund auch mal am Anfang unserer Beziehung. Und deshalb weiß ich auch, woran ich bin. Weil er letztendlich konkret begründen kann, was ich ihm gebe.
Natürlich kann man nie in die Zukunft blicken und jeder zieht doch mal Bilanz in einer Beziehung, ob es sich noch stimmig anfühlt für einen selbst und natürlich sollte man da ehrlich zu sich selbst sein. Alles andere hat ja keinen Sinn.
Aber ich finde man sollte auch offen und ehrlich zum Partner sein. Zumindest ist das für mich sehr wichtig, weil es was mit Respekt zu tun hat. Man muss ja nun auch nicht ständig Rücksicht auf mich nehmen.

Ok, dein Mann ist gerade in einer Klinik. Da geht es ihm wahrscheinlich akut schlecht. Klar, da würde ich ihn jetzt auch nicht zusätzlich irgendwelche tiefgründigen Gespräche aufdrängen, er hat ja erst mal genug mit sich selbst zu tun.

>Sehr schwer ist für mich immer noch, dass er sehr wenig mit mir redet.
Ja, das kann ich verstehen.
Aber ich kann auch nicht reden, wenn es mir schlecht geht.


>Gedanken, dass man ihm in der Klinik etwas "einredet", was ich nachher zu Hause "ausbaden" darf, den bekomme ich einfach nicht aus meinem Kopf.

Was meinst du damit? Dass er dort Ideen bekommt, wie er sein Leben besser gestalten kann, damit es ihm besser geht?
Warum siehst du das so negativ?
Wieso denkst du nicht, dass ihr gemeinsam diesen Weg gehen könnt?

Wie sieht es überhaupt bei dir aus: Liebst du ihn noch?


>So sehr ich mir wünsche, dass er wieder hier ist, so sehr habe ich auch vor dem neuen Zusammensein Angst.

Wovor genau?


VG
Omnia
SucheAustausch
Beiträge: 257
Registriert: 15. Aug 2012, 12:35

Re: Wie kann ich ihm helfen - ohne mich selbst zu verlieren

Beitrag von SucheAustausch »

Hallo Emma,

im Gegensatz zu Omnia kann ich Deine Gedanken total nachvollziehen. Mir ging es absolut ähnlich.

Mein depressiver Mann ist seit etwas mehr als einem Jahr in Behandlung und war Anfang des Jahres 14 Wochen in einer Klinik.

In dieser zZit hatte ich auch viel Angst, dass er als neuer Mensch nach Hause kommt und auch danach habe ich immer gedacht, was, wenn er in der Therapie jemand ganz anderes wird?

Das sind vielleicht komische Gedanken, aber ich hatte sie.

Ich habe auch Angst gehabt, dass wir uns in unterschiedliche Richtungen entwickeln (wobei ich mich in der Zeit, in der er in der Klinik war überhaupt nicht wirklich entwickelt habe, ich habe nur gewartet.)

Jetzt ist mein Mann seit August wieder arbeiten (allerdings nach wie vor nur 6 Stunden täglich) und er hat sich etwas gefangen. Macht immer mal wieder Rückschritte und es geht sehr sehr langsam voran, aber es geht voran.
Und ich habe gemerkt, dass er sich nicht sehr verändert hat. Er ist zwar noch dabei, sich zu ändern, aber er wird kein anderer. er ist und bleibt der Mann, den ich liebe und der er war. Es ist verdammt schwer, 47 Jahre auszulöschen. Eigentlich ist das unmöglich.

In diesem Alter kann man sich nicht mehr neu definieren (auch wenn manche das zweifellos mit aller Macht versuchen).

Wichtig ist wirklich, dass Du Dich um Dich kümmerst. Ich habe damit erst so richtig angefangen, als ich merkte, dass es mit seiner stationären Behandlung nicht erledigt ist.

Es ist auch danach ein langer Weg für die Betroffenen und demnach auch für uns. Alles braucht Zeit und wir Angehörige brauchen Zeit für uns. Denn wir können nicht warten, bis es unserem Partner besser geht und erst dann wieder zu leben beginnen.

Wir müssen weiter leben. Allerdings ist das leicht gesagt und schwer umzusetzen.

Unbeschwert sein, das ist für längere Zeit kaum möglich. Wir haben nun mal einen kranken Partner zu Hause und unser Leben verläuft nicht so wie wir es uns wünschen.

Aber wer weiß? Vielleicht stärkt uns das ja und bringt uns irgendwann noch näher zusammen? Oder näher zu uns?

Es birgt auch eine Chance.

Alles Liebe und gute Weihnachtstage!

Austausch.

PS. Wichtig ist es auch, sich den Druck rauszunehmen. Also kommt bloß nicht auf die Ideen, Vorsätze zu machen, die unrealistisch sind. So nach dem Motto: nächstes Jahr wird alles besser. Das kann man sich ja nicht aussuchen... Also wir feiern Silvester dieses Jahr ohne alles, ohne Freunde, ohne Druck und ohne gemeinsame Vorsätze. Ich habe welche, die in meiner Macht stehen, aber keine mehr, die ich nicht kontrollieren kann.
Quappe
Beiträge: 107
Registriert: 23. Apr 2012, 16:03

Re: Wie kann ich ihm helfen - ohne mich selbst zu verlieren

Beitrag von Quappe »

Hallo Emma,

ich kann Dich gut verstehen.

Anfangs hatte ich auch oft Angst, dass wir uns durch die Depressionen gegenseitig entgleiten könnten. Man kann den Finger nicht genau darauf legen, aber ich hatte schon echt Sorge. Mir fiel es schwer, das vor mir selbst zuzugeben. Die Augen öffnen zu müssen, um uns Beide offen und ehrlich zu betrachten. Vielleicht ist man dabei kritischer als man sollte, aber ich habe dabei an mir recht viele Aspekte gefunden, die ich als negativ erachtet habe. Und deswegen fürchtete ich mich davor, dass mein Mann das auch tun würde, mich als Ursache oder Umstand für seine seelische Belastung empfinden könnte - und sich trennen würde.

Ist das nicht ein Wahnsinn? Ich hatte sogar Angst, dass seine Therapeutin ihn darauf stoßen könnte, dass ich vielleicht schlecht für ihn wäre. Das ist alles so paradox und man fühlt sich dann wirklich heruntergezogen und hilflos. Und das in einer Zeit, in der der erkrankte Partner einen besonders stabil brauchen würde.

Mittlerweile geht es mir besser. Falsch. Mittlerweile geht es mir gut. Basta. Denn eins hat geholfen - und ich glaube, sowohl mir als auch meinem depressiven Mann: sich auf sich selbst zu konzentrieren. Nicht auf den Partner und dessen Baustellen. Denn wir haben Beide Dinge, an denen wir arbeiten müss(t)en. Und wenn mich als "gesunden" Teil der Partnerschaft die Depression des Gatten in so ein wirres Karussell aus Angst und Unsicherheit ziehen kann - dann möchte ich mir nicht vorstellen wie sich umgekehrt mein Mann fühlt(e). Wie soll da eine Beziehung funktionieren?

Es klingt am Anfang wirklich paradox, aber mit der inneren Entfernung wächst die Nähe wieder. Wir haben uns nicht verloren. Sondern wir haben gelernt, uns gegenseitig wieder als separate Menschen zu betrachten. Uns mehr zu respektieren, will heißen dass man achtsam mit dem Partner umgeht. Der Partner ist nicht selbstverständlich, sondern eine eigene Person mit eigenen Wünschen, Gedanken und Vorstellungen.

Man projeziert oft die eigenen Gedanken auf den Partner, ohne es zu merken. Wie ich dachte, dass meine Ecken und Kanten meinen Partner auf jeden Fall stören MÜSSEN. Denn sie stören mich. Und umgekehrt.

Mein Partner hat mich ziemlich absorbiert, bis es irgendwann zu einem echt großen Knall kam. Das tat beiden gut, denn wir haben geredet und beschlossen, uns gegenseitig "in Ruhe" machen zu lassen.

Anfangs hatte ich große Probleme, wieder in mich selbst hinein zu hören. Ich war so weit, dass ich nicht mal mehr hätte sagen können, ob ich Dinge freiwillig tu weil ich es möchte oder aus Gewohnheit. Ich hatte plötzlich Zeit und wusste nichts mit ihr anzufangen. Ich konnte nicht mal mehr entscheiden, was ich an Abenden wo er nicht da war für mich kochen soll. Aber es wurde nach und nach Schritt für Schritt wieder besser.

Seitdem ich mich wieder als eigene Person fühle und mir eigene Gefühle und Wünsche zugestehe, geht es mir gut. Mich ziehen schlechte Tage und Rückschläge seitens des Partners nicht mehr herunter. Denn mein Leben geht weiter. Man hat keinen Einfluss darauf, wie sich die Krankheit weiter gestalten wird. Man ist kein Therapeut, kann nicht heilen, kann nur Halt geben. Und sich selbst nicht verlieren.

Vielleicht muss man sich auch einfach mal den Gedanken stellen, wie es wäre, wenn man tatsächlich plötzlich wieder allein da steht. Mitte des Jahres konnte ich da nicht mehr drüber nachdenken. Später habe ich manchmal ertappt, dass ich mir heimlich eine eigene Wohnung gewünscht hätte. Da war ich erstmal erschrocken. Aber man muss Gedanken zu Ende führen. Es ist nicht das Ende der Welt, wenn eine Beziehung zu Ende geht. Man lebt dann trotzdem weiter. Man bekommt das irgendwie hin.

Und hat man sich damit abgefunden, dass solche Dinge passieren KÖNNEN (!), dann kann man sich entspannter wieder der Realität zuwenden. Man hat keinen Einfluss darauf, wie sich der Partner entwickelt. Ob die Therapie ihn verändert. Man muss sich den Raum für Entscheidungen gegenseitig einräumen. Für uns war das unbedingt notwendig und ich glaube, wir leben mittlerweile wieder deutlich glücklicher miteinander. Und ich würde sagen, wir haben von der Therapie des Gatten beide sehr profitiert - obwohl er sich in meinen Augen gar nicht wirklich verändert hat. Es hat sich vielmehr die Sicht auf Dinge verändert. Mein Mann ist mein Mann geblieben - und ich weiß ihn mehr zu schätzen als jemals zuvor. Vielleicht weil alle schlimmen Szenarien vor meinem geistigen Auge abgehandelt wurden. Und was ist davon passiert? Nichts.
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