Jobwechsel sinnvoll

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Tesora

Jobwechsel sinnvoll

Beitrag von Tesora »

Hallo zusammen,

war schon länger nicht mehr im Forum. Aktuell gibt es aber etwas das mich beschäftigt - selbst als Gesunder sind die Fragen/Zweifel normal, aber als Depressiver/Dysthymiker fragt man sich noch mehr..

Bisher lief in meinem Leben trotz Krankheit immer alles wie am Schnürchen - Abi, Ausbildung, Studium, Job direkt nach dem Studium und dann der Aufstieg firmenintern nach 1,3 Jahren aufgrund meiner Leistung (mache diese nun auch schon wieder 1,5 Jahre). Seit diesem Aufstieg hatte ich wieder vermehrt psychische Probleme (depressive Phasen), die im Januar in einer richtig schlechten Phase gipfelten und ich die AD wieder erhöht habe sowie eine VT begonnen.

Bis zu diesem Zeitpunkt war mir gar nicht bewusst, wie sehr ich mich unter Druck gesetzt hatte wg. des Aufstiegs und dass ich die Sache gut machen will. Der Druck kam nicht von außen, sondern in erster Linie von mir selbst. In den ersten Therapiestunden habe ich schnell gemerkt, dass ich den Job anstrengend finde und mir gar nicht sicher bin, ob es wirklich das ist, was ich immer wollte. Drumherum ist in der Firma aber alles super - nette Chefin, Kollegen normal (manchmal auch nervig), aber im Großen und Ganzen in Ordnung. Was mir nicht gefiel: Dienstreisen alleine ins Ausland (was z.T. mit Panikattacken verbunden war), Teamwork (ich stehe für die anderen ein und mache es lieber selbst, als was zu sagen, weil ich harmonieliebend bin), schwierige Kunden und externe Kollegen, die undankbar sind. Oft auch das Gefühl, dass ich nicht so hart bin, wie ich es für den Posten sein müsste und mein Selbstwertgefühl stark von außen abhängt. Die Lorbeeren für die Arbeit werden finanziell nicht gewürdigt und nur ab und an von oben in verbaler Form. Es gibt aber auch immer wieder gute Phasen. Es ist wohl weniger der Job selbst, als das Arbeitsklima, was mich motiviert dort zu arbeiten. Zugleich aber immer wieder das Feedback zu erhalten, dass ich einen guten Job mache. Was mich auf Dauer schon frustriert ist das Gehalt, das immer wieder nur auf Nachfrage im Minischritten erhöht wird.

Jetzt habe ich ein externes Jobangebot erhalten (war dort schon mal Praktikantin), das super klingt - ein ganz anderer Bereich, wo ich alleine für einen bestimmten Bereich zuständig bin. Es wäre schon erst einmal eine neue Herausforderung und ich bin mir nicht sicher, ob ich das stemme. Gerade, wo ich zu Beginn des Jahres eine depressive Phase hatte. Vielleicht wäre ich auch gerade deswegen achtsamer mit mir, da ich mich meinem jetzigen Unternehmen enorm verpflichtet fühle, da es ein Familienunternehmen ist, das zu 80% fair und gut zu den Mitarbeitern ist. Sie haben von meiner schlechten Phase wenig mitbekommen, da ich es abends/in meiner Freizeit angegangen habe. Eigentlich fehlt mir da oft die richtige Distanz, da viele Kollegen auch privat Freunde sind.

Es wäre eine große Chance auf einen neuen und wertschätzenden Job und ich weiß nicht, ob ich die Kraft habe, es zu stemmen. Habe Angst, dass die Depris zurückkommen und ich "schlecht" in den neuen Job starten würde und dann der Teufelskreis Jobverlust (was in meinem Leben noch nie passiert ist, sondern nur Horrorvorstellungen sind) etc. beginnt, weil ich mich überschätzt habe...

Habt ihr Erfahrungen mit Veränderungen trotz Depris und dass sie gut gegangen sind?

Vielen Dank
Tesora
leolamm
Beiträge: 69
Registriert: 24. Okt 2007, 09:47

Re: Jobwechsel sinnvoll

Beitrag von leolamm »

Hallo Tesora,

wenn ich Deine Zeilen so lese, erkenne ich mich ein Stück weit wieder. Auch Deine Beschreibung der jetzigen Stelle kommt mir bekannt vor.

Ich habe vor 4,5 Jahren den Schritt der beruflichen Veränderung gewagt und war zu dem Zeitpunkt auch in einer depressiven Phase.

Der Beginn im neuen Unternehmen war sehr herausfordernd, und durch die Herausforderung und die neuen Eindrücke (und natürlich den Wunsch, alles so perfekt wie möglich zu machen) wurde die Depression erst einmal in den Hintergrund gedrängt. Aber leider kam sie nach einer Weile zurück. Nicht so massiv wie vorher, aber nie ganz vergessen.

Ich kann nicht vorhersagen, wie es Dir gehen wird, aber wenn Du Dir sicher bist, daß der neue Job neben der Herausforderung auch mehr Wertschätzung bringt, dann mache es.

Aber ich kann Dir sagen, daß ich den Schritt nie bereut habe.

Liebe Grüße
Leo
Tesora

Re: Jobwechsel sinnvoll

Beitrag von Tesora »

Hallo Leo,

herzlichen Dank für deine aufbauenden Worte. Gestern wurde mir schlagartig bewusst, wieso mir die Entscheidung des Wechsels so schwer fällt und was die Ursache ist. Definitiv "Versagensängste" (begleiten mich schon mein Leben lang mal mehr und mal weniger) - versuche mich hinter der Depression zu verstecken, um keine weitreichenden und wichtigen Entscheidungen treffen zu müssen.

Trotz meines Aufstiegs letztes Jahr, fiel ich wieder in die Depression und im Grunde waren wohl auch Versagensängste mit beteiligt. Zudem kam mir die Erkenntnis, dass es zwar ein angesehener Job ist, aber Stress und Leistungsinhalt in keinem Verhältnis zu meinem Engagement und Bezahlung stehen. Es kann mit einem neuen Arbeitgeber nur anders werden. Ob besser, wird sich zeigen. Aber wenn ich nicht langsam was ändere, wird die Depression auch nicht besser (war die letzten Monate ja auch ein ständiges Auf und Ab). Ausserdem habe ich eine Therapeutin, die mich auf diesem Weg begleitet und ich kann endlich am Kernproblem "Versagensängste" arbeiten. Diese Erkenntnisse waren irgendwie befreiend und ich fühle mich wieder näher an mir und meinen Bedürfnissen. Auch Gesunden haben Ängste, die zum Leben dazu gehören.

Wollte mir einfach nicht eingestehen, dass es vielleicht einfach nur der "falsche" Job für mich war.

Wieso muss es immer eine Krise sein, die zum Nachdenken führt? Wieso habe ich so große Probleme meine eigenen Bedürfnisse zu spüren und auch Gefühle/Ängste zu zulassen? Gesunde haben diese ja auch, nur wir "Depris" beurteilen diese als bedrohend? Geht es euch auch so?

Viele Grüße
tesora
ra48
Beiträge: 39
Registriert: 25. Feb 2012, 01:41

Re: Jobwechsel sinnvoll

Beitrag von ra48 »

Hallo tesora,

>>Wieso muss es immer eine Krise sein, die zum Nachdenken führt? Wieso habe ich so große Probleme meine eigenen Bedürfnisse zu spüren und auch Gefühle/Ängste zu zulassen? Gesunde haben diese ja auch, nur wir "Depris" beurteilen diese als bedrohend? Geht es euch auch so?<<

Im Prinzip geht es mir auch so.
Sicher sind es nicht immer Krisen die zum Nachdenken führen. Immer jedoch sind es "Vorfälle" die "anregend" wirken.
Ich bin seit über 30 Jahren in einer Frima und habe oft daran gedacht zu Kündigen, zwei mal sogar die Kündigung auf den Schreibtisch meines Chefs gelegt und mich dann doch belabern lassen, zu bleiben. Damals war ich aber noch nicht depressiv.

Durch die Depression sind aus Vorfällen mittlerweile auch immer öfter Krisen geworden, also Krisen im Sinne von gefühlter Machtlosigkeit und tiefer Enttäuschung. Da dann Handlungsfähig zu bleiben fällt mir immer schwerer bzw. neige ich auch immer öfter zu Überreaktionen. Eine brachte mir unlängst eine Abmahnung ein. Ich bin einfach gegangen, weil ich der Situation nicht mehr gewachsen war.

Seitdem würde ich auch gerne den Job wechseln, mache mir aber wenig Hoffnung etwas besseres, oder anderes zu finden. Und dabei spielt Angst auch immer eine Rolle. Wenn ich in einem neuen Job gleich wieder krank würde, hätte ich den sicher nicht lange und die Depression liegt ja nicht nur an meinem derzeitigen Job, wenngleich dieser, bzw. das Umfeld in der Firma sich doch als sehr kontraproduktiv zu einer Genesung auswirken. Aber dieses Denken ist sicher Typisch für den Depressiven. Ein gesunder Mensch kann in einem neuen Job auch krank werden oder einen Unfall haben und bei den heutigen Arbeitsverträgen ist Festanstellung ohne zeitliche Begrenzung auch mehr und mehr die Ausnahme. Dennoch würde ja niemand mehr seinen Job wechseln, wenn er sich darüber Gedanken machen würde, was wäre wenn.

Ich denke oft nach, ob ich eine Chance den Job zu wechseln nutzen würde, wenn sich mir eine auf täte. Zur Zeit fehlt mir die Kraft, Initiative zu ergreifen. Die wenigen, mit denen ich über meine Situation reden kann, sind zwar der Meinung, das diese Firma nichts mehr für mich ist, würden aber an meiner Stelle von selbst nicht kündigen.

Die Entscheidung kann mir ja niemand abnehmen. Und Möglichkeiten können sich immer ergeben. Die letzte die sich mir bot, habe ich nicht ergriffen, weil ich zu der Zeit mitten in einer Ambulanten Therapie war und die nächsten 25 Stunden gerade genehmigt wurden. Im nach hinein bedaure ich es, die Therapie nicht zu Gunsten des neuen Jobs abgebrochen zu haben. Und ich grüble schon darüber, ob dieser Jobwechsel nicht die bessere Therapie gewesen wäre.

Ich wünsch Dir das Du das beste für Dich findest und hoffe, das ich nicht zu sehr abgeschweift bin.

LG
ra
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