Mein Rücken ist nicht mehr breit genug

Quappe
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Mein Rücken ist nicht mehr breit genug

Beitrag von Quappe »

Hallo zusammen, ich bin neu hier und möchte mich vorstellen. Mein Gatte und ich (beide 31) sind seit acht Jahren ein Paar und seit vier Jahren verheiratet.

Wir sind grundsätzlich positiv eingestellte Menschen und Optimisten mit viel Tatkraft, Energie, Träumen, Plänen und was wir uns in den Kopf gesetzt haben, wurde auch alles tatsächlich umgesetzt und irgendwie geschafft. Hand in Hand und egal was oder wie schwierig, alles hat geklappt. Wir haben versucht Andere zu unterstützen wo es nur geht und immer eine offene Tür. Nur ist jetzt scheinbar der Punkt erreicht, an dem wir Hilfe bräuchten.

Seit Januar ist mein Mann krank geschrieben, anfangs wegen Burnout, jetzt mittlerweile wegen Depressionen. Mit viel Geduld und Beharrlichkeit haben wir (oder eher ich) nach drei Monaten sogar eine Psychotherapeutin für ihn gefunden, allerdings ist es jetzt natürlich noch zu früh, um messbare Ergebnisse zu erwarten. Psychopharmaka will er nicht nehmen, muss er dann auch nicht. Der normale Tagesablauf klappt auch schon wieder ganz gut.

Wir haben vielleicht einfach zu viel auf dem Teller gehabt: eine Kernsanierung im Altbau. Parallel dazu einen krebskranken Freund in unserem Alter den wir jede Woche im KH 150 km entfernt besucht haben und der im Juni gestorben ist. Hat ziemlich gelitten. Und wir vermissen ihn beide sehr.

Dazu studiert mein Mann, arbeitete bis Januar nachts noch Teilzeit als Nachtwache in einem Heim für Menschen mit Behinderungen, ich bin auch Vollzeit angestellt. Das Studium hat er für die Haussanierung beiseite gelegt, gearbeitet hat er weiterhin und im Januar konnte er einfach nicht mehr.

Seinen Vater hat er vor acht Jahren auch an Krebs verloren, er war schon schwer krank als wir uns kennen lernten und gemeinsam haben wir die schwere Zeit bewältigt. Nun kam mit dem Tod unseres Freundes wohl alles wieder hoch - und im November musste er zudem noch eine Bewohnerin beim Sterben begleiten, die sich sehr gequält hat. Ohne Seelsorge oder fachmännische Unterstützung. Alle waren überfordert damit und sie starb dann in seiner Schicht. Irgendwo war dann der Punkt, an dem er depressiv wurde und ich habe ihm im Januar nachdrücklich empfohlen, sich krank schreiben zu lassen.

Seitdem trage ich alles, was ich ihm abnehmen kann, mit. Das hört sich vielleicht unspektakulär an, ist aber im Alltag tatsächlich eine ganze Menge. Und es kommt durch die Krankheit noch viel dazu, was organisiert werden muss. Mittlerweile kann er "leichte" Aufgaben wieder bewältigen und wir schreiben gemeinsam einen Tagesplan (mit "Erfolgserlebnisgarantie"), den er so wie er kann auch bewältigt.

Meine Familie und die Freunde nehmen seine Krankheit glaube ich gar nicht wirklich wahr. "Der ist doch nicht unglücklich, wirkt doch ganz normal".... Aber wie es hinter der Fassade aussieht, bekommen sie gar nicht mit. Diese Hilflosigkeit wenn er an Kleinigkeiten scheitert und dann den Tag völlig unglücklich ist deswegen. Neulich zum Beispiel war die Straße gesperrt und er fand den Weg nicht zur Therapeutin - zum Glück war ich im Büro und konnte telefonisch helfen. Kleinigkeiten eben, aber die ziehen ihn ungemein runter.

Man kommt sich fast vor als würde man mit einem Kind leben. Immer wieder muss er ermutigt werden, ist hilflos und verzweifelt - und es ist manchmal schwer ihn zu beruhigen. Wie gesagt, nach außen klappt alles gut. Nur so langsam kommt der Punkt, an dem ich nicht mehr kann. Ich habe mir den Rücken so voll geladen, dass ich einfach nicht mehr kann. Er ist ja nicht entmündigt und soll und muss am Leben teilnehmen. Aber es ist alles so schwierig.

Ich weiß gar nicht wie ich es in Worte fassen soll. Ich glaube es geht vielen Menschen hier sehr viel schlechter als uns, denn es ist ja ein vergleichsweise leichter Fall von Depression. Trotzdem konnte ich am Wochenende irgendwann nicht mehr und hab nur noch geheult. Nervenzusammenbruch. Beim Abendessen. Einfach so.

Wir wollen das gemeinsam schaffen und er hat schon bemerkt, dass es mir nicht mehr gut geht. Zukünftig wollen wir mehr aufeinander achten. Trotzdem kam dann ein zweiter Nervenzusammenbruch gestern Abend, weil ich mich so allein gelassen fühlte. Er sagt er liebt mich, ich sei ihm unendlich wichtig und ich weiß, dass er es auch so meint. Trotzdem habe ich ihn gefragt, ob es tatsächlich auch so ist oder ob ich ihm nur eine Last bin.

Im Augenblick komme ich mir vor wie eine Mischung aus Versorgungsstation, Mama und andererseits auch wie ein Klotz am Bein, wenn ich nicht funktioniere. Ist echt schwer zu beschreiben. Ich habe starke Schuldgefühle, weil ich ihm im Augenblick nicht den Rückhalt bieten kann, der er bräuchte. Er sagt das ist okay und er wäre ja auch für mich da und nicht nur umgekehrt. Ich habe aber Angst, dass ich irgendwann einfach unter der ganzen Sache kollabiere. Ich komme mir schon selbst langsam vor, als habe ich irgendwie eine Vollmeise.

Gestern wollten wir eine Motorradtour mit Freunden machen, die lange geplant war. Ich hab vorher noch angefangen, die Wohnung zu putzen und ein Terrarium zu säubern - das hätte alles warten können. Hinterher hab ich herumgebrüllt weil ich nicht rechtzeitig fertig wurde und bin zuhause geblieben, während er mit unseren Freunden gefahren bin. Als er weg war habe ich geheult und mich gefragt, ob ich nicht mehr alle Latten auf dem Zaun habe.

Klar ist es normal, dass so eine Situation belastet. Im März war ich eine Woche krank geschrieben, weil ich plötzlich nicht mehr arbeiten konnte. Zum Glück sind Chef und Kollegen verständnisvoll und wissen über meine häusliche Situation Bescheid. Meine Arbeitszeit ist teilweise flexibel und ich kann mich vom Büro aus um vieles kümmern.

Aber ich weiß einfach nicht, wer hier wen stützen muss. Vielleicht ziehen wir uns gegenseitig herunter? Oder vielleicht auch nicht und alleine wäre alles noch schlimmer? Ich weiß es einfach nicht mehr.

Manchmal bin ich so wütend, weil ich mich allein gelassen fühle. Und traurig. Und hilflos. Und dann dieses schlechte Gewissen und Schuldgefühle eben genau wegen dieser Gefühle, denn der Mann kann ja nichts dafür.

Ist es so schwer für mich zu akzeptieren, dass die Situation nun einmal ist wie sie ist? Ich will alles am Laufen halten und meinem Mann alle Möglichkeiten zur Genesung bieten, die wir nur finden können. Ich will dass er sich keine Sorgen machen muss sondern wirklich nur an sich denken kann. Und verzweifel dann daran, dass ich mir ohne ihn so verloren vorkomme.

Ich kann mit niemandem darüber reden. Ich glaube, dass dadurch dass niemand ihn je unglücklich erlebt, niemand die Situation entsprechend einschätzt. Es hat mich genau meine Schwägerin gefragt, wie es MIR denn geht. Allerdings möchte ich damit auch niemanden belasten, denn helfen kann mir in dem Moment sowieso niemand. Klar sagt man ehrlich wie der Stand ist und erlärt und tut und macht. Aber emotional öffnen kann und will ich mich nicht, denn ich befürchte Unverständnis aus Falscheinschätzung der Lage. Sonst habe ich immer alles geschafft und bewältigt.
bigappel
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Re: Mein Rücken ist nicht mehr breit genug

Beitrag von bigappel »

Hallo Quappe,

herzlich Willkommen hier im Forum.

Na, ich denke, Du kannst ganz gut einschätzen, wie es Dir und Deinem Gatten geht und woran es liegt, dass es Dir nicht gut geht..... aber das zu akzeptieren ist nicht einfach und ein Lernprozeß, nach meiner Erfahrung.

Dein Mann ist krank, das zu akzeptieren und ihm den Rücken zu stärken,soweit so gut;
Mama oder Pflegerin sein über die eigenen Kräfte hinaus: nein. Kein guter Weg.

Wenn Parson, eine Forumsteilnehmerin, das von mir liest, wird sie sich einen Grinsen, da ich Meisterin darin war, Mama und Pflegerin für meinen LG zu sein.

Das ist aber aus den verschiedensten Gründen der falsche Weg:

a): Dein Mann ist krank, aber erwachsen.
ihn zusehr zu schonen, ist kontra-
produktiv; den Mittelweg zwischen Über-
forderung und Forderung zu finden, ein
Abenteuer,

b) für Dich der direkte Weg in ´s Doppel-
zimmer der Psychatrie durch Dauerüber-
forderung.

O.k. ist nicht nett von mir formuliert; aber die Erkrankung ist nicht nur sehr Kraftzehrend, sondern auch überaus ansteckend - klingt lächerlich, ist aber so -.

Man muss sich sehr gut abgrenzen und auf sich achten können, um nicht dauerhaft der Gefahr zu laufen nicht mehr mitzubekommen, wie überfordert man selber ist.

Vielleicht habt ihr bisher alles im Leben
gemeinsam "gewubbt".
Möglicherweise liegt diese Situation derzeit auf Eis. Du kannst seine Heilung nicht beschleunigen, aber dafür Sorgen, dass es Dir so gut wie möglich geht und Dir nicht die Kraft ausgeht.

Ich kenne die Situation, dass die Erkrankung des Betroffenen nicht nach Außen dringt und nach Außen alles funktioniert. Genau das hält die Erkrankung ja "am Leben".

Da hält man die Ehefrau oder Lebensgefährtin schonmal für hysterisch oder selber krank
. Hat schon was. Ein Öffnen Deines Mannes nach Außen oder von Dir würde dies nur ändern....... aber es ist ein steiniger Weg.

Mein LG hat das weit über 30 Jahre so praktiziert und seinen Freunden / Familie ist nie was aufgefallen oder es war bequemer es so zu nehmen, wie es ist, sei ´s drum.

Deine Worte zeigen Deine Erschöpfung; diese ist verständlich, eine Erholung möglich; aber achte trotzdem gut auf Dich.

Die Begleitung des Erkrankten ist auch für uns Angehörige, nach meiner Meinung, ein längerer Lernprozeß. Achte Deine Grenzen und gestehe Dir ggf. rechtzeitig Hilfestellung professioneller Art für Dich selber zu.

LG
Pia
Ein Tier zu retten, verändert nicht die Welt, aber die ganze Welt ändert sich für dieses Tier.
Lerana
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Re: Mein Rücken ist nicht mehr breit genug

Beitrag von Lerana »

Hallo Quappe,

Kennst du das Sprichwort: Wenn aber der Blinde, den Blinden führt stürzen beide?

Sei mir nich böse, aber was ich damit sagen will, ist, du hilfst deinem Mann nicht, wenn du selber stürzt.

Ich glaube, du bist ja schon hin und wieder gestürzt, aber bis jetzt kannst du noch aufstehen.
Stelle dir doch mal folgende Frage:
- Wo kann ich schwach sein?
- Welche Unterstützung brauche ich?
- Wo kann ich sie bekommen?
- Bei wem kann ich mal jammern?
- Wer nimmt mich in den Arm?

>>Es hat mich genau meine Schwägerin gefragt, wie es MIR denn geht. Allerdings möchte ich damit auch niemanden belasten, denn helfen kann mir in dem Moment sowieso niemand.<<
Wenn dich niemand fragt, erzähl es einfach. Es ist dein Recht! Warte nicht darauf, dass andere dir Hilfe anbieten, fordere sie ein. Erkläre deinem Mann, wie belastend es für dich ist, die "funktionierende" Fassade aufrecht zu erhalten.

Ich will dir Mut machen. Du hast in dieser schwierigen Situaion auch ein Recht auf Unterstüzung, denn sonst geht es dir wie mir und du wechselst vom Angehörigen Forum plötzlich in Foren für Betroffene!

Ich wünsche dir Kraft und Egoisumus!
Herzliche Grüße
Lerana
Der Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung wechseln kann. (Francis Picabia)
wütend

Re: Mein Rücken ist nicht mehr breit genug

Beitrag von wütend »

Liebe Quappe

ich kann Pia und Lerana nur zustimmen.

Du bist auf dem besten Weg depressiv zu werden. Willst Du das?
Wenn nicht, ist es jetzt an der Zeit die Reißleine zu ziehen.

Dein Mann ist erwachsen und für sich selber verantwortlich. Er ist nicht dein Kind!
Er ist in der Lage, für sich selber zu sorgen und das solltest Du ihm auch zutrauen.

Du bist ebenfalls erwachsen und für dein Wohlergehen allein verantwortlich. Also, sorge dafür das es dir gut geht. Das ist deine Aufgabe, nicht die deines Partners.

Wenn Du Unterstützung dafür brauchst, dann suche dir einen eigenen Psychotherapeuten.
Wenn dir das übertrieben erscheint, dann werde wenigsten Mitglied einer Selbsthilfegruppe für Angehörige psychisch Kranker.

Und noch ein wichtiger Hinweis zur Selbstfürsorge: Wenn dir jemand eine Schulter bietet zum Ausheulen, so wie deine Schägerin, dann nutze sie. Du kannst jede Unterstützung brauchen.

Und all das schreibe ich dir, weil ich sehr genau weis, wie Du dich fühlst, denn ich bin in deiner Situation vom Angehörigen zum Betroffenen geworden.
julcas
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Registriert: 11. Mär 2011, 17:57

Re: Mein Rücken ist nicht mehr breit genug

Beitrag von julcas »

Hallo Quappe,

ich kann mich meinen Vorschreibern nur anschließen, obgleich ich weiß, das der Rat dich abzugrenzen und gut auf dich zu achten, der wohl am schwersten umzusetzende Rat ist, aber auch der Wichtigste. Es ist niemand geholfen, wenn du auch noch zusammen brichst.

Ich wünsche dir viel Kraft.

lg julcas
Quappe
Beiträge: 107
Registriert: 23. Apr 2012, 16:03

Re: Mein Rücken ist nicht mehr breit genug

Beitrag von Quappe »

Hallo Ihr,

ich hab mich eine Weile nicht gemeldet - aber Eure Beiträge zeitnah gelesen.

Mittlerweile sind ja wieder zwei Monate vergangen und mein Mann ist mittlerweile in Therapie. Er kommt wohl mit seiner Therapeutin gut klar - darauf lasse ich es beruhen und frage eigentlich nicht nach. Schließlich muss er mir nichts davon erzählen, ist seine Therapie und ich bin der Ansicht, man sollte seine Nase nicht zu sehr in die Privatsphäre seines Partners stecken. Wer etwas erzählen möchte, der erzählt es von sich aus. Tut er auch manchmal.

Allerdings stelle ich bedrückt fest, dass mir der Gedanke schwer fällt, dass er private und intime Dinge mit Jemandem bespricht, der keinen Anteil daran hat. Eigentlich hätte ich so eine Reaktion von mir selbst nicht erwartet. Ich hab ihm da nichts zu gesagt, damit er sich nicht beeinflusst fühlt. Aber mir ist echt unwohl dabei zumute.

Ich hab das Thema einer Bekannten gegenüber angesprochen, von der ich weiß, dass ihr Mann auch schon wegen Depressionen in Behandlung war. Sie konnte meine Gedanken gut nachvollziehen und es fiel ihr damals wohl auch nicht leicht. Allerdings meinte sie auch, dass man sich davon distanzieren muss. Schließlich ginge es nicht um unsere Beziehung die in Frage gestellt würde. Hmm.

Ich bin immer davon ausgegangen, dass wir eine gesunde, starke und ausgeglichene Partnerschaft führen. Seit mein Mann erkrankt ist, fällt sie mir allerdings zunehmend schwer. Das bedrückt mich wirklich sehr. Manchmal habe ich das Gefühl, mit einem Fremden zusammen zu leben, der dann zusätzlich zu seinem veränderten Verhalten seine Probleme und Sorgen mit einem Außenstehenden teilt.

Dazu kommt, dass er durch seinen Krankenschein eigentlich kontinuierlich zuhause ist. Selbst zu seinen regelmäßigen Sportterminen geht er nicht mehr, sondern hat sich darauf verlegt, mich mit dem Fahrrad zur Arbeit zu begleiten. Abgeholt werde ich auch. Mir tut die Bewegung zwar gut, Lust hab ich allerdings nicht wirklich darauf. Aber was tut man nicht alles, damit es dem Partner besser geht.

Ich habe allerdings dadurch genau gar keine Freizeit mehr. Selbst morgens im Bad bin ich nicht mehr alleine. Früher war mir die gemeinsame Zeit fast schon ein bisschen zu wenig, heute erdrückt mich die Situation zunehmend. Das heißt nicht, dass ich meinen Partner weniger liebe. Aber meine Gedanken machen mich schon traurig. Ich merke, dass ich mich innerlich zurückziehe und versuche, mir Freiräume zu schaffen und irgendwie auch zu mauern anfange. Ich wünsche mir manchmal nur noch, in Ruhe gelassen zu werden.

Ich hab mich am Anfang der Depression auf so Einiges eingestellt und viel auf uns zukommen sehen. Aber damit hätte ich nicht gerechnet.
Quappe
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Re: Mein Rücken ist nicht mehr breit genug

Beitrag von Quappe »

Neulich gab es noch eine Situation, in der er plötzlich abweisend mir gegenüber war, weil ich mich unbewusst nicht seinen in diesem Moment an mich gerichteten Erwartungen entsprechend verhalten habe. Es ging um eine absolute Nichtigkeit. Als ich ihn ansprach und fragte, ob er wütend auf mich sei und was denn los wäre, kam folgende Antwort: Er sei enttäuscht, aber nicht sauer auf mich. Die Therapeutin habe ihm gesagt, er könne "nicht jedem helfen" und müsse damit zurecht kommen.

Indirekt wird also seine Umwelt dafür verantwortlich gemacht, dass es ihm schlecht geht. Allerdings meine ich, dass ich auch ein Anrecht auf ein eigenes Leben, eigene Entscheidungen und Selbstbestimmung habe. Im Moment habe ich eher den Eindruck, dass sein Wohlbefinden davon abhängt, ob ich seinem Ideal des Lebensstils entsprechen kann. Kann ich das nicht, geht es ihm offenbar nicht gut.

Ich glaube langsam, da liegt mehr im Argen als vermutet.
Blümli
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Re: Mein Rücken ist nicht mehr breit genug

Beitrag von Blümli »

^^ Vielleicht muss man die Liebe gefühlt haben, um die Freundschaft richtig zu erkennen^^ Nicolas Chamfort
Lerana
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Re: Mein Rücken ist nicht mehr breit genug

Beitrag von Lerana »

Hallo Quappe!

>>Ich denke, das ist die große Schwierigkeit für depressive Menschen, Verhaltens- und Denkmuster zu verändern, er aber gleichzeitig merkt, dass genau diese und er mit genau diesen, vom Umfeld geschätzt wird und er sich nicht vorstellen kann, ohne diese Muster deshalb zu bestehen und zu "überleben".<<
Liebe Blümli, damit hast du so recht!!

Aus der Innensicht:
Wenn man als depressiver Mensch in der Therapie feststellt, dass man sich vielleicht mehr abgrenzen sollte (also "nicht jedem helfen"), dann versteht man das zunächst vielleicht mit dem Kopf, aber das Gefühl schreit: Ändere das auf keinen Fall - du wirst alleine enden, es kann dich jetzt schon keiner aushalten, und alle werden sich abwenden, wenn du dich jetzt tatsächlich abgrenzt, dann bist du allein. Tue das nicht, du hast das nicht verdient, für dich selber zu sorgen, denn du musst helfen, damit keiner sieht, dass du ein schlechter Mensch bist. (Oh-ha, mir wird gerade ganz anders, wo ich heir ja auch so meine früheren innersten Gedanken nochmal aufschreibe).

Und wenn man Pecht hat schreit der Kopf dann wieder: Aber willst du so weiter machen, du siehst doch, wie kaputt dich dieses alte Muster gemacht hat?

Manchmal gibt es sogar noch eine dritte Stimme, die schreit: Du bist doch wirklich zu dämlich, nicht mal den leichtesten Tipp deiner Theraeutin kriegst du hin, sag doch einfach mal nein, so doof kann man doch gar nicht sein.

Also je nachdem, welche Stimme im Kopf deines Mannes gerade besonders laut ist, so fällt dann halt die Antwort aus.
Nimm das nicht persönlich! (Ich weiß das ist schwer). Aber Therapie, heißt für den Betroffenen innere Territorialkämpfe zwischen inneren Anteilen ausfechten. Vielleicht kannst du geduldig mit deinem Mann sein?

>>Wer etwas erzählen möchte, der erzählt es von sich aus.<<
Je weiter bei mir die Therapie fortgeschritten ist, desto mehr habe ich davon erzählt. Am Anfang hat man halt erstmal mit sich allein genug zu tun.

>>Ich wünsche mir manchmal nur noch, in Ruhe gelassen zu werden.>>
Sag deinem Mann das! Was spricht dagegen, dass du dir Zeit für dich alleine nimmst?

Herzliche Grüße
Lerana
Der Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung wechseln kann. (Francis Picabia)
Quappe
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Re: Mein Rücken ist nicht mehr breit genug

Beitrag von Quappe »

Danke für Eure Antworten. Klingt ein bisschen als wären wir vielleicht doch auf dem richtigen Weg und ich hatte Freitag mal einen schwachen Moment...

Ich versuche geduldig mit meinem Gatten zu sein. Es bleibt mir schließlich auch nichts anderes übrig, dafür haben wir uns ja gegenseitig. Ich denke, dass ich vielleicht doch das Eine oder Andere falsch interpretiert habe und es war gut, mal eine Meinung von "außerhalb" zu hören.

Tja - was die Zeit für mich angeht hab ich irgendwie ein schlechtes Gewissen. Ich bin schon recht viel Arbeiten und er ist die ganze Zeit zuhause. Dass er quasi schon darauf lauert, wieder Gesellschaft zu haben weil ihm langweilig ist kann ich verstehen.

Und ich bring es einfach nicht übers Herz, ihn dann noch abblitzen zu lassen und alleine etwas zu unternehmen. Ich denke, dass sich die Situation in den nächsten Wochen hoffentlich etwas entspannen wird. Es sind Ferien, einige Bekannte haben Urlaub und sein bester Freund ist ohnehin Lehrer und wohnt direkt um die Ecke - der hat nun auch sechs Wochen Langeweile.

Nochmal Danke an Euch. Manchmal muss man einfach mal aussprechen, was einen belastet. Und schon sieht es wieder ganz anders aus.
Quappe
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Re: Mein Rücken ist nicht mehr breit genug

Beitrag von Quappe »

Hallo - da bin ich mal wieder.

Wie erwartet bekommt der Sommer samt Ferien uns bisher ganz gut. Mein Mann hat tagsüber zwischendurch mal Gesellschaft und oft höre ich den ganzen Tag nichts von ihm - was ich in dem Fall nicht unbedingt negativ finde.

Dienstag hatte ich mir frei genommen, weil wir einen Ausflug machen wollten. Wir wollten vor der Führung durch den Tierpark noch ein Picknick am Kanal machen und hin mit dem Fahrrad fahren. Jetzt ist mein Gatte nicht ganz schlank und unterwegs sind ihm Speichen gebrochen, zum Glück waren wir erst einige Kilometer weit gekommen. Es war also noch möglich, das Auto zu holen, ihn mitsamt des Rads einzusammeln und immer noch pünktlich am Ziel anzukommen.

Aber das war mal wieder der Punkt, an dem der Tag nur noch "scheiße" war. Dass ein defektes Fahrrad kein Anlass für einen Nervenzusammenbruch sein muss sieht er im Augenblick anders. Er sei zu fett und alles wäre nur deswegen und ständig ginge alles kaputt. Als ich versuchte ihn ein bisschen zu beschwichtigen, sagte er, er müsse Gefühle zeigen dürfen, ich würde das schließlich auch tun.

Jetzt stehe ich vor einem Verständnisproblem. Seine Therapeutin hat gesagt, bei ihm sei das "Fass" kontinuierlich randvoll und jeder kleine Anlass reiche, um es überlaufen zu lassen. Das mag ja sein. Aber ob es jemanden weiterbringt, dann alles in den Boden zu stampfen (das Fahrad flog zuhause so in die Ecke, dass ich einige Mühe hatte die Sattelstütze wieder zurecht zu biegen) und einen totalen Wutanfall zu bekommen?

Wie geht man damit um? Er weiß ja selbst, dass das Fahrrad nicht der Grund war, warum er so wütend geworden ist - und wir beide wissen, dass jede Kleinigkeit die nicht rund läuft, wieder zu Entmutigung oder Wut führen wird. Soll man versuchen, denjenigen einfach machen zu lassen oder ist es sinnvoll, zu versuchen, die Relation zum eigentlichen Vorkommnis wieder herzustellen? Ich biete ja dann auch jedes Mal eine Lösung an und meistens ist dann auch irgendwann wieder gut.

Und - wie bekommt man das "volle Fass" wieder leer? Mir ist schleierhaft wie es jemandem helfen soll, ihm sowas zu sagen, aber keine Strategieen oder zumindest eine Empfehlung auszusprechen. Er soll in dem Moment darüber nachdenken, warum er so überreagiert oder entmutigt ist... aber ich habe fast den Eindruck, dass diese Ausbrüche das Denken regelrecht blockieren. Und es zieht ihn dann völlig runter und egal wie nichtig der Anlass, der Tag ist hinüber und alles andere unwichtig.

Für mich ist es schwer, meinen Partner so reagieren zu sehen. Natürlich soll er seine Gefühle zeigen. Aber ich bin auch ein Mensch. Ich hatte mir einen freien Tag genommen, wir wollten beide dort hin und ich hätte mich beißen können, dass ich die Fahrradtour vorgeschlagen habe. Aber ich kann nicht jede Kleinigkeit, die potenziell schief gehen könnte oder vom Plan abweichen, im Vorfeld umschiffen. Und es laufen eben im Leben Dinge manchmal anders als man sie eigentlich erwartet hatte. Meine Devise ist "immer Plan B zur Hand" und eigentlich sind wir damit bisher gut gefahren. So langsam werde ich mir allerdings unsicher, was ich überhaupt noch vorschlagen oder planen soll... schiefgehen darf ja nichts.

Eine "schöne" Aussage in dem Zusammenhang war noch, dass er sich ja schon Mühe geben würde, sich seine negativen Gefühle nicht anmerken zu lassen wenn er mit mir zusammen wäre. Es täte ihm leid dass er so schlecht drauf sei.

Nachdem mir dann daraufhin der Kragen geplatzt ist hab ich ihm auch mal gesagt, dass ich ihn liebe, aber ihm nicht helfen kann - und auch ein Mensch bin mit eigenen Gefühlen. Und zwar einer, der nicht sein Leben zur Hölle machen will, sondern ganz im Gegenteil. Und dass er aufhören solle, ständig "wegen Dir" als Argument zu nehmen, um nicht an sich zu arbeiten. ICH will, dass er gesund wird, egal wie. Aber ICH kann ihm nicht helfen. Und die Ansicht, dass man sich unbedingt zusammenreißen und verstellen muss wenn ich dabei bin, teile ich so gar nicht. Klappt ja eben auch nicht und ich selbst tu das generell nicht wenn es irgendwie geht.

Egal was er tut oder tun sollte: Hauptsache es hilft. Wenn rumbrüllen hilft, dann gut. Wenn schimpfen hilft, auch gut. Wenn heulen helfen sollte, auch gut. Wenn trösten und beruhigen helfen würde wäre es ja auch gut. Nackt in der Öffentlichkeit Samba tanzen hilft wahrscheinlich nicht, würde ich aber machen wenn es meinem Mann helfen würde. Irgendwie bin ich mir da aber nicht so sicher dass es das tut. In dem Moment kann ich rein gar nichts tun, was helfen würde.

Er steht sich da selbst auf den Füßen und fantasiert sich Ansprüche zusammen, die ich nicht an ihn stelle. Um sich dann wieder selbst leid zu tun und sich unzureichend zu fühlen, weil es ihm unmöglich ist, sie zu erfüllen. Seine Therapeutin meint, er habe emotional über alles, was ihn belastet, immer nur schnell ein Pflaster geklebt und damit war wieder gut. Wie man die Wunde heilt hat sie aber nicht verraten.
crosswalker
Beiträge: 17
Registriert: 25. Jul 2012, 12:08

Re: Mein Rücken ist nicht mehr breit genug

Beitrag von crosswalker »

Hallo Quappe,
ich bin ganz neu im Forum. Dein Bericht entspricht so ziemlich genau der Situation in der mein Mann und ich uns zur Zeit befinden.
Auch bei uns ist es so, dass ich immer versuche die Dinge zu regeln, das schönste Gesicht zu zeigen, Verständnis aufbringen, wenn er in Wut gerät ruhig bleibe, die Wogen glätten. Immer zuerst zu ihm zu gehen, zu erklären warum mache Situationen so sind, kurz und gut: Therapeutin, Mutter, Aufpasserin usw.Ich schicke ihn zum Arzt, sage dass er Sport machen soll, sage ihm das alles gut ist, organisiere Unternehmngen für die Freizeit, sage dass er viel Schlaf brauch, sorge für gesundes Essen, koche das was ih schmeckt,mache mir Sorgen wenn er zuviel trinkt (Gottsei dank nur Bier. in Der regel hört er auch auf mich, aber IMMER mit KAMPF.
Ich mache mir ständig Sorgen, was ist wenn er dies oder das.....wie geht es dann mit seiner Depression. Kommt nun das nächste Tief oder ist es nur eine Verstimmung nach einem arbeitsreichen Tag. Ich bin ständig auf der Hut und das ist wahrscheinlich auch manchmal zuviel des Guten. Ich leide unter seinem Rückzug, unter seiner Lieblosigkeit, seiner immer wiederkommenden schlechten Laune, vor allem wenn ich was sage. Ich entdecke dass er kaum noch in der Lage ist auf mich und meine Gefühle einzugehen. Ich soll still sein, den Mund halten, ihn in Ruhe lassen. Er meint wenn ich all dies täte wäre alles halb so schlimm.Geht es ihm schelcht stellt er unsere Ehe - Liebe in Frage. Das alles tut so weh. Vielleicht sind meine Bedürfnisse mit seiner Kranheit im Hintergrund unverschämt und anmaßend. Das weiß ich nicht und habe auch keine Ahnung wie ich das herausfinden könnte.Ich habe Gott sei Dank einige Leute wo ich ein Teil meines Druckes abwerfen kann, doch mich versteht keiner. Jeder sagt: Du bist doch so stark. Das bin ich aber nur bis zu einem gewiseen Maße.Und sie sagen : lass ihn doch. Was bedeutet lassen??? Zu sehen und den Mund halten, den Raum verlassen, die Freizeit alleine verbringen oder was heißt das?
Ich kann Dich und Deine Zusammenbrüche sehr gut verstehen. Ich erlebe dieses zur Zeit auch sehr häufig, ich fühle mich restlos ausgebrannt, drehe mich im Kreis, kann nicht aufhören zu grübeln, muß endlos lang weinen. Es tut soooo weh!!!!!
Du fühlst Dich neben Deinem Partner alleine und unverstanden, Du bist ständig für ihn da, mehr als es je fordern würde, doch Du tust es aus Lieb heraus. Du willst helfen und erntest eine Abfuhr oder einen Wutausbruch. Und doch bleibst Du ruhig und erklärst wie es besser gehen könnte und hilfst wieder.Irgendwann fühlst Du Dich wie ein getretener Hund, welcher aber wieder und wieder zu seinem Herrchen geht, weil er treu ist und auch nach Zuneigung giert.Die Fortschritte in der Genesung Deines Mannes (und bei meinem)sind zwar da, aber irgendwie werden wir immer dünnhäutiger. Ihr habt Euch versprochen vorsichtig miteinander um zu gehen, das heben wir uns auch versprochen. Wenn ich dies mit meinem Mann ausmache, fühlt er sich gut, das Versprechen hält aber leider nicht lange. Ich schätze mal so geht es bei Dir auch.
Leider kann ich Dir keinen rat geben, bin selber auf der Suche. Zum Thema eigene Depression oder Ansteckung, ich glaube diese Gefahr besteht tatsächlich. Ich habe das mal mit meinem Arzt besprochen, ich habe (noch) keine.Ich wünsche Dir ganz viel Kraft
Crosswalker
Blümli
Beiträge: 782
Registriert: 18. Jan 2011, 18:41

Re: Mein Rücken ist nicht mehr breit genug

Beitrag von Blümli »

^^ Vielleicht muss man die Liebe gefühlt haben, um die Freundschaft richtig zu erkennen^^ Nicolas Chamfort
Quappe
Beiträge: 107
Registriert: 23. Apr 2012, 16:03

Re: Mein Rücken ist nicht mehr breit genug

Beitrag von Quappe »

Ja - scheinbar ist das wirklich der Punkt. Man muss eine "egal" Einstellung bekommen - und zwar nicht nur nach außen hin in dem Augenblick, sondern eine ernst gemeinte.

Traurig, aber wahr. Ist dann wohl so. Und ich merke, dass ich langsam Tendenzen in die Richtung entwickel.

Fällt natürlich schwer, sich innerlich von jemandem zu distanzieren, den man ja aus dem einen oder anderen Grund liebt und mit dem man sein Leben verbringen möchte. Ich hoffe, wir bleiben dabei nicht irgendwann auf der Strecke, weil die Gräben zu tief werden.
117118
Beiträge: 11
Registriert: 29. Jul 2012, 12:29

Re: Mein Rücken ist nicht mehr breit genug

Beitrag von 117118 »

Liebste Quappe ,

ich wünsche Dir viel kraft und dass Du wirklich schaffst "nur an Dich" zu denken. Ich versuche es auch,paar Tage habe ich geschafft,weil er in der Klinik war aber morgen kommt er nach Hause und ich habe richtig Angst.

Alles liebe, eku
Quappe
Beiträge: 107
Registriert: 23. Apr 2012, 16:03

Re: Mein Rücken ist nicht mehr breit genug

Beitrag von Quappe »

Hallo,

ich wollte heute mal etwas Positives berichten - denn wo Schatten ist, muss immer auch Licht sein.

Mein Gatte hat mir nämlich angekündigt, wahrscheinlich Ende Oktober / Anfang November mit einer Wiedereingliederung am Arbeitsplatz beginnen zu wollen. Zuerst soll er stundenreduziert arbeiten - da das in seinem Job nicht geht, erstmal eine Nacht pro Woche. Die Idee kam von seiner Therapeutin, aber er meint er könne es dann wohl auch bewältigen.

Ich hab mich schon sehr darüber gefreut. Nach fast einem Jahr Ausfallzeit ist die Vorstellung, wieder voll einzusteigen, wahrscheinlich eine echte Nummer. Aber so könnte es nach und nach klappen.

Das Studium möchte er im September auch wieder aufnehmen. Darauf liegt im Endeffekt ja sein Fokus, den Arbeitsplatz hat er nur gewählt, um sein Studium finanzieren zu können. Also sollte man auch schauen, dass WENN man mit etwas wieder beginnt, es auch DAS sein muss, was das Hauptziel ist.

Zwei Semester muss er noch, dann ist das Studium auch "schon" geschafft. Das letzte Semester hatten wir ja mit Ach und Krach noch irgendwie retten können und es wäre zu schade, wenn er es nicht wieder hätte aufnehmen wollen. Schließlich haben wir (bewusst und leichten Herzens) einige Einschnitte hingenommen, um ihm die Möglichkeit einer beruflichen Umorientierung zu geben.

Natürlich geht erstmal nur Eins nach dem Anderen und alles mit so viel Zeit, wie er braucht. Ich freu mich allerdings wirklich sehr über die Empfehlung und seine Entscheidung zur Wiedereingliederung.

Vielleicht hilft der "Alltag" und ein bisschen Routine, wieder Stabilität zu bieten, wo er zeitweilig nur noch belastet hat. Ich bin heute sehr optimistisch.

Gestern war mein Angetrauter auch endlich einmal seine Angel einweihen. Er hat mit Freunden einen Angelkurs gemacht und flatschneue Berechtigung samt Zubehör lag nun schon eine Weile unberührt herum.

Gestern ist er dann einfach mal mit den Bekannten los und ich hatte einen herrlich entspannten Abend mit Sekt und Lieblingsfilm (den ich und nur ich mir ausgesucht habe!) auf dem Sofa. Mit gutem Gewissen und gutem Gefühl dabei. Zwar fiel der gesamte Fang mit einer Muschel und einem Socken relativ bescheiden aus, aber Mittwoch gibt es einen neuen Anlauf.

Wenn ich mir überlege, dass er Anfang des Jahres kaum noch in der Lage war, sich selbstständig anzuziehen, schon eine unglaubliche Entwicklung. Natürlich gab es immer wieder bessere und schlechtere Phasen (und man tendiert ja auch dazu, sich hier eher zu melden, wenn wieder etwas kollossal ungut ist). Aber ich glaube, wir könnten tatsächlich auf dem richtigen Weg sein.

Hoffnung und Grund zum Optimismus ist für mich auch, dass die Therapeutin auf der aktuellen AU die Diagnose angepasst hat. Dort ist nun von einer reaktiven Depression zu lesen - und gehört damit wohl noch zu den Entwicklungen, die nach einer Weile wieder positiv verlaufen und irgendwann überstanden sind. Ich hatte die Änderung nur zufällig gesehen, als ich den Brief eingetütet habe, allerdings meiner Meinung nach ein gutes Zeichen.

Naja. Es wird auch wieder schlechte Tage geben. Aber ich wollte meine Freude auch einmal mit Euch teilen.
julcas
Beiträge: 569
Registriert: 11. Mär 2011, 17:57

Re: Mein Rücken ist nicht mehr breit genug

Beitrag von julcas »

Hallo Quappe,

schön zu lesen, das es aufwärts geht. Dein Sonntag für dich, war sicher super. Richtig so.

Ich finde es enorm wichtig, das wir auch schreiben, wenn es besser läuft. Das macht Mut und Hoffnung.

Alles Liebe für dich und deinen Mann.

lg julcas
OMG
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Registriert: 18. Jul 2012, 14:02

Re: Mein Rücken ist nicht mehr breit genug

Beitrag von OMG »

Hallo Quappe,

dein Post liest sich sehr, sehr toll und ich bewundere deine Kraft und Stärke. Es wäre wirklich schön und ermutigend, wenn du ab und an berichten kannst wie es bei euch weitergeht.

Momentan klingt eure Entwicklung einfach nur schön und ich wünsche das es so bleibt.

Vielen Dank für solch ein Positivbericht.

Alles Gute weiterhin!

Herzlich
Ursula
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"Wenn Euer Leben Euch wie ein mühseeliger Aufstieg vorkommt, dann denkt an die Aussicht, die Ihr von dort oben haben werdet!" Anonym
Quappe
Beiträge: 107
Registriert: 23. Apr 2012, 16:03

Re: Mein Rücken ist nicht mehr breit genug

Beitrag von Quappe »

Ich danke Euch für Eure netten Antworten.

Gestern war mein Angetrauter wieder nicht gut drauf. Mir ist aufgefallen, dass er völlig "normal" erscheint und auch erfolgreich gute Laune simuliert, wenn er in Gesellschaft ist. Komme ich nach Hause, finde ich allerdings wieder jemanden mit negativem Gemütszustand vor. Ich habe das eine Weile auf mich bezogen und dachte, es hinge irgendwie mit mir oder unserer Beziehung zusammen. Und mich hat das schon runtergezogen, ihn entweder selbst "gut gelaunt" mit Anderen zu erleben, oder zu hören was er alles so mit Bekannten unternommen hat. Man fängt irgendwann wirklich an, an sich zu zweifeln. Ich bin zwischendurch regelrecht eifersüchtig geworden und dadurch wurden meine Selbstzweifel immer größer. Zum Glück habe ich mich nach einiger Zeit durchgerungen und ihm mal meine eigene Seelensituation gestanden. Und nun ja, über manche Dinge muss man eben sprechen.

Er versucht, Dinge zu unternehmen, damit er nicht mit sich alleine zuhause ist. Und dabei verstellt er sich, damit ihn niemand auf seine Krankheit anspricht. Er meint, er wolle dann abends oft niemanden mehr sehen und mit niemandem sprechen - außer mit mir. Man sieht also, wie unterschiedlich die Wahrnehmung sein kann. Ich hatte den Eindruck, meine Anwesenheit störe ihn - er empfindet es aber genau anders herum, so dass er eben nur zuhause bei mir zeigen kann, wie es ihm wirklich geht.

Ehrlich gestanden bin ich sehr erleichtert gewesen. Denn ich hätte auch nicht den Finger darauf legen können, was ich falsch mache. Mache ich ja scheinbar auch nicht, aber gut dass ich es jetzt weiß und anders bewerten kann.

Nachdem ich ihn gestern also mal ein bisschen aus seiner Höhle herausgelockt und erstmal zum Reden bewegt hatte, kamen dann auch noch ein paar mehr Informationen. Er ist mittlerweile wohl soweit, dass er merkt, dass er mit sich selbst unzufrieden ist. Und das in vieler Hinsicht.

Er weiß mittlerweile auch, dass er viele Dinge, die ihn an sich selbst stören, auf mich projeziert hat. Mir hatte er in letzter Zeit oft vorgeworfen, ich würde mich zu wenig bewegen (stimmt wohl, aber ich fühle mich nicht schlecht deswegen, sondern brauche auch manchmal eine halbe Stunde auf der Couch um mich gut zu fühlen). Mir wurde das Essen für die Arbeit eingepackt, gesagt ich solle mal mehr unternehmen, nicht immer nur herumgammeln, ich solle mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren und so weiter und so weiter. Ich hab das irgendwann abgeblockt, weil ich mir so bevormundet vorkam - und als Individuum eigene Ansprüche und Vorstellungen von meiner Lebensgestaltung habe.

Das hat allerdings gedauert. Hinterher hab ich sogar schon gezögert, mir eigene Termine z.B. für den Friseur zu machen, weil ich nicht wusste, was mein Mann vielleicht so geplant haben könnte. Um dann doch wieder nur zuhause herum zu sitzen und mir die schlechte Laune ansehen zu können - dabei wollte ich ihm nur etwas Gutes tun.

Ich fühlte mich ab einem gewissen Punkt irgendwie absorbiert. Irgendwann wusste ich schon selbst nicht mehr, was ich eigentlich wollte. Und wenn ich mal etwas Anderes wollte als er sagte er jedes Mal: "Aber WIR wollten doch..." Bis ich angefangen habe, mich zu wehren. Das war nicht schön und leicht auch nicht, aber scheinbar hat es den nötigen Effekt erzielt.

Ich freue mich darüber, dass er die Situation mittlerweile doch ganz gut reflektieren kann. Ich bin ja immer für ihn da, ganz egal was er macht oder wie seine Lebensgestaltung aussieht. Ich stehe immer hinter ihm. Aber das geht nur, wenn ich meinen individuellen Freiraum dabei behalten kann, ansonsten existiere ich irgendwann als Person nicht mehr sondern es gibt nur noch ihn in zweifacher Ausführung.

Seine Therapeutin hat ihm ja gesagt, er würde immer nur ein Pflaster über seine Wunde kleben. Blümli hat mir ja so schön geschrieben, dass es Überwindung kostet, die Wunde ohne Pflaster anzuschauen und dass man dazu erstmal bereit sein muss. Ich habe es ihm gestern sinngemäß so weitergegeben. Er selbst sagte, er glaubt auf dem richtigen Weg zu sein. Und ich bin da voll seiner Meinung, denn das bestätigt fast 100%, was Ihr mir bislang gesagt habt.

Und auch, dass er Angst hat, sein eigenes Verhalten zu ändern hat er fast wörtlich so erklärt, wie es hier schon geschrieben wurde. Ich war überrascht, WIE gleich sich das anhörte. Er sagt, er steht wie in einem Scherbenhaufen auf einem sicheren Platz. Und er verlässt den immer nur für einen kleinen Schritt, wenn er sieht dass es sicher ist, um dann sofort wieder zurück zu gehen dorthin, wo es sicher ist.

Seine Therapeutin meint, ihm ist das innere Kind verloren gegangen, als sein Vater erkrankt ist. Seitdem wägt er alles genauestens ab, grübelt, sucht nach möglichen Risiken und muss immer Sicherheit haben und Verlässlichkeit. Er war ab da für alles verantwortlich, für das teilweise marode Haus, für seine überforderte Mutter die selbst ziemlich in den Seilen hing und natürlich für seinen Vater, den er teilweise damals noch zu Hause mitgepflegt hat. Vielleicht war das Pflichtbewusstsein auch der Grund für seine Berufswahl, ich würde es fast vermuten. Und nicht ohne Grund stößt er den Beruf in seiner Form wie er ihn nun einmal hat, mittlerweile von sich. Das erklärt dann auch den Wunsch, zu studieren und sich zu verändern.

Man sieht, die Gründe für die Depression reichen scheinbar weit zurück. Scheinbar hat sich über die Jahre ein Druck aufgebaut, für den er kein Ventil finden konnte. Er hatte schon Phasen von Überforderung, die er allerdings mit meiner Unterstützung immer zumindest oberflächlich überwinden konnte. Ich glaube, ich hab ihn immer noch "irgendwie über die Zielgerade mitgezogen und ihn zur Not auch die letzten Meter einfach getragen." Aber manchmal reicht das einfach nicht und für mich ist es auch nicht gut.

Ich freue mich aber wirklich. Klingt komisch, aber das gestrige Gespräch hat mich in vielem bestätigt und beruhigt. Ich glaube, wir sind auf einem guten Weg. Das sieht seine Therapeutin genauso und hat ihm empfohlen, für das innere Kind einen Stundenplan zu erstellen. Nicht zu viel Programm, aber zum Beispiel seine regelmäßigen Sporttermine eintragen - und wie ein Kind auch wahrnehmen. Er muss lernen, Dinge einfach zu tun und sich nicht durch mögliche Konsequenzen lähmen zu lassen; also Dinge quasi zu "zerdenken". Den Abschiedsbrief an seinen Vater, den sie ihm anfangs angeraten hat, hat er auch noch nicht geschrieben.

Immerhin hat er gestern eingestanden, dass er sich bisher darum gedrückt hat um seine bisherigen inneren Wege nicht zu verlassen. Vielleicht tut er das ja irgendwann in nächster Zeit. Und ich muss auch erstmal wieder "selbst navigieren" lernen. So viel ist mir klar geworden.

Schön dass ich hier sein darf und einfach mal erzählen. Und was ich von Euch gehört habe, hat mir alles weitergeholfen. Danke nochmal an dieser Stelle!
Hotsummer
Beiträge: 256
Registriert: 17. Mär 2011, 22:33

Re: Mein Rücken ist nicht mehr breit genug

Beitrag von Hotsummer »

Liebe Quappe,

alles was du beschreibst kenne ich sehr gut aus der Beziehung zu meinem EX
Genauso wie bei dir hat mein Ex nach aussen hin bis zum heutigen Tage so verhalten das ja niemand merkt wie krank er ist.
Leider hat er aber bis zum heutigen Tag auch nicht den Mut gefunden zu einem Psychologen zu gehen, denn er ist der Meinung als Lehrer könnte ihm ja ein Elternteil sehen wie er zu so einem Arzt geht und wie kann man einem Psychischkranken Lehrer sein Kind anvertrauen.

Im Moment ist es sogar so das er alle aus seinem Leben entfernt und ich habe vor 2 Monaten die Trennung gesucht , da ich nicht mehr wie Dreck behandelt werden wollte.
Seine Schwester und ich waren die einzigen die sein wahres Ich sahen. Irgend wann kann man nicht mehr und das nach einigen Jahren.

Ich wünsche Dir viel Kraft und Mut für deinen weiteren Weg.

LG Hotsummer
Quappe
Beiträge: 107
Registriert: 23. Apr 2012, 16:03

Re: Mein Rücken ist nicht mehr breit genug

Beitrag von Quappe »

Ich wollte mich einmal wieder melden und zwar mit positiven Neuigkeiten. Meinem Mann geht es mittlerweile wirklich besser, ich glaube man könnte sagen, dass wir uns dem Normalzustand so weit wie möglich wieder angenähert haben.

Zwei Wochen Urlaub im Schwarzwald (der erste seit drei Jahren) tat uns Beiden gut. Nun fängt nächste Woche die Uni wieder an und mein Liebster hat sich heute für Kurse eingetragen. Nächstes Jahr macht er über die Uni einen Segelschein.

Ich bin gespannt, wie es ab nächster Woche aussieht, wenn er wieder regelmäßig "beansprucht" wird. Allerdings bin ich recht optimistisch, dass er den neuen Start jetzt stemmen kann.

Es sind so viele Kleinigkeiten, die einen total freuen. Das ganze Jahr wollte er zum Beispiel nicht mit in die öffentliche Sauna, weil er sich nicht mehr mit sich wohl fühlte. Ich hab es ihm eben dann auch nicht mehr vorgeschlagen und bin mit meiner Schwester gegangen. Nun hatte der Campingplatz im Urlaub eine Saunaanlage und er hatte vorgeschlagen, die doch vielleicht mal zu nutzen. Kam es nicht mehr zu, aber wir haben das dann zuhause an den letzten freien Tagen nachgeholt. Und ihm hat es so gut gefallen, dass wir nun wieder halbwegs regelmäßig gemeinsam gehen werden.

Ich kann nicht einmal sagen, dass mir der Zeitpunkt aufgefallen wäre, an dem "alles wieder besser" wurde. Es sind jeden Tag kleine Dinge und ich habe im Augenblick so ein Gefühl, als wären wir durch einen unendlich langen Tunnel geirrt der immer tiefer unter die Erde führt - und nun geht es bergauf und man sieht den Ausgang quasi vor sich.

Was noch vor uns liegt weiß ich nicht. Und ich möchte auch nicht darüber nachdenken, dass so eine Phase wie dieses Jahr wiederkommen könnte. Werde ich auch nicht. Aber ich hoffe und bin optimistisch - und genieße unsere Zeit. Und vor allem: meine Zeit. Denn die habe ich jetzt wieder. Ebenso wie innerliche Freiräume, die sich wieder mit anderen Dingen befassen können.

Ich denke, ich werde immer noch hier im Forum bleiben - die Hilfe hier ist einfach Gold wert. Und Eure Hilfe hab ich wirklich gebraucht. Danke, Danke, Danke dafür.
julcas
Beiträge: 569
Registriert: 11. Mär 2011, 17:57

Re: Mein Rücken ist nicht mehr breit genug

Beitrag von julcas »

Hallo Quappe,

das hört sich doch richtig gut an. Ich wünsche euch, das es so schön bleibt und noch schöner wird. Ich wünsche euch, das dein Mann seinen Weg raus aus dem Tunnel weiter geht.

Alles Liebe für die Zukunft.

lg julcas
thestons
Beiträge: 20
Registriert: 28. Sep 2010, 08:08

Re: Mein Rücken ist nicht mehr breit genug

Beitrag von thestons »

Hallo Hotsummer,
das mit der Trennung kann ich gut nachvollziehen. Mir geht es mit meinem Partner genauso nur ich hab leider noch nicht den Mut mich zu trennen. Aber Hut ab das du das durchziehst.Ich wünsche dir alles Glück auf Erden.
LG
Kati
Hotsummer
Beiträge: 256
Registriert: 17. Mär 2011, 22:33

Re: Mein Rücken ist nicht mehr breit genug

Beitrag von Hotsummer »

Liebe Kati,

dieser Weg hat mich viel Kraft gekostet, denn ich habe ihn ja immer noch geliebt.
Am Ende war nur dieser Schritt möglich damit ich mit meiner Gesundheit nicht auf der Strecke bleibe.

Ich habe immer versucht ihm Wege auf zu zeigen wo er sich Hilfe suchen kann, war immer für ihn da.....am Ende musst du dann nach 2 Jahren Kampf gegen die Depression bei deinem Partner einsehen er wird sich keine Hilfe suchen , denn er ist noch nicht tief genug gefallen. Es ist ein Kampf gegen Windmühlen.

Bitte liebe Kati,ich kenne zwar deine Geschichte nicht aber du solltest immer auch an dich denken, wenn deine Gesundheit bei dir den Bach runter geht solltest du die Reissleine ziehen.

Ich wünsch Dir alles Gute
Hotsummer
Quappe
Beiträge: 107
Registriert: 23. Apr 2012, 16:03

Re: Mein Rücken ist nicht mehr breit genug

Beitrag von Quappe »

Hallo zusammen,

ich wollte mich auch mal wieder melden. Leider haben wir - sechs Wochen nach Unistart - die ersten Dämpfer zu vermelden. Irgendwie wäre ich auch fast überrascht gewesen wenn nicht.

Mein Mann hat seinen Plan für die Woche ziemlich vollgepackt, dann zum Glück schon etwas gekürzt und war recht optimistisch die ersten Wochen. Nun war ich schon überrascht als er mich gestern anrief und mir mitteilte, dass er den Segelkurs lieber kippen möchte - dabei wollte er ihn eigentlich so gern machen. Aber gut, wenn der Stressfaktor da zu hoch gewesen wäre, kann man solche Aktivitäten jederzeit abblasen.

Nun ja, als ich dann Abends nach Hause kam, war er ganz geknickt und meinte, es ginge ihm total schlecht. Uni fing gestern erst Mittags an und er hat sich den ganzen Vormittag damit befasst, alles zu zerdenken. Er fühlt sich überfordert, hat Angst alles nicht zu schaffen und gestern traute er sich nicht mal, das Haus zu verlassen. Er hat versucht ein bisschen spazieren zu gehen, aber fand das Ergebnis furchtbar schlimm und ging umgehend wieder heim.

...-...

Tja. Natürlich gibt es immer wieder Tage, die weniger gut sind als andere. Aber "Angst, das Haus zu verlassen" ist neu.

Was kann Frau tun, außer zu "trösten"? "Er soll sich nicht unter Druck setzen". "Man hat ihn ja trotzdem nicht weniger gern". "An Anderen messen soll er sich nicht". Ob es aber nutzt?

Wenn das Ganze nun länger dauert, dauert es eben länger. Auf ein Semester mehr oder weniger kommt es nun wirklich nicht mehr an und wenn alle Stricke reißen, bräuchte er das Studium ja nicht mal fertig zu machen - ist schließlich der zweite Bildungsweg.

Allerdings graust mir vor der Vorstellung, dass wir genau jetzt wieder da anfangen, wo wir vor exakt einem Jahr waren. Anmeldung zu Prüfungen, Hausarbeiten, Druck - und ich bin dann wieder in der Pflicht, zu helfen und die Kuh vom Eis zu ziehen??

Ich will nun ja keine Pferde scheu machen und mich auch nicht sofort verunsichern lassen. Mir selbst fällt das zunehmend graue, kalte und dunkle Wetter auch aufs Gemüt und das geht ja vielen Menschen so. Vielleicht war es einfach nur ein besonders schlechter Tag. Aber ich merke, dass ich mich innerlich sehr sträube gegen die Vorstellung, alles von vorn stemmen zu müssen.

Seine Therapeutin hält ihn wieder für stabil genug, um das Studium aufzunehmen und im Dezember auch tageweise wieder zu arbeiten. Ich hoffe wirklich sehr, dass sie Recht behält.

Mir selbst geht es im Augenblick nicht so ganz gut. Ich merke, dass ich mich zunehmend von der Arbeit und den Querelen dort belasten lasse. Dazu gibt es jemanden, der mir dort das Leben offenbar absichtlich erschwert und ich bin noch unsicher, wie ich das Ganze lösen soll. Schließlich bin ich ziemlich konfliktscheu. Allerdings merke ich, dass mein eigentlich fröhliches und optimistisches Wesen an einem gewissen Punkt den Dienst quittiert habe. Jeden Tag gehe ich widerwilliger zum Job und erwarte wieder irgendeine Ohrlasche. Früher hab ich gerne gearbeitet und hatte viel Energie für diesen Job. Heute gehen viele Tage vorbei, ohne dass ich mehr als das Nötigste kommuniziert habe. Ich befürchte, ich habe innerlich gekündigt. Ich habe einfach keine Kraft, mich auch noch im Job Grabenkämpfen auszusetzen.

Das zieht schon runter. Ich sollte mir unbedingt einen Ausgleich schaffen, aber ich bekomme es im Augenblick nicht mal hin, mich für einen Saunabesuch aufzuraffen.

Klar treffen wir uns mit Freunden und haben eine volle Woche - sind auch viele schöne Termine dabei. Allerdings fühle ich mich selbst dabei teilweise schon überrannt und möchte mir manchmal echt nur die Decke über den Kopf ziehen.

Mir fehlt im Augenblick irgendwas, an dem ich mich festhalten kann. Eine Aussicht auf ein nahe gelegenes Ziel, ein freudiges Ereignis, irgendwas. Früher hatte ich zwischendurch immer mal so eine Phase, in welcher man das Gefühl hatte, das Leben "gibt Einen aus". Und wenn es nur so war, dass jemand heiratet, einen tollen Job findet oder irgendwas Anderes, worüber man sich total freuen kann, selbst wenn es einen gar nicht selbst betrifft.

Ich möchte so gern wieder auf meiner Welle reiten. Aber ich finde irgendwie den Weg ins Meer nicht...

Tut mir leid für wegen meines Gejammers. Aber im Augenblick seid Ihr meine Kraftquelle - die ich täglich anzapfe, auch wenn Ihr davon oft nichts merkt.
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