Sowas kann mir doch nicht passieren ?!

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susi9701
Beiträge: 7
Registriert: 23. Nov 2011, 10:19

Sowas kann mir doch nicht passieren ?!

Beitrag von susi9701 »

Sowas kann mir doch nicht passieren!!!
So habe ich früher auch einmal gedacht.Inzwischen weiß ich es besser. Um mich vorzustellen: ich bin 41 Jahre alt, verheiratet, habe zwei Kinder und bin selbständig. Vor etwa 4 Jahren bekam ich die Diagnose: schwer depressives Syndrom.Dennoch hat es noch einige Wochen gedauert, bis ich nach einem Fernsehbericht mir endlich eingestanden habe, daß ich tatsächlich diese Krankheit habe. Wobei mir mehr die physischen als die psychischen Symptome Beschwerden bereitet haben. Kurz zu meiner Krankengeschichte: es begann mit der Geburt meines zweiten Sohnes vor 10 Jahren. Er wurde mit einer Lippen-Kiefer-Gaumenspalte geboren und hatte in den ersten drei Jahren mehrere Operationen mit stationären Aufenthalten, bei denen ich ihn begleitet habe.Diese Aufenthalte, dazu noch die Betreuung meines 4jährigen ersten Sohnes, der gleichzeitige Bau unseres Hauses und mein 400€ Job in einem Geschäft haben mich so in Anspruch genommen, daß ich im Sommer 2007 die Quittung bekam: permanente Müdigkeit, Übelkeit, Magenschmerzen, Konzentrationsstörungen, Scheinschmerzen, Angst vor Kundenkontakt,Panik bei Einkäufen, vor Telefon- und Türklingeln und eine innere Leere, die mich zum weinen brachte. Nachdem ich in Behandlung beim Neurologen bin und das Antidepressiva Venlafaxin 150mg nehme, wurde es langsam besser. Nur die Angst vor den Kunden blieb mir. Nach langen Überlegungen traf ich dann eine Entscheidung, die mir nicht leicht viel: ich habe meine Arbeit gekündigt. Entweder ist das der letzte Punkt oder eben nicht, das war dabei mein Gedanke. Ich habe diese Entscheidung nie bereut, obwohl meine Kolegen und auch meine Chefin mich gerne zurückholen wollten. Ich habe mich fast 2 Jahre später zusammen mit einer Freundin mit einem kleinen Handarbeitsgeschäft selbständig gemacht. Damit kann ich mir meine Arbeit einteilen und soviel Stress zulassen, wie er mir selber auch guttut. Es war eine harte Zeit bis hierher, aber ich habe sie nicht bereut.
Ich bin auch heute noch in Behandlung und nehme Medikamente. Ich bin mir darüber im Klaren, daß ich die Krankheit noch nicht überwunden habe. Des öffteren höre ich selbst in mich hinein, wenn ich wieder mal einen Anflug einiger Symptome habe. Dennoch habe ich die Depression momentan gut im Griff und hoffe, daß es so bleiben wird. Man soll niemals nie sagen.
Ich habe übrigens meinem Leben ein Motto gegeben, was mir in schwierigen Situationen helfen soll: manche Menschen träumen von großen Taten, andere sind hellwach und führen sie aus.
Liebe Grüße
MSBEMR
Beiträge: 9
Registriert: 18. Nov 2011, 14:51

Re: Sowas kann mir doch nicht passieren ?!

Beitrag von MSBEMR »

Liebe Susesanne,
ja auch ich dachte, sowas passiert mir nie, du hast ein tolles Leben,alles ist prima.
Doch auch mir zog es im letzten jahr plötzlich den Boden unter den Füßen weg, mit Mitte 20.
Tja und seitdem kämpfe ich mit und gegen die Depressionen. Aber dein Beitrag hat mir eben etwas Mut gegeben, denn auch möchte mich selbstständig machen. Ich fühle mich einfach nicht mehr wohl, immer für andere etwas zu tun.
Doch meine Krankheit hält mich etwas zurück, denn in einer Selbstständigkeit gibt es kein Krankengeld, nur das was ich auch leiste, verdiene ich. Was, wenn wieder eine schwere Phase kommt und ich nicht in der Lage bin zu arbeiten? Das lässt mich zögern.
Hattest du solche Ängste auch? Was hat dir Mut gemacht?
Liebe Grüße
susi9701
Beiträge: 7
Registriert: 23. Nov 2011, 10:19

Re: Sowas kann mir doch nicht passieren ?!

Beitrag von susi9701 »

Hallo Lavendola,
ich kann mich in deine Situation sehr gut hineinversetzen.
Ich habe wirklich lange gezögert, ob ich meinen sicheren, wenn auch nur 400€ Job kündigen soll. Aber letztendlich war er ein großer Auslöser meiner Krankheit.
Das ganze begann recht schleichend: mein Sohn wurde als Spalten-Kind geboren und wurde in den ersten drei Jahren mehrmals operiert, d.h. jedesmal stationärer Aufenthalt, bei dem ich ihn begleitet habe. Als er 3 Monate alt war, hatte ich mich angeboten, im Notfall auf Arbeit auszuhelfen. Ein Fehler. Es wurde dann immer mehr an Arbeit, Überstunden und zum Schluß noch die Vertretung in einer anderen Filiale. Dieser viele Streß löste bei mir die Krankheit aus: Gewichtsverlust, Übelkeit, Magenschmerzen, Konzentrationsstörungen, permanente Müdigkeit ( ich konnte zu jeder Tageszeit schlafen), Panikatacken. Bei jedem Kunden der ins Geschäft kam, dachte ich: hoffentlich spricht der mich nicht an. Bei einer Verkäuferin ein absolutes no go. Da auch Urlaub nichts brachte, entschied ich mich nach langer Überlegung diesen Schritt zu gehen: entweder- oder! Da das AD inzwischen soweit angeschlagen hatte, nur diese Angst vor den Kunden geblieben war, war das meine letzte Offerte: und sie war richtig, mir ging es danach besser.
Zu diesem Zeitpunkt war der Gedanke an eine Selbständigkeit zwar schon sporadisch geboren, aber eigentlich nur aus einer Kaffelaune heraus. Nachdem mir dann allerdings die Nachfolge in einem Geschäft angeboten wurde, wurden diese Gedanken schon konkreter. Klar habe ich mir viele Gedanken gemacht, ob ich es wirklich schaffen kann, aber ich war nicht allein: ich habe mich mit einer Freundin zusammen getan, die meine ganze Krankengeschichte kennt und der ich voll vertrauen kann. Ich arbeite jetzt halbe Tage, mal früh, mal spät, meine Kinder können jederzeit dorthin kommen und ich kann selbst soviel Stress zulassen, wie er mir guttut. Und von Anfang an stand für uns fest, falls ich es nicht schaffen sollte, können wir jederzeit unser Geschäft wieder aufgeben. Dieses Wissen und diese Sicherheit haben mir sehr geholfen. Nach jetzt 10 Monaten habe ich es nocht nicht eine Sekunde bereut, diesen Schritt gegangen zu sein und würde es auch immer wieder tun.
Ich hoffe, daß ich deine Bedenken damit ein wenig zerstreuen konnte.
Viele Grüße
pero
Beiträge: 970
Registriert: 8. Apr 2011, 09:23

Re: Sowas kann mir doch nicht passieren ?!

Beitrag von pero »

Hallo Lavandola angustifolia,
auch wenn Du selbstständig bist musst Du für andere arbeiten, für Deine Kunden...

Ich glaube es ist wichtig sich zu fragen ob ein Wechsel sinnvoll ist oder ob man die Probleme doch mitnimmt.
Damit will ich nicht sagen das Du Dich nicht selbstständig machen sollst, ich glaube jedoch es wäre gut die aktuellen Probleme sehr genau anzuschauen...

lg
pero
Was die Raupe Ende der Welt nennt, nennt der Rest der Welt Schmetterling.
3193e42
Beiträge: 238
Registriert: 9. Dez 2011, 01:33
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Re: Sowas kann mir doch nicht passieren ?!

Beitrag von 3193e42 »

Liebe thread-teilnehmen,

wenn es unbedingt um selbständigkeit und die sicherheit geht, kann man auch eine kombi machen. minijob für die KV und selbstständigkeit ausprobieren. oft weis man ja nicht wie es klappt. wenn man mit mehrere leuten in die selbständigkeit geht, kann man sich sogar gegenseitig anstellen (ist rechtlich kein problem, solange die firmen klar inhaltlich und steuerlich getrennt sind).

selbstständigkeit kann (vorsicht kein muss!) positiv sein, weil der elan und den drive, den man dabei entwickelt, ist anregend und hat einen positive richtung. wer das an der stelle bereits anzweifelt, sollte NICHT in die Selbstständigkeit gehen.

Ich selbst bin seit 30 jahren selbstständig, mit verschiedenen mittelständischen firmen, von wenigen hunderttausend, bis zu 6 mio. euro umsatz. bei der größenordnung ist es nat. vorbei mit 60 stunden woche, da ackert man 70 bis 80 stunden.
wenn das abermit der nötigen intensiven entspannung, und einem guten team gemacht wird, geht auch das. ich war der meinung ich könnte das alles alleine, ich meine, ohne mich bei guten leuten ab zu stützen.
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susi9701
Beiträge: 7
Registriert: 23. Nov 2011, 10:19

Re: Sowas kann mir doch nicht passieren ?!

Beitrag von susi9701 »

Moin hl.Heinz,
ich kann dir da nur zustimmen:
Wir haben auch zu zweit ein kleines, aber bereits bestehendes Geschäft übernommen, und teilen uns den Tag. Da wir noch einen geringfügigen Verdienst haben, sind wir weiterhin über unsere Ehemänner versichert. Daher ist unser Risiko nicht so groß, da wir auch keine großen Kredite dafür aufnehmen mußten.
Meine Depression entstand aus Stress-Situationen heraus, die irgenwann dermaßen überhand nahmen, daß der Körper total streikte und ich eigentlich nur noch schlafen wollte.
Ich habe den Schritt in die Selbständigkeit gewagt, weil mir die Stresssituationen und die Angst davor von meiner Kolegin genommen wurden und ich somit mein hobby zum Beruf machen konnte.
Natürlich kann ich nur von meiner eigenen Situation sprechen, aber ich habe diesen Schritt bis jetzt nicht bereut, da ich auch keine Panikattacken bisher gehabt habe.
Wenn ICH nochmal vor der Entscheidung stünde, ich würde es wieder tun.
Liebe Grüße, susesanne
Schattentänzer
Beiträge: 8
Registriert: 15. Nov 2011, 20:46

Re: Sowas kann mir doch nicht passieren ?!

Beitrag von Schattentänzer »

Hallo,
zum Thema Minijob und KV muß ich hier was klarstellen !!!!
Durch einen Minijob ist man nicht krankenversichert !!!! Der Arbeitgeber zahlt ein Pauschale und keine Beiträge an eine bestimmte Krankenkasse.
Als Minijobber ist man nicht krankenversichert und hat keine Anrechte auf Leistungen aus der gesetzlichen Krankenversicherung!!!

PS: Ich weiß wovon ich spreche !!
Liebe Grüße
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