Schulbesuch mit Depressionen

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Assses
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Registriert: 29. Sep 2011, 08:57

Schulbesuch mit Depressionen

Beitrag von Assses »

Hallo,

ich bin Mutter zweier Söhne. Mein 12jähriger leidet seit dem Wechel an das Gymnasium unter Depression. Die Diagnose wurde erst im Frühjahr diesen Jahres durch die UNI-Klinik erstellt. Seit 2009 sind wir in Familienberatung und jetzt wird er durch einen Therapeuten begleitet. Er nimmt keine Medikamente.

Er ist nicht versetzungsgefährdet und nach der Leistungsdiagnostik ist er auch in der Lage, die Anforderungen eines Gymnasiums zu erfüllen. Er selber schätzt sich allerdings als Versager, Nichtskönner ... ein und Noten, wie 1 und 2, können ihn nicht überzeugen, dass er gut ist. Die aktuelle Situation verschärft sich dadurch, dass er einen kurzen Vortrag in Russisch vor der Klasse halten muss. Seine Panik ist rießig und er entwickelt ungeheure Kraft; verwüstet sein Zimmer (eigentlich sein Heiligtum), wirft sich gegen die Wände/Türe/Boden, das es noch so kracht. Dabei schreit er und erst wenn er weint, lässt er mich an sich ran und ich kann ihn in den Arm nehmen.

Seit Beginn stehe ich im Kontakt mit der Klassenlehrerin und der Beratungslehrerin. Allerdings nehmen sie die Problematik nicht wahr, da sich mein Sohn in der Öffentlichkeit anders verhält: er spielt den Clown, gibt freche Antworten (er lässt immer seine Kapuze auf) ... in keinster Weise ist er still und unsicher. Dadurch glauben sie, das Grundproblem liegt bei uns zu Hause. Es ist auch leicht dies zu vermuten, da ich alleinerziehende Mutter bin. Ein gemeinsames Gespräch mit den Lehrern, den Therapeuten und der Schulpsychologin ist angedacht, es wird aber noch etwas dauern, bis wir 6 Beteiligte an einen Tisch bekommen.

Meine bisherigen Versuche, die Stressspitzen aus dem Alltag zu nehmen und vorübergehend meinen Sohn etwas zu schonen, wurden abgelehnt. Das heißt konkret, dass er den Vortrag vor der Klasse halten muss. Heute werde ich ihn wieder entschuldigen, doch so verliert er auch Stoff und es ist keine Lösung! Noch verweigert er nicht total die Schule und geht durch meinen Druck immer noch hin (oder ich fahre ihn). Habe ihn auch schon runtergetragen und einfach in's Auto gesetzt.

Ein Schulwechsel wäre aus meiner Sicht das einfachste, wenn man denn einen Platz an einem Gymnasium bekommen würde ... und ob es dann wirklich anders wäre? Ein Schuljahr könnte mein Sohn auch zurückgestellt werden, da er noch recht jung für die 7. Klasse ist. Mir gefällt der Gedanke, dass er ein Schuljahr befreit wird. In dieser Zeit könnte er eine betreute "Arbeit" (z. B. Bauernhof, Handwerk ...) verrichten, welche erstmal nicht nachdenken bedeutet, sich selber wieder erleben und Erfolgserlebnisse/Selbstwirksamkeit erfahrbar werden.

Kann mir jemand ähnliches berichten? Wie seid ihr damit umgegangen? Weiss jemand von einem Projekt, wo quasi Einzelbetreuung stattfindet?

Vielen Dank!
3de61fk
Beiträge: 6
Registriert: 27. Sep 2011, 01:23

Re: Schulbesuch mit Depressionen

Beitrag von 3de61fk »

Hallo Asses,
kann mitfühlen was du gerade als Mutter durchmachst, mein Sohn war ungefär auch so alt wie deiner als bei ihm die Depressionen anfingen,jetzt ist er 21. Ist ein Kind krank ist man als Eltern gefordert das richtige zu tun,aber was ist das richtige? Was sagt den dein Sohn,möchte er selber die Schule wechseln?Ob man ein Kind von der Schule befreien kann das weiß ich nicht. Aber bestimmt gibt es Einrichtungen wo dein Junge gut betreut würde,was sagt denn sein Therapeut zu diesen Überlegungen? Schreib doch mal wie es im Moment in der Schule läuft.Was du so beschreibst,sein Frust den er dann in seinem Zimmer auslässt kenn ich nur zu gut,war bei uns nicht anders.Ich denke du machst das richtig,siehst seine Probleme und nimmst sie ernst,versuchst zu helfen,wünsch dir viel Kraft dabei!
liebe Grüße von Annamarie
Polarlicht
Beiträge: 121
Registriert: 7. Jun 2011, 23:46

Re: Schulbesuch mit Depressionen

Beitrag von Polarlicht »

Hallo Assses,
schwierige Situation, gerade wenn die Lehrer kein Verständnis zeigen. Mit Lehrern habe ich auch die bittere Erfahrung machen müssen, dass sie selber Aussenseiter-Kinder gern mobben, um ihren Frust abzubauen und somit für die anderen zum Abschuss freigeben. Meine Psychotherapeuten waren sehr erstaunt, als ich ihnen von diesen Dingen erzählte.
Kannst Du nicht vor dem Termin eine schriftliche Information der Behandler, bevorzugt von der Uniklinik für die Schule bekommen? So eine Fallkonferenz zu machen ist sicherlich ein guter Ansatz. Allerdings scheint mir der Leidensdruck Deines Sohnes sehr groß und so würde ich wegen Medikamenten noch mal an der Uniklinik vorstellig werden. Ich bin selber seit meiner Kindheit depressiv und habe erst mit Ende 40 den Zugang zu Behandlungen und auch dauerhaft zu Medikamenten gefunden, ein Segen - ohne geht garnicht und mit Pillen mache ich einen Ingenieursjob. Ab einem gewissen Schwerebild gehören Medikamente einfach zur Behandlung.

Zum Thema Krankheitsbild (Clown machen, Aggression): aktuell wird im Forum "Literatur, Film und Fernsehen" ein Focus-Artikel diskutiert. Im Artikel findest Du die Info, dass bei Männern die Depressionen eine durchaus aggressive Ausprägung annehmen können.

Mein Neffe hatte AHDS. Mit Medikamenten und psychotherapeutischer Unterstützung hat er den Weg raus aus ddem Leiden geschafft. Als er es hinter sich hatte, hat er auf eigenen Wunsch, gegen den Willen der Eltern die Schule gewechselt, weil er selber gesehen hat, dass man ihm dort keine Chance gab (Lehrer und Mitschüler) und die Änderung nicht zur Kenntnis nahm. Für meine Schwester waren das auch sehr schwere Jahre, aber er hat dann doch ein 1er-Abi gemacht und studiert jetzt Neurowissenschaften. Das geht alles, ist aber nicht leicht.

Ich glaube nicht, dass es eine gute Idee ist, Deinen Sohn aus der Schule herauszunehmen, wenn Unbill droht und vor allen Dingen, wenn die Lehrer das nicht unterstützen. Ich bin mir auch nicht sicher, ob eine einjährige Auszeit, wie Du sie Dir vorstellst, gut wäre. Manchmal fördern solche Maßnahmen das Beschwerdebild, weil die Härtefälle dort ja konzentriert werden. Eher würde ich zum Jugendamt gehen und mit denen die Kostenübernahme für die Beschulung in einem Internat klären, wo in kleinen Klassen auf die individuellen Probleme eingegangen und er aber in eine normale Schülerpopulation eingebunden wird. Für die betroffenen Kinder kann das ein echter Befreiungsschlag sein. Da kann Dir aber auch Deine Familienberatung weiterhelfen.

Und es gibt ganz einfache Erziehungsmaßnahmen, wo Du als kompetenter Elternteil gefragt bist. Wenn er sich zum Deppen und Aussenseiter macht, in der Klasse die Kaputze nicht abnimmt o.ä., dann kaufst Du ihm eben keine Kaputzenjacken mehr und zwar mit genau dieser Begründung, denn dumm ist er ja nicht, dass er das nicht verstehen könnte. Ich weiß von meiner Schwester, was das für eine Hammertour ist, aber manchmal geht es nicht anders, wenn man seinem Kind helfen will.

Ich wünsche Dir Durchhaltevermögen und viel Kraft.
Polarlicht
Assses
Beiträge: 3
Registriert: 29. Sep 2011, 08:57

Re: Schulbesuch mit Depressionen

Beitrag von Assses »

Vielen Dank Annamarie,
vielen Dank Polarlicht,

mein Sohn will die Schule nicht wechseln, weil er dadurch 1. seine Freunde verliert; 2. neu anfangen muss und 3. natürlich Angst vor dem Unbekanntem hat.

Sein Therapeut und auch unser Familientherapeut sind für eine zeitlich begrenzte Sonderlösung, welche einerseits die Anforderungen niedrig halten und anderseits den sozialen Kontakt aufrechterhalten soll.

Ein Schulwechsel oder auch nur eine Klassenwiederholung wird immer noch, trotz aller Argumente, als Scheitern und Versagen gewertet. Darum ist dies eine sehr schwierige Entscheidung.

Medikamente gibt man eigentlich 12jährigen noch nicht. Nur bei absoluter Selbstgefährdung. Doch einen Klinikaufenthalt sehe ich im Moment auch als Zwischenlösung - ich werde einfach immer ratloser und mir geht die Kraft aus!

Noch eine Woche Schule, in der auch die Konferenz stattfindet, und dann 2 Wochen Ferien in denen wir TIEF Luft holen.

Ach Mensch, man hangelt sich von Tag zu Tag ...

Viele Grüße

Assses
DKT
Beiträge: 20
Registriert: 12. Okt 2011, 11:50

Re: Schulbesuch mit Depressionen

Beitrag von DKT »

Assses schrieb:
Mein 12jähriger leidet seit dem Wechel an das Gymnasium unter Depression. Die Diagnose wurde erst im Frühjahr diesen Jahres durch die UNI-Klinik erstellt. >
>
Dadurch glauben sie, das Grundproblem liegt bei uns zu Hause. Es ist auch leicht dies zu vermuten, da ich alleinerziehende Mutter bin.

Hallo Assses,
na logo, wir Mütter sind eh immer alles Schuld...
Als Mutter dreier Töchter, die alle auf ihre eigene Art und Weise aus dem Schema F gefallen sind, könnte ich Bücher zu diesem Thema schreiben.
Es ist manchmal sehr erschreckend, wie uniformiert Lehrer/Erzieher auch noch in der heutigen Zeit sind.
Dein Sohn ist krank und ihm muss geholfen werden. Wenn die derzeitige Hilfe nicht ausreicht, dann wende dich an die Uniklinik. Scheu dich nicht vor einem stationären Aufenthalt, wenn man es für nötig hält. Ich fände es falsch in der jetzigen Situation irgendwelche weitreichende Entscheidungen bezüglich Schule zu treffen. Dein Sohn kann und soll innerhalb einer Depression keine Entscheidungen treffen. Er braucht Akuthilfe und dann (später) einen Plan, wie es für ihn weitergehen kann. Eine Auszeit ohne die entsprechende Behandlung ist keine Lösung.
Du als Mutter kannst ihm nur begrenzt helfen, indem du für ihn da bist, ihn beschützt und ihm die Sicherheit gibst ihn zu lieben, egal wie er sich gerade verhält.
Ich weis sehr gut, wie schwer das für dich ist. Wieviele Selbstzweifel ein Kind in einer Mutter hervorruft, dass nicht so ist wie die Anderen.
Hast du dich wirklich ausreichend über Depressionen informiert?
Du musst zur Fachfrau zu diesem Thema werden, wenn du deinen Sohn vertrittst.
Ich wünsche dir viel Kraft und Stärke und erzähl wie es weitergeht.
Lg Fidel
Blondie2511
Beiträge: 49
Registriert: 23. Nov 2009, 08:10

Re: Schulbesuch mit Depressionen

Beitrag von Blondie2511 »

Guten Morgen,

lebt ihr in normalen Familienverhältnissen d.h. Vater-Mutter-Kind o. - bist du Alleinerziehend.
Wenn du alleinerziehend bist könntet mit ein Grund für das Verhalten Deines Sohnes sein. Meine Tochter, damals 7 Jahre-jetzt 18 Jahre, fing in der Trennungsphase an aggressiv zu werden u. Probleme Handgreiflich zu lösen.
Ein weiterer Grund könnte auch sein, ohne dir etwas zu wollen, das du deinen Sohn unter Leistungsdruck setzt - unbewusst, da es vom Umfeld, sei es befreundete Mütter/Familien/eigene Familie so vorrausgesetzt wird bzw. Du denen gegenüber mit Deinem Sohn als Musterknaben dastehen willst.Weiß wovon ich rede. Beim Neffen von meinem LG äußert sich das in Schluckbeschwerden mit Atemnot da seine Mutter u. Großeltern großen Druck auf ihn aufbauen u. eine Note 3 ganz schlecht ist.
Sorry für meine vielleicht in Deinen Augen harten Worte, aber les einfach noch einmal u. mach dir Gedanken.

Gruß
Blondie
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