never ending story oder mein: auf was hoffe ich die 100.000ste

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bigappel
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Registriert: 10. Dez 2010, 08:10

never ending story oder mein: auf was hoffe ich die 100.000ste

Beitrag von bigappel »

Auf was hoffe ich?

Ich, w, über 40 habe sehr, sehr viel durch die Erkrankung meines Freundes, m, 45 J.
gelernt. Und das meine ich ehrlich und absolut positiv.

In guten Zeiten habe ich gelernt, auch vor Beginn unserer Beziehung, dass mein Freund
für mich ein besonderer Mensch ist. Zuverlässig, ehrlich, liebevoll, kämpferisch,
ausdauernd, vertrauensvoll und hin und wieder auch selbstreflektierend.

In schlechten Zeiten, durch die Akutphasen der Depression, habe ich gelernt,
dass eine totale Wesensänderung meines Freundes möglich ist:
das Denkvermögen sowie die Konzentration sind fast nicht mehr vorhanden,
Ironie, die er sonst sosehr liebt, wird nicht verstanden. Nicht lieben, insgesamt
nicht fühlen zu können, kann zur Depression gehören und gilt nicht mir persönlich, ich kann ihm nur helfen, indem ich an ihn glaube, an unsere Liebe glaube, auf mich achte, mein Leben und
das meines Kindes führe, loslasse, keine Forderungen stelle, ihn nicht überfordere und da
bin, wenn er es zulassen kann, geduldig bin.
Ich habe gelernt, dass in der Akutphase eine absolute Verletzlichkeit meines Freundes herrscht,
jedes Tröpfchen des Hauchs einer Kritik kann zuviel sein.
Ich habe gelernt, dass die Wahrnehmung eines in der Depression befindlichen Menschen
eine ganz andere ist, als meine und die anderer Personen.

Wir haben eine sehr schwere depressive Phase im März diesen Jahres hinter uns gebracht,
die wir überstanden haben, die wir im Nachhinein beide gemeinsam verarbeiten konnten
und die uns noch mehr verbunden hat……….so sagte er, so sagte ich und ich habe daran
geglaubt.

Ich habe gelernt, dass durch die Medikamente die Libido meines Freundes verschwindet.
Ich habe gelernt, dass durch die Nebenwirkung des Anti Depressiva auch Gefühllosigkeit
mir gegenüber entstehen kann. Ich habe gelernt, dass die Gefühle meines Freundes
wieder da sind, wenn die Depression ihn losläßt, wenn die Nebenwirkung der Medikamente vergehen.
Dachte ich…………………………………………………..

Ich habe gelernt, dass in meinem Freund Ängste toben, die er nicht kontrollieren kann,
die er nicht rational abarbeiten kann, dass ihn Denkweisen quälen, die kompliziert und
nicht nachvollziehbar sind.

Ich habe gelernt, aus Liebe anzunehmen, diesen Menschen, so wie er ist.
Ich habe gelernt, dass es in jeder Paarbeziehung normal ist, dass der Partner nicht alle
Bedürfnisse "befriedigen" kann, egal ob krank oder nicht.
Ich habe gelernt, dass es unmöglich ist, einen anderen Menschen zu verändern und das
es sein ausschließliches Recht ist, ob er eine Therapie macht oder nicht.

Seit über einer Woche ist nun wieder alles anders.
ich stehe wieder vor der Frage, auf was ich wohl hoffen mag?

Ich habe gelernt, dass das jetzige Anti Depressiva meinem Freund hilft, dass er nicht
so tief fallen kann, dass seine Gefühllosigkeit mir gegenüber nicht mehr so massiv ist,
wie mit dem weiteren Medikament, was er abgesetzt hat.

Wir haben Zukunftspläne, wollen offiziell in ein paar Wochen das Leben gemeinsam
in ausschließlich einem Haushalt führen.

Seit gestern habe ich gelernt, dass die Worte : "ich liebe Dich" von meinem Freund aus
der Erinnerung gesagt werden, nicht aus dem Empfinden heraus.
Ich habe versucht, mit ihm in den vergangenen Tagen zu sprechen, dass etwas anders
läuft, versucht zu hinterfragen, ihm deutlich zu machen, dass es mir nicht gut geht in
der Beziehung. Ohne Vorwürfe, vorsichtig als Fragestellung. Schweigen.

Mein Freund hat mir deutlich und für seine Verhältnisse aggressiv versucht klarzumachen, dass es wieder keine neue depressive Episode ist, dass es sich für ihn anders anfühlt, dass er nicht fällt.
Seit gestern heißt das Verhalten nicht depressive Phase, sondern Blockade.

Seit gestern habe ich aber auch gelernt, dass all das gemeinsame Erleben, das
Durchstehen der Krisen meinen Freund nicht gelehrt hat, mich Ernst zu nehmen,
anzunehmen oder wenigstens davon auszugehen, dass ich ihm nichts negatives will, egal
welche Situation vorliegt.

Egal, wie sehr ich versuche ihm aufzuzeigen, "hey, läuft hier möglicherweise etwas
nicht rund; bitte schau mal danach", es ist nicht so…… Schweigen, Blockade.
Sagt es ein anderer Mensch, wird es akzeptiert und darüber nachgedacht.

Sollte mein Freund nicht in all der Zeit wenigstens das gelernt haben, dass ich hinter
ihm stehe, ihm nichts will, ihn nicht angreifen will, ihn nicht verletzen oder sonst wie
beschämen will?

Hat er nicht und das wirft in mir die Fragen auf, auf welchem Fundament unsere
"Beziehung" wirklich steht. Auf was hoffe ich?

Nachdenklich
Pia
Ein Tier zu retten, verändert nicht die Welt, aber die ganze Welt ändert sich für dieses Tier.
Zahra
Beiträge: 57
Registriert: 10. Mär 2011, 18:06

Re: never ending story oder mein: auf was hoffe ich die 100.000ste

Beitrag von Zahra »

Hallo Pia

ich möchte dir ein wenig Mut machen.

Wenn ich das richtig verstanden habe, wollt ihr zusammen ziehen. Ich habe auch nicht verstanden was bei meinem Freund passierte aber wo es ihm gerade besser geht, können wir dadrüber reden. Sein großes Problem was ihn ständig gefährdet in die nächste Phase abzudriften ist dass Heiratsdatum festzumachen.
Wir hatten Anfang des Jahres uns entschieden endlich Nägel mit Köpfen zu machen. Das verursachte bei ihm im März einen sehr schweren Tiefpunkt. Für ihn ist der Schritt einer Heirat schwer weil ihn das immer zum Nachdenken bringt (Bin ich die richtige, er würde was verpassen...und und und).
Er meinte zu mir, dass er sich selber dadurch viel Druck aufgebaut hat, was ihn dann so weit abdriften ließ. Ich habe ihm da jetzt gesagt, dass ich ihn nicht mehr nerven werde, wenn es sich für ihn richtig anfühlt, dann darf er den Antrag machen und dann planen wir auch erst das wie was und wo?

Es ist jetzt auch nur eine Vermutung von mir, aber vielleicht, auch wenn er selber das nicht so sieht, weil es sich für ihn anders anfühlt, ist es für ihn ein Schritt in ein höheres Level. Welches eurer Beziehung eine größere Bindung gibt. Was ihn aber halt Angst macht und er sich das jetzt erstmal nicht erklären kann.
Vielleicht fühlt er sich auch ein wenig unter Druck gesetzt, so ein zusammen ziehen, erfordert ja auch Planung und Organisation.


Vielleicht kannst du ihm ja einfach nur bitten, ob er das nicht in seiner nächsten Stunde ansprechen kann, dass du halt angst hast. Es ihm aber freistellen und nicht drängen.

Dass sind eine Menge vielleichts......

Ich wünsche euch beiden auf jeden Fall, dass alles so klappt. Und dir weiterhin die Krft das alles durch zu stehen.

liebe Grüße
Zahra
die Welt geht wie sie will, nicht wie wir sie gerne hätten...
ReSi64
Beiträge: 46
Registriert: 24. Mär 2011, 16:03

Re: never ending story oder mein: auf was hoffe ich die 100.000ste

Beitrag von ReSi64 »

Hallo Pia,

es ist ein Wahnsinn was du gerade duchmachen musst. Das zieht jegliche Energie aus allen Reserven und es tut unwahrscheinlich weh, auch wenn es (wie du es nennst) mitunter positive Lernprozesse sind.

Kann es nachvollziehen, denn ich habe annähernd das Gleiche vor 12 Jahren durchgemacht.

So, wie du bei Anderen in Beiträgen Mut gemacht hast, bitte ich dich auch, das du auf dich und dein Herz achtest, damit du selbst nicht zu Grunde gehst und zerbrichst.

Ich bin noch nicht so lange in diesem Forum, aber lese immer gern deine sehr wertvollen Beiträge.

Ich umarme dich und wünsche dir viel Kraft und das die schwere Zeit bald vorüber gehen möge.

Renerle
bigappel
Beiträge: 1488
Registriert: 10. Dez 2010, 08:10

Re: never ending story oder mein: auf was hoffe ich die 100.000ste

Beitrag von bigappel »

Liebe Zahra,

vielen Dank für Deine freundlichen Worte.

Ja, in einem Monat wollten wir zusammen ziehen.

All diese Gedanken, die Du angesprochen hast, haben wir schon gefühlte tausende von Male angesprochen *besser: ich habe sie angesprochen* ich habe sogar im Januar, als wir eine ähnliche Situation hatten, ihm gesagt, dass ich es für besser halte, wenn wir einfach mal die Situation so lassen wie sie ist und er wieder auf mich zukommt, wenn er seine Ängste annimmt bzw. sich darüber klar ist, welchen Weg er gehen möchte.

Daraufhin war er beleidigt und fühlte sich von mir abgelehnt.

Es war dann seine Idee, zusammen zu ziehen, weil es ihm auch zu stressig und nervig ist, dass er sein Haus vernachlässigt (wir wohnen im Grunde seit Oktober 2010 bei mir zusammen *bei mir wegen des Kindes samt Kinderzimmer pp* ).

Ich hatte damals mit seiner Therapeutin Kontakt aufgenommen, die ich persönlich kenne und gebeten mir zu sagen, was sie von seiner Idee hält. Die Antwort war dann, dass ich überlegen möchte, was ich will. Das ist ja auch richtig, aber was nutzt es mir ....
Ich weiß was ich will.

Ich habe noch nach dem Oster-Katastrophenfest meinem Freund ohne Vorhalte und ehrlich gesagt, dass wir doch noch alles rückgängig machen können; ich nicht böse bin, es sich alles regeln läßt und dass ein Verpflichtungsgefühl zusammen zu ziehen ein falscher Beginn ist und für uns beide sicher nicht angenehm ist, jetzt umzuorganisieren *meine Wohnung ist längst gekündigt* , aber besser, als sehenden Auges in eine Katastrophe für alle zu ziehen.

Nein, ich werde angepampt, er hätte seine Meinung nicht geändert.

Ich kann ihm momentan einfach nicht gedanklich folgen...... und dieses schweigen, schweigen, schweigen nur mir gegenüber, mit allen anderen normal umgehen können, kommt mir vor wie eine Bestrafung.

Ich weiß auch nicht, was wird.....
LG

Pia
Ein Tier zu retten, verändert nicht die Welt, aber die ganze Welt ändert sich für dieses Tier.
bigappel
Beiträge: 1488
Registriert: 10. Dez 2010, 08:10

Re: never ending story oder mein: auf was hoffe ich die 100.000ste

Beitrag von bigappel »

Liebe Resi,

danke Dir für Deine Umarmung und die netten Worte.Das hat so gut getan.

Ich habe das Schweigen in meiner früheren Ehe aus verschiedenen Gründen 11 Jahre ertragen; bis ich fast zugrunde gegangen bin;
dies geht nicht "auf die Kappe" meines Freundes, das habe ich selber zu verantworten.

Aber die momentane Situation triggert mich dermaßen in die damalige Hölle des unabwendbaren Schweigens......... und die Angst, dasselbe nochmal durchmachen zu müssen immer in der Hoffnung, die Änderung halte länger als 2 Wochen bei meinem Partner....

Das kommt jetzt sicher ziemlich depressiv meinerseits rüber, aber das halte ich auf gar keinen Fall nochmal aus. Nicht einen Monat.

Bin froh, heute selber einen Therapeutentermin zu haben.

Grüße
Pia
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Blümli
Beiträge: 782
Registriert: 18. Jan 2011, 18:41

Re: never ending story oder mein: auf was hoffe ich die 100.000ste

Beitrag von Blümli »

^^ Vielleicht muss man die Liebe gefühlt haben, um die Freundschaft richtig zu erkennen^^ Nicolas Chamfort
bigappel
Beiträge: 1488
Registriert: 10. Dez 2010, 08:10

Re: never ending story oder mein: auf was hoffe ich die 100.000ste

Beitrag von bigappel »

Liebe Blümli,

vielen Dank für Deinen Beitrag!

Wie so oft in Deinen mir so wertvollen Beiträgen hast Du nach meinem Empfinden den Nagel auf den Kopf getroffen:

ist oder kann dies ein gemeinsames Leben
ein Miteinander sein? Oder wird das nicht letztlich eine Interessengemeinschaft / Wohngemeinschaft /Bequemlichkeits- Putz - und Versorgungsgemeinschaft oder was auch immer.... ?

Will und kann ich damit leben?

Das werde ich versuchen für mich zu klären.
Momentan bin ich fern von jeglichem Durchblick.

Ich habe gedacht, ich weiß, wie mein Freund "tickt", aber allein die Tatsache, dass er mir "ich liebe Dich" sagt, aus der Erinnerung, nicht aus dem Empfinden, gibt mir kein gutes Gefühl im Grundsatz...... weil ich es einfach unehrlich finde, zumal wir das "ich kann jetzt gerade nichts empfinden" ja nun auch schon auf dem Plan hatten.......und ich habe es verstanden und fand es sehr ehrlich, wenn auch erstmal hart.

Irgendwie verwirrt....
Pia
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Blümli
Beiträge: 782
Registriert: 18. Jan 2011, 18:41

Re: never ending story oder mein: auf was hoffe ich die 100.000ste

Beitrag von Blümli »

^^ Vielleicht muss man die Liebe gefühlt haben, um die Freundschaft richtig zu erkennen^^ Nicolas Chamfort
bigappel
Beiträge: 1488
Registriert: 10. Dez 2010, 08:10

Re: never ending story oder mein: auf was hoffe ich die 100.000ste

Beitrag von bigappel »

Liebe Blümli,

danke für Deinen Beitrag.

Momentan hab ich soviele Baustellen, dass es mir gerade etwas viel wird.

Ich werd jetzt mal nach Prioritäten die eine nach der anderen "abgrasen".
Soviel zum Thema stabiles Umfeld, um den Spagath machen zu können.

Versteh das bitte jetzt nicht falsch, ich bin sehr froh das Forum und den Gedankenaustausch, die lieben Worte hier zu finden, es ist also kein "beleidigter Rückzug". Im Gegenteil. Mir bringt der Austausch hier sehr viel und das gibt auch Kraft.......die nächste Baustelle anzugehen.

Aber langsam is gut mit Baustellen

Ich drück Euch hier alle mal von ganzem Herzen und freu mich, von Euch wieder zu lesen; bis in ein paar Tagen

herzlichst
Pia "undercover"
Ein Tier zu retten, verändert nicht die Welt, aber die ganze Welt ändert sich für dieses Tier.
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