Wo kommt Euer Verständnis her?

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passion205
Beiträge: 5
Registriert: 19. Jan 2011, 12:59

Wo kommt Euer Verständnis her?

Beitrag von passion205 »

Hi,

ich möchte mich mal kurz vorstellen: Ich (weiblich) bin mit einer Frau verheiratet, wir sind seit fast 11 Jahren zusammen, davon geht sie seit ca. 10,5 Jahren wg. Depressionen und Nicht-Verarbeitung der Scheidung ihrer Eltern zur Therapie, wir haben zwei kleine Kinder, davon eins besonders nervenaufreibend. Sie ist diejenige, die zuhause ist, ich bin Vollzeit arbeiten.

Ich hab hier schon einige Beiträge gelesen und irgendwie fühle ich mich danach total egoistisch. Klar, sie kann nichts für Ihre Krankheit und sie bemüht sich ja auch so.

Aber wo bin ich?? Wo ist mein Recht auf ein glückliches Leben? Wo ist die Frage nach mir? Ich habe es so satt, ständig darüber zu diskutieren, dass sie doch alle leiden können und das sie kein Monster ist. Und das nicht alles in der Welt sch... ist, sondern das es auch gute Dinge gibt (wobei ich langsam mich frage, wo??). Ich bin so wütend auf sie und diese verdammte lebensbestimmende Krankheit. Wo bin ich? Und warum bin ich so egoistisch, dass ich nach mir frage, obwohl sie krank ist und ich (relativ) gesund?

Wie bekomme ich diese Wut auf sie los?

Tja, mal ein anderer Beitrag. Keiner mit "Liebe" und "was kann ich für sie tun?". Mal einer mit: WO BIN ICH?

LG

Zwangsoptimismus
LinaBall
Beiträge: 178
Registriert: 9. Okt 2010, 11:42

Re: Wo kommt Euer Verständnis her?

Beitrag von LinaBall »

Hi Zwangsoptimismus.

Willkommen hier im Forum, schön das du da bist.
Ich kann dich gut verstehen. An manchen Tagen geht es mir so wie du es gerade beschrieben hast - man denkt, das kanns doch nicht sein.... Ich muss doch auch mal beachtet werden, meine Bedürfnisse, Empfindungen, Gefühle, Ängste... Ich werde auch oft wütend aber kriege mich irgendwie da immer wieder raus. Keine Ahnung wie ich das mache, glaube ein heftiger Streit mit dem Freund hilft dann.. um die Wut einfach mal rauszulassen. Jedoch würde ich dir das nun nicht raten, ..also dich zu streiten
Ich habe bemerkt, dass mein Freund in seiner Depression oftmals egoistisch ist - möchte niemanden damit zu Nahe treten. Aber es ist so. Wenn irgendwas ist und er mich zum Beispiel angelogen hat, dann ist es die Depression, die Schuld daran ist. Wenn aber Partys anstehen und er feiern kann bis zum Umwinken... dann hat er keine Depression, bis zum nächsten Tag.
Sorry ich schreibe gerade sehr wütend weil ich so wütend bin... hatte gerade Stress mit ihm... also Wut abbauen klappt so auch nicht immer

Hast du Bücher gelesen über die Krankheit?
Das hat mir geholfen. Ich taumel immer zwischen Verständnis und meiner Wut...

LG Lina
himmelskörper
Beiträge: 778
Registriert: 10. Jul 2009, 14:13

Re: Wo kommt Euer Verständnis her?

Beitrag von himmelskörper »

Hallo Zwangsoptimismus,

ich bin Betroffene aber auch Angehörige da meine Tochter auch unter Depressionen leidet.


Also ich kann dich sehr gut verstehen, ich verstehe deinen Zorn, deine Wut und die Frage wo bleibe ich.

Ganz wichtig finde ich bei einer Partnerschaft wo einer Depressionen hat, ist dass sich der andere der "gesunde" selbst nicht auf gibt und in ein Co-Abhängigkeit gerät.
Du hast das Recht weiterhin auf deine eigenen Bedürfnisse, du musst dich nicht nur nach den Bedürfnissen deiner Frau unterordnen und dich danach richten ob es ihr gut geht oder nicht.

Wie sieht es bei dir aus, hast du einen Freundeskreis mit denen du was unternehmen kannst natürlich auch alleine, hast du Freunde die dich rausholen wenn deine Frau zu sehr in der Depression steckt.

Wie sieht es mit einem Hobby aus oder Sport, hast du Möglichkeiten dich abzureagieren, zur dir zu kommen, ganz auf dein Bedürfnisse einzugehen.

Wichtig finde ich halt vom Partner, das er die Krankheit versteht, sich auch darüber informiert und weiß was im anderen vorgeht.
Auch das er dem anderen das Gefühl gibt, ich bin für dich da, ich helfe dir und unterstütze dich. Zu sehen das der andere dies nicht mit Absicht macht, das es im einfach nicht möglich ist.

Aber dem depressiven Partner dennoch signalisiert, das man nicht das ganze eigene Leben komplett umstellt.
Denn sonst fällt man selbst mal in ein Loch, wenn man sich aufgibt.

Wichtig ist es auch das der Betroffene, auch was gegen seine Krankheit tut, das er therapeutische Hilfe in Anspruch nimmt, zum Psychiater geht, und und und....also sich auch bemüht die Krankheit anzugehen.


liebe grüße sedna


Regenwolke
Beiträge: 2214
Registriert: 15. Apr 2006, 12:46

Re: Wo kommt Euer Verständnis her?

Beitrag von Regenwolke »

Hallo,

ich bin keine Angehörige, deshalb kann ich nicht raten, wie man das Verständnis aufrecht erhalten kann.

Aber du fragst, wo DU bleibst. Wie sorgst du denn selber für dich? Wo holst du dir Unterstützung und woraus ziehst du deine Energie?
Es klingt so, als ob du sehr viel Last allein trägst und dadurch Gefahr läufst, dich aufzureiben - es ist verständlich, dass du da wütend auf sie bist. Aber es klingt für mich auch so (wenn ich nicht überinterpretiere), als würdest du darauf warten, dass deine Frau sich ändert und endlich mal fragt, was mit dir ist und wo Du bleibst.

Ich weiß, dass es schwer ist, Zeit für sich selber zu finden, gerade neben Job und kleinen Kindern ist es wohl manchmal fast nicht möglich. Trotzdem: Gibt es irgendwo Entlastungsmöglichkeiten außerhalb der Beziehung? Kleine Freiräume? Die Möglichkeit, zu einer Angehörigengruppe zu gehen? Möglichkeiten zur Hilfe auch durch Dritte, z. B. Verwandte? Das sind so meine Ideen dazu.

LG, Wolke
passion205
Beiträge: 5
Registriert: 19. Jan 2011, 12:59

Re: Wo kommt Euer Verständnis her?

Beitrag von passion205 »

Hi Lina,

da kam mein Beitrag ja heute gerade richtig. Es war schön, dass Deine Antwort auch wütend klang und ich nicht die einzige bin.

Gelesen habe ich schon das ein oder andere. Aber mit dem Verstand erfassen und dann alltäglich damit leben sind irgendwie zwei verschiedene Dinge.

Die ein oder andere Gesprächspartnerin zu dem Thema habe ich noch, aber in den letzten Jahren habe ich mich immer mehr zurückgezogen. Ich hab das Gefühl, ich hab mich aufgegeben und weiß nicht mehr, wie es anders werden soll. Es ist irgendwie alles wie in einer Sackgasse und ich weiß nicht mehr, wie ich da rauskomme.

Nächste Woche habe ich selbst einen Termin bei einer Therapeutin, weil es in der letzten Zeit für mich immer schlimmer geworden ist. Ich krieg weder die Wut in den Griff noch mein Verständnis für sie zurück.

@Wolke,
Du hast leider recht. Ich warte darauf, dass nach 10 Jahren der Knall kommt und sie sagt, So Du bist dran, ich trage Dich ab jetzt auf Händen, weil Du es in den letzten 10 Jahren für mich getan hast. Ich guck eindeutig zuviel Liebeskitsch

Ich habe im Netz auch schon nach Angehörigengruppen gesucht, aber irgendwie gibt es keine in der Nähe von Koblenz. Oder habt ihr Tipps, wo ich sowas finden kann. Wäre sogar schon soweit, selbst eine zu gründen, wenn ich wüßte wie.

Danke auf jeden Fall für Eure Antworten, besonders Lina

LG
ZwOp
Regenwolke
Beiträge: 2214
Registriert: 15. Apr 2006, 12:46

Re: Wo kommt Euer Verständnis her?

Beitrag von Regenwolke »

Hi ZwOp,

es ist ja nicht schlimm, dass du dich danach sehnst, auch mal auf Händen getragen zu werden - ist ja auch ungerecht, dass soviel an dir hängenbleibt. Aber vielleicht kann deine Frau das einfach durch ihre Erkrankung nicht so geben, wie du es dir wünschen würdest und du wirst dann immer wieder enttäuscht. Deshalb denke ich, es ist besser, auf dich selber zu schauen.

Find ich gut, dass du für dich einen Termin bei einer Therapeutin gemacht hast. Ich hab mal ein bißchen im Netz gestöbert, in Koblenz scheint ja tatsächlich selbsthilfemäßig wenig los zu sein. Gefunden habe ich etwas in Neuwied, aber nur eine allgemeine Gruppe für Angehörige psychisch Kranker, nicht speziell für Depressionen. Guck mal hier: http://www.nekis.de/seiten/gruppen_nr1.html

LG, Wolke
Antiope
Beiträge: 1695
Registriert: 10. Jan 2011, 21:38

Re: Wo kommt Euer Verständnis her?

Beitrag von Antiope »

Hi ZwOp,

ja, es wird an der Zeit, "egoistisch" zu sein. Es kann nicht angehen, dass Du auch noch ausblutest. "Liebe Deinen Nächsten GENAUSO wie DICH selbst."
Ich bin nicht Angehörige, sondern Betroffene. Daher würde ich meine Angehörigen auf eigene Touren schicken, weil ich dann *nicht* für deren Gutgefühl verantwortlich bin. Ich bin dann nur für mich verantwortlich und habe mich für mich am Riemen zu reißen, mich um mich selbst zu kümmern. Du wirst lachen - aber das entlastet mich als Kranke, weil ich nicht das Wohl und Wehe meiner Umwelt mittragen muss.
Sognami
Beiträge: 14
Registriert: 19. Okt 2010, 23:58

Re: Wo kommt Euer Verständnis her?

Beitrag von Sognami »

Es geht gar nicht um "eigene Hobbys weiter betrieben, mit Freunden ausgehen usw"

Ich glaub was er sagen will ist, das ihm die Liebe fehlt und das wird so wie es klingt nach 11 Jahren auch so bleiben, Hut ab vor dem der das aushaelt.

@LINA
Ich bin sowas von auf deiner Seite! Bei mir ist es genauso, auf der einen Seite Depression und auf der anderen Seite Party machen! Das kann ich auch absolut nicht nachvollziehen, ich komme mir dann benutzt vor! Mir schuettet sie ihr Herz aus und ihre tiefsten Aengste, Probleme mit der Welt klar zu kommen aber dann ausgehen ohne Ende!

Na klar, jetzt kommen wieder diejenigen die sagen: "Ja das ist normal du musst Verstaendniss haben" usw Aber ich frage mich und euch wo das enden soll? In einem Leben was wir nur nach dem anderen richten indem wir auf etwas warten? Die Liebe? Warten auf den Tag wo die Depression endet und dann alles gut ist und der Schalter auf Liebe geschaltet ist?

Ich bin leider auch so und wuerde ihr all ihre Probleme abnehmen, doch das geht nicht, das wird nie gehen.

Ich versuche mich davon zu loesen und sie eher als gute Freundin anzusehen und werde ihr weiter beistehen, wenn sie will. Ich weiss das es ein weiter Weg sein wird auch fuer mich.
Aber fuer die Liebe muss was von Ihr kommen und das rate ich auch dir liebe Lina, schau auf dich und versuche in einem gesundem Mass egoistisch zu sein, sei offen fuer neues wenn du merkst es aendert sich nichts.

Ich hab mich nun wirklich belesen ueber Depression und verstehe oder glaube, das es nicht nachvollziehbar ist was der einzelne empfindet.
Pluto
Beiträge: 74
Registriert: 12. Nov 2010, 12:27

Re: Wo kommt Euer Verständnis her?

Beitrag von Pluto »

Ich glaube heute ist der Tag der Wütenden. Ich bin auch auf 180 und würde am liebsten meine Koffer packen und einfach gehen - geht nur leider nicht da ich meine Tochter noch hier habe.

Wenn ich meine momentanen Gedanken hier schreiben würde dann tät vermutlich so manch einer über mich herfallen, dass ich ihm das nicht antun kann.

Aber ich will einfach nicht mehr - es kotzt mich alles so sehr an. Ich will wieder in Ruhe und Frieden leben - eine Leben das lebenswert ist und ich will Liebe und Nähe spüren und das gibt mir mein Mann nicht mehr.
Liebe Grüße...Pluto
Himmelblau1
Beiträge: 78
Registriert: 16. Jun 2010, 18:05

Re: Wo kommt Euer Verständnis her?

Beitrag von Himmelblau1 »

Hallo Pluto

Ich kann es sehr gut nachempfinden, wie Du Dich fühlst.
Leider möchte ich in den mutmacher Beiträgen nicht so mit schreiben, da ich weiß wie schwer es ist.
Ich versuche emotional zu den Dingen etwas Abstand zu gewinnen, da man es einfach auch nicht beeinflussen kann.
Da Du momentan merkst, daß Du Deine Grenze überschreitest, ist Dein Verhalten total normal. Sich opfern und selber daran kaputt gehen, wäre auch der falsche Weg.
Außerdem hast Du auch eine Tochter an die Du denken mußt.
Weißt Du, depressive Menschen haben so eine niedrige Grenze ( wenig Energie)und sie ziehen durch ihr Verhalten ständig Grenzlinien. Also, wenn es Dir nicht gut geht, kannst Du solche Grenzlinien auch für Dich ziehen. Die Entscheidung mußt Du aber immer für Dich selber treffen.
Ich würde da auch auf niemanden hören, nur auf mich selbst.

Mache immer das was Dir gut tut!

LG Heide !
passion205
Beiträge: 5
Registriert: 19. Jan 2011, 12:59

Re: Wo kommt Euer Verständnis her?

Beitrag von passion205 »

Hi Wolke,

danke für das Suchen im Internet und den Link. Das nächste Treffen ist schon bald und ich werde versuchen, dahin zu gehen. Es muss einfach besser werden...

LG

ZwOp
Patricia1
Beiträge: 3
Registriert: 26. Jan 2011, 09:51

Re: Wo kommt Euer Verständnis her?

Beitrag von Patricia1 »

Hi,
ewiges Verständnis führt zu nichts - im Gegenteil.
Meine Geschichte:
Meine Mutter leidet unter Depressionen - seit mehr als 30 Jahren. Sie hat 2 Selbstmordversuche hinter ich. Meine Schwestern und ich waren bei ihrem ersten Versuch noch Kinder. Jedes Mal, wenn es ihr schlecht ging wurde uns die Schuld daran gegeben. Ich habe sehr lange dazu gebraucht, zu erkennen, dass meine Mutter ihre Depressionen dazu benutzt habe, um uns unter Kontrolle zu halten. Nach ihrem zweiten Selbstmordversuch hab mein Vater mich beschuldigt, schuld daran zu sein. Das Thema Depressionen und Selbstmordversuch ist bei uns tabu. Es wird nicht darüber geredet - es wird so getan, als sei alles in bester Ordnung. Keiner traut sich, etwas zu sagen, aus Angst, es könne ihr wieder schlechter gehen.
Ich habe sehr lange gebraucht, um zu erkennen, dass ich mich abgrenzen muss. Seitdem geht es mir besser. Sicher, ab und zu verfalle ich immer noch in alte Verhaltensweisen, aber das sind Ausnahmen.
Was mir am meisten zu schaffen macht ist dieses "Heile-Welt-Getue".
Wenn du immer alles mitmachst und immer meinst Verständnis zeigen zu müssen gehst du mit der Zeit kaputt. Also sag was Sache ist.
Patricia1
Zwangsoptimismus schrieb:
> Hi,
>
> ich möchte mich mal kurz vorstellen: Ich (weiblich) bin mit einer Frau verheiratet, wir sind seit fast 11 Jahren zusammen, davon geht sie seit ca. 10,5 Jahren wg. Depressionen und Nicht-Verarbeitung der Scheidung ihrer Eltern zur Therapie, wir haben zwei kleine Kinder, davon eins besonders nervenaufreibend. Sie ist diejenige, die zuhause ist, ich bin Vollzeit arbeiten.
>
> Ich hab hier schon einige Beiträge gelesen und irgendwie fühle ich mich danach total egoistisch. Klar, sie kann nichts für Ihre Krankheit und sie bemüht sich ja auch so.
>
> Aber wo bin ich?? Wo ist mein Recht auf ein glückliches Leben? Wo ist die Frage nach mir? Ich habe es so satt, ständig darüber zu diskutieren, dass sie doch alle leiden können und das sie kein Monster ist. Und das nicht alles in der Welt sch... ist, sondern das es auch gute Dinge gibt (wobei ich langsam mich frage, wo??). Ich bin so wütend auf sie und diese verdammte lebensbestimmende Krankheit. Wo bin ich? Und warum bin ich so egoistisch, dass ich nach mir frage, obwohl sie krank ist und ich (relativ) gesund?
>
> Wie bekomme ich diese Wut auf sie los?
>
> Tja, mal ein anderer Beitrag. Keiner mit "Liebe" und "was kann ich für sie tun?". Mal einer mit: WO BIN ICH?
>
> LG
>
> Zwangsoptimismus
Antiope
Beiträge: 1695
Registriert: 10. Jan 2011, 21:38

Re: Wo kommt Euer Verständnis her?

Beitrag von Antiope »

Ich glaube, Patricia1 hat es auf den Punkt gebracht. Und was sie schilderte, klingt sehr nach dem Umfeld von Alkoholikern, wenn diese dann von der Familie gedeckt werden. Es ist eine wirklich "perverse" Familienkonstruktion.

Daher ist die Frage von ZwOp nach der Quelle des Verständnisses falsch. Nicht ewiges Verständnis und ewige Rücksichtnahme (das ist die verdeckte Aggressivität der Depression: "nehmt Rücksicht auf mich, ich bin ganz schwer krank") ist angebracht - genausowenig wie bei Alkoholikern (Vati kann nichts dafür, Mutti ist von Opa krank gemacht worden, ...) sondern Abgrenzung.
Dabei geht es nicht darum, den Ehepartner den Bach runtergehen zu lassen und ungerührt zuzuschauen, sondern ihm die "erwachsene" Unterstützung zu geben, ihn nicht zum Kind zu machen. Er muss lernen, manche Sachen selbst zu regeln - wie ein ERwachsener. Man kann selbstverständlich darüber reden, Wärme und Schutz geben, wenn's gebraucht wird, aber es muss klar sein, dass das nur da ist, damit die eigene Kraft (des Depressiven) wieder kommt und man es dann alleine oder gemeinsam mit dem Partner regeln kann.
passion205
Beiträge: 5
Registriert: 19. Jan 2011, 12:59

Re: Wo kommt Euer Verständnis her?

Beitrag von passion205 »

Hi Antiope,

das klingt bei Dir so einfach, aber wie soll ich das nach all den Jahren umsetzen? Diese negativen Gefühle nehme ich von zuhause mit zur Arbeit, zu meiner Familie, zum Einkaufen...überall hin.

Ich fühl mich schuldig, überlege ob ich was tun kann, damit es besser wird. Und gleichzeitig bin ich so wütend, warum wir nicht einfach eine normale Beziehung haben können. Sowas wie: Schatz, ich komm heute später, trink mit den Kollegen noch einen. Antwort: Ok, wünsch Dir viel Spaß, statt der Antwort: Oh, dann bin ich ja wieder alleine, bleib nicht so lange, Du bist ja dauernd weg (und damit zählt sie meinen Vollzeitarbeitstag mit, weil ich kaum noch weggehe, bei den Diskussionen, die ich deswegen immer habe, kneife ich eher als das ich weggehen will).

Ganz klarer Fall: Ich hab mich aufgegeben. Wie kann ich mich wieder "aufnehmen"?

LG

ZwOp
Antiope
Beiträge: 1695
Registriert: 10. Jan 2011, 21:38

Re: Wo kommt Euer Verständnis her?

Beitrag von Antiope »

Hej ZwOp,

ja, das klingt ganz einfach, weil ich ja nur etwas schreiben muss, während Du es umzusetzen hast.
Ein paar Punkte möchte ich festhalten:
- Du bist nicht egoistisch, bloß weil Du Dein Leben auch mit dem füllen willst, was Dir Spass macht und gut tut
- Du bist im Moment auf dem Weg in eine Depression, in die Hilflosigkeit, in die Machtlosigkeit, in die Hoffnungslosigkeit
- Die Konstellation ist ausbeuterisch, da von Dir stets Rücksichtnahme gefordert wird und Du Dich verloren hast; Du musst alles liefern, während Du nichts Gleichwertiges bekommst; Du bist im Moment die allumsorgende Mutter des Partners.
- Du bist nicht für das Glück anderer verantwortlich!

Den ersten Schritt, Dich selbst zurückzugewinnen, hast Du schon getan: Du stellst die Fragen, ob das so sein muss, und hast sie mit "Nein" beantwortet.
Ist es möglich, dass Du in einer Selbsthilfegruppe für Co-Abhängige Unterstützung findest? Wenn nicht, dann versuche es über die Beratung der Diakonie (Ehe-, Familien- und Lebensberatung). Warte nicht mehr, der Zeitpunkt ist JETZT. Du hast ein Recht darauf, Dich gut zu fühlen und aus diesem ganzen Kuddelmuddel herauszukommen. Letztendlich hilfst Du auch Deinem Partner. Dann erhält er Grenzen, die er braucht, um wieder selbständig zu werden, und das Selbstbestimmungsrecht über sein Leben und seine Gefühle zurück. Es klingt jetzt hart, weil Du sie nicht in der Verzweiflung sitzen lassen willst, aber Du kannst sie nicht aus ihrer Höhle herausziehen, wenn sie nicht will. Sie muss selbst aufstehen und hinausgehen. Sie kann um Hilfe bitten, aber gehen muss sie selbst. Eines glaub mir: auch Depressive haben sehr viel Kraft - sie wollen sie aus bestimmten Gründen nicht spüren oder einsetzen. Sie berauben sich selbst.
Dass Du Dich egoistisch fühlst, bloß weil Du etwas für Dich machst, ist Dir beigebracht worden. Überlege mal, wie würdest Du reagieren, wenn es einer guten Bekannte oder Freundin/Freund geschehen wäre und sie würde Dich um Rat bitten? Was würdest Du ihr/ihm sagen?
passion205
Beiträge: 5
Registriert: 19. Jan 2011, 12:59

Re: Wo kommt Euer Verständnis her?

Beitrag von passion205 »

Hi Antiope,

danke für die festgehaltenen Punkte. Das war nicht schlecht.

Morgen habe ich erstmal einen Termin bei einer Therapeutin und hoffe, von ihr noch etwas Unterstützung zu bekommen. Nächste Woche wäre noch eine Selbsthilfegruppe hier in der Nähe. Ein bisl Antrieb was zu ändern habe ich noch.

LG

ZwOp
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