Bin neu hier

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Tani
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Registriert: 25. Aug 2003, 14:21

Bin neu hier

Beitrag von Tani »

Hallo zusammen,
seit wann genau ich an dieser Krankheit leide, weiß ich nicht mehr ganz genau. Ich befürchte aber, es hängt mit der Scheidung meiner Eltern im Jahre 1987 zusammen. Ich war damals 7 Jahre alt. Das hat mich wohl mehr mitgenommen, als ich mir immer selbst eingestehen wollte. Ich wollte immer selbst alles packen und stark sein. Wenn mein Vater mich nach einem Wochenende immer nach Hause brachte, hab ich den ganzen Abend nur geheult und das einzige was ich von meiner Mutter zu hören bekam waren so Worte wie: Wenn du nicht aufhörst zu heulen, darfst du nie wieder zu ihm. Wie ein Schlag ins Gesicht für mich war es vor kurzem, als ich ähnliche Worte von meinem Freund hören mußte. Nur in dem Zusammenhang, daß wir umgezogen sind und ich mich hier nicht wohlfühle. Obwohl wir innerhalb vom Ort umgezogen sind und nur ein paar hundert Meter weiter in eine größere Wohnung. Ich bin seit dem 1.April nur noch am heulen, stehe jeden Morgen auf und denke:Warum, warum haben wir das nur getan? Auf einmal fehlt mir alles, was ich nun nicht mehr habe. Von dem ich aber überzeugt war, daß ich es nicht brauche zum glücklich sein. Mir fehlen die Nachbarn, die ich eigentlich nicht so oft sah...und wie gern legte ich mich nach der Arbeit auf den Balkon in die Sonne, nun hab ich mittags keine mehr, usw. Ich muß ja zugeben, daß ich vorher auch oft gemekert hab und auch schon depressiv war und so meint auch mein Freund, daß das, was ich gerade mal wieder durchlebe nichts mit der Wohnung zu tun hat. Aber mir fehlt alles so sehr...Ich habe aus anderen Beweggründen gehandelt wie Ralf. Ich hab mir durch den Umzug versprochen, daß wir nun keine Nachbarn mehr haben, die über uns herumtrampeln...Obwohl wir es drüben gerade ruhig hatten(das erste mal seit 4 Jahren) mußten wir ausziehen. Warum? Ich weiß es nicht. Nun ist zwar niemand mehr über uns, aber unter uns wohnt eine Familie mit 2 kleinen Kindern...Und wenn die loslegen...dieses trammpeln und stampfen bringt mich auch jedesmal zum heulen und an den Rand des Nervenzusammenbruchs. Während mein Freund da sitzt und ihm das überhaupt nichts aus macht. Das verstehe ich nicht. Als ich diesen Lärm in diesem(schon wieder) hellhörigen Haus zum ersten Mal hörte brach eine Welt für mich zusammen. Der Umzug war umsonst, alles umsonst, alles zerplatzt, die gemeinsame Zukunft, die Beziehung(fast), 5000 Euro den Bach runter. Es hätte alles besser werden sollen und nun befinde ich mich in der schwersten Depression meines Lebens. Ich laufe von einem Arzt zum anderen, probiere schon die 3. Tabletten, weil die anderen nichts geholfen haben. Ich sitze da, muß mit ansehen, wie für meinen Freund alles normal weitergeht, während ich hier an der Bude verzweifle. Es war alles umsonst. Und wie blöd das gelaufen ist...Der Onkel von meinem Freund lebt gerade in Scheidung und wohnte 80 km von uns weg. Er ist im Außendienst und kommt viel herum. Bei uns im Dorf in der Bäckerei kennt er eine, die wiederrum unsere Vormieter hier kannte. So kam es zustande, als ich an diesem schwarzen Dienstag(wie ich den Tag gern nenne) nach Hause kam(mein Freund hatte seinen freien Tag), der Onkel war da und zu uns sagte, er hätte da eine Top-Wohnung, die müssen wir uns ansehen. Gleich da hätte ich NEIN sagen sollen. Warum nur...hab ich nicht NEIN gesagt. Wir waren halt neugierig und von da ab gab das eine das andere. Während ich nur daran interessiert war, daß es ruhig ist, hat Ralf aus anderen Gründen entschieden;ihm hat die Bude einfach gefallen. Ich quäle mich jeden Tag heim, kann meinen Mittagsschlaf nicht machen, wegen den 2 Poltergeistern, heule und hoffe vor jedem Schlaf: wenn ich aufwache bin ich zuhause. Doch das will einfach nicht passieren. Wir könnten zurück, weil doch der Onkel in unseren alten Wohnung wohnt, doch mein Freund sieht keinen Grund und ist hier glücklich. Mein Traum ist zerplatzt, ich finde hier keine Ruhe, weiß nicht was ich machen soll...Da ich sowieso alles verloren habe, mein schönes Zuhause, mein ganzes Geld, macht es auch nichts, wenn ich meinem Freund auch nihct länger zur Last falle und wegziehe und alles vergesse. Durch den total unnötigen Umzug ist alles zerstört. Wäre ich mit dem, was ich hatte glücklich gewesen, wäre das alles nie passiert und wir wären da wohnen geblieben. Ich würde alles dafür tun, wieder zurückzugehen. Nun bezahl ich hier 100 Euro mehr Miete für so eine hellhörige Bude, meine Arbeit ist nichts mehr wert, das heimkommen nicht, mich freut hier einfach nichts. Und wer hilft mir? Ich war bei 2 Allgemeinärzten, 2 Nervenärzten und bin außerdem noch in Psychotherapeutischer Behandlung seit einigen Wochen und mir geht es nicht besser. Ich kann mein Glück doch nicht von lärmenden Nachbarn abhängig machen, aber die Belastung ist so groß....ich kann hier nicht mehr wohnen...obwohl, oh schreck, das, genau das hab ich schon mal gedacht in der alten Wohnung noch...Wir sind da ausgezogen, als wir es am schönsten hatten...Aber der Sommer ist auch sehr hart dieses Jehr, und im Sommer ist es bei mir sowieso immer am schlimmsten, aber so schlimm war es noch nie...außer, moment, da war was 1997 als ich meine Lehre angefangen habe. Ich habe die letzten Tage in Freiheit genossen, als wären es meine letzten und so sollte es sein...Als ich merkte, es geht wieder von vorn los...neue Mitschüler, usw., hab ich es getan, aber es hat leider nicht funktioniert und so bin ich heute immer noch da. Diese beschissene Krankheit bestimmt all meine Handlungen und mein Denken. Ich mag am liebsten nichts mehr machen.
sandrak
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Re: Bin neu hier

Beitrag von sandrak »

Hi Tanja,

hab dich wahrgenommen.
lese mir aber jetzt erstmal deinen beitrag durch
wollte dir nur schnell zeigen, dass es auch leute gibt die schreiben

lieben gruß

Sandra
sandrak
Beiträge: 530
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Re: Bin neu hier

Beitrag von sandrak »

Liebe Tanja,

ich habe angefangen zu lesen, ..und werde morgen dort weiter machen, mir ist alles im moment zu anstrengend, dass ich dir gar nicht richtig helfen kann.
ich melde mich aber wieder sobald es geht, und denke nicht ich interessiere mich nicht ..
tue ich, sonst würde ich hier nicht sein,...ich hab jetzt grad aber auch keine kraft und sende dir jetzt nur einen kleinen gruß aus der ferne, woraus hercorgehen soll, dass du nicht alleine bist,

bis morgen..

lieben gruß

Sandra
dina
Beiträge: 32
Registriert: 21. Jul 2003, 23:10

Re: Bin neu hier

Beitrag von dina »

Hallo Tanja!
Du wartest auf Antworten. Dein Posting ist sehr lang und ich bin selbst sehr müde. Ärgere dich nicht und fühl dich nicht vernachlässigt. Schon allein das Lesen in anderen Beiträgen gibt dir vielleicht das Gefühl nicht allein zu sein. Dieses Forum ist so groß, da kann man nicht immer auf alles antworten, das ist nicht persönlich gegen dich gerichtet.

Dina
sewi
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Re: Bin neu hier

Beitrag von sewi »

Conny37
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Re: Bin neu hier

Beitrag von Conny37 »

Hi Tania,

meine Geschichte - hätte ich sie vollkommen aufgeschrieben, würde so ähnlich klingen.
Das Gefühl- kein zu Hause mehr zu haben kenne ich gut. Deine Gedanken sind mir vertraut.

Jetzt, nachdem es durchgestanden ist- sehe ich alles klarer. Ich denke, dass nicht der Umzug das wirkliche Problem ist, und somit auch das zurückziehen nichts bringen würde. Es ist die Depression selbst- die einem diesen Irrglauben vorspiegelt. Wenn die Krankheit besiegt wird (und das kann sie), ist auch das Problem nicht mehr da. Wichtig ist also erst einmal, die Depression zu packen zu bekommen! Als allererstes stand bei mir da das Medikament auf der Liste, später ging ich noch in eine Akut- Klinik.
Das Problem- vom dem ich dachte es wär eins, hat sich mit der Genesung in Luft aufgelöst!

Also, finde einen guten Nervenarzt, lass dich auf Medikamente ein und halte durch- es dauert seine Zeit!

Bis dann und liebe Grüsse
Conny
Tani
Beiträge: 45
Registriert: 25. Aug 2003, 14:21

Re: Bin neu hier

Beitrag von Tani »

Dankeschön, ich muß ja zugeben, daß ich selbst noch nicht viel zum lesen gekommen bin, aber ich werde mir die Zeit nehmen, öfter hier zu sein.
Vielleicht können mir ja einige sagen, was für Tabletten sie bekommen, bzw. welche geholfen haben. Bei mir schlagen keine an, bis jetzt. Aber morgen muß ich wieder zum Doc.
juan
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Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Re: Bin neu hier

Beitrag von juan »

hallo tanja:welche medikamente hast du denn genommen und wielange in welcher dosierung?
srb
Beiträge: 508
Registriert: 11. Jun 2003, 11:59

Re: Bin neu hier

Beitrag von srb »

Hallo Tanja,

ich würde auch Conny zustimmen, das eigentliche Problem ist gar nicht die neue Wohnung, sondern die Depression. Ich habe auch ganz lange immer gedacht: Wenn das und das erst anders ist, dann geht es mir besser - war aber nie so. Im Gegenteil, alles wurde immer schlimmer, weil ich immer wieder enttäuscht wurde, ich immer wieder feststellen mußte, daß es das auch nicht war, was mir gefehlt hat. Könnte das bei Dir nicht auch eine Rolle spielen? Dieses Gefühl, jetzt habe ich doch bekommen, was ich wollte, warum kann es denn jetzt nicht mal besser werden? Warum kann bei mir denn nicht auch mal was klappen? Die Wohnung hätte ja auch ruhig sein können, keine lauten Kinder, warum geht bei mir immer alles schief?

Ich kenne auch so gut die Frage: Warum habe ich bloß nicht "Nein" gesagt? Ich habe doch schon gewußt, daß es schiefgeht. Hast Du auch das Gefühl, immer wieder in solche Situationen zu geraten? Immer wieder zu spät "Nein" zu sagen? Ich habe in der letzten Zeit sehr viel darüber nachgedacht, weil es bei mir immer schlimmer wurde. Alles, was ich gekauft habe, habe ich am nächsten Tag zurückgegeben, weil es mir dann doch nicht mehr gefiel. Jede Entscheidung habe ich sofort wieder umgeworfen. Klingt vielleicht ziemlich albern, aber es ist echt schrecklich.... Mir ist auch noch nicht wirklich eine Lösung des Problems eingefallen. Ich versuche, mir jetzt immer klar zu machen, daß Entscheidungen zum einen nicht für den Rest des Lebens getroffen werden und man Konsequenzen manchmal einfach nicht voraussehen kann. Du konntest einfach nicht wissen, daß das Haus so hellhörig ist und unter Euch Kinder wohnen, insofern hast Du in dem Moment die "richtige" Entscheidung getroffen! Das Schlimme ist doch, daß Du diese in Deinen Augen falsche Entscheidung nicht aus dem Kopf bekommst. Hätte ich damals doch bloß....

Läßt sich nicht vielleicht mit den Nachbarn reden und eine Lösung finden? Sowas wie Mittagsruhe vielleicht? Sehr pragmatischer Vorschlag, ich weiß...

Ich kann Dich wirklich gut verstehen, könnte Dir 1000 Beispiele nennen, wo ich mich ganz genauso gefühlt habe wie Du. Habe übrigens auch einen Freund, der sich immer wunderbar mit allem arrangieren kann - ob das vielleicht kein Zufall ist???

Ganz liebe Grüße,
Silke
MadMax
Beiträge: 383
Registriert: 1. Jun 2003, 14:05

Re: Bin neu hier

Beitrag von MadMax »

Hallo zusammen!

Was Du da ansprichst, Silke, von wegen dem Entscheidungen umwerfen, kommt mir sehr bekannt vor. Es ist einfach eine Qual. Das fängt ja schon im Vorfeld damit an, dass bevor ich eine Entscheidung gefällt habe Stunden oder Tage vergehen, in denen ich jedes Für und Wider abwäge, versuche alles genau einzukalkulieren und meine Entscheidung ja auf ein nicht zu erschütterndes Fundament zu bauen. Sehr oft schiebe ich auch eine anstehende Entscheidung einfach auf, versuche sie zu verdrängen. Was dann aber nur den Effekt aht, dass irgendwo im Innern doch noch eine Stimme ist, die mir vorhält, ich solle mich doch gefälligst hier und jetzt damit beschäftigen. Am besten muss dann dabei sofort ein perfektes Ergebnis bei herauskommen.
Tja, und dann ist eine Entscheidung endlich getroffen und ausgeführt, sofort fängt das Spielchen wieder von vorne an, diesmal rückblickend: Musste das jetzt wirklich so sein? Wäre es anders nicht besser gewesen?
Oft versuche ich auch die Dinge nachträglich abzuändern. Und sei es nur eine noch so winzige theoretische Chance. Bevor diese nicht durchdacht und vielleicht ausprobiert ist, gibt es keine "Ruhe".

Aber wie Du schon sagtest: Man kann einfach nicht alles 100%ig planen und kalkulieren. Es können immer unvorhersehbare Dinge passieren. Trotzdem ist der Versuch wider aller Vernunft da, sich eben doch vollkommen gegen alles nur Denkbare zu schützen, indem man vorbereitet ist.
Kennt ihr das auch so?

Viele Grüße!

Mad Max
Tani
Beiträge: 45
Registriert: 25. Aug 2003, 14:21

Re: Bin neu hier

Beitrag von Tani »

Guten Abend zusammen,
hm, auf die Frage mit den Tabletten...das waren einmal Citalopram(schreibt man das so?), die ich ca.6 Wochen genommen habe und deren Dosis auch erhöht wurde, die anderen Tabs waren ähnlich(habe leider schon den Namen vergessen) und nun nehme ich Remergil, von denen ich ab heute Abend 2 anstatt einer nehmen soll. Es dauert nur soo lange(bis zu 6 Wochen), bis man sieht, ob die richtige Wahl getroffen wurde. Meine Mutter übrigens erkrankte nach meiner Geburt an Depressionen, die so schlimm waren, dass sie mich weggeben wollte. Man hat sie dann auch 6 Wochen eingekastelt. Ich will nicht, dass es mir auch so geht, weil wenn ich meiner Arbeit nun auch nicht mehr nachgehen kann, bin ich total am Ende. Die erhält mich am Leben und mein Freund auch. Meine Mutter bekommt Tabs, die mein Arzt mir nicht verschreiben will, weil ich ihm zu jung bin, und die so schlimme Nebenwirkungen haben...irgendwas mit Lithium, Hypnorex Retard heissen die. Was die Entscheidungen angeht...ich bin verblüfft, wie viel Ähnlichkeiten ich feststellen muss, bei mir ist das genauso. Bevor ich mir etwas kaufe, überlege ich unter Umständen tagelang...und wenn es überhaupt zu einer Entscheidung kommt stelle ich alles in Frage...hätte es sein müssen, passt das eine zum anderen? Mal abgesehen von den neuen Möbeln, - da stelle ich auch alles in Frage, was wäre wenn, wie und wie wäre es anders und das da?- bringt mich das zur Verzweiflung. Z.B. brauchen wir neue Bettwäsche, ok, ein andere geht in den Laden, schaut, gefällt gut..nicht bei mir...wenn mir mein Freund nicht geholfen hätte, würde ich wahrscheinlich bald auf der nackten Matratze schlafen...Bei mir beginnt schon eine Art Verwirrung, wenn ich mehr als 2 Farben zur Auswahl habe. Ich stelle alles in Frage, war es richtig, vor 4 Jahren, meine eigene Wohnung aufzugeben und zu meinem Freund zu ziehen? War es richtig den Führerschein zu machen? usw. vorallem reut mich das Geld ohne Ende...auch für die Bude hier haben wir viel Geld ausgegeben und nun durch diesen Lärm ist alles für mich umsonst...unser gemeinsames Hobby(Wellensittiche) macht mir keinen Spaß mehr, und das obwohl ich weiß, daß ich sie mal sehr lieb hatte, würde ich sie am liebsten hergeben...aber mein Freund ist dagegen und er will auch verhindern, daß ich ausziehe. Auch wenn ich manchmal für einen Moment nur denke, dass das eine Entscheidung sein könnte, die ich mehr als bereue, so bekomme ich den Gedanken nicht aus meinem Kopf.
srb
Beiträge: 508
Registriert: 11. Jun 2003, 11:59

Re: Bin neu hier

Beitrag von srb »

Hallo Tanja und Mad Max,

das mit den Entscheidungen ist wirklich zum Verrücktwerden. Es sind ja nicht nur die "großen" Entscheidungen, die so ablaufen, sondern auch die ganz vielen alltäglichen kleinen. Ich mochte z.B. lange Zeit abends nicht mehr essengehen. Fing schon immer damit an, daß alle anderen längst fertig waren und ich immer noch völlig orientierungslos über der Speisekarte brütete. Dieser Druck, sich jetzt für irgend so ein blödes Gericht entscheiden zu müssen - was ja nun weiß Gott keine lebenswichtige Entscheidung ist - wurde immer so groß, daß ich hätte heulen können. Schließlich habe ich irgendwas bestellt und kaum war der Kellner weg, hatte ich darauf überhaupt keinen Hunger mehr. Bis das Essen dann kam, hatte ich mich schon so in meinen Ärger hereingesteigert, war so überzeugt, daß ich das falsche genommen hatte, daß es mir gar nicht mehr schmecken konnte und ich total unzufrieden und genervt war....

Mein Freund findet immer unglaublich, daß für mich das ganze Drama erst richtig losgeht, wenn ich mich entschieden habe. Für ihn ist dann der ganze Druck weg, die Entscheidung ist gefallen und er hat den Kopf wieder frei. Ich empfinde es wie Du, Mad Max, das ganze Spielchen geht von vorne los. Vielleicht liegt es daran, daß ich mich ja nie wirklich entscheide. Nach meinem Studium bekam ich das Angebot, in München eine Doktorarbeit zu schreiben. Ich hatte keine Ahnung, ob ich das nun machen sollte oder nicht, ob ich das wollte oder nicht. Habe alles probiert, Argumente aufgeschrieben, mit anderen Leuten diskutiert, nichts hat geholfen, aber irgendwie mußte ich mich ja entscheiden. Es ist so schrecklich, eine Entscheidung treffen zu müssen, bei der man das Gefühl hat, so oder so nur verlieren zu können. Und irgendwie gerate ich ständig in solche Situationen. Ich habe damals dann in München zugesagt und danach nur noch geheult - und vom ersten Tag an eigentlich alles drangesetzt, da irgendwie wieder rauszukommen. Habe unbewußt die Arbeit boykottiert, bin in Eßstörungen zurückgefallen, und meine wohl schon immer vorhanden gewesenen Depressionen haben sich massiv verschlimmert. Also, ich kenne dieses endlose Hin- und Herdrehen im Kopf nur zu gut.... Wie gehst Du mit dieser Entscheidungsunfähigkeit um, Mad Max? Es heißt ja immer so schön, während einer Depression soll man keine schwerwiegenden Entscheidungen treffen, aber manchmal läßt sich das doch gar nicht verhindern. Stehe z.B. momentan vor der Entscheidung, mich weiter mit meiner Arbeit zu quälen oder zu kündigen. Da ist "sich nicht entscheiden" einfach auch eine Entscheidung, nämlich die, da zu bleiben....

Und nochmal zu Dir, Tanja, mir würde es ohne meinen Freund, der sich nämlich supergut entscheiden kann (Zufall?) genauso gehen wie Dir - wir hätten immer noch keine Möbel in der Wohnung und ich würde vermutlich nackt rumlaufen... Wenn ich an diese Möbelkaufaktionen zurückdenke gruselt es mir immer noch. Und genau wie Dir tut mir auch immer jeder Pfennig weh, ist ja auch doof, Geld auszugeben (was ich mir im Moment wirklich schwer verdiene) für Sachen, die einem dann eh nicht gefallen und die Qual noch verstärken. Aber da bemühe ich mich jetzt wirklich, einfach ein bißchen Abstand zu gewinnen. Weiß immer noch nicht, ob ich unseren Wohnzimmerschrank so toll finde, aber ich kann erstmal damit leben und freue mich schon darauf, wenn ich endlich wieder weiß, was mir gefällt, mir einen neuen zu kaufen !

Und das mit den Hobbies, die keinen Spaß mehr bringen, ist wohl auch ein typisches Merkmal dieser Krankheit. Ich quäle mich jetzt seit Jahren schon mehrmals die Woche zum Reiten, weil ich weiß, daß es mir eigentlich soviel Spaß bringt. Wenn ich erstmal da bin, geht es meist auch, aber sich aufzuraffen, ist jedesmal wieder ein Angang. Wollte ich auch schon sooft hinwerfen, aber irgendwo weiß ich, daß das nicht gut wäre. Ich habe sowieso schon soviel aufgegeben....

Wie ist es denn, wenn Du Dich wirklich mit Deinen Wellensittichen beschäftigst und nicht nur darüber nachdenkst? Auch so schlimm oder ändert sich dann etwas an Deinen Gefühlen?

Ich wünsche Euch beiden auf alle Fälle ein schönes Wochenende!!! Bin dann meist nicht soviel im Netz....

Mad Max, wie geht es Dir denn sonst so? Ein klein wenig besser als letzte Woche?

Alles Liebe,
Silke
MadMax
Beiträge: 383
Registriert: 1. Jun 2003, 14:05

Re: Bin neu hier

Beitrag von MadMax »

Hallo Silke, Tanja und ihr anderen!

Ich glaube, der Druck, den Entscheidungen in uns ausüben, ist einfach zu groß. Der Druck sich ja perfekt zu verhalten, nichts falsch zu machen. Um den Druck zu vermindern wollen wir am liebsten nichts mehr mit Entscheidungen zu tun haben, schieben sie so lange wie möglich vor uns her. Zumal gefällte Entscheidungen weiteren Druck verursachen können. Als Dir, Silke, damals das mit der Doktorarbeit in München angeboten worden ist, war es doch sicherlich für Dich im Grunde genommen eine schöne Bestätigung für Deine Leistungen und dass jemand Dich für so gut und fähig hält, eine Doktorarbeit zu schreiben. Das heisst aber auf der anderen Seite auch, dass Erwartungen an Dich gestellt wurden. Nämlich eine gute Doktorarbeit zu fabrizieren und somit das in Dich gesetzte Vertrauen zu bestätigen. Und da haben wir wieder den Druck: Kaum dass Du Dich für München entscheiden hast, ist da das Gefühl auch beweisen zu müssen, dass man es verdient. Wärst Du nicht dorthin gegangen, hättest Du Dich diesen neuerlichen Ansprüchen entziehen können. Objektiv gesehen wäre es für jeden "Normalo" vermutlich dumm gewesen nicht zuzusagen, aber für Dich hat es erst eine weitere Lawine ins rollen gebracht.
Wie ist es bei Dir denn dann weitergegangen? Hast Du die Doktorarbeit geschafft? Hast Du es durchziehen können? Oder hast Du es abgebrochen?

Anfang der Woche kam ein Kollege auf mich zu und unterbreitete mir, dass ich demnächst für eine Woche auf ein Seminar fahren soll. Das war für mich natürlich zunächst eine schöne Sache, bedeutet es doch, dass der Firma was an mir liegt. Aber quasi im selben Moment war sofort der Gedanke da, dass ich auf jeden Fall ganz besonders gut sein muss und das Seminar top nutzen, wo die doch so ein Vertrauen in mich setzen. Ich darf niemanden enttäuschen. Was natürlich die besten Vorraussetzungen sind, damit genau das passiert.
Wenn auch nicht so weitreichend wie mit Deiner Doktorarbeit, denke ich ist diese Situation ein bißchen vergleichbar.

Gerade eben quäle ich mich auch mit einer recht wichtigen Entscheidung (genaueres möchte ich eigentlich nicht dazu schreiben) herum, die bis morgen gefällt werden muss. Eigentlich möchte ich nur absagen und somit meine Ruhe haben. Aber vom Verstand her wäre es dumm, diese Chance nicht zu nutzen. Somit bin ich wieder in dieser verfilixten Zwickmühle und schiebe die unumgängliche Entscheidung immer weiter auf. Stattdessen poste ich lieber ein bißchen ins Forum... Insofern kann man eigentlich nur sagen, dass ich mit dieser Entscheidungsunfähigkeit gar nicht umgehen kann, sondern immer nur verdränge bis es nicht mehr geht und dann meistens eine sehr spontane Entscheidung fälle.

Tja, wie geht es mir sonst? Physisch gesehen ist es schon bedeutend besser, aber psychisch mache ich nicht gerade eine Hochphase mit, u.a. diese lästige Entscheidung.

Viele liebe Grüße!

Mad Max
srb
Beiträge: 508
Registriert: 11. Jun 2003, 11:59

Re: Bin neu hier

Beitrag von srb »

Hallo Mad Max,

ich beneide Dich wirklich überhaupt nicht um die Situation, in der Du gerade steckst und leide richtig mit, weil ich weiß, wie schrecklich sich das anfühlt.... Darum auch hier nochmal die Frage - und es interessiert mich wirklich! - wie geht es Dir jetzt, wo Du Dich entscheiden mußtest? Ich habe auf alle Fälle an Dich gedacht!

Ich habe die Doktorarbeit fertig gemacht - was alle meine Therapeuten immer sehr verwundert, fühle mich da manchmal gleich in die "Na, dann kann es ja sooo schlimm nicht gewesen sein" Schublade gesteckt - aber ich bin heute sehr im Zweifel, ob es das wert war. Genaugenommen bin ich mir sogar sicher, daß es das nicht war. Vorher ging es mir auch nicht gut, aber so richtig in die Brüche gegangen ist mein Leben erst während der Doktorarbeit. Mir fällt es sehr schwer, Verantwortung zu übernehmen, was wohl sowohl mit der Entscheidungsunfähigkeit als auch mit dem Perfektionismus in Zusammenhang steht, es könnte ja schiefgehen und dann bin ich Schuld!, und während dieser Doktorarbeitszeit habe ich auch versucht, die Verantwortung abzuschieben. Habe gedacht, wenn es mir nur schlecht genug geht, dann wird irgendjemand anderer (mein Freund nämlich) die Verantwortung übernehmen und sagen: Du gehst da nicht mehr hin. Also habe ich angefangen zu hungern, wenig zu schlafen, viel Sport zu treiben, hatte immer häufiger Kopfweh und massive Darmprobleme. Wenn ich an den Wochenenden nach Hause gefahren bin, habe ich mich immer mehr in die Panik vor der Rückfahrt hineingesteigert, so daß ich irgendwann schon Samstagsmittags teilnahmslos und heulend in der Ecke saß, weil ich Sonntagabend wieder fahren mußte. Heute würde ich sagen, ich habe auf alle möglichen Arten um Hilfe gerufen - aber das hat keiner gehört. Alle haben mir noch soviel Verantwortung für mich selbst zugetraut, von der ich nicht weiß, ob ich sie überhaupt noch übernehmen konnte. Habe mich oft gefragt, was ich denn noch tun müßte, damit endlich jemand sieht, wie schlecht es mir geht.

Warum das in München alles so eskaliert ist, weiß ich eigentlich auch nicht, da kam wohl mehreres zusammen. Auf der Arbeit lief es nicht gut, hatte einen total netten, aber super dominanten Betreuer, gegen den ich einfach nicht ankam. Habe mich sehr schnell gar nichts mehr getraut, hatte dann oft gar nichts zu tun und hatte immer Angst, daß jemand was merkt. Bin immer schüchterner geworden, habe mich nicht mehr getraut, was zu fragen, weil ich dachte, alle halten mich sowieso schon für blöd. Um damit umgehen zu können, habe ich mir dann eingeredet, daß mich das alles sowieso nicht interessiert - und das hat so gut geklappt, daß ich heute nicht mehr weiß, ob mir Naturwissenschaft nun Spaß bringt oder nicht....

Zwickmühle und ein unglaublicher Druck - das sind Begriffe, die auch ich mit Entscheidungen in Verbindung bringen würde. Den Vertrag für diese Arbeit habe ich unterschrieben, während ich noch stationär in der Klinik war. Eigentlich wußte ich genau, daß ich kein gutes Gefühl dabei hatte, daß ich es mir eigentlich nicht zugetraut habe. Aber ich dachte eben auch: Du bist bescheuert, wenn Du Nein sagst, so eine Stelle kannst Du nicht ablehnen. Also habe ich bis zuletzt verdrängt. Auf dem Weg zur Vertragsunterzeichnung ging dann das Heulen los und ich konnte nicht mehr aufhören. Habe mich dann kurz zusammengerissen, mit vollkommen verheultem Gesicht den Vertrag unterschrieben und bin heulend wieder weggefahren. In dem Moment war mein ganzes Denken schon nur noch darauf gerichtet, wie ich aus dieser Geschichte wieder herauskomme. Bis heute habe ich keinen Weg gefunden....

Werde schon wieder ganz traurig, wenn ich darüber nachdenke

Ganz liebe Grüße,
Silke
rosarot
Beiträge: 132
Registriert: 11. Mai 2003, 15:50

Re: Bin neu hier

Beitrag von rosarot »

Hallo Tanja,
bist du nun ganz entmuitgt, oder gehts dir zur zeit nicht gut?
Hatte deinen Beitrag von Anfang an verfolgt und frage mich gerade, wie es dir gehen mag.
Melde dich doch mal...
Tina
Tani
Beiträge: 45
Registriert: 25. Aug 2003, 14:21

Re: Bin neu hier

Beitrag von Tani »

Hallo Tina,
bin noch da. Mich hat der Beitrag von Nico mit dem Titel "aint no mountain high enough" irgendwie angesprochen und seitdem poste ich eigentlich nur noch da. Kannst ja mal reinschauen, wenn du magst. Ich weiß nicht viel über dich, vielleicht erzählst du mir mal mehr. Es geht mir im Moment überhaupt nicht gut, wie seit nun fast 5 Monaten. Ich kann es selbst nicht fassen, aber ich komme über den Umzug nicht hinweg. Das war der größte Fehler. Ich wollte zuviel und war selten zufrieden, so wie ich wohnte. Ich wollte es noch ruhiger haben und nun habe ich den größten Lärm. Bis Anfang Oktober hab ich es noch einigermaßen ruhig hier(Nachbarn im Urlaub), aber was ich dann mache, weiß ich nicht. Ich traue mir schon zu, daß ich durchdrehe. Vielleicht ist es auch besser, wenn man mich mal eine Weile wegsperrt. Wie man in seinem Leben alles falsch machen kann, aber auch alles, ist mir ein Rätsel. Dieses Gefühl, egal was ich mache, vom Pech verfolgt zu werden, hängt wie eine Klette an mir. Weißt du, auch wenn man mir nur 2 Möglichkeiten gibt- zwischen Weg A und Weg B- ist das eins zuviel. Wie mit dem verdammten Umzug, wohnen bleiben oder umziehen? Eine neue Chance nutzen(wie ich dachte), oder wohnen bleiben und in Kauf nehmen, es könnte wieder über uns einer einziehen, der laut ist. Meine Entscheidung war klar, als ich jedoch an jenem Abend hörte, wie du von unten(!) jeden Schritt hörst, brach für mich meine Welt zusammen. Über uns ist nun zwar keiner mehr, dafür ist es aber dennoch schlimmer als zuvor. Vor allem vergeht die Zeit so langsam, auch, weil ich ständig denken muß, was hast du vor einem Jahr gemacht? Wenn wir erstmal ein Jahr hier wohnen, dann erst gibt es die alte Wohnung vielleicht nicht mehr in meinem Kopf. Aber so lange halte ich das nicht aus!! Ich kann mich doch deswegen nicht von meinem Freund trennen! Bzw. ausziehen. Wenn mich dann mal jemand fragen würde, warum es auseinander ging und ich antworten müßte: weil mir die Nachbarn zu laut waren...also, das ist doch der totale Wahnsinn.
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